Dienstag, 8. Dezember 2020
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie definiert neu, bei welchen Lungenerkrankungen ein schwerer COVID-19-Verlauf droht
che2001, 12:44h
Ute Eppinger, Medscape
Welche Patienten mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19? Kann die Lehrerin mit mittelschwerem Asthma noch unterrichten? Sollte der Student, der an Mukoviszidose leidet, besser zu Hause bleiben, und kann die an Lungenkrebs erkrankte Rentnerin ihre Chemotherapie fortsetzen?
Antworten auf diese Fragen geben die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und der Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP) jetzt mit ihrer aktualisierten Stellungnahme, in der sie COVID-19-Risiken für lungenkranke Patienten definieren [1].
Eine erste Risikoabschätzung hatte die DGP im April dieses Jahres veröffentlicht. Die neue Fassung greift jetzt 13 Fälle von Lungenerkrankungen exemplarisch auf, berücksichtigt und erörtert die neueste Studienlage.
„Wir wollen den Patienten im praktischen Alltag konkrete Antworten geben. Unser Anliegen ist auch, dass Patienten nicht eigenmächtig ihre Medikamente absetzen, aus Angst, dass diese möglicherweise ihr Risiko für einen schweren Verlauf erhöhen könnten“, betonte Prof. Dr. Michael Pfeifer, Präsident der DGP und Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Regensburg, auf der Online-Pressekonferenz der DGP [2].
Wir wollen den Patienten im praktischen Alltag konkrete Antworten geben. Prof. Dr. Michael Pfeifer
Nach aktuellem Kenntnisstand ist ein höheres Alter der größte Risikofaktor für einen schweren oder letalen Verlauf von COVID-19. Ab 60 Jahren steigt das Letalitätsrisiko kontinuierlich an, bei 80-jährigen Menschen ist es – verglichen mit 50-jährigen Menschen – um das 20-Fache erhöht. Meldedaten aus Deutschland zeigen, dass nur 12% aller Infektionen bei Personen im Alter ab 70 Jahren registriert sind, in dieser Gruppe treten aber 85% aller Todesfälle auf.
Weitere Risikofaktoren sind bekanntlich Adipositas, männliches Geschlecht, Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische Nieren- oder Lebererkrankungen, neurologische und neuromuskuläre Erkrankungen, Tumorerkrankungen, COPD und fortgeschrittene interstitielle Lungenerkrankungen.
Schwerer Verlauf oder nicht? Das entscheidet sich erst nach einer Woche
Mit 5 bis 6 Tagen ist die Inkubationszeit bei SARS-CoV-2-Infektion länger als bei Influenza, es überträgt sich aber leichter von Mensch zu Mensch. Die Mehrheit der Infizierten zeigt einen milden Verlauf, etwas unter 5% weisen derzeit schwere Verläufe auf, berichtet Prof. Dr. Marek Lommatzsch von der Universitätsmedizin Rostock, einer der Autoren der aktualisierten Stellungnahme.
In der Inkubationszeit oder während eines milden oder asymptomatischen Krankheitsverlaufes können Infizierte das Virus schnell und unbemerkt verbreiten; der Höhepunkt der Übertragung findet sich um den Tag des Symptombeginn.
Anders als bei schweren Influenza-Pneumonien kommt es bei schweren COVID-19-Verläufen meist nicht direkt zur abrupten Verschlechterung des Allgemeinzustands. „Das Tückische an COVID-19 ist, dass sich erst nach einer Woche zeigt: Bleibt es bei einem milden Verlauf oder kommt es zu zunehmender Luftnot und respiratorischer Insuffizienz“, erklärt Lommatzsch. Alarmsignale sind Luftnot, Tachypnoe und/oder ein Abfall der Sauerstoffsättigung unter 94%.
Gerade weil sich das Virus erst nach einer Woche demaskiere, sei es wichtig zu klären, welche Patienten ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf aufweisen und welche nicht, betonte Lommatzsch.
