Montag, 9. Juni 2014
Vom Umgang mit den Flüchtlingen
che2001, 21:22h
Ein sich selbst Bespiegeln im Fremden, sich Bestätigt fühlen durch das scheinbare Anderssein der Anderen, bisweilen auch sich selber in Frage stellen, das ist sehr ausschlaggebend für den Umgang weißer EuropäerInnen mit Menschen von anderswoher. Sehr deutlich sichtbar wird das am Umgang mit Geflüchteten in Europa oder an dessen Grenzzaun, aber auch im zumeist projektivem Blick auf „die Anderen“ generell. Für mich selbst sind da vier Werke von entscheidender Bedeutung, die meinen eigenen Blickwinkel früh prägten und die zu lesen ich nur ans Herz legen kann:
Beobachtende Vernunft. Philosophie und Anthropologie in der Aufklärung von Sergio Moravia, Entzauberter Blick – Das Bild vom Guten Wilden von Karl-Heinz Kohl sowie Authentizität und Betrug in der Ethnologie und Nacktheit und Scham - Der Mythos vom Zivilisationsprozess 1, beide von Hans-Peter Duerr. Also, das sind keine Bücher, die sich direkt mit Interkulturalität oder Rassismus befassen, sondern historisch-anthropologische Lehrbücher. Sie sind aber dadurch wichtig, indem sie die ideengeschichtlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen der Wahrnehmung außereuropäischer Menschen durch die europäische Brille aufschlüsseln. Sowohl für meine wissenschaftliche Arbeit als historischer Anthropologe (oder an ethnologischen Fragen interessierter Alltagshistoriker, in meinem Bereich sind Geschichtswissenschaft und Anthropologie Schnittmengen) als auch für meine antirassistischen Aktivitäten waren und sind diese Werke unerhört wertvoll.
- Dies nur als Vorbemerkung. Wenn ich so sehe, aus welchen Perspektiven die Geflüchteten aus Lampedusa in den Camps in Hamburg, Hannover, Berlin und München auch von durchaus linker Seite betrachtet werden macht das insgesamt diskursiv gesehen schon ein Riesenfass auf, vom Umgang mit den konkreten Menschen ganz abgesehen.
http://metalust.wordpress.com/2013/10/30/ein-dank-von-ganzem-herzen-an-die-refugees-der-lampedusa-grupppe-in-hh/
Bei Momo habe ich ja immer wieder den sonderbaren Eindruck, dass der wie ein Schwamm aufsaugt, was bei den radikaleren Flügeln der antirassistischen und feministischen Linken gerade en vogue ist (oder meinethalben konsensbildend wirkt) und das dann zur Quintessenz steigert, obwohl er selbst immer betont, dass er die betreffenden politischen Zirkel gar nicht kennen würde. Gleichzeitig passiert da ein déjá-vu. Mir wird ja oft vorgeworfen, dass ich im Zug mit dem Blick nach hinten fahre, aber das hat seine sehr guten Gründe. Die Solidarität, die Momo den Flüchtlingen entgegenbringt, auch die historische Perspektive angesichts der Kolonialgeschichte teile ich, was allerdings schlechterdings absurd wirkt ist die regelrechte Verehrung der Flüchtlinge, die hier zu spüren ist. Diese wiederum entspricht einer Strömung, die aktuell im antirassistischen Engagement gerade jüngerer Leute stark ausgeprägt ist und die wir schon mal hatten. Als nach dem Zweiten Golfkrieg von 1991 und dem Ausbruch des jugoslawischen Bürgerkriegs, im Vorfeld der Abschaffung des alten Asylrechts massenweise Flüchtlinge in kurzer Zeit nach Deutschland kamen und gleichzeitig in der Republik Flüchtlingsunterkünfte brannten war dies eine absolute Hochzeit antirassistischer Mobilisierung, ja, die Antira in Abgrenzung zur Antifa wurde in dieser Zeit überhaupt erst geboren. Der Unterschied liegt darin, dass typische Antifas in erster Linie gegen Nazis kämpften und die Flüchtlinge in den Unterkünften als die zu beschützenden Opfer betrachteten, während Antira bedeutet, bei der Perspektive anzuknüpfen, gemeinsame politische Praxis mit den Flüchtlingen hinzubekommen. Die politischen Gruppen, in denen ich damals so aktiv war gehörten in diesem Sinne zu den ersten Antiragruppen. Als wir einmal diskutierten, woher unser Engagement eigentlich kommt, fielen Begriffe wie „Helfersyndrom“, „antiimperialistische Solidarität“ und „Das sind die Gearschten, da ist klar, wer auf wessen Seite steht“. Ein bunter Strauß an Motivationen also, die alle Sinn ergaben und sehr ehrenhaft waren.
Da gab es aber auch noch etwas Anderes. Nicht innerhalb der eigenen Zusammenhänge, aber innerhalb der undogmatischen nichtparteiförmigen Linken (wegen mir: Autonomen) war dies sogar extrem verbreitet: Die Flüchtlinge wurden nicht einfach willkommen geheißen, sie wurden nicht einfach solidarisch betrachtet, sondern vielfach mit einer messianischen Heilserwartung. Sie waren diejenigen, von denen wir erschlafften Metropolenlinken sozialrevolutionäre Praxis lernen sollten. Sie waren diejenigen, die sozusagen stellvertretend für uns soziale Kämpfe führen sollten, bzw. wurde ihr Kampf und der Kampf an ihrer Seite als wichtiger als soziale Bewegungen in deutschen Bevölkerungsgruppen betrachtet. Zum damaligen Zeitpunkt war dies Gegenstand zahlreicher (selbst)kritischer innerlinker Debatten, die 1992 in dem Buch „Geschichte, Rassismus und das Boot. Wessen Kampf gegen welche Verhältnisse?“ von der autonomen Lupus-Gruppe aus Frankfurt einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. In der Folge änderte sich teilweise tatsächlich der Charakter der Flüchtlingsarbeit linksradikaler Gruppen und war in manchen Bereichen außer der Tatsache, dass alles ehrenamtlich war kaum noch von dem zu unterscheiden, was etwa Caritas und Diakonisches Werk machten, abgesehen vom grundsätzlichen politischen Selbstverständnis.
Dies alles weiß die heutige linke Szene nicht mehr und schickt sich an, die begangenen Fehler einer früheren Szenegeneration zu wiederholen. Dies hängt damit zusammen, dass linke Bewegungen (unter links sind feministisch, antirassistisch usw. mit einbezogen) in Deutschland in erster Linie Bewegungen junger Leute sind. Für die meisten ist mit dem Eintritt ins Berufsleben nach dem Studium, mit der Ehe, mit dem ersten Kind oder irgendeinem ähnlich einschneidenden Ereignis das linke Engagement zu Ende. Da wird später vielleicht noch am Kaminfeuer von erzählt, es wird aber nichts an nachfolgende Generationen weitergegeben. And the same shit will happen again and again and again.
Den Kopf schütteln musste ich auch, als ich anderswo las: „Noch vertrackter ist es natürlich mit Flüchtlingen aus Afrika, deren Unterstützer aus jedem, der nicht für sie ist, einen Nazi und Rassisten machen. Das Kalkül ist einfach, Linksextremisten wollen generell alle Staaten abschaffen (siehe "Sozialistische Weltrepublik") und da ist das Asylrecht natürlich auch ein Kampfplatz.“ ---- Mit der extremen Linken kenne ich mich nun aus wie mit wenig anderen Dingen, und dieses Ziel, „Sozialistische Weltrepublik“, wurde so im Zeitraum 1978 – 1982, zwischen Tunix-Kongress und Tübinger Internationalismus-Tagen zu Grabe getragen. Die autonome Linke sieht politische Arbeit seither themen- projekt- und kampagnenbezogen. Die Motivationen, Flüchtlingen zu helfen sind da, wie oben beschrieben, sehr ambivalent. Eine wichtige Rolle spielt sicher auch immer das Bestreben, vom Staat und vom Kapital unkontrollierbare Räume zu schaffen, nichts Anderes beinhaltet ja der Ausdruck „Autonomie.“
Wobei ich oftmals schon zu der Folgerung kam, dass autonome Linke im Grunde die verschärftere Ausgabe des Greenpeace- amnesty - NGO- Spektrums sind, mit eigenem Jargon, eigener Mode und eigenem Brauchtum.
