Samstag, 8. Juni 2013
Fleischhauer und Martenstein schlagen zu - Backlash neue Runde
che2001, 20:28h
Bei der Mädchenmannschaft wird sich zu Recht über einen dummdreisten SPIEGEL-Beitrag, natürlich unter Mitwirkung von Fleischhauer aufgeregt.
http://maedchenmannschaft.net/oh-nein-im-spiegel-steht-was-ueber-feminismus/
Der SPIEGEL steht da in seiner eigenen unrühmlichen Tradition. Schon 1988 nutzte er die von Alice Schwarzer gestartete PorNo-Kampagne, um unter der reißerischen Titelseite "Lieben Frauen Porno?" mit Experten wie Karasek, ich glaube auch Reich Ranicki über erotische Literatur zu diskutieren und darüber, dass Schwarzer die angeblich verbieten wolle sowie darauf hinzuweisen, dass auch Frauen Pornofilme als erotische Stimulanz nutzen würden.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-21113754.html
Dabei war es Schwarzer bzw. der Emma-Redaktion um etwas ganz Anderes gegangen, nämlich darum, Frauen die Möglichkeit zu geben, sich mit Rechtsmitteln gegen Rape-Pornos und Dergleichen zu wehren. Die platte, reißerische und verdrehende Berichterstattung des SPIEGEL machte daraus den angeblichen Versuch, durch Zensur zum Einen Sexmagazine wie den Playboy, zum Anderen klassische erotische Literatur verbieten zu wollen und stellte die Emma-Redaktion Seite an Seite mit katholischen Ordensleuten. In dieser Perspektive, also durch Tatsachenfälschung, konnten sich dann SPIEGEL und Hochglanzyuppiemagazine wie Tempo und Wiener als die sexpositiven Verteidiger der Meinungsfreiheit darstellen.
Der Wiener brachte damals eine Titelstory "Schwarzer Engel flieg mit mir", wo anhand der Tatsache, dass in der Lesbenszene BDSM-Praktiken verbreitet seien behauptet wurde, dass die Ansichten der Emma-Redaktion selbst dort nicht geteilt würden, nach der schrägen Paralogik wer gegen Pornos sei (und wie gesagt, es ging hier um Rape- und Snuffpornos) könne keine BDSM-Praktiken akzeptieren. Das ursprüngliche Anliegen der Emma-Redaktion war erfolgreich unsichtbar gemacht worden.
Zu allem Unglück spielten noch Teile der feministischen und linken Szene dieses Spiel mit. So erwiderte Ingrid Strobl auf den eigentlich haltlosen Vorwurf, die von Schwarzer vorgeschlagene Gesetzesinitiative liefe auf das Verbot klassischer erotischer Literatur hinaus, die Werke de Sades, Millers und Bukowskis hätten keinerlei literarischen Wert und könnten ruhig verboten werden. Der größte Teil der studentischen linken Szene übersetzte die Anti-Porno-Kampagne dergestalt, dass Männer, die Erotikmagazine oder Aktfotobände im Schrank herumstehen hätten oder sich Filme wie Emanuelle anschauten aus linken Zusammenhängen auszuschließen seien. Die von Alice Schwarzer verbreitete Andrea-Dworkin-Formulierung "Pornografie ist die Theorie, Vergewaltigung die Praxis" hatte sich auf Frauen einseitig als unterworfene Opfer präsentierende Gewaltpornografie bezogen, nicht auf erotische Darstellungen insgesamt, diese Tatsache wurde aber komplett untergebuttert. Maria Wieden brachte diese Art von falschverstandenem Antisexismus zu ihrem polemischen Essay "Wider den linken Moralismus von Sexualität" in der Zeitschrift Ästhetik&Kommunikation.
Dieses Thema wird auch, among other things, in dem Podcast behandelt, das Katrin Rönicke mit mir aufgenommen hatte.
http://erscheinungsraum.de/er003-che-antirassismus-fluchtlingsarbeit-und-bergsteigen-aus-einem-bewegten-leben-2/
Auf der bekannten alten Linie bewegt sich der aktuelle SPIEGEL-Beitrag. Plattheiten wie der Frage, wer sich die Achselhaare rasiert oder auch nicht haben nun wirklich nichts mit einer Debatte über Inhalte zu tun; das ist Bild-Niveau. Wobei ich allerdings auch nicht begreife, wieso die Frage, wer sich wo rasiert irgendetwas mit Welt- und Menschenbildern zu tun hat, ich hatte das hier ja schon einmal thematisiert.
http://che2001.blogger.de/stories/1185202/
Es ist allerdings bezeichnend, dass Femen im SPIEGEL eher gut wegkommen. Weniger wegen deren Anliegen - ihre St.Pauli-Protestaktion, bei der Sexarbeit mit NS-Vernichtungslagern verglichen wurde dürfte auch beim SPIEGEL nicht gut gelitten sein - sondern weil sie öffentlich nackte Busen zeigen. Das goutiert der männliche SPIEGEL-Redakteur ganz unabhängig vom Inhalt der Protestaktion, in dieser Hinsicht völlig unreflektiert in Pornouserhaltung verweilend.