Asthma und COPD nicht in einen Topf werfen
Rund 8 Millionen Deutsche leiden an Asthma, 6,8 Millionen an COPD. Lommatzsch warnte davor, COPD und Asthma hinsichtlich des Risikos für einen schweren COVID-19 Verlauf „in einen Topf zu werfen“. Er verwies dabei auf das Statement des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu FFP2-Masken, in dem nicht deutlich genug zwischen Asthma und COPD unterschieden worden sei.
Allgemeine COVID-19-Fallserien hatten bereits im Frühjahr 2020 darauf hingewiesen, dass Patienten mit Asthma kein höheres Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben. Inzwischen zeigen mehrere Studien, dass das tatsächlich so ist. Selbst Patienten mit schwerem Asthma und einer Biologika-Therapie scheinen kein erhöhtes Risiko aufzuweisen. Kommen allerdings weitere Risikofaktoren wie hohes Alter, starkes Übergewicht oder eine chronische Herzerkrankung hinzu, steigt das Risiko auch für Asthmatiker.
Die Datenlage verdichtet sich, dass Patienten mit COPD ein mäßig erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf aufweisen. Prof. Dr. Marek Lommatzsch
Weshalb das Asthma selbst wohl kein Risikofaktor ist, dies ist noch nicht wirklich geklärt. Daten legen nahe, dass Asthma-Patienten ACE-2-Rezeptoren – die SARS-CoV-2 zum Eindringen ins Epithel nutzt – nur vermindert exprimieren.
Bei COPD sieht das anders aus: „Die Datenlage verdichtet sich, dass Patienten mit COPD ein mäßig erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf aufweisen“”, berichtete Lommatzsch. Kommt noch eine kardiovaskuläre Begleiterkrankung hinzu – was bei rund 50% der COPD-Patienten der Fall ist – ist das Risiko für einen schweren Verlauf deutlich erhöht.
Sarkoidose und Lungenfibrose?
Und bei Sarkoidose? Laut Prof. Dr. Torsten Bauer vom Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin weisen Sarkoidose-Patienten ohne Begleiterkrankungen kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf auf.
Bei Patienten mit Lungenfibrose wird hingegen ein höheres Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf vermutet. Denn Studien zeigen: Wird eine Hospitalisierung notwendig, dann ist bei Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung (ILD) mit einem signifikant erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf zu rechnen. Gerade solche Patienten sollten auf guten Selbstschutz wie FFP2-Masken setzen.
Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft
Pfeifer empfiehlt, dass sich Hochrisiko-Patienten mit ihren Fachärzten wegen der Schutzmaßnahmen besprechen sollten. Lungenmedikamente sollten grundsätzlich nicht und vor allem nicht eigenmächtig von Patienten abgesetzt werden. Das gelte gerade auch für inhalative Steroide bei Asthma.
Grundsätzlich sollten Patienten mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen den Empfehlungen des RKI (AHA-L) folgen und die Impf-Empfehlungen beachten.
Mit Beginn des zweiten Shutdowns Anfang November hatten der deutsche Behindertensportverband (DBS) und die Deutsche Atemwegsliga zunächst empfohlen, den Rehabilitationssport und damit auch den ambulanten Lungensport in Gruppen zeitweilig auszusetzen.
Inzwischen ist bei Beachtung der AHA-L-Regeln und der aktuellen Beschwerden der Patienten (keine Teilnahme von Patienten mit akuter Symptomatik) in vielen Bundesländern Lungensport in kleinen Gruppen erlaubt. Es empfiehlt sich, bei den Gesundheitsämtern nachzufragen, ob Rehabilitationssport in kleinen Gruppen erlaubt ist. Ist das nicht möglich, sollten die Patienten individuell ihre Übungen fortführen.
Generell sollten sich Lungenkranke in der Pandemie nicht zu Hause einschließen, sondern sich möglichst regelmäßig an der frischen Luft bewegen, betonten die Experten. Denn Immobilität ist ein wichtiger Risikofaktor für eine Symptomverschlechterung.