Stutzig werde ich auch, wenn „die Antifa“ als eine einzige zusammenhängende politische Bewegung gesehen wird. Es ist fast 20 Jahre her, dass einmal versucht wurde, eine bundesweite antifaschistische Organisation zu schaffen, heutige Antifagruppen bestehen so im Schnitt aus 5 – 10 Leuten. Sie sind zwar untereinander vernetzt und verwenden die gleichen Logos und Symbole, die Friktionen unter den Gruppen können aber auch schon mal so groß sein dass mensch sich weigert die gleichen Räumlichkeiten zu nutzen.
---- Aus den alten Erfahrungen mit Flüchtlingsarbeit in den 90ern lässt sich natürlich lernen und daran anknüpfen. Mein Umgang mit der Flüchtlingsthematik war da immer ein sehr simpler: Kommt zusammen Leute, lernt Euch kennen. Als während des jugoslawischen Bürgerkriegs Flüchtlinge in Turnhallen einquartiert waren haben wir sie dort besucht und mit ihnen geredet. Politikwissenschaftliche Arbeiten zum Thema Asyl wurden geschrieben auf Basis von Interviews, die mit den Geflüchteten geführt wurden, jeden Sonntag haben Familien aus der Nachbarschaft mit Kind und Kegel die Flüchtlinge in deren Wohnheimen besucht und sie mit Gebäck, Kinderspielzeug und Kuscheltieren beschenkt, und daran knüpfte nahtlos ehrenamtliche Sozialarbeit an. Cassandra z.B. hat einen Großteil ihrer Freizeit mit Schwimm- und Sprachkursen für bosnische Mädchen verbracht. All diese Dinge, die schon mal von späteren Gesprächspartnern als „bewundernswert“ bezeichnet wurden würde ich als Selbstverständlichkeiten menschlichen Anstands bezeichnen, als soziale Kompetenz und nichts weiter. Wir wären Arschlöcher gewesen, hätten wir uns anders verhalten. Was es heute gilt ist es, vergleichbare Strukturen wieder aufzubauen.
Beobachtende Vernunft. Philosophie und Anthropologie in der Aufklärung von Sergio Moravia, Entzauberter Blick – Das Bild vom Guten Wilden von Karl-Heinz Kohl sowie Authentizität und Betrug in der Ethnologie und Nacktheit und Scham - Der Mythos vom Zivilisationsprozess 1, beide von Hans-Peter Duerr. Also, das sind keine Bücher, die sich direkt mit Interkulturalität oder Rassismus befassen, sondern historisch-anthropologische Lehrbücher. Sie sind aber dadurch wichtig, indem sie die ideengeschichtlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen der Wahrnehmung außereuropäischer Menschen durch die europäische Brille aufschlüsseln. Sowohl für meine wissenschaftliche Arbeit als historischer Anthropologe (oder an ethnologischen Fragen interessierter Alltagshistoriker, in meinem Bereich sind Geschichtswissenschaft und Anthropologie Schnittmengen) als auch für meine antirassistischen Aktivitäten waren und sind diese Werke unerhört wertvoll.
- Dies nur als Vorbemerkung. Wenn ich so sehe, aus welchen Perspektiven die Geflüchteten aus Lampedusa in den Camps in Hamburg, Hannover, Berlin und München auch von durchaus linker Seite betrachtet werden macht das insgesamt diskursiv gesehen schon ein Riesenfass auf, vom Umgang mit den konkreten Menschen ganz abgesehen.
http://metalust.wordpress.com/2013/10/30/ein-dank-von-ganzem-herzen-an-die-refugees-der-lampedusa-grupppe-in-hh/
Bei Momo habe ich ja immer wieder den sonderbaren Eindruck, dass der wie ein Schwamm aufsaugt, was bei den radikaleren Flügeln der antirassistischen und feministischen Linken gerade en vogue ist (oder meinethalben konsensbildend wirkt) und das dann zur Quintessenz steigert, obwohl er selbst immer betont, dass er die betreffenden politischen Zirkel gar nicht kennen würde. Gleichzeitig passiert da ein déjá-vu. Mir wird ja oft vorgeworfen, dass ich im Zug mit dem Blick nach hinten fahre, aber das hat seine sehr guten Gründe. Die Solidarität, die Momo den Flüchtlingen entgegenbringt, auch die historische Perspektive angesichts der Kolonialgeschichte teile ich, was allerdings schlechterdings absurd wirkt ist die regelrechte Verehrung der Flüchtlinge, die hier zu spüren ist. Diese wiederum entspricht einer Strömung, die aktuell im antirassistischen Engagement gerade jüngerer Leute stark ausgeprägt ist und die wir schon mal hatten. Als nach dem Zweiten Golfkrieg von 1991 und dem Ausbruch des jugoslawischen Bürgerkriegs, im Vorfeld der Abschaffung des alten Asylrechts massenweise Flüchtlinge in kurzer Zeit nach Deutschland kamen und gleichzeitig in der Republik Flüchtlingsunterkünfte brannten war dies eine absolute Hochzeit antirassistischer Mobilisierung, ja, die Antira in Abgrenzung zur Antifa wurde in dieser Zeit überhaupt erst geboren. Der Unterschied liegt darin, dass typische Antifas in erster Linie gegen Nazis kämpften und die Flüchtlinge in den Unterkünften als die zu beschützenden Opfer betrachteten, während Antira bedeutet, bei der Perspektive anzuknüpfen, gemeinsame politische Praxis mit den Flüchtlingen hinzubekommen. Die politischen Gruppen, in denen ich damals so aktiv war gehörten in diesem Sinne zu den ersten Antiragruppen. Als wir einmal diskutierten, woher unser Engagement eigentlich kommt, fielen Begriffe wie „Helfersyndrom“, „antiimperialistische Solidarität“ und „Das sind die Gearschten, da ist klar, wer auf wessen Seite steht“. Ein bunter Strauß an Motivationen also, die alle Sinn ergaben und sehr ehrenhaft waren.
Da gab es aber auch noch etwas Anderes. Nicht innerhalb der eigenen Zusammenhänge, aber innerhalb der undogmatischen nichtparteiförmigen Linken (wegen mir: Autonomen) war dies sogar extrem verbreitet: Die Flüchtlinge wurden nicht einfach willkommen geheißen, sie wurden nicht einfach solidarisch betrachtet, sondern vielfach mit einer messianischen Heilserwartung. Sie waren diejenigen, von denen wir erschlafften Metropolenlinken sozialrevolutionäre Praxis lernen sollten. Sie waren diejenigen, die sozusagen stellvertretend für uns soziale Kämpfe führen sollten, bzw. wurde ihr Kampf und der Kampf an ihrer Seite als wichtiger als soziale Bewegungen in deutschen Bevölkerungsgruppen betrachtet. Zum damaligen Zeitpunkt war dies Gegenstand zahlreicher (selbst)kritischer innerlinker Debatten, die 1992 in dem Buch „Geschichte, Rassismus und das Boot. Wessen Kampf gegen welche Verhältnisse?“ von der autonomen Lupus-Gruppe aus Frankfurt einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. In der Folge änderte sich teilweise tatsächlich der Charakter der Flüchtlingsarbeit linksradikaler Gruppen und war in manchen Bereichen außer der Tatsache, dass alles ehrenamtlich war kaum noch von dem zu unterscheiden, was etwa Caritas und Diakonisches Werk machten, abgesehen vom grundsätzlichen politischen Selbstverständnis.
Dies alles weiß die heutige linke Szene nicht mehr und schickt sich an, die begangenen Fehler einer früheren Szenegeneration zu wiederholen. Dies hängt damit zusammen, dass linke Bewegungen (unter links sind feministisch, antirassistisch usw. mit einbezogen) in Deutschland in erster Linie Bewegungen junger Leute sind. Für die meisten ist mit dem Eintritt ins Berufsleben nach dem Studium, mit der Ehe, mit dem ersten Kind oder irgendeinem ähnlich einschneidenden Ereignis das linke Engagement zu Ende. Da wird später vielleicht noch am Kaminfeuer von erzählt, es wird aber nichts an nachfolgende Generationen weitergegeben. And the same shit will happen again and again and again.