Zeitgleich lässt sich in der ZEIT auch Harald Martenstein über das Thema Gender vs. Biologismus aus, was sein permanentes Dauerthema seit Jahren ist.
http://www.zeit.de/2013/24/genderforschung-kulturelle-unterschiede
Witzigerweise in der selben Ausgabe, in der davon die Rede ist, dass der Evolutionstheoretiker und Soziobiologe Wilson heute einräumt, dass kulturelles Lernen und soziale Verhältnisse menschliche Entwicklung viel stärker prägen als von der Genetik bisher angenommen und selber Einfluss auf die Evolution des Menschen gehabt hätten.
Verglichen mit der Wucht, mit der Ende der 80er Anfang der 90er feministische Positionen verdreht wurden mutet das, was die beiden Leitmedien hier gerade vorführen eher bescheiden an, aber die Wahl des Zeitpunkts fällt schon auf. Während im Bundestag de facto über Rechte von Schwulen und Lesben verhandelt wird und das Thema Homoehe in Frankreich Mobilisierungsfaktor für die größte rechtsradikale Kampagne seit Jahrzehnten ist erscheinen zwei solche Beiträge in ein und derselben Woche in den beiden wichtigsten sogenannten linksliberalen Wochenblättern. Welche Funktion diese mogadischoliberale Presse hat wissen wir seit der Abschaffung des Asylrechts 1993: Das linksliberale Lager für rechtskonservative Ideen weichspülen und im Tonfall des süffisanten Spotts linke bzw. emanzipatorische Ideen lächerlich machen.
http://www.darangehtdieweltzugrunde.net/2013/06/10/unreflektierter-journalismus-eine-streitschrift/
http://maedchenmannschaft.net/oh-nein-im-spiegel-steht-was-ueber-feminismus/
Der SPIEGEL steht da in seiner eigenen unrühmlichen Tradition. Schon 1988 nutzte er die von Alice Schwarzer gestartete PorNo-Kampagne, um unter der reißerischen Titelseite "Lieben Frauen Porno?" mit Experten wie Karasek, ich glaube auch Reich Ranicki über erotische Literatur zu diskutieren und darüber, dass Schwarzer die angeblich verbieten wolle sowie darauf hinzuweisen, dass auch Frauen Pornofilme als erotische Stimulanz nutzen würden.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-21113754.html
Dabei war es Schwarzer bzw. der Emma-Redaktion um etwas ganz Anderes gegangen, nämlich darum, Frauen die Möglichkeit zu geben, sich mit Rechtsmitteln gegen Rape-Pornos und Dergleichen zu wehren. Die platte, reißerische und verdrehende Berichterstattung des SPIEGEL machte daraus den angeblichen Versuch, durch Zensur zum Einen Sexmagazine wie den Playboy, zum Anderen klassische erotische Literatur verbieten zu wollen und stellte die Emma-Redaktion Seite an Seite mit katholischen Ordensleuten. In dieser Perspektive, also durch Tatsachenfälschung, konnten sich dann SPIEGEL und Hochglanzyuppiemagazine wie Tempo und Wiener als die sexpositiven Verteidiger der Meinungsfreiheit darstellen.
Der Wiener brachte damals eine Titelstory "Schwarzer Engel flieg mit mir", wo anhand der Tatsache, dass in der Lesbenszene BDSM-Praktiken verbreitet seien behauptet wurde, dass die Ansichten der Emma-Redaktion selbst dort nicht geteilt würden, nach der schrägen Paralogik wer gegen Pornos sei (und wie gesagt, es ging hier um Rape- und Snuffpornos) könne keine BDSM-Praktiken akzeptieren. Das ursprüngliche Anliegen der Emma-Redaktion war erfolgreich unsichtbar gemacht worden.
