Mittwoch, 17. November 2021
Zur Krankenhausversorgung in Deutschland
Ich weiß nicht so genau, was ich zu diesem Interview sagen soll, jedenfalls steht es quer zu allem was ich bisher gehört und gelesen habe:

https://www.gmx.net/magazine/politik/deutschland-krankenhaeuser-36335418

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"Die Krankenhäuser sind derzeit so leer, wie sie noch nie waren."
Geht's um Corona, hören wir täglich mehrfach den Alarm, dass die Stationen gerade volllaufen. Geht's um Krankenhausschließung, wird gähnende Leere festgestellt.
Und dann kommt die Empörung darüber, dass manch ein Bürger die Sache mit dem Vertrauen nochmal überdenkt.

Busse macht das, was seit Anfang der 90er gemacht wird. Die Privatisierung erfordert möglichst wenige möglichst große Häuser. Je weniger und größer, umso profitabler. Das Problem: Die Bevölkerung will das nicht. Die will ihr nahes Krankenhaus behalten. Daher müssen die Kleineren schlecht gemacht werden, um Angst zu erzeugen und das Meinungsbild zu drehen. Ich habe mehrere Sendungen verfolgt, in denen Ärzte kleiner Häuser mit guten Argumenten dagegen sich verwahren, als Stümper und Pfeifen hingestellt zu werden, deren Häuser die Patienten gefährden.

Corona hat das Kommunikationsproblem verschärft, denn jetzt zeigen sich die Folgen der Privatisierung noch greller als bisher. Da sagt man sich dann: Was kann die PR jetzt tun, um da gegenzuhalten? Die Bertelsmann-Stiftung hat das schon unmittelbar nach Pandemiebeginn gemacht. Busse ist Teil dieser Kommunikationsstrategie. Lauterbach, einer der Privatisierungsfanfaren der ersten Stunde, ebenfalls.

Busse fokussiert Kleinst- und Scheinprobleme, um die neoliberale Botschaft rüberzubringen, wobei er die tatsächlichen Probleme wohlweislich nicht benennt. Ist in den großen Häusern die Fallpauschale abgeschafft? Nö. Ist dort der Personalschlüssel besser? Nö. Hat man jemals Pflege- oder medizinische Kräfte sagen hören: Unser Problem ist, dass unser Haus zu klein ist? Nö. Die reden genau von den Problemen, von denen Busse nicht redet.

Wie tendeziös-manipulativ Busse vorgeht, zeigt sich etwa an seinem Hinweis darauf, dass die Krankenhausschließung auch Ergebnis einer Zusammenlegung sein kann. Das ist richtig, aber richtig ist auch, dass die Schließungen sehr wohl mit einem gewaltigen Bettenabbau einhergehen, bei gleichzeitiger Verschärfung der Arbeitshetze und der tödlichen Hygienemängel.

"Wenn ich ein wichtiges Problem habe, dann gehe ich doch weiter ins Krankenhaus."
Da verdreht er mal nichts, da lügt er direkt. Die Gesundheitsfolgen verschobener Operationen und Krankenhausvermeidung bei Verdacht auf Infarkt oder Schlaganfall sind hinlänglich dokumentiert.

"Ich sage aber, wir haben so viele Patienten, weil wir so viele Krankenhäuser haben. Und wir bezahlen die Krankenhäuser dafür, dass sie Patienten behandeln. Dann müssen wir uns auch nicht wundern, dass so viele Patienten behandelt werden."

Da hat er recht, denn exakt das ist die Folge der Fallpauschale; genau das passiert, wenn man das Krankenhaus von Patientenwohl auf Renditewohl umstellt. Busse empfiehlt nun das Fortschreiten auf dem Weg, der allererst zu diesem Problem führte.

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In der Grundtendenz gebe ich Dir Recht, in einem Punkt aber nicht: "@ Ist in den großen Häusern die Fallpauschale abgeschafft? Nö. Ist dort der Personalschlüssel besser? Nö." ---- Der Personalschlüssel ist besser. Jedenfalls, wenn man Krankenhäuser wie die MHH (Medizinische Hochschule Hannover) oder das Uniklinikum Göttingen heranzieht; woanders würde ich mich auch nicht mehr behandeln lassen und ließ ich mich behandeln, kenne das also aus eigener Erfahrung und auch die Gegenbeispiele, diese u.a. aus der Perspektive des Vorsitzenden eines Vereins, der für Patientenrechte und gegen Pflegenotstand kämpft.

In der MHH kommen auf 1600 Betten 7000 Beschäftigte. Ich lag auf einer Station mit 20 PatientInnen und 4 Pflegekräften auf Nachtschicht, 8 am Tag.

Verglichen mit den meisten kieinen Krankenhäusern ein Traum. Dennoch wird auch dort gestreikt, weil es nur allzu viele Gründe gibt, mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden zu sein. Wenn das selbst da der Fall ist, sagt es einiges über das Gesundheitswesen insgesamt aus.

Clickback: 1986, lange vor der neoliberalen Gesundheitsdeform, warnten im Uniklinikum Göttingen Bereitschaftsärzte: "Achtung! Müde Ärzte - 24 Stunden Dienst."

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