Den Kopf schütteln musste ich auch, als ich anderswo las: „Noch vertrackter ist es natürlich mit Flüchtlingen aus Afrika, deren Unterstützer aus jedem, der nicht für sie ist, einen Nazi und Rassisten machen. Das Kalkül ist einfach, Linksextremisten wollen generell alle Staaten abschaffen (siehe "Sozialistische Weltrepublik") und da ist das Asylrecht natürlich auch ein Kampfplatz.“ ---- Mit der extremen Linken kenne ich mich nun aus wie mit wenig anderen Dingen, und dieses Ziel, „Sozialistische Weltrepublik“, wurde so im Zeitraum 1978 – 1982, zwischen Tunix-Kongress und Tübinger Internationalismus-Tagen zu Grabe getragen. Die autonome Linke sieht politische Arbeit seither themen- projekt- und kampagnenbezogen. Die Motivationen, Flüchtlingen zu helfen sind da, wie oben beschrieben, sehr ambivalent. Eine wichtige Rolle spielt sicher auch immer das Bestreben, vom Staat und vom Kapital unkontrollierbare Räume zu schaffen, nichts Anderes beinhaltet ja der Ausdruck „Autonomie.“
Wobei ich oftmals schon zu der Folgerung kam, dass autonome Linke im Grunde die verschärftere Ausgabe des Greenpeace- amnesty - NGO- Spektrums sind, mit eigenem Jargon, eigener Mode und eigenem Brauchtum.
Stutzig werde ich auch, wenn „die Antifa“ als eine einzige zusammenhängende politische Bewegung gesehen wird. Es ist fast 20 Jahre her, dass einmal versucht wurde, eine bundesweite antifaschistische Organisation zu schaffen, heutige Antifagruppen bestehen so im Schnitt aus 5 – 10 Leuten. Sie sind zwar untereinander vernetzt und verwenden die gleichen Logos und Symbole, die Friktionen unter den Gruppen können aber auch schon mal so groß sein dass mensch sich weigert die gleichen Räumlichkeiten zu nutzen.
---- Aus den alten Erfahrungen mit Flüchtlingsarbeit in den 90ern lässt sich natürlich lernen und daran anknüpfen. Mein Umgang mit der Flüchtlingsthematik war da immer ein sehr simpler: Kommt zusammen Leute, lernt Euch kennen. Als während des jugoslawischen Bürgerkriegs Flüchtlinge in Turnhallen einquartiert waren haben wir sie dort besucht und mit ihnen geredet. Politikwissenschaftliche Arbeiten zum Thema Asyl wurden geschrieben auf Basis von Interviews, die mit den Geflüchteten geführt wurden, jeden Sonntag haben Familien aus der Nachbarschaft mit Kind und Kegel die Flüchtlinge in deren Wohnheimen besucht und sie mit Gebäck, Kinderspielzeug und Kuscheltieren beschenkt, und daran knüpfte nahtlos ehrenamtliche Sozialarbeit an. Cassandra z.B. hat einen Großteil ihrer Freizeit mit Schwimm- und Sprachkursen für bosnische Mädchen verbracht. All diese Dinge, die schon mal von späteren Gesprächspartnern als „bewundernswert“ bezeichnet wurden würde ich als Selbstverständlichkeiten menschlichen Anstands bezeichnen, als soziale Kompetenz und nichts weiter. Wir wären Arschlöcher gewesen, hätten wir uns anders verhalten. Was es heute gilt ist es, vergleichbare Strukturen wieder aufzubauen.
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workingclasshero,
Dienstag, 10. Juni 2014, 02:06
Es ist einerseits sehr anrührend, an diese Anknüpfungspunkte erinnert zu werden und andererseits deprimierend, wie wenig davon geblieben ist. Der von Dir verlinkte Text von Momorulez ist da symptomatisch: Es werden Dinge eingefordert, die mal selbstverständlich waren und zugleich die "Refugees", wie es da jargontechnisch heißt als die besseren Menschen dargestellt, die humanitäre Positionen überhaupt nach hierzuland bringen würden. Nun ist es sicherlich falsch, diese Leute mit einer Gaddafi-Mafia in Zusammenhang zu bringen, wie es z.B. beim Don anklingt, aber diese Überhöhung erinnert mich schon sehr stark an für mich eigentlich überwunden geglaubte Debatten der frühen 90er. "die Gearschten" usw hatte ich selber ja damals formuliert und weiß dem nichts hinzuzufügen, aber: Die ganzen aktuellen CW-Diskurse sind fürn Arsch und erkennen nicht mal einen Bruchteil der Problematik.
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are,
Mittwoch, 11. Juni 2014, 02:20
Großartiger Beitrag!
Solltest Du vielleicht zu einem Artikel für Arranca oder Wildcat umarbeiten bzw. ausbauen. Aber arbeite Dich bitte nicht an dem ab, was Momorulez und Don Alphonso dazu schrabteten. Der Eine ist völlig unpolitisch und schreibt zwar zu politischen Themen, aber gibt seine emotionalen Reaktionen auf politische Debatten als Politik aus. Politik wird durch Moral ersetzt, und zwar in der absolut fundamentalistischen Form. Da wird dann die Tatsache, dass in solchen Diskussionen bestimmte Leute dominieren und er selber sich aufgrund persönlich-biografischer Erfahrungen dann untergebuttert fühlt zusammen mit moralischer Überhöhung von POC (könnte ich als Armenier mit wuchern, liegt mir aber sowas von fern), Frauen, Lesben, Schwulen und Marginalisierten generell und der Andichtung von Suprematie gegenüber Leuten, die eigentlich nichts dafür können, in sich ruhende selbstbewusste Heten zu sein zu einem Modell ausgebaut, in dem Letztere zu bekämpfende Unterdrücker sind. Die Bündelung von sozialen Kämpfen in Hamburg (Refugees, Flora, ESSO-Häuser) wird deswegen als Problem angesehen, weil weiße Linke sich dabei profilieren könnten und der Kampf der Refugees seine "Reinheit" verliert, wenn er mit anderen Kämpfen kombiniert wird. Da wirkt der Mythos vom "edlen Wilden" aber volle Kanne, ey!
Don ist einfach ein luxusgewohnter Mainstreamsozi, der sich geradezu panisch nach links hin abgrenzt.
Und beide halte ich für zur Selbstkritk völlig unfähig.
Also, bezieh Dich nicht auf die, wenn Du den Faden weiterspinnst.
Don ist einfach ein luxusgewohnter Mainstreamsozi, der sich geradezu panisch nach links hin abgrenzt.
Und beide halte ich für zur Selbstkritk völlig unfähig.
Also, bezieh Dich nicht auf die, wenn Du den Faden weiterspinnst.
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genova68,
Donnerstag, 12. Juni 2014, 13:58
"Don ist einfach ein luxusgewohnter Mainstreamsozi, der sich geradezu panisch nach links hin abgrenzt. "
Gut möglich. Vor allem aber ein selbstverliebter eitler Fratz ohne jedes Talent zur Analyse. Allein sein Berlin-Bild, klischeebeladen und bildzeitungstauglich. Und wer nicht seine Meinung vertritt, fliegt raus. Menschlich vermutlich ein armes Schwein.
(Ich weiß, dass der Blogbetreiber diesen Alfons schätzt und hoffe, mit meinem Beitrag seine Gefühle nicht verletzt zu haben.)
Gut möglich. Vor allem aber ein selbstverliebter eitler Fratz ohne jedes Talent zur Analyse. Allein sein Berlin-Bild, klischeebeladen und bildzeitungstauglich. Und wer nicht seine Meinung vertritt, fliegt raus. Menschlich vermutlich ein armes Schwein.
(Ich weiß, dass der Blogbetreiber diesen Alfons schätzt und hoffe, mit meinem Beitrag seine Gefühle nicht verletzt zu haben.)
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che2001,
Donnerstag, 12. Juni 2014, 14:32
Ja, ich kenne den Don persönlich und schätze ihn. Dass er als Blogger aber kritisierbar ist, nun ja, bei mir findet halt keine Zensur statt.
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bersarin,
Donnerstag, 12. Juni 2014, 20:59
Zumindest kann der Don schreiben und er weiß auf der Sachebene meist, wovon er spricht. Diese Gabe, sich zu den Dingen zu äußern, wovon man etwas versteht, ist leider nicht jedem Blogger in die Wiege gelegt.
