Donnerstag, 4. November 2021
Whistleblowerin berichtet über Schlamperei bei Zulassungsstudie von BioNTech/Pfizer-Vakzin
In BMJ Investigation äußert der Journalist Paul D. Thacker harsche Kritik an einer Studie zum mRNA-Vakzin. Als Quelle nennt er Brook Jackson, eine ehemalige Mitarbeiterin des Forschungsdienstleisters Ventavia. Sie wirft ihrem ehemaligen Arbeitgeber ? und damit indirekt auch BioNTech/Pfizer ? Schlamperei bei der Durchführung der Studie vor. Die Kritikpunkte:

Teilnehmer wurden nach der Injektion in einem Flur untergebracht und nicht, wie vorgesehen, von medizinischen Fachkräften überwacht.

Bei unerwünschten Ereignissen gab es nur mangelhafte Betreuung.

Protokollabweichungen wurden nicht gemeldet.

Impfstoffe wurden nicht bei den richtigen Temperaturen gelagert.

Laborproben wurden falsch etikettiert

Ventavia hat nicht auf Meldungen zu den Kritikpunkten reagiert.

Jackson hat Vorfälle der FDA gemeldet; sie wurde von Ventavia entlassen. Die FDA selbst schickte keine Inspektoren zu Ventavia. 2 weitere Mitarbeiter bestätigten die Beobachtungen gegenüber dem BMJ, wenn auch nur anonym, aus Angst vor Repressalien ihres Arbeitgebers.

?Das, was die Whistleblowerin aufgedeckt hat, ist ohne Frage unschön, wenngleich ich betonen möchte, dass dies meines Erachtens nicht ausreicht, um an der Qualität der klinischen Studie von BioNTech/Pfizer zu zweifeln?, kommentiert Prof. Dr. Peter Kremsner von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. ?Die Impfdaten wurden schon in zahlreichen Studien bestätigt. Von daher sehe ich keinen Grund, sie deswegen jetzt infrage zu stellen.?

Auch Prof. Dr. Oliver A. Cornely von der Uniklinik Köln bestätigt dies: ?Die im The BMJ-Artikel geschilderten Fehler schränken die Aussagekraft der Zulassungsstudie des Impfstoffs nicht ein. Man sollte die Daten der Probanden dieser Zentren aus der Analyse nehmen und so prüfen, ob sich die Studienaussage ändert.? Auf das Zentrum seien nur Daten von 2,3% aller 44.000 Teilnehmer entfallen. ?Zudem ist die Wirksamkeit inzwischen aus Daten aus Israel und anderen Ländern belegt?, sagt Cornely.

Keine baldigen Auffrischungsimpfungen für alle
Aktuell sind 66,8 % der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. Insgesamt haben mindestens 69,5 % eine oder mehrere Impfdosen erhalten.

Im Rahmen einer Pressekonferenz zur Corona-Lage kommentierte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO), Prof. Dr. Thomas Mertens, die Lage. Die Grundimmunisierung sei derzeit wichtiger als Nachimpfungen, so Mertens. In 30% aller Regionen Deutschlands sei die Quote bei den Erstimpfungen viel zu niedrig. Dazu zählen Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen.

Außerdem, so der Experte, gebe es Impflücken bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 59 Jahren. Mertens bestätigte aber, die STIKO wolle sich in ?wenigen Wochen? mit der Frage befassen, ob eine Auffrischungsimpfung generell empfehlenswert sei. Momentan empfiehlt die STIKO allen Menschen über 70 sowie Personen bestimmter Risikogruppen Auffrischungen, falls deren Grundimmunisierung mehr als 6 Monate zurückliegt.

Neue Daten zu Comirnaty®-Auffrischungsimpfungen
Mittlerweile setzen viele Länder auf Booster-Shots. Neue Erfahrungswerte kommen aus Israel. Anhand von Daten der Clalit Health Services wurden Personen, die zwischen dem 30. Juli 2020 und dem 23. September 2021 ihre 3. Impfdosis erhalten hatten, mit demografisch und klinisch ähnlichen Kontrollpersonen ohne Booster-Impfung verglichen.

Teilnehmer hatten die 2. Impfdosis mindestens 5 Monate vor dem Rekrutierungsdatum erhalten, hatten keine frühere dokumentierte SARS-CoV-2-Infektion und hatten in den 3 Tagen vor der Rekrutierung keinen Kontakt mit dem Gesundheitssystem. Personen, die im Gesundheitswesen tätig sind, in Langzeitpflegeeinrichtungen leben oder aus medizinischen Gründen zu Hause bleiben müssen, wurden ausgeschlossen.