Welche Patienten mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19? Kann die Lehrerin mit mittelschwerem Asthma noch unterrichten? Sollte der Student, der an Mukoviszidose leidet, besser zu Hause bleiben, und kann die an Lungenkrebs erkrankte Rentnerin ihre Chemotherapie fortsetzen?
Antworten auf diese Fragen geben die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und der Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP) jetzt mit ihrer aktualisierten Stellungnahme, in der sie COVID-19-Risiken für lungenkranke Patienten definieren [1].
Eine erste Risikoabschätzung hatte die DGP im April dieses Jahres veröffentlicht. Die neue Fassung greift jetzt 13 Fälle von Lungenerkrankungen exemplarisch auf, berücksichtigt und erörtert die neueste Studienlage.
„Wir wollen den Patienten im praktischen Alltag konkrete Antworten geben. Unser Anliegen ist auch, dass Patienten nicht eigenmächtig ihre Medikamente absetzen, aus Angst, dass diese möglicherweise ihr Risiko für einen schweren Verlauf erhöhen könnten“, betonte Prof. Dr. Michael Pfeifer, Präsident der DGP und Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Regensburg, auf der Online-Pressekonferenz der DGP [2].
Wir wollen den Patienten im praktischen Alltag konkrete Antworten geben. Prof. Dr. Michael Pfeifer
Nach aktuellem Kenntnisstand ist ein höheres Alter der größte Risikofaktor für einen schweren oder letalen Verlauf von COVID-19. Ab 60 Jahren steigt das Letalitätsrisiko kontinuierlich an, bei 80-jährigen Menschen ist es – verglichen mit 50-jährigen Menschen – um das 20-Fache erhöht. Meldedaten aus Deutschland zeigen, dass nur 12% aller Infektionen bei Personen im Alter ab 70 Jahren registriert sind, in dieser Gruppe treten aber 85% aller Todesfälle auf.
Weitere Risikofaktoren sind bekanntlich Adipositas, männliches Geschlecht, Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische Nieren- oder Lebererkrankungen, neurologische und neuromuskuläre Erkrankungen, Tumorerkrankungen, COPD und fortgeschrittene interstitielle Lungenerkrankungen.
Schwerer Verlauf oder nicht? Das entscheidet sich erst nach einer Woche
Mit 5 bis 6 Tagen ist die Inkubationszeit bei SARS-CoV-2-Infektion länger als bei Influenza, es überträgt sich aber leichter von Mensch zu Mensch. Die Mehrheit der Infizierten zeigt einen milden Verlauf, etwas unter 5% weisen derzeit schwere Verläufe auf, berichtet Prof. Dr. Marek Lommatzsch von der Universitätsmedizin Rostock, einer der Autoren der aktualisierten Stellungnahme.
In der Inkubationszeit oder während eines milden oder asymptomatischen Krankheitsverlaufes können Infizierte das Virus schnell und unbemerkt verbreiten; der Höhepunkt der Übertragung findet sich um den Tag des Symptombeginn.
Anders als bei schweren Influenza-Pneumonien kommt es bei schweren COVID-19-Verläufen meist nicht direkt zur abrupten Verschlechterung des Allgemeinzustands. „Das Tückische an COVID-19 ist, dass sich erst nach einer Woche zeigt: Bleibt es bei einem milden Verlauf oder kommt es zu zunehmender Luftnot und respiratorischer Insuffizienz“, erklärt Lommatzsch. Alarmsignale sind Luftnot, Tachypnoe und/oder ein Abfall der Sauerstoffsättigung unter 94%.
Gerade weil sich das Virus erst nach einer Woche demaskiere, sei es wichtig zu klären, welche Patienten ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf aufweisen und welche nicht, betonte Lommatzsch.