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willy56,
Mittwoch, 11. Juni 2014, 18:16
„die regelrechte Verehrung der Flüchtlinge, die hier zu spüren ist.“, ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen werden die Flüchtlinge natürlich auch vereinnahmt für die eigene politische Agenda, mit der sie mehrheitlich nichts am Hut haben. Die kommen nach Europa, weil sie besser leben wollen, ganz materialistisch, nicht um die Homophobie und den Rassismus zu bekämpfen.
Der Rassismus in Deutschland ist in keiner Weise vergleichbar mit dem, was in den Herkunftsländern abgeht an Diskriminierung, Ungleichheit und Gewalt (unter Menschen gleicher Hautfarbe), und das wissen die Flüchtlinge auch. Die Rassismusvorwürfe gegen die deutschen Behörden dürften in erster Linie Mittel zum Zweck der Erringung einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis sein. Wenn die einmal erreicht ist, werden sie Typen wie momorulez oder Noah Sow nicht mehr mit dem Arsch anschauen, und sich schon gar nicht deren politische Ziele zu eigen machen.
Eine „gemeinsame politische Praxis mit den Flüchtlingen“ erscheint mir auch aus diesem Grund keine erfolgversprechende Perspektive zu sein. Die Flüchtlinge lehnen das politische und ökonomische System Europas nicht ab, sondern bejahen es, schon durch ihre Flucht.
Die ganz Armen, die nicht das Geld haben, um die Schlepper zu bezahlen, bleiben in Afrika in der Scheiße sitzen, und denen, die es nach Europa geschafft haben, sind die auch herzlich egal, sie wollen nur Geld an ihre Familien schicken.
Du sagst: „Kommt zusammen Leute, lernt Euch kennen“
Dem kann ich natürlich nur voll zustimmen, das ist das einzige, was man machen kann, das einzige was allen hilft. Allerdings dürfte das dazu führen, dass auf beiden Seiten Illusionen verschwinden, und das ist nicht immer angenehm.
Der Rassismus in Deutschland ist in keiner Weise vergleichbar mit dem, was in den Herkunftsländern abgeht an Diskriminierung, Ungleichheit und Gewalt (unter Menschen gleicher Hautfarbe), und das wissen die Flüchtlinge auch. Die Rassismusvorwürfe gegen die deutschen Behörden dürften in erster Linie Mittel zum Zweck der Erringung einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis sein. Wenn die einmal erreicht ist, werden sie Typen wie momorulez oder Noah Sow nicht mehr mit dem Arsch anschauen, und sich schon gar nicht deren politische Ziele zu eigen machen.
Eine „gemeinsame politische Praxis mit den Flüchtlingen“ erscheint mir auch aus diesem Grund keine erfolgversprechende Perspektive zu sein. Die Flüchtlinge lehnen das politische und ökonomische System Europas nicht ab, sondern bejahen es, schon durch ihre Flucht.
Die ganz Armen, die nicht das Geld haben, um die Schlepper zu bezahlen, bleiben in Afrika in der Scheiße sitzen, und denen, die es nach Europa geschafft haben, sind die auch herzlich egal, sie wollen nur Geld an ihre Familien schicken.
Du sagst: „Kommt zusammen Leute, lernt Euch kennen“
Dem kann ich natürlich nur voll zustimmen, das ist das einzige, was man machen kann, das einzige was allen hilft. Allerdings dürfte das dazu führen, dass auf beiden Seiten Illusionen verschwinden, und das ist nicht immer angenehm.
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lacommune,
Mittwoch, 11. Juni 2014, 21:07
"Der Rassismus in Deutschland ist in keiner Weise vergleichbar mit dem, was in den Herkunftsländern abgeht .."
Eigenartiges Wertungsbedürfnis.
Eigenartiges Wertungsbedürfnis.
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che2001,
Mittwoch, 11. Juni 2014, 21:40
@willy: Ent-Täuschung ist durchaus eine Form von Bewusstseinsbildung.
Wobei ich in der Flüchtlingsarbeit Erfahrungen gemacht habe, die sich mit Deinen Annahmen nicht decken.
"Die Rassismusvorwürfe gegen die deutschen Behörden dürften in erster Linie Mittel zum Zweck der Erringung einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis sein. Wenn die einmal erreicht ist, werden sie Typen wie momorulez oder Noah Sow nicht mehr mit dem Arsch anschauen, und sich schon gar nicht deren politische Ziele zu eigen machen.
Eine „gemeinsame politische Praxis mit den Flüchtlingen“ erscheint mir auch aus diesem Grund keine erfolgversprechende Perspektive zu sein. Die Flüchtlinge lehnen das politische und ökonomische System Europas nicht ab, sondern bejahen es, schon durch ihre Flucht." ---- Die überaus meisten Flüchtlinge aus Afrika die ich so kennengelernt habe vertreten einen z.T. beinharten Antiimperialismus, der sich auf die Formel bringen lässt "ihre Länder sind arm, weil die EU reich ist, und die EU ist reich, weil ihre Ländern arm sind."
Und sehen ihr Leben in Europa als eine Aneignung als Wiedergutmachung für Sklaverei und Ausbeutung, nicht als Integration in eine angestrebte Gesellschaft an.
Ich habe da erstaunlich viele Marxisten erlebt, die häufig so ne Mischung aus Che Guevara, Frantz Fanon, Kwame Nkrumah und Thomas Sankara vertreten. Das spielte auch bei dem Konflikt um das Nobordercamp eine Rolle: Da waren bei RS schwarze Studierende aus Berlin dabei, die Kinder afrikanischer Eliten waren und ultimativ Critical Whiteness einforderten, und ehemalige Bootsflüchtlinge regten sich darüber auf, dass das die Sprößlinge der Leute seien, vor denen einige von ihnen geflüchtet waren, und sprachen von den "Kindern Mugabes".
BTW. nach einigen Jahren in Deutschland sind die Meisten recht gut angepasst, das geht so weit, dass FlüchtlingsaktivistInnen schon die geringe Mobilisierbarkeit der Leute bedauern. Teils echt mit einer Art Bedauern dafür, dass die eigene Arbeit via Flüchtlingsrat und Basisinitiativen so erfolgreich Jobs und Lebensperspektiven schafft und Rebellion daher ausbleibt.
@politische Ziele von Leuten wie Momo: Ich finde den sehr unpolitisch, der kreist hauptsächlich um seine persönlichen, von Hypersensibilität und aus tiefer Traumatisierung stammenden Ängsten geprägten emotionalen Reaktionen auf politisches Geschehen, verfolgt aber keine konkret politischen Ziele im engeren Sinne, und von politischem Handeln versteht der gar nichts.
@Rassismussvorwürfe gegen deutsche Behörden: Die sind alles Andere als Mittel zum Zweck, wenn man sieht, wie Bullen Schwarze schikanieren. Zivilstreifen gelten Schwarze ja grundsätzlich als Drogendealer. Und ich konnte mal einen damaligen Ministerialrat erleben, der für Unterbringung, aber auch Abschiebungshaft zuständig war und sich mir als "Eichmann" vorstellte. Der ist heute Staatssekretär und Schirmherr für Integrationsprojekte. Die Leiterin des sozialen Dienstes einer ZAST mit Postern von nackten schwarzen Männern im Büro lief mir auch schon über den Weg. Die sorgte mal dafür, dass Flüchtlingsinitiativen keinerlei Informationen über bestimmte interne Vorgänge bekamen, nachdem ich für den SPIEGEL ein paar unangenehme Fragen gestellt hatte.
Wobei ich in der Flüchtlingsarbeit Erfahrungen gemacht habe, die sich mit Deinen Annahmen nicht decken.
"Die Rassismusvorwürfe gegen die deutschen Behörden dürften in erster Linie Mittel zum Zweck der Erringung einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis sein. Wenn die einmal erreicht ist, werden sie Typen wie momorulez oder Noah Sow nicht mehr mit dem Arsch anschauen, und sich schon gar nicht deren politische Ziele zu eigen machen.
Eine „gemeinsame politische Praxis mit den Flüchtlingen“ erscheint mir auch aus diesem Grund keine erfolgversprechende Perspektive zu sein. Die Flüchtlinge lehnen das politische und ökonomische System Europas nicht ab, sondern bejahen es, schon durch ihre Flucht." ---- Die überaus meisten Flüchtlinge aus Afrika die ich so kennengelernt habe vertreten einen z.T. beinharten Antiimperialismus, der sich auf die Formel bringen lässt "ihre Länder sind arm, weil die EU reich ist, und die EU ist reich, weil ihre Ländern arm sind."