1.158.269 Personen kamen für die Aufnahme in die Gruppe mit 3. Dosis in Frage. Nach dem Matching umfassten die Interventions- und die Kontrollgruppe jeweils 728.321 Personen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 52 Jahren, und 51% waren weiblich. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug in beiden Gruppen 13 Tage.

Die Wirksamkeit des Impfstoffs wurde mindestens 7 Tage nach Erhalt der 3. Dosis im Vergleich zu einer mindestens 5 Monate zurückliegenden Verabreichung von nur 2 Dosen bewertet. Sie lag bei 93% (231 Ereignisse bei 2 Dosen gegenüber 29 Ereignissen bei 3 Dosen; 95-KI: 88-97%) für die Einweisung ins Krankenhaus,

92% (157 gegenüber 17 Ereignissen; 95%-KI: 82-97%) für schwere Erkrankungen,

81% (44 gegenüber 7 Ereignissen; 95%-KI: 59-97%) für COVID-19-bedingte Todesfälle.

?Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine 3. Dosis des BNT162b2-mRNA-Impfstoffs wirksam vor schweren COVID-19-bedingten Folgen schützt, verglichen mit nur 2 Dosen, die mindestens 5 Monate zurücklagen?, so das Resümee der Autoren.

Booster sind für Patienten mit hämatologischen Malignomen besonders wichtig
Krebspatienten wird in vielen Ländern zu einem Booster geraten. Doch es gibt wichtige Unterschiede: Bei malignen Bluterkrankungen sind die Immunantworten auf die Impfstoffe noch einmal schwächer als bei soliden Tumoren. Patienten mit hämatologischen Malignomen sollten daher höchste Priorität beim Boostern haben, damit sie vor Durchbruchinfektionen geschützt sind, wie Univadis berichtet.

Grundlage der Arbeit war eine prospektive Kohortenstudie aus Großbritannien. Die Forscher haben 626 Malingom-Patienten im durchschnittlichen Alter von 60 Jahren eingeschlossen, darunter waren 60% Männer. Die Patienten hatten 2 Dosen des BioNTech/Pfizer-mRNA- oder des AstraZeneca-Impfstoffs AZD1222 erhalten.

Vollständige Daten lagen von 585 Patienten vor; 74% (430/585) hatten AZD1222 erhalten und 26% (153/585) BNT162b2. In der Kohorte litten 76% an solide Tumoren und 24% an hämatologischen Krebserkrankungen.

Die Serokonversionsraten (2-4 Wochen nach der 2. Impfung) betrugen 85% bei Patienten mit soliden Tumoren und 59% bei Patienten mit Blutkrebs-Erkrankungen.

Funktionell relevante neutralisierende Antikörper (NAbT) gegen die Deltavariante, die in Deutschland und vielen anderen Ländern vorherrscht, fanden sich nach Impfungen nur bei 54% der Krebspatienten ohne frühere spontane Infektion (bei 62% unter den Impflingen mit soliden Tumoren und bei 31% unter den Impflingen mit hämatologischen Tumoren).

Die AstraZeneca-Vakzine schnitt dabei mit einem Anteil von 50% der Impflinge mit NAbT etwas schlechter ab als die BioNTEch-Vakzine mit 68% und bei beiden Vakzinen waren die Immunantworten gegen die Deltavariante schwächer als bei jüngeren Patienten ohne Malignom (85%).

Die Daten bestätigen die Empfehlungen von Fachgesellschaften, legen aber nach Meinung der Autoren zugleich nahe, dass Patienten mit hämatologischen Malignomen die höchste Priorität für Auffrischungsimpfungen haben sollten, da bei ihnen das höchste Risiko für Durchbruchinfektionen besteht.

CDC: Immungeschwächte profitieren möglicherweise von 4 Impfdosen
Einige Menschen mit mäßig oder stark geschwächtem Immunsystem benötigen möglicherweise 6 Monate nach der 3. Impfung eine 4. Dosis eines mRNA-Impfstoffs gegen COVID-19, schreiben die Centers of Disease Control and Prevention (CDC), USA, wie auch Medscape berichtete.

Erst im August letzten Jahres hatte die Behörde eine 3. Impfdosis für mäßig und stark immungeschwächte Menschen genehmigt, da sie mit nur 2 Dosen möglicherweise keine vollständige Immunantwort entwickeln. Laut CDC machen immungeschwächte Menschen, die vollständig geimpft sind, einen ?großen Anteil? der Durchbruchsfälle aus, die eine Krankenhauseinweisung erfordern.