Asthma und COPD nicht in einen Topf werfen
Rund 8 Millionen Deutsche leiden an Asthma, 6,8 Millionen an COPD. Lommatzsch warnte davor, COPD und Asthma hinsichtlich des Risikos für einen schweren COVID-19 Verlauf „in einen Topf zu werfen“. Er verwies dabei auf das Statement des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu FFP2-Masken, in dem nicht deutlich genug zwischen Asthma und COPD unterschieden worden sei.
Allgemeine COVID-19-Fallserien hatten bereits im Frühjahr 2020 darauf hingewiesen, dass Patienten mit Asthma kein höheres Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben. Inzwischen zeigen mehrere Studien, dass das tatsächlich so ist. Selbst Patienten mit schwerem Asthma und einer Biologika-Therapie scheinen kein erhöhtes Risiko aufzuweisen. Kommen allerdings weitere Risikofaktoren wie hohes Alter, starkes Übergewicht oder eine chronische Herzerkrankung hinzu, steigt das Risiko auch für Asthmatiker.
Die Datenlage verdichtet sich, dass Patienten mit COPD ein mäßig erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf aufweisen. Prof. Dr. Marek Lommatzsch
Weshalb das Asthma selbst wohl kein Risikofaktor ist, dies ist noch nicht wirklich geklärt. Daten legen nahe, dass Asthma-Patienten ACE-2-Rezeptoren – die SARS-CoV-2 zum Eindringen ins Epithel nutzt – nur vermindert exprimieren.
Bei COPD sieht das anders aus: „Die Datenlage verdichtet sich, dass Patienten mit COPD ein mäßig erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf aufweisen“”, berichtete Lommatzsch. Kommt noch eine kardiovaskuläre Begleiterkrankung hinzu – was bei rund 50% der COPD-Patienten der Fall ist – ist das Risiko für einen schweren Verlauf deutlich erhöht.
Sarkoidose und Lungenfibrose?
Und bei Sarkoidose? Laut Prof. Dr. Torsten Bauer vom Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin weisen Sarkoidose-Patienten ohne Begleiterkrankungen kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf auf.
Bei Patienten mit Lungenfibrose wird hingegen ein höheres Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf vermutet. Denn Studien zeigen: Wird eine Hospitalisierung notwendig, dann ist bei Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung (ILD) mit einem signifikant erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf zu rechnen. Gerade solche Patienten sollten auf guten Selbstschutz wie FFP2-Masken setzen.
Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft
Pfeifer empfiehlt, dass sich Hochrisiko-Patienten mit ihren Fachärzten wegen der Schutzmaßnahmen besprechen sollten. Lungenmedikamente sollten grundsätzlich nicht und vor allem nicht eigenmächtig von Patienten abgesetzt werden. Das gelte gerade auch für inhalative Steroide bei Asthma.
Grundsätzlich sollten Patienten mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen den Empfehlungen des RKI (AHA-L) folgen und die Impf-Empfehlungen beachten.
Mit Beginn des zweiten Shutdowns Anfang November hatten der deutsche Behindertensportverband (DBS) und die Deutsche Atemwegsliga zunächst empfohlen, den Rehabilitationssport und damit auch den ambulanten Lungensport in Gruppen zeitweilig auszusetzen.
Inzwischen ist bei Beachtung der AHA-L-Regeln und der aktuellen Beschwerden der Patienten (keine Teilnahme von Patienten mit akuter Symptomatik) in vielen Bundesländern Lungensport in kleinen Gruppen erlaubt. Es empfiehlt sich, bei den Gesundheitsämtern nachzufragen, ob Rehabilitationssport in kleinen Gruppen erlaubt ist. Ist das nicht möglich, sollten die Patienten individuell ihre Übungen fortführen.
Generell sollten sich Lungenkranke in der Pandemie nicht zu Hause einschließen, sondern sich möglichst regelmäßig an der frischen Luft bewegen, betonten die Experten. Denn Immobilität ist ein wichtiger Risikofaktor für eine Symptomverschlechterung.
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