Und sehen ihr Leben in Europa als eine Aneignung als Wiedergutmachung für Sklaverei und Ausbeutung, nicht als Integration in eine angestrebte Gesellschaft an.
Ich habe da erstaunlich viele Marxisten erlebt, die häufig so ne Mischung aus Che Guevara, Frantz Fanon, Kwame Nkrumah und Thomas Sankara vertreten. Das spielte auch bei dem Konflikt um das Nobordercamp eine Rolle: Da waren bei RS schwarze Studierende aus Berlin dabei, die Kinder afrikanischer Eliten waren und ultimativ Critical Whiteness einforderten, und ehemalige Bootsflüchtlinge regten sich darüber auf, dass das die Sprößlinge der Leute seien, vor denen einige von ihnen geflüchtet waren, und sprachen von den "Kindern Mugabes".
BTW. nach einigen Jahren in Deutschland sind die Meisten recht gut angepasst, das geht so weit, dass FlüchtlingsaktivistInnen schon die geringe Mobilisierbarkeit der Leute bedauern. Teils echt mit einer Art Bedauern dafür, dass die eigene Arbeit via Flüchtlingsrat und Basisinitiativen so erfolgreich Jobs und Lebensperspektiven schafft und Rebellion daher ausbleibt.
@politische Ziele von Leuten wie Momo: Ich finde den sehr unpolitisch, der kreist hauptsächlich um seine persönlichen, von Hypersensibilität und aus tiefer Traumatisierung stammenden Ängsten geprägten emotionalen Reaktionen auf politisches Geschehen, verfolgt aber keine konkret politischen Ziele im engeren Sinne, und von politischem Handeln versteht der gar nichts.
@Rassismussvorwürfe gegen deutsche Behörden: Die sind alles Andere als Mittel zum Zweck, wenn man sieht, wie Bullen Schwarze schikanieren. Zivilstreifen gelten Schwarze ja grundsätzlich als Drogendealer. Und ich konnte mal einen damaligen Ministerialrat erleben, der für Unterbringung, aber auch Abschiebungshaft zuständig war und sich mir als "Eichmann" vorstellte. Der ist heute Staatssekretär und Schirmherr für Integrationsprojekte. Die Leiterin des sozialen Dienstes einer ZAST mit Postern von nackten schwarzen Männern im Büro lief mir auch schon über den Weg. Die sorgte mal dafür, dass Flüchtlingsinitiativen keinerlei Informationen über bestimmte interne Vorgänge bekamen, nachdem ich für den SPIEGEL ein paar unangenehme Fragen gestellt hatte.
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derherold,
Donnerstag, 12. Juni 2014, 20:42
"Wir brauchen Zuwanderer aus Nahost ... (leider will) die SPD die Interessen der alteingesessenen deutschen Arbeitnehmer schützen ... Anwalt für ein offenes Einwanderungssystem ... wichtigsten Länder sind die Türkei, Ägypten ... Wir müssen in Nahost und Nordafrika so richtig klotzen ... brauchen Zuwanderer für einfache Tätigkeiten ..."
Norbert Walter, Deutsche Bank (mittlerweile verstorben)
Ich sehe, Ihr seid auf einer Linie.
Norbert Walter, Deutsche Bank (mittlerweile verstorben)
Ich sehe, Ihr seid auf einer Linie.
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bersarin,
Donnerstag, 12. Juni 2014, 21:00
Zunächst einmal danke für diesen ausführlichen und instruktiven Artikel, che.
Absurd scheint es mir allerdings, die nachholenden Revolutionsspiele auf andere zu projizieren, anstatt selber etwas zu machen und tätig zu werden. Das undifferenzierte Identifizieren mit Flüchtlingen und ihr Stilisieren zum Heiligenbild ist das größte Problem: denn es gibt ganz und gar unterschiedliche Motive, weshalb Menschen aus ihren Ländern fliehen. Wer als Flüchtling im politischen Kampf und im Untergrund aktiv war, wird anders denken als jemand, der aufgrund ethnischer Fragen vertrieben wurde oder der aufgrund von Hunger und Elend das Land verlassen muß. (Dieser Hunger und dieses Elend haben allerdings sehr viel mit Europa, mit den USA und neuerdings auch mit China zu tun. Wobei China nur ein Draufsitzer ist und nichts mit der Kolonialpolitik der europäischen Mächte zu schaffen hat.) Flüchtlinge sind nicht per se bessere oder schlechtere Menschen. Sie sind Menschen, die durch diese oder jenen Umstände geprägt wurden. Wer als Flüchtling sowieso politisch bereits aktiv war, wird es möglicherweise auch in der BRD sein. Wer aus anderen Gründen floh, möchte womöglich einfach nur noch seinen Frieden und ein besseres anderes Leben führen, vielleicht aber wird er auch durch bestimmte Umstände politisch. Am Ende wird man die politischen Einstellungen und Perspektiven nur in den jeweiligen Situationen ablesen können, in dem Menschen zusammenkommen und sich kennenlernen. Che, der Flüchtlingsarbeit betreibt, dürfte in diesen Dingen sehr viel kompetenter sein, als Sesselblogger und Stadtschreiber wie ich oder Momorulez.
Die Situation der Flüchtlinge und die Gründe für Emigration lassen sich in zwei Ebenen gliedern: einerseits ein unmittelbar pragmatischer Aspekt, daß nämlich diesen Menschen geholfen werden muß, und zwar ohne Wenn und Aber. Andererseits betrifft das Flüchtlingsproblem eine gesellschaftliche Dimension: eine Welt- und Wirtschaftsordnung, die völlig kaputt ist und die sich durch sozialdemokratische Reförmchen und Steuerschrauben nicht ändern wird. Unser reichlich gedeckter Tisch steht mit seinen vier Beinen auf dem Bauch anderer Menschen, die uns mehr oder weniger füttern. Unser Wohlstand ist gestohlen.
Was die Situation der Flüchtlinge betrifft, so ist es natürlich ein Unterschied, ob ein Mensch in seiner Heimat sofort erschossen wird oder ob er hier in der BRD zuerst der Behörden- und Polizeischikane anheimfällt, um dann hinterher in einem Flugzeug in das Land abgeschoben zu werden, daß die aufgeschobene Folter oder das Töten nachholt.
Wer sich ein wenig mit den Flüchtlingsprotesten in Berlin befaßt hat und wer Demos dazu beobachtet, der weiß in etwa, wie die Polizei arbeitet. Bei den Hungerstreiks am Brandenburger Tor vor über einem Jahr ging das so: Sobald Presse vor Ort war, passierte von den Bullen aus gar nichts. Und nachts, wenn weder Touristen noch Presse zuschauten, haben die Bullen die Schlafsäcke, die Isoliermatten weggenommen und schikanierten. Und zwar teils mit Sadismus und Brutalität. Es sind nicht alle Bullen so, und es gab welche, die sich dafür schämen, aber den meisten macht es eine ungeheure Freude, ihren Sadismus auszuleben. Das zeigten sie ganz offen. Presse war ja nicht mehr da um zwei Uhr nachts.
Immer wieder schön und treffend hat es che bezüglich der Toten im Mittelmeer formuliert: Wir haben 1990 rund 17 Millionen Wirtschaftsflüchtlinge aufgenommen, und bei etwa 200 Mauertoten von 1961 bis 1989 waren wir tief betroffen, das Lamentieren war groß und fand kein Ende (Kuratorium unheilbares Deutschland). Bei den in die Tausende gehenden Ertrunkenen im Mittelmeer innerhalb eines einzigen Jahres jedoch herrscht Schweigen: kein Gedanke daran, kaum Berichte darüber in der Presse. Kein Reporter, der solche Boote begleitet und darüber schreibt. (Was mich bei der Struktur dieser Medien allerdings auch nicht weiter verwundert.) Wären an der innerdeutschen Grenze zehntausende erschossen worden, gäbe es einen weltweiten Aufschrei. Bei ein paar Negern macht das aber nichts. Es sind eh die Vielzuvielen, die Überzähligen und Nutzlosen.