Experten sprechen keine generelle Empfehlung für eine 4. Dosis aus, empfehlen aber dringend, diese Möglichkeit mit dem behandelnden Arzt zu besprechen.

Ihre Empfehlung gilt nicht für immungeschwächte Personen, die den Impfstoff von Johnson & Johnson erhalten haben. Diese Gruppe sollte mindestens 2 Monate nach der ersten Impfung eine 2. Impfung mit einem zugelassenen Impfstoff erhalten, so die CDC.

Nach Angaben der CDC machen schwer oder mäßig immungeschwächte Menschen etwa 3% der US-Bevölkerung aus. Unter diese Definition fallen Menschen, die eine aktive Krebsbehandlung gegen Tumore oder Blutkrebs erhalten, bei denen eine fortgeschrittene oder unbehandelte HIV-Infektion diagnostiziert wurde, die sich einer aktiven Behandlung mit hochdosierten Kortikosteroiden oder anderen Medikamenten unterziehen sowie Empfänger von Organtransplantaten oder Stammzellen.

COVID-19-Impfstoffe bieten 5-mal so viel Schutz wie eine natürliche Immunität
Ungeimpfte Personen, die erst kürzlich eine Infektion durchgemacht hatten, haben ein 5-mal höheres Risiko, sich erneut mit SARS-CoV-2 zu infizieren als Personen, die vollständig geimpft waren und keine frühere Infektion hatten. Dies geht aus einer neuen Studie hervor, die im Morbidity and Mortality Weekly Report der CDC veröffentlicht worden ist, wie auch Medscape berichtete.

Das Forschungsteam kam zu dem Schluss, dass eine Impfung mindestens 6 Monate lang eine höhere, stärkere und beständigere Immunität gegen die Hospitalisierung mit COVID-19 bietet als eine Infektion allein.

Die Wissenschaftler untersuchten Daten des VISION-Netzwerks, das zwischen 1. Januar und dem 2. September 2021 mehr als 201.000 Krankenhausaufenthalte wegen COVID-19 in 187 Krankenhäusern umfasste. 94.000 der Patienten wurden einem Schnelltest auf das Coronavirus unterzogen, und bei 7.300 konnte das Virus nachgewiesen werden.

Das Forschungsteam stellte fest, dass ungeimpfte Personen mit einer früheren Infektion innerhalb von 3 bis 6 Monaten eine etwa 5,5-mal höhere Wahrscheinlichkeit hatten, im Labor positiv auf COVID-19 getestet zu werden, als Personen, die innerhalb von 3 bis 6 Monaten mit den Impfungen von Pfizer oder Moderna vollständig geimpft worden waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben sich, wenn man die Monate betrachtete, in denen die Delta-Variante der dominierende Stamm des Coronavirus war.

Der Schutz durch den Moderna-Impfstoff schien höher zu sein als der durch den Pfizer-Impfstoff, schreiben die Studienautoren. Außerdem war der Schutz bei älteren Erwachsenen tendenziell höher als bei Personen unter 65 Jahren. Für den Impfstoff von Johnson & Johnson seien weitere Untersuchungen erforderlich, so die Forscher.

Impfschutz für Genesene: Wann ist der beste Zeitpunkt?
In JAMA gingen US-amerikanische Ärzte der Frage nach, wann Genesene idealerweise eine Booster-Impfung bekommen sollten.

In ihre neueste Studie schlossen Forscher 1.960 Mitarbeitern des Gesundheitswesens von Johns Hopkins Medicine, die beide Dosen des Pfizer/BioNTech- oder Moderna-Impfstoffs erhalten hatten, ein. Darunter waren 73 genesene Personen mit positivem PCR-Test auf SARS-CoV-2 vor der 1. Impfdosis.

Die 73 Teilnehmer wurden in 2 Gruppen eingeteilt: Probanden, die 90 Tage oder näher an der 1. Impfdosis infiziert waren, und diejenigen, deren Exposition gegenüber dem Virus mehr als 90 Tage vor der 1. Impfung stattfand.

Antikörperspiegel von Studienteilnehmern mit SARS-CoV-2-Infektion und mit Infektion mehr als 90 Tage vor ihrer Erstimpfung waren um 9% (1 Monat nach der 2. Impfdosis) und 13% (3 Monate nach der 2. Impfung) höher als Titer der Vergleichsgruppe mit 1. Impfung weniger als 90 Tagen nach der Infektion. ?Dies deutet darauf hin, dass ein längeres Intervall zwischen Infektion und 1. Impfdosis die Antikörperantwort verstärken kann?, so die Autoren.

Quellen: Medscape, Univadis

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