Zu allem Unglück spielten noch Teile der feministischen und linken Szene dieses Spiel mit. So erwiderte Ingrid Strobl auf den eigentlich haltlosen Vorwurf, die von Schwarzer vorgeschlagene Gesetzesinitiative liefe auf das Verbot klassischer erotischer Literatur hinaus, die Werke de Sades, Millers und Bukowskis hätten keinerlei literarischen Wert und könnten ruhig verboten werden. Der größte Teil der studentischen linken Szene übersetzte die Anti-Porno-Kampagne dergestalt, dass Männer, die Erotikmagazine oder Aktfotobände im Schrank herumstehen hätten oder sich Filme wie Emanuelle anschauten aus linken Zusammenhängen auszuschließen seien. Die von Alice Schwarzer verbreitete Andrea-Dworkin-Formulierung "Pornografie ist die Theorie, Vergewaltigung die Praxis" hatte sich auf Frauen einseitig als unterworfene Opfer präsentierende Gewaltpornografie bezogen, nicht auf erotische Darstellungen insgesamt, diese Tatsache wurde aber komplett untergebuttert. Maria Wieden brachte diese Art von falschverstandenem Antisexismus zu ihrem polemischen Essay "Wider den linken Moralismus von Sexualität" in der Zeitschrift Ästhetik&Kommunikation.
Dieses Thema wird auch, among other things, in dem Podcast behandelt, das Katrin Rönicke mit mir aufgenommen hatte.
http://erscheinungsraum.de/er003-che-antirassismus-fluchtlingsarbeit-und-bergsteigen-aus-einem-bewegten-leben-2/
Auf der bekannten alten Linie bewegt sich der aktuelle SPIEGEL-Beitrag. Plattheiten wie der Frage, wer sich die Achselhaare rasiert oder auch nicht haben nun wirklich nichts mit einer Debatte über Inhalte zu tun; das ist Bild-Niveau. Wobei ich allerdings auch nicht begreife, wieso die Frage, wer sich wo rasiert irgendetwas mit Welt- und Menschenbildern zu tun hat, ich hatte das hier ja schon einmal thematisiert.
http://che2001.blogger.de/stories/1185202/
Es ist allerdings bezeichnend, dass Femen im SPIEGEL eher gut wegkommen. Weniger wegen deren Anliegen - ihre St.Pauli-Protestaktion, bei der Sexarbeit mit NS-Vernichtungslagern verglichen wurde dürfte auch beim SPIEGEL nicht gut gelitten sein - sondern weil sie öffentlich nackte Busen zeigen. Das goutiert der männliche SPIEGEL-Redakteur ganz unabhängig vom Inhalt der Protestaktion, in dieser Hinsicht völlig unreflektiert in Pornouserhaltung verweilend.
Zeitgleich lässt sich in der ZEIT auch Harald Martenstein über das Thema Gender vs. Biologismus aus, was sein permanentes Dauerthema seit Jahren ist.
http://www.zeit.de/2013/24/genderforschung-kulturelle-unterschiede
Witzigerweise in der selben Ausgabe, in der davon die Rede ist, dass der Evolutionstheoretiker und Soziobiologe Wilson heute einräumt, dass kulturelles Lernen und soziale Verhältnisse menschliche Entwicklung viel stärker prägen als von der Genetik bisher angenommen und selber Einfluss auf die Evolution des Menschen gehabt hätten.
Verglichen mit der Wucht, mit der Ende der 80er Anfang der 90er feministische Positionen verdreht wurden mutet das, was die beiden Leitmedien hier gerade vorführen eher bescheiden an, aber die Wahl des Zeitpunkts fällt schon auf. Während im Bundestag de facto über Rechte von Schwulen und Lesben verhandelt wird und das Thema Homoehe in Frankreich Mobilisierungsfaktor für die größte rechtsradikale Kampagne seit Jahrzehnten ist erscheinen zwei solche Beiträge in ein und derselben Woche in den beiden wichtigsten sogenannten linksliberalen Wochenblättern. Welche Funktion diese mogadischoliberale Presse hat wissen wir seit der Abschaffung des Asylrechts 1993: Das linksliberale Lager für rechtskonservative Ideen weichspülen und im Tonfall des süffisanten Spotts linke bzw. emanzipatorische Ideen lächerlich machen.
http://www.darangehtdieweltzugrunde.net/2013/06/10/unreflektierter-journalismus-eine-streitschrift/
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genova68,
Samstag, 8. Juni 2013, 22:15
Guter Artikel, danke.
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netbitch,
Sonntag, 9. Juni 2013, 01:14
Hier zeigt sich mal die ganze Qualität des gelernten Politikwissenschaftlers: Das Thema wird im Rahmen aktueller gesellschaftlicher Diskurse operationalisiert und nicht nur einfach kommentiert. Ich finde das geradezu genial. Und habe selber sehr viel darüber gelernt, was damals abging und mir bisher nicht klar war. Danke dafür!
