Mittwoch, 2. November 2011
Gericht stellt gesetzeswidriges Handeln des Saalekreises fest
http://www.mz-web.de/artikel?id=1319787628324


«Verlassenserlaubnis»
Gericht stoppt den Saalekreis

VON DIRK SKRZYPCZAK, 01.11.11, 21:50h, aktualisiert 01.11.11, 23:43h

MERSEBURG/MZ. Juristische Niederlage für den Saalekreis: Die Behörde darf keine Gebühr verlangen, wenn geduldete Ausländer oder Asylbewerber Anträge stellen, weil sie Sachsen-Anhalt verlassen wollen, um innerhalb Deutschlands zu reisen. Pro sogenannter "Verlassenserlaubnis" hat der Kreis bislang zehn Euro kassiert. Die Regelung wurde jetzt vom Oberverwaltungsgericht (OVG) in Magdeburg für unzulässig erklärt. Der 2. Senat bestätigte damit ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle von 2010. Dagegen hatte der Saalekreis seinerzeit Berufung eingelegt.

"Ich begrüße das Urteil. Mir ist aus der ganzen Bundesrepublik kein Fall bekannt, in dem eine Behörde eine ähnliche Gebühr erhebt", sagte Karamba Diaby. Der gebürtige Senegalese ist Vorsitzender des Zuwanderungs- und Integrationsrates in Deutschland und SPD-Stadtrat in Halle. "Die Praxis des Saalekreises ist für unsere Bemühungen um Integration kontraproduktiv." Diaby forderte die Ausländerbehörde auf, die Entscheidung des Gerichtes zu akzeptieren. "Sonst nimmt das Ansehen des Kreises Schaden." Ähnlich äußerte sich Sebastian Lüdecke, Landeschef der Grünen. Das OVG habe die Rechte von Flüchtlingen gestärkt. "Nun muss ein Verfahren gefunden werden, wie das unrechtmäßig erhobene Geld zügig und unkompliziert zurückgezahlt werden kann." Nach seinen Angaben verfügen Asylbewerber nur über 20 Euro Taschengeld im Monat.

Komi E. aus Togo hatte 2007 den Stein ins Rollen gebracht, als der Alt-Saalkreis von dem heute 32-Jährigen die Reisegebühr verlangte. Dagegen war der Mann, der mittlerweile in Berlin lebt, zu Felde gezogen. Mit der Kreisgebietsreform 2007 hatte der Saalekreis die Regelung übernommen. Komi E. zeigte sich erleichtert: "Mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts dürfte wenigstens eine der Willkür-Praxen der Ausländerbehörden enden", verbreitete er am Dienstag über das Internet.

Der Saalekreis wollte sich nicht äußern und beantwortete auch keine Anfragen, wie viel Geld durch die Gebühr bereits eingenommen wurde. Begründung: Das Urteil sei noch nicht zugeschickt worden. Deshalb hält sich auch das Innenministerium mit einer Beurteilung zurück. "Wir sehen noch keinen Handlungsbedarf", so Sprecherin Anke Reppin. Gleichwohl habe das Ministerium vom Kreis eine Stellungnahme angefordert. So hatte der Kreis während der Berufung an der Gebühr festgehalten.

"Das Urteil wurde nicht öffentlich verkündet, das Ergebnis ist den Beteiligten aber sehr wohl bekannt", sagte OVG-Sprecherin Claudia Schmidt. Eine Revision habe das OVG nicht zugelassen. Der Kreis könne aber Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. Im Saalekreis leben 234 geduldete Ausländer und Asylbewerber. Edward Sulek, Integrationskoordinator des Saalekreises, will das Gespräch mit der Ausländerbehörde suchen, "damit das Thema ein Ende findet".


http://www.mz-web.de/artikel?id=1319787628175

... comment