Die Arbeit der Antira-Initiativen ist da sinnvoll, gut und wichtig, wo sie nicht den eigenen Projektionen und der eigenen politischen Sehnsucht dient, um Aufgeschobenes an andere (nämlich an Flüchtlinge oder revolutionäre Bewegungen im Irgendworeich) zu delegieren. Was den gesamten theoretischen Hintergrund betrifft, so reicht die Lektüre sicherlich von Fanon über Levi-Strauss, Foucault und Derrida, wenn es um den Blick des Anderen, um das ganz Andere geht, was sich eben nicht einfach in einem Hegelschen Anerkennungsverhältnis auflösen und eingemeinden läßt, das dann in Habermasscher Weise in die kommunikative Rationalität verkehrt wird. Habermas hat nicht nur hier viel Schaden angerichtet.
Absurd scheint es mir allerdings, die nachholenden Revolutionsspiele auf andere zu projizieren, anstatt selber etwas zu machen und tätig zu werden. Das undifferenzierte Identifizieren mit Flüchtlingen und ihr Stilisieren zum Heiligenbild ist das größte Problem: denn es gibt ganz und gar unterschiedliche Motive, weshalb Menschen aus ihren Ländern fliehen. Wer als Flüchtling im politischen Kampf und im Untergrund aktiv war, wird anders denken als jemand, der aufgrund ethnischer Fragen vertrieben wurde oder der aufgrund von Hunger und Elend das Land verlassen muß. (Dieser Hunger und dieses Elend haben allerdings sehr viel mit Europa, mit den USA und neuerdings auch mit China zu tun. Wobei China nur ein Draufsitzer ist und nichts mit der Kolonialpolitik der europäischen Mächte zu schaffen hat.) Flüchtlinge sind nicht per se bessere oder schlechtere Menschen. Sie sind Menschen, die durch diese oder jenen Umstände geprägt wurden. Wer als Flüchtling sowieso politisch bereits aktiv war, wird es möglicherweise auch in der BRD sein. Wer aus anderen Gründen floh, möchte womöglich einfach nur noch seinen Frieden und ein besseres anderes Leben führen, vielleicht aber wird er auch durch bestimmte Umstände politisch. Am Ende wird man die politischen Einstellungen und Perspektiven nur in den jeweiligen Situationen ablesen können, in dem Menschen zusammenkommen und sich kennenlernen. Che, der Flüchtlingsarbeit betreibt, dürfte in diesen Dingen sehr viel kompetenter sein, als Sesselblogger und Stadtschreiber wie ich oder Momorulez.
Die Situation der Flüchtlinge und die Gründe für Emigration lassen sich in zwei Ebenen gliedern: einerseits ein unmittelbar pragmatischer Aspekt, daß nämlich diesen Menschen geholfen werden muß, und zwar ohne Wenn und Aber. Andererseits betrifft das Flüchtlingsproblem eine gesellschaftliche Dimension: eine Welt- und Wirtschaftsordnung, die völlig kaputt ist und die sich durch sozialdemokratische Reförmchen und Steuerschrauben nicht ändern wird. Unser reichlich gedeckter Tisch steht mit seinen vier Beinen auf dem Bauch anderer Menschen, die uns mehr oder weniger füttern. Unser Wohlstand ist gestohlen.
Was die Situation der Flüchtlinge betrifft, so ist es natürlich ein Unterschied, ob ein Mensch in seiner Heimat sofort erschossen wird oder ob er hier in der BRD zuerst der Behörden- und Polizeischikane anheimfällt, um dann hinterher in einem Flugzeug in das Land abgeschoben zu werden, daß die aufgeschobene Folter oder das Töten nachholt.
Wer sich ein wenig mit den Flüchtlingsprotesten in Berlin befaßt hat und wer Demos dazu beobachtet, der weiß in etwa, wie die Polizei arbeitet. Bei den Hungerstreiks am Brandenburger Tor vor über einem Jahr ging das so: Sobald Presse vor Ort war, passierte von den Bullen aus gar nichts. Und nachts, wenn weder Touristen noch Presse zuschauten, haben die Bullen die Schlafsäcke, die Isoliermatten weggenommen und schikanierten. Und zwar teils mit Sadismus und Brutalität. Es sind nicht alle Bullen so, und es gab welche, die sich dafür schämen, aber den meisten macht es eine ungeheure Freude, ihren Sadismus auszuleben. Das zeigten sie ganz offen. Presse war ja nicht mehr da um zwei Uhr nachts.
Immer wieder schön und treffend hat es che bezüglich der Toten im Mittelmeer formuliert: Wir haben 1990 rund 17 Millionen Wirtschaftsflüchtlinge aufgenommen, und bei etwa 200 Mauertoten von 1961 bis 1989 waren wir tief betroffen, das Lamentieren war groß und fand kein Ende (Kuratorium unheilbares Deutschland). Bei den in die Tausende gehenden Ertrunkenen im Mittelmeer innerhalb eines einzigen Jahres jedoch herrscht Schweigen: kein Gedanke daran, kaum Berichte darüber in der Presse. Kein Reporter, der solche Boote begleitet und darüber schreibt. (Was mich bei der Struktur dieser Medien allerdings auch nicht weiter verwundert.) Wären an der innerdeutschen Grenze zehntausende erschossen worden, gäbe es einen weltweiten Aufschrei. Bei ein paar Negern macht das aber nichts. Es sind eh die Vielzuvielen, die Überzähligen und Nutzlosen.
Die Arbeit der Antira-Initiativen ist da sinnvoll, gut und wichtig, wo sie nicht den eigenen Projektionen und der eigenen politischen Sehnsucht dient, um Aufgeschobenes an andere (nämlich an Flüchtlinge oder revolutionäre Bewegungen im Irgendworeich) zu delegieren. Was den gesamten theoretischen Hintergrund betrifft, so reicht die Lektüre sicherlich von Fanon über Levi-Strauss, Foucault und Derrida, wenn es um den Blick des Anderen, um das ganz Andere geht, was sich eben nicht einfach in einem Hegelschen Anerkennungsverhältnis auflösen und eingemeinden läßt, das dann in Habermasscher Weise in die kommunikative Rationalität verkehrt wird. Habermas hat nicht nur hier viel Schaden angerichtet.
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willy56,
Samstag, 14. Juni 2014, 22:43
"ihre Länder sind arm, weil die EU reich ist, und die EU ist reich, weil ihre Ländern arm sind."
Nun ja, sowas mögen die ja sagen, aber glauben sie es wirklich? Ich denke die wissen sehr wohl, dass die Reichen in ihren Ländern reicher sind als die in Europa, verhältnismäßig gesehen.
Es ist eben nicht richtig; die Länder sind arm, weil niemand ein Interesse daran hat, dass sich daran was ändert (obwohl sie über mehr Bodenschätze und besseres Klima verfügen, als Europa). Sprich: das sich die Situation des ganzen Landes ändert, für alle, nicht nur für die eigene Familie oder den eigenen Stamm oder Clan.
Irgendein brasilianischer Schriftsteller hat ja mal die Umbenennung des Landes In „Belindia“ gefordert, weil Brasilien pro Kopf gerechnet so reich ist wie Belgien, aber das Vermögen so verteilt ist wie in Indien. Daran hat sich in Brasilien ja nun schon einiges geändert, und ganz ohne Hilfe der EU. Auch die Beispiele asiatischer Länder, insbesondere von Südkoreas, zeigen, dass da kein so einfacher Zusammenhang besteht.
Ich finde das immer wieder verblüffend. Die Flüchtlinge nehmen den Tod in Kauf, um nach Europa zu gelangen, aber sie nehmen ihn nicht in Kauf, um die Verhältnisse in ihren Ländern zu verbessern. Warum? Vielleicht, weil sie kein besonderes Interesse daran haben (s.o.)? Oder weil sie keine Vorstellung haben, wie man sie verbessern könnte?
„Und sehen ihr Leben in Europa als eine Aneignung als Wiedergutmachung für Sklaverei und Ausbeutung, nicht als Integration in eine angestrebte Gesellschaft an.“
Solche Forderungen sind ja auch schon von afrikanischen Politikern erhoben worden, was besonders lächerlich ist, denn genau die sind ja dafür verantwortlich, dass sich dort nichts ändert. Bevor man denen Geld gibt, könnte man es auch gleich an die Schweizer Banken überweisen, wo sie ihre illegalen Konten haben.
In diesem Zusammenhang gibt es ein interessantes Buch eines senegalesischen Autors:
http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/lesezeit/144916/index.html
Sehr lesenswert. Der arabo-muslimische Sklavenhandel hat fast Tausend Jahre länger gedauert als der europäische und sehr viel mehr Menschen betroffen, aber es spricht heute kaum noch jemand darüber. Vor allen Dingen fordert niemand Entschädigung von den Arabern, weil man ganz genau weiß, dass die sich einen Dreck um solche Forderungen kümmern.
