Donnerstag, 17. Dezember 2020
Neueste Corona-Informationen von Medscape
Impfungen in Deutschland sollen nach Weihnachten beginnen

Erneut schwere allergische Reaktion nach Impfung in Alaska

RKI: Knapp 700 Todesfälle und über 30.000 Neu-Infektionen seit gestern

KBV-Chef Gassen glaubt nicht an Erfolg des Shutdown

Triage-Berichte aus Klinikum in Sachsen sorgen für Diskussionen

Exzess-Mortalität in USA: 12.000 jüngere Menschen Opfer von COVID-19?

Virologen halten Abschirmung für keine geeignete Strategie

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat angekündigt, dass – wenn die EMA, wie vorgesehen, eine Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffes am kommenden Montag erteilt – direkt nach Weihnachten, also ab dem 27. Dezember, in Deutschland mit Impfungen begonnen werden wird. Zur Gruppe derjenigen mit höchster Priorität gehören über 80jährige Personen, Menschen in Alten- und Pflegeheimen, deren Pflegekräfte wie auch medizinisches Personal etwa auf Intensivstationen.

In den USA zitiert Prof. Dr. Eric Topol auf seinem Twitter-Account einen Bericht der New York Times über 2 weitere schwere allergische Reaktion auf den Biontech/Pfizer-Impfstoff bei der Impfaktion in einer Klinik in Alaska. Eine Krankenpflegerin habe eine Anaphylaxie in den ersten 10 Minuten nach der Impfung erlitten. Sie habe 2 Mal Adrenalin erhalten, sei über Nacht beobachtet worden, habe sich aber wieder erholt. Auch ein männlicher Angestellter der gleichen Klinik benötigte Adrenalin aufgrund von allergischen Reaktionen auf die Vakzine. Im Unterschied zu den britischen bislang gemeldeten ähnlichen Fällen habe die Frau keine vorherigen Allergien in der Vorgeschichte gehabt. Topols Mahnung: „Wir sollten mit seltenen, unerwarteten Nebenwirkungen rechnen.“

KBV-Chef Gassen glaubt nicht an Erfolg des Shutdown
Das RKI hat am Donnerstag 698 neue Todesfälle im Zusammenhang mit dem Corona-Virus gemeldet. Die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen 24 Stunden wurde zunächst mit 26.923 angegeben – dies wären knapp 3.000 Infektionen mehr als vor einer Woche. Aufgrund von Nachmeldungen aus Baden-Württemberg stieg die Zahl der gemeldeten Neu-Infektionen dann auf über 30.000 – den höchsten jemals gemeldeten Wert. Für die gesamte Bundesrepublik gibt die Behörde eine 7-Tages-Inzidenz von 179,2 an.

In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland hat der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Andreas Gassen Zweifel geäußert, dass es mit den jetzt in Kraft gesetzten Beschränkungen gelingen werde, die Infektionszahlen und insbesondere die Zahl der Todesfälle unter den Älteren deutlich zu senken.

„Ich gehe nicht davon aus, dass wir bis zum 10. Januar eine relevante Absenkung der Infektionsraten und schon gar nicht der Todesfälle erreichen werden“, sagte der KBV-Chef. Der Orthopäde, Unfallchirurg und Rheumatologe bekräftigte: „Ein Lockdown, egal wie hart, ist keine geeignete langfristige Strategie in der Pandemiebekämpfung.“ Das Ziel müsse sein, „die verletzlichen Bevölkerungsgruppen grundsätzlich deutlich besser als bisher zu schützen“.

Triage-Berichte aus Sachsen sorgen für Aufsehen
Für Aufsehen hatten Berichte von gestern gesorgt, nach denen der Ärztliche Direktor des Oberlausitzer Bergland-Klinikums in Zittau, Prof. Dr. Mathias Mengel, in einem Online-Bürgerforum am Dienstagabend bereits von Triage-Entscheidungen gesprochen hatte. Wie er sagte, habe das Krankenhaus nicht mehr genug Beatmungsbetten, weshalb Ärzte mehrfach hätten entscheiden müssen, welche Patienten Sauerstoff bekommen und welche nicht.

Wenn die Berichte korrekt sind, würde es sich um die ersten bestätigten Triage-Entscheidungen in Deutschland handeln. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer verwies in einer Reaktion lediglich auf die "geltenden ethischen und medizinrechtlichen Standards", nach denen „überall im Freistaat“ gearbeitet werde. Von diesen werde auch bei COVID-19 nicht abgewichen. Medizinischen Behandlungen liege immer eine individuelle Abwägung zugrunde. Der Träger des Krankenhauses, das Gesundheitszentrum des Landkreises Görlitz, bestätigte, die Intensivmedizin in der Klinik stoße „an die Grenzen des Leistbaren".

Doch: „Eine klassische Triage, wer leben darf und wer nicht, diese Entscheidung brauchten wir noch nicht fällen“, zitiert der Spiegel Martina Weber, Sozialdezernentin des Landkreises Görlitz. Zwar müssten Patienten teilweise in andere Krankenhäuser verlegt werden, weil die Klinik ausgelastet sei. „Aber: Wir können die Patienten regional versorgen, das werden wir bis Weihnachten schaffen“. Auch Mengel hatte berichtet, dass derzeit versucht werde, für Patienten, denen man keine Versorgung anbieten könne, eine Verlegung in andere Kliniken zu erreichen. Doch sei die Situation in allen Kliniken in Sachsen angespannt.

