Montag, 20. Juli 2020
Dexamethason bei COVID-19: Publikation zeigt, was es bringt – deutliche Mortalitätssenkung, aber nicht für alle
Michael van den Heuvel, Medscape



Die RECOVERY-Studie hat als größten COVID-19-Therapiestudie schon zu mancher Überraschung geführt. Sie ebnete den Weg zur Zulassung von Remdesivir, stoppte aber auch Lopinavir plus Ritonavir beziehungsweise Hydroxychloroquin. Und Mitte Juni berichtete die University of Oxford in einer Pressemeldung vom Nutzen des Glukokortikoids Dexamethason.

Jetzt hat die RECOVERY Collaborative Group dazu einen Zwischenbericht im NEJM veröffentlicht [1]. Erstautor ist Prof. Dr. Peter Horby von der University of Oxford. Die Forscher bestätigen, dass speziell Patienten mit Atemunterstützung von der Pharmakotherapie profitieren.

Patienten in der Risikogruppe profitieren
„In der RECOVERY-Studie wurde der Nutzen des Glukokortikoids Dexamethason für Patienten mit COVID-19, die zum Zeitpunkt der Randomisierung mechanisch beatmet wurden, klar gezeigt“, schreiben Dr. H. Clifford Lane und der US-Chefinfektiologe Dr. Anthony S. Fauci in einem begleitenden Editorial [2]. Beide forschen am National Institute of Allergy and Infectious Diseases, Bethesda. Sie fassen zusammen: „Bei Patienten in der Dexamethason-Gruppe wurde eine 28-Tage-Mortalität von 29,3% angegeben, verglichen mit 41,4% in der Gruppe mit Standardversorgung. Im Gegensatz dazu wurde bei Patienten, die zum Zeitpunkt der Randomisierung keinen Sauerstoff benötigten, kein Nutzen für Dexamethason festgestellt.“

Beide Editorialisten relativieren, trotz dieser Therapie würden viel zu viele Menschen mit COVID-19 sterben. „Es liegt in der Verantwortung der globalen medizinischen Forschungsgemeinschaft, schnell Studien zu den vielversprechendsten Therapeutika und Impfstoffen gegen diese Krankheit zu konzipieren, durchzuführen und abzuschließen“, so ihre Forderung. Konkret nennen Lane und Fauci monoklonale Antikörper, selektive Immunsuppressiva und Vakzine.

Randomisierte, kontrollierte Studie mit mehr als 6.000 Teilnehmern
Zu den Details aus RECOVERY: Horby und Kollegen nahmen in ihre randomisierte, kontrollierte Studie 6.431 stationäre Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion und mit dem Krankheitsbild COVID-19 auf. Sie erhielten Dexamethason 6 mg einmal täglich oral bzw. intravenös oder die übliche medizinische Versorgung für bis zu 10 Tage. Als primären Endpunkt definierten Forscher die 28-Tage-Mortalität.

Insgesamt erhielten 2.104 Patienten Dexamethason, und 4.321 befanden sich in der Kontrollgruppe. 482 Patienten (22,9%) in der Dexamethason-Gruppe und 1.110 Patienten (25,7%) in der Pflegegruppe starben innerhalb von 28 Tagen nach der Randomisierung (altersbereinigtes Ratenverhältnis 0,83; 95%-Konfidenzintervall: 0,75-0,93), p < 0,001).


„Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen in Bezug auf die Mortalität variierten erheblich je nach Grad der Atemunterstützung“, schreiben die Autoren. In der Dexamethason-Gruppe war die Inzidenz bei Patienten, die invasive mechanische Beatmung erhielten, niedriger als in der Kontrollgruppe (29,3% vs 41,4%; Ratenverhältnis 0,64; 95%-KI: 0,51-0,81). Unterschiede gab es auch bei Patienten, die nur Sauerstoff bekamen (23,3% vs 26,2%; Ratenverhältnis 0,82; 95%-KI: 0,72-0,94). Bei Patienten ohne respiratorische Unterstützung zeigte sich kein Benefit der Pharmakotherapie (17,8% vs 14,0%; Ratenverhältnis: 1,19; 95%-KI: 0,91-1,55).

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