„wie Bullen Schwarze schikanieren“
Sicher gibt es das, will ich nicht bestreiten. Es sind ja auch schon Schwarze in der Haft ums Leben gekommen (Antonio Amadeu), aber in solchen Fällen greift doch die Justiz in Deutschland noch relativ gut. Was ich meine ist etwa: In deutschen Großstädten beschweren sich die Geschäfte über bettelnde Romas, es gibt ein paar Leserbriefe in Lokalzeitungen, aber das war´s dann. Den Romas passiert nichts, außer dass sie vielleicht mal angepöbelt werden.
In Bolivien z.B. werden die Bettler von der Polizei eingesammelt, auf Lastwagen verladen und dann in irgendwelchen abgelegenen Gegenden ausgesetzt, habe ich selber gesehen. In Rio
haben die Händler eine ganze Menge Bettler einfach ermorden lassen, meistens von Polizisten in Zivil nach der Arbeit. In sofern halte ich Beschuldigungen der deutschen Behörden wegen Rassismus, weil die nicht bereit sind, die Aufenthaltserlaubnis einfach pauschal zu erteilen ohne juristisches Verfahren, für vorgeschoben. Der Rassismusvorwurf zieht in Deutschland immer noch ziemlich gut, deshalb ist man ja auch so schnell bei der Hand damit.
Nun ja, sowas mögen die ja sagen, aber glauben sie es wirklich? Ich denke die wissen sehr wohl, dass die Reichen in ihren Ländern reicher sind als die in Europa, verhältnismäßig gesehen.
Es ist eben nicht richtig; die Länder sind arm, weil niemand ein Interesse daran hat, dass sich daran was ändert (obwohl sie über mehr Bodenschätze und besseres Klima verfügen, als Europa). Sprich: das sich die Situation des ganzen Landes ändert, für alle, nicht nur für die eigene Familie oder den eigenen Stamm oder Clan.
Irgendein brasilianischer Schriftsteller hat ja mal die Umbenennung des Landes In „Belindia“ gefordert, weil Brasilien pro Kopf gerechnet so reich ist wie Belgien, aber das Vermögen so verteilt ist wie in Indien. Daran hat sich in Brasilien ja nun schon einiges geändert, und ganz ohne Hilfe der EU. Auch die Beispiele asiatischer Länder, insbesondere von Südkoreas, zeigen, dass da kein so einfacher Zusammenhang besteht.
Ich finde das immer wieder verblüffend. Die Flüchtlinge nehmen den Tod in Kauf, um nach Europa zu gelangen, aber sie nehmen ihn nicht in Kauf, um die Verhältnisse in ihren Ländern zu verbessern. Warum? Vielleicht, weil sie kein besonderes Interesse daran haben (s.o.)? Oder weil sie keine Vorstellung haben, wie man sie verbessern könnte?
„Und sehen ihr Leben in Europa als eine Aneignung als Wiedergutmachung für Sklaverei und Ausbeutung, nicht als Integration in eine angestrebte Gesellschaft an.“
Solche Forderungen sind ja auch schon von afrikanischen Politikern erhoben worden, was besonders lächerlich ist, denn genau die sind ja dafür verantwortlich, dass sich dort nichts ändert. Bevor man denen Geld gibt, könnte man es auch gleich an die Schweizer Banken überweisen, wo sie ihre illegalen Konten haben.
In diesem Zusammenhang gibt es ein interessantes Buch eines senegalesischen Autors:
http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/lesezeit/144916/index.html
Sehr lesenswert. Der arabo-muslimische Sklavenhandel hat fast Tausend Jahre länger gedauert als der europäische und sehr viel mehr Menschen betroffen, aber es spricht heute kaum noch jemand darüber. Vor allen Dingen fordert niemand Entschädigung von den Arabern, weil man ganz genau weiß, dass die sich einen Dreck um solche Forderungen kümmern.
„wie Bullen Schwarze schikanieren“
Sicher gibt es das, will ich nicht bestreiten. Es sind ja auch schon Schwarze in der Haft ums Leben gekommen (Antonio Amadeu), aber in solchen Fällen greift doch die Justiz in Deutschland noch relativ gut. Was ich meine ist etwa: In deutschen Großstädten beschweren sich die Geschäfte über bettelnde Romas, es gibt ein paar Leserbriefe in Lokalzeitungen, aber das war´s dann. Den Romas passiert nichts, außer dass sie vielleicht mal angepöbelt werden.
In Bolivien z.B. werden die Bettler von der Polizei eingesammelt, auf Lastwagen verladen und dann in irgendwelchen abgelegenen Gegenden ausgesetzt, habe ich selber gesehen. In Rio
haben die Händler eine ganze Menge Bettler einfach ermorden lassen, meistens von Polizisten in Zivil nach der Arbeit. In sofern halte ich Beschuldigungen der deutschen Behörden wegen Rassismus, weil die nicht bereit sind, die Aufenthaltserlaubnis einfach pauschal zu erteilen ohne juristisches Verfahren, für vorgeschoben. Der Rassismusvorwurf zieht in Deutschland immer noch ziemlich gut, deshalb ist man ja auch so schnell bei der Hand damit.
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willy56,
Samstag, 14. Juni 2014, 23:17
Übrigens, wo´s grade hier her passt: ich habe grade ein interessantes Buch gelesen:"Heiliger Krieg, Heiliger Profit" von Marc Engelhard.
Kein schelchtes Buch; er befasst sich mit dem Terrorismus in Afrika und hat dazu auch vor Ort recherchiert. Sein Ergebnis ist, dass dieser Terrorismus im wesentlichen eine Form von organisierter Kriminalität ist, in die die Regierungen mit verwickelt sind, was ich für eine richtige Einschätzung halte.
Darin heisst es: "der Terrorismus wäre so nie möglich gewesen, wenn die Regierungen Nigerias, Malis und Somalias sich in angemessenen Maße um ihre Bürger gekümmert hätten oder es wenigstens heute täten. Ohne die massive Korruption, ohne Nepotismus und die Billigung der Aufgabe staatlicher Strukturen hätte keine der Terrorgruppen soviel Zulauf gehabt." (S. 207f.)
Völlig richtige Analyse, Schuld am Elend sind in erster Linie die dortigen Regierungen.
Dann folgt: "Solange Europäer, Amerikaner und Chinesen solche Zustände ignorieren, um sich selbst damit Vorteile und Ressourcen zu verschaffen, werden Terrorgruppen blühen."
Schon seltsam, schuld an den Verhältnissen sind die Regierungen, aber verantwortlich dafür, etwas zu ändern, sind Europäer und Amerikaner. Den Chinesen dürfte es ohnehin herzlich egal sein, was in Afrika so passiert.
Ja wie soll das denn gehen? Das sind alles souveräne Staaten, Mitglieder der UNO und OAS, denen Europäer und Amerikaner nicht einfach vorschreiben können, was sie zu tun haben, und die herrschenden Kreise haben keinerlei Interesse daran, die Situation, von der sie profitieren, zu verändern. Selbst Handelssanktionen würden nichts bringen, weil China jederzeit bereit steht, einzuspringen.
Das können die nur selber machen, da muss schon jemand wie Lula da Silva kommen und etwas ändern.
Jemand, der nicht studiert hat und nichts von Philosophie oder Soziologie versteht, aber über eine Lebenserfahrung verfügt, die den meisten linken Theoretikern und Politaktivisten abgeht, als eines von acht Geschwistern ohne Vater aufgewachsen, der seit dem zwölften Lebensjahr nicht mehr zur Schule gegangen ist, arbeiten musste und über die Gewerkschaft in die Politik gelangte.
Kein schelchtes Buch; er befasst sich mit dem Terrorismus in Afrika und hat dazu auch vor Ort recherchiert. Sein Ergebnis ist, dass dieser Terrorismus im wesentlichen eine Form von organisierter Kriminalität ist, in die die Regierungen mit verwickelt sind, was ich für eine richtige Einschätzung halte.
