Donnerstag, 27. Dezember 2018
Pink Rose of Cairo oder der schwule Islam
Ständig ist in der Bloggosphäre von der Homophobie und dem Sexismus des Islam die Rede. Hier müsste allerdings eigentlich sehr zwischen Islam und Islamismus unterschieden werden. Denn der Islam an sich ist weit weniger homophob als das Christentum. In islamistischen Staaten wie dem Iran werden Schwule öffentlich an Baukränen aufgehängt, es ist aber noch nicht lange her dass Homoerotisches Auftreten unter Männern in islamischen Ländern zum guten Ton gehörte. Der politische Islamismus wiederum ist kaum älter als 40 Jahre, er ist ein Kind der sozialen Umbrüche der 1970er, des Niedergangs des arabischen Nationalismus und der Revolution im Iran sowie der Radikalisierung des Wahabismus in Saudi-Arabien.

Als ich 1989 zum ersten Mal nach Ägypten kam hatte ich das Gefühl das das Land ein Schwulenparadies sei: Überall die lächelnden Männer die eingehakt oder Hand in Hand gehen, die Anrede „Darling“ hatte ich auch sehr bald.

In arabischen Cafes ist es völlig normal, wenn Männer auf dem Diwan miteinander schmusen (oder es war 1989-1996 normal, ich weiß nicht wie das heute ist), Händchen haltende Männer sind im Straßenbild Kairos oder Assuans eine Selbstverständlichkeit. Arthur Koestlers „Diebe in der Nacht“ vermittelt den Eindruck dass das auch schon zur Zeit der jüdischen Landnahme in Palästina so war. In der Generation meines Vaters gehörte „Fahren wir nach Kairo in den Männerpuff?!“ zu einer der Standard-Stammtischschweinereien, der arabische Orient und männliche Homosexualität waren eindeutig miteinander konnotiert.

So war ich dann überrascht, dass dieser homophile Umgang von arabischen Männern untereinander von eigentlicher Homosexualität zu unterscheiden sei. Homosexualität beginnt nach dortigem Befinden erst wenn Geschlechtsverkehr stattfindet. Offen Schwule würden, obwohl Homosexualität in Ägypten nicht strafbar ist, dort durchaus verfolgt. Männer umarmen, Männer küssen, mit Männern schmusen in der Öffentlichkeit hätten auch damit zu tun dass Frauen aus dem öffentlichen Raum weitgehend verdrängt sind und Intimitäten unter Männern eine Lücke füllen. Zu einem befreundeten heterosexuellen Paar, das ständig in der Öffentlichkeit, z.B. im Bus am Knutschen war meinte Mohammed es läge nur an der ägyptischen Gastfreundlichkeit dass man sie ließe, handele es sich um ein einheimisches Pärchen hätte der Bus schon angehalten, sie wären an die frische Luft gesetzt und schlimmstenfalls gesteinigt worden.


Im traditionellen Islam gibt es eine starke schwule Tradition, Homosexualität unter Männern ist erst seit dem Sichdurchsetzen westlich geprägter Ordnungen verpönt bzw. seit dem Erstarken des Islamismus in Folge erst recht.
 

Ich zitiere aus der Wikipedia: „Nach Aussage des Islamwissenschaftlers Thomas Bauer ist der Islam mehr als tausend Jahre tolerant mit homosexuellen Menschen umgegangen. Bauer betont, dass sich in der arabisch-islamischen Kulturgeschichte zwischen 800 und 1800 „keine Spur von Homophobie“ feststellen lasse.[1] Aus der islamischen Literatur sind zahlreiche homoerotische Gedichte überliefert. Laut Bauer habe erst im 19. Jahrhundert der Westen im Zuge der Kolonialisierung den „Kampf gegen den unordentlichen Sex“ im Nahen Osten eingeführt. Vor dem Jahr 1979 sei in tausend Jahren kein Fall im islamischen Nahen Osten und in Nordafrika bekannt, in dem ein Mann aufgrund einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs mit einem anderen Mann strafrechtlich angeklagt worden sei.[1] Die Auffassung Bauers wird im Wesentlichen von Mounir Baatour geteilt, dem Vorsitzenden von Shams, der ersten tunesischen Organisation, die sich für die Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen einsetzt: „In Tunesien ist Homosexualität erst seit 1913 unter Strafe gestellt: Es waren die Franzosen, die den entsprechenden Paragraphen 230 einführten. Als sie Tunesien kolonisierten, brachten sie ihre Homophobie mit. Dann sind sie wieder abgezogen, doch die Homophobie blieb... Im Islam gibt es keinen einzigen authentischen religiösen Text, der Homosexualität unter eine konkrete Strafe stellt.“


Es sollte allerdings vermieden werden, die Gesellschaften des Maghreb vor der Kolonisierung oder das Osmanische Reich in dieser Hinsicht zu romantisieren bzw. ihnen positive Aspekte gegenüber dem was dann kam abzugewinnen. Im Maghreb war das eine Sklavenhaltergesellschaft mit Haremshaltung, Piraterie und Sklavenhandel als ökonomischer Grundlage ganzer Staatswesen. Aber sie waren in moralischen, gerade auch sexualmoralischen Fragen wesentlich anders als heutige islamische Gesellschaften, eher antiken Auffassungen ähnlich, und das hat etwas damit zu tun wie Tradition und Moderne in diesen Ländern zusammenstießen. Eine gesetzliche Sanktionierung von Homosexualität in der Türkei gab es erst nach dem Ende des Osmanischen Reiches, weil das von Atatürk eingeführte neue Strafgesetzbuch das von Mussolini-Italien war. Damit behaupte ich nicht dass die Strafjustiz des Osmanischen Reiches besser gewesen wäre - sie war weitaus schlimmer als die Scharia und kannte Strafen wie Pfählung und Schinden, d.h. bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Nur ist die in Gesetze gefasste Homophobie ein Kind des Westens, etwas das in der Sattelzeit mit einer spezifischen Form von Bio-Macht, die den Typus des weißen heterosexuellen patriarchalen disziplinierten arbeitenden Mannes zu positiven Norm formte erst erfunden wurde – und in den muslimischen Gesellschaften in der Nachbarschaft heutzutage verfestigter auftritt als im Westen selbst.

https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t_im_Islam

http://lysis.blogsport.de/2008/07/15/coming-soon/


Elisabeth Décultot, Daniel Fulda (Hrsg.): Sattelzeit. Historiographiegeschichtliche Revisionen (= Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 52). Berlin: Oldenbourg Verlag 2016. ISBN 978-3-11-044968-6 Rezension auf hsozkult
Reinhart Koselleck: Einleitung, in: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, Klett Cotta, Stuttgart 1979, S. XV

... comment

 
Vier Fäuste für ein Allahu Akbar!

... link  


... comment