In einer gemeinsamen Stellungnahme der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Fachgruppe COVRIIN beim RKI, betonen diese, das deutsche Gesundheitssystem sei zwar stark belastet, „wir stehen aber derzeit NICHT an dem Punkt Priorisierungen von Patienten vornehmen zu müssen!“ „Das DIVI-Intensivregister kann differenziert aufzeigen, in welchen weniger belasteten Regionen freie Intensivbetten zur Verfügung stehen. Durch das Verlegungskonzept können alle schwerkranken Patienten diese Betten auch erreichen“, erläutern DIVI und die Fachgruppe.

USA: 12.000 junge Menschen unter 44 Jahre Opfer von COVID-19?
In einem Research Letter im JAMA berichtet eine Forschergruppe über die Exzess-Mortalität während der 1. Welle bei jüngeren Erwachsenen. Danach gab es unter den Erwachsenen im Alter von 25 bis 44 Jahren in den USA von März bis Juli 2020 insgesamt 19% mehr Todesfälle als erwartet – dies entspricht 12.000 Menschen, die zusätzlich gestorben sind.


Wie die Forscher – unter ihnen Dr. Rochelle Walensky von der Harvard Medical School, die als neue CDC-Chefin nominiert ist – berichten, konnten sie 38% dieser Übersterblichkeit direkt auf COVID-19 zurückführen, doch variiere dieser Anteil je nach Region stark. Die Todesfälle durch COVID-19 seien damit ebenso hoch oder in manchen Landesteilen sogar höher als die Sterbefälle durch Opioid-Missbrauch in dieser Altersgruppe. Ihre Berechnungen seien eher konservativ, schrieben die Forscher – und würden die COVID-19-bedingte Mortalität eher unterschätzen.

Virologen bekräftigen: Abschirmung vulnerabler Gruppen weder umsetzbar noch vertretbar
Die Gesellschaft für Virologie (GfV) verwehrt sich in einer aktuellen Mitteilung dagegen, dass suggeriert werde, die GfV habe sich gegen den bestmöglichen Schutz von Wohn- und Pflegeheimen ausgesprochen. Doch bekräftigt die GfV nochmals, dass sie eine Pandemie-Bekämpfungsstrategie ablehnt, die „einzig und allein auf die Abschirmung von Risikogruppen fußt“.

Die Begründung: „Wir weisen erneut darauf hin, dass die Risikogruppen viel zu zahlreich, zu heterogen und zum Teil auch unerkannt sind, um aktiv abgeschirmt werden zu können.“ Die Gesellschaft verweist darauf, dass z.B. Personen mit Übergewicht, Diabetes, Krebserkrankungen, einer Niereninsuffizienz, chronischen Lungenerkrankungen, Lebererkrankungen, nach Schlaganfall oder Transplantationen sowie – nach ersten Erkenntnissen – auch Schwangere ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. „De facto sind also weite Teile der Bevölkerung in Deutschland den Risikogruppen zuzuordnen. Dementsprechend ist eine allein auf diese Gruppen abzielende Abschirmungsstrategie in der Realität weder umsetzbar noch ethisch vertretbar.“

Update 15. Dezember 2020
EMA-Zulassung noch vor Weihnachten?

Die neuen Zahlen, ein harter Lockdown – und FFP2-Masken für Risikogruppen

Testphase des Corona-Warnarmbands

Biontech: 1. Impfung in den USA

FDA: Worauf sollten Ärzte bei der Impfung achten?

Geringe Impfbereitschaft im Gesundheitswesen stößt auf Kritik

Retrospektive Analyse: Warum grassierte COVID-19 in Italien so stark?

Neurologische Beschwerden auch bei leichtem COVID-19



Verschiedene Medien haben gemeldet, dass noch vor Weihnachten die Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffes durch die EMA erfolgen soll. Diese hat bestätigt, dass die Zulassung nun sogar für den 21. Dezember geplant ist. Wie Bundegesundheitsminister Jens Spahn in einer aktuellen Pressekonferenz sagte, soll dann noch vor dem Jahreswechsel mit den Impfungen in Deutschland begonnen werden. Die Infrastruktur dafür sei bereit. An der Pressekonferenz in Berlin zur „Corona-Lage vor Weihnachten" nahmen auch RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar Wieler, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Prof. Dr. Alena Buyx, und die Virologin Prof. Dr. Sandra Ciesek teil.

Auf die Nachfrage, warum der Zulassungsprozess in anderen Ländern schneller gehe, erläuterte Spahn: „Wir machen keine Notzulassung, sondern eine ordentliche Zulassung." Diese müsse aber mit allen beteiligten EU-Ländern abgestimmt sein. Zudem werde dabei „tiefer“ in die Daten eingestiegen, was bei der Bevölkerung mehr Vertrauen in die Impfung und den Zulassungsprozess schaffe. Und nicht zuletzt habe dies auch haftungsrechtliche Konsequenzen: Bei einer Notfallzulassung hafte die Regierung, bei einer ordentlichen Zulassung die Unternehmen.

Heute meldete das RKI 14.432 Neu-Infektionen in den vergangenen 24 Stunden. Insgesamt gibt es damit laut RKI in Deutschland mehr als 1,35 Millionen SARS-CoV-2-Infektionen und 22.475 Todesfälle durch COVID-19 (500 mehr als am Vortag). Die 7-Tages-Inzidenz beträgt derzeit 173,7 Fälle pro 100.000 Einwohner. „Die Lage ist so ernst, wie sie noch nie war in dieser Pandemie“, betonte Wieler in der Pressekonferenz. „Im Moment infizieren sich viel zu viele Menschen.“

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