Darin heisst es: "der Terrorismus wäre so nie möglich gewesen, wenn die Regierungen Nigerias, Malis und Somalias sich in angemessenen Maße um ihre Bürger gekümmert hätten oder es wenigstens heute täten. Ohne die massive Korruption, ohne Nepotismus und die Billigung der Aufgabe staatlicher Strukturen hätte keine der Terrorgruppen soviel Zulauf gehabt." (S. 207f.)
Völlig richtige Analyse, Schuld am Elend sind in erster Linie die dortigen Regierungen.
Dann folgt: "Solange Europäer, Amerikaner und Chinesen solche Zustände ignorieren, um sich selbst damit Vorteile und Ressourcen zu verschaffen, werden Terrorgruppen blühen."
Schon seltsam, schuld an den Verhältnissen sind die Regierungen, aber verantwortlich dafür, etwas zu ändern, sind Europäer und Amerikaner. Den Chinesen dürfte es ohnehin herzlich egal sein, was in Afrika so passiert.
Ja wie soll das denn gehen? Das sind alles souveräne Staaten, Mitglieder der UNO und OAS, denen Europäer und Amerikaner nicht einfach vorschreiben können, was sie zu tun haben, und die herrschenden Kreise haben keinerlei Interesse daran, die Situation, von der sie profitieren, zu verändern. Selbst Handelssanktionen würden nichts bringen, weil China jederzeit bereit steht, einzuspringen.
Das können die nur selber machen, da muss schon jemand wie Lula da Silva kommen und etwas ändern.
Jemand, der nicht studiert hat und nichts von Philosophie oder Soziologie versteht, aber über eine Lebenserfahrung verfügt, die den meisten linken Theoretikern und Politaktivisten abgeht, als eines von acht Geschwistern ohne Vater aufgewachsen, der seit dem zwölften Lebensjahr nicht mehr zur Schule gegangen ist, arbeiten musste und über die Gewerkschaft in die Politik gelangte.
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willy56,
Samstag, 14. Juni 2014, 23:29
"Unser Wohlstand ist gestohlen."
Vielleicht kannst du das mal etwas genauer ausführen, Bersarin. Ich finde es immer höchst erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit erwartet wird, dass sich europäische Unternehmer und Politiker moralischer verhalten sollen, als afrikanische oder asiatische, zumal wenn solche Erwartungen von Leuten kommen, die doch genau über den Kapitalismus und sein amoralische Natur bescheid wissen.
Die würden hier genau die gleichen Hungerlöhne zahlen wie in Bangladesh und die Umwelt genauso verpesten wir in Nigerdelta, wenn man sie ließe. Aber es gibt halt Gesetze und eine halbwegs funktionierende Justiz, die sie daran hindern, und solange es sowas nicht in der III. Welt gibt, wird sich dort auch nichts ändern, egal was die Europäer machen.
Vielleicht kannst du das mal etwas genauer ausführen, Bersarin. Ich finde es immer höchst erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit erwartet wird, dass sich europäische Unternehmer und Politiker moralischer verhalten sollen, als afrikanische oder asiatische, zumal wenn solche Erwartungen von Leuten kommen, die doch genau über den Kapitalismus und sein amoralische Natur bescheid wissen.
Die würden hier genau die gleichen Hungerlöhne zahlen wie in Bangladesh und die Umwelt genauso verpesten wir in Nigerdelta, wenn man sie ließe. Aber es gibt halt Gesetze und eine halbwegs funktionierende Justiz, die sie daran hindern, und solange es sowas nicht in der III. Welt gibt, wird sich dort auch nichts ändern, egal was die Europäer machen.
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noergler,
Sonntag, 15. Juni 2014, 00:21
Völlig richtig, Willy.
Unser Wohlstand beruht auf dem Fleiß und der Pünktlichkeit des Arbeiters, dem Wagemut des Unternehmers, der Redlichkeit des Kaufmanns und der Rastlosigkeit des Erfinders.
Unser Wohlstand beruht auf dem Fleiß und der Pünktlichkeit des Arbeiters, dem Wagemut des Unternehmers, der Redlichkeit des Kaufmanns und der Rastlosigkeit des Erfinders.
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peter lehmann,
Dienstag, 17. Juni 2014, 18:19
Wenn man vor die...
...vier Genitivattribute des Nörglers Adjektive wie "italienisch", "spanisch", "portugiesisch", "griechisch" setzt, ist das doch eine Aussage, die zwar noch ein wenig an altväterlich-paternalistischem Vokabular krankt und wohl der Ergänzung durch das Wörtchen "auch" bedarf, aber ganz sicherlich einen realen Sachverhalt beschreibt.
Das Buch von Tidiane N'Daye ist übrigens für an afrikanischer Geschichte Interessierte lesenswert. Ob die dabei anfallenden Erkenntnisgewinne weltbildkompatibel sind, dürfte davon abhängen, ob einen afrikanische Themen nicht primär als Munitionsbeschaffungsquelle für Kämpfe um die Lufthoheit über Blogstammtischen anziehen.
Das Buch von Tidiane N'Daye ist übrigens für an afrikanischer Geschichte Interessierte lesenswert. Ob die dabei anfallenden Erkenntnisgewinne weltbildkompatibel sind, dürfte davon abhängen, ob einen afrikanische Themen nicht primär als Munitionsbeschaffungsquelle für Kämpfe um die Lufthoheit über Blogstammtischen anziehen.
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che2001,
Dienstag, 17. Juni 2014, 18:35
Ich zitiere mal eine Rezension:
"Das Einzige was man dem franko-senegalesischen Wissenschaftler Tidiane N'Diaye vorwerfen könnte ist, dass er die Zahl der versklavten Afrikaner durch Muslime möglicherweise zu hoch ansetzt.Er hat 17 Millionen verschleppte Afrikaner gezählt. Aber spielt die Zahl wirklich eine Rolle?
Er wendet sich dagegen, dass heute noch reflexartig der Sklavenhandel lediglich mit dem von Europa und Amerika aus organisierten transatlantischen Handel gleich gesetzt wird.Wollen Kritiker des Buches wirklich in Frage stellen, dass 13
Jahrhunderte (7. bis ins 21. Jahrundert) lang durch den arabomuslimischen Menschenhandel ununterbrochen mehr Afrikaner deportiert wurden als durch den transtlantischen Sklavenhandel(16.-19. Jahrhundert)?
Er bemängelt die Selbstzensur der Forscher, als wenn eine Auseinandersetzung mit dem Sklavenhandel der Araber zu einer Bagatellisierung des transatlantischen Menschenhandels führen würde.Allerdings gilt im Westen der Sklavenhandel längst
als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.Es geht nicht darum die arabischen Staaten anzugreifen, sondern es geht um eine längst fällige Aufarbeitung eines sehr dunklen Kapitels in ihrer Geschichte.
Tidiane N'Diaye hat ein wichtiges vorgelegt in dem endlich der arabo-islamische Sklavenhandel dargestellt wird. Ein mutiges Buch, dem viele Leser zu wünschen sind."
"Das Einzige was man dem franko-senegalesischen Wissenschaftler Tidiane N'Diaye vorwerfen könnte ist, dass er die Zahl der versklavten Afrikaner durch Muslime möglicherweise zu hoch ansetzt.Er hat 17 Millionen verschleppte Afrikaner gezählt. Aber spielt die Zahl wirklich eine Rolle?
Er wendet sich dagegen, dass heute noch reflexartig der Sklavenhandel lediglich mit dem von Europa und Amerika aus organisierten transatlantischen Handel gleich gesetzt wird.Wollen Kritiker des Buches wirklich in Frage stellen, dass 13
Jahrhunderte (7. bis ins 21. Jahrundert) lang durch den arabomuslimischen Menschenhandel ununterbrochen mehr Afrikaner deportiert wurden als durch den transtlantischen Sklavenhandel(16.-19. Jahrhundert)?
Er bemängelt die Selbstzensur der Forscher, als wenn eine Auseinandersetzung mit dem Sklavenhandel der Araber zu einer Bagatellisierung des transatlantischen Menschenhandels führen würde.Allerdings gilt im Westen der Sklavenhandel längst
als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.Es geht nicht darum die arabischen Staaten anzugreifen, sondern es geht um eine längst fällige Aufarbeitung eines sehr dunklen Kapitels in ihrer Geschichte.
Tidiane N'Diaye hat ein wichtiges vorgelegt in dem endlich der arabo-islamische Sklavenhandel dargestellt wird. Ein mutiges Buch, dem viele Leser zu wünschen sind."
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