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ziggev logged in,
Montag, 10. Juni 2013, 16:49
superschlau, genial
ja, stimmt, schön in AntiSPIEGEL-Manier geschrieben!
Z.B. (zum Busen): "Das goutiert der männliche SPIEGEL-Redakteur ganz unabhängig vom Inhalt der Protestaktion, in dieser Hinsicht völlig unreflektiert in Pornouserhaltung verweilend."
Das hatte ich damals nicht reflektiert, aber irgendetwas stimmte da nicht - und also wandte ich mich entschieden von der ganzen Emanzipationsdebatte ab, war allerdings auch zu faul, - abgesehen von Doris Lessing und Simone de Beauvoir - irgendetwas davon zu lesen, geschweige denn "Emma".
Daher ertragreich, diese Geschichte auf diese Weise nachgezeichnet vorzufinden!
Aber eine Frage hätte ich:
" ... dass der Evolutionstheoretiker und Soziobiologe Wilson heute einräumt, dass kulturelles Lernen und soziale Verhältnisse menschliche Entwicklung viel stärker prägen als von der Genetik bisher angenommen und selber Einfluss auf die Evolution des Menschen gehabt hätten." - Wann hat denn der Wilson das eingeräumt? Ich kann gar nicht so lange zurückdenken, um den Zeitpunkt, seitdem mir das eine Selbstverständlichkeit ist, zu datieren. Ich weiß also nicht, woher ich das hab, aber dass der Neokortex sich ausbilden konnte, weil musste, weil dies aufgrund der Komplexität soz. Interation erforderlich war, welche Komplexität des sozialen Verhaltens eben wegen dieses evolutionären Wechselspiels ihn zunehmend von anderen Tieren zu unterscheiden begann, scheint mir nun schon seit einiger Zeit sehr einleuchtend zu sein.
Es wird doch schon sei einigen Jahren von "Hardliner"-Biologisten diskutiert, wie und ob sich die Fähigkeit, einen religiösen Glauben auszubilden, evolutiv als Überlebensvorteil ausgewirkt haben könnte.
Superschlau, genial: Weil sich die nicht zu unterschätzende Rolle des Sozialverhaltens des Menschen sich offenbar selbst auf die genetische Geschichte des Menschen ausgewirkt hat, ist es nur plausibel, dass Kommunikation und soziales Verhalten in jedem Falle "prägend" seien!
Z.B. (zum Busen): "Das goutiert der männliche SPIEGEL-Redakteur ganz unabhängig vom Inhalt der Protestaktion, in dieser Hinsicht völlig unreflektiert in Pornouserhaltung verweilend."
Das hatte ich damals nicht reflektiert, aber irgendetwas stimmte da nicht - und also wandte ich mich entschieden von der ganzen Emanzipationsdebatte ab, war allerdings auch zu faul, - abgesehen von Doris Lessing und Simone de Beauvoir - irgendetwas davon zu lesen, geschweige denn "Emma".
Daher ertragreich, diese Geschichte auf diese Weise nachgezeichnet vorzufinden!
Aber eine Frage hätte ich:
" ... dass der Evolutionstheoretiker und Soziobiologe Wilson heute einräumt, dass kulturelles Lernen und soziale Verhältnisse menschliche Entwicklung viel stärker prägen als von der Genetik bisher angenommen und selber Einfluss auf die Evolution des Menschen gehabt hätten." - Wann hat denn der Wilson das eingeräumt? Ich kann gar nicht so lange zurückdenken, um den Zeitpunkt, seitdem mir das eine Selbstverständlichkeit ist, zu datieren. Ich weiß also nicht, woher ich das hab, aber dass der Neokortex sich ausbilden konnte, weil musste, weil dies aufgrund der Komplexität soz. Interation erforderlich war, welche Komplexität des sozialen Verhaltens eben wegen dieses evolutionären Wechselspiels ihn zunehmend von anderen Tieren zu unterscheiden begann, scheint mir nun schon seit einiger Zeit sehr einleuchtend zu sein.
Es wird doch schon sei einigen Jahren von "Hardliner"-Biologisten diskutiert, wie und ob sich die Fähigkeit, einen religiösen Glauben auszubilden, evolutiv als Überlebensvorteil ausgewirkt haben könnte.
Superschlau, genial: Weil sich die nicht zu unterschätzende Rolle des Sozialverhaltens des Menschen sich offenbar selbst auf die genetische Geschichte des Menschen ausgewirkt hat, ist es nur plausibel, dass Kommunikation und soziales Verhalten in jedem Falle "prägend" seien!
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