Donnerstag, 17. Dezember 2020
Kontrolle der Corona-Pandemie: Immer mehr virologische Evidenz spricht für Schulschließungen
Michael van den Heuvel, Medscape

Weltweit versuchen Regierungen, die SARS-CoV-2-Pandemie mit nicht-pharmakologischen Maßnahmen zu kontrollieren. Was die Einschränkungen im Alltagsleben wirklich bringen, ist allerdings wenig untersucht. Deshalb haben Jan M. Brauner, Mediziner und Doktorand an der University of Oxford und Kollegen Effekte unterschiedlicher Strategien simuliert

Eine zentrale Erkenntnis: Die Schließung von Schulen oder Hochschulen leistet einen wichtigen Beitrag, um die Pandemie zu kontrollieren. Was Ihre Forschungsergebnisse unterstützt: In vielen Ländern – auch in Deutschland – ist die Prävalenz von SARS-CoV-2-Infektionen gerade bei Kindern und Jugendlichen, verglichen mit anderen Altersgruppen, hoch.

„Starker Effekt von Schulschließungen“, kommentiert dementsprechend auch Prof. Dr. Christian Drosten von der Charité-Universitätsmedizin auf seinem Twitter-Account. Räumt aber auch ein: „Klar: Es gibt andere Studien, die keine Effekte von Schulschließungen finden.“

Starker Effekt von Schulschließungen. Prof. Dr. Christian Drosten
Was ist neu an der Studie von Brauner und Kollegen? Zwar belegen Daten der Spanischen Grippe 1918-1919, dass Schulschließungen und andere nicht-pharmazeutischen Maßnahmen die weitere Ausbreitung gestoppt haben. Allerdings lassen sich Influenzaviren und SARS-CoV-2 nicht unbedingt vergleichen. Bei der Spanischen Grippe folgte die Mortalität einer U- bzw. W-förmigen Kurve mit Maxima bei Kindern unter 1 Jahr, bei jungen Erwachsenen zwischen 25 und 35 Jahren (nur 1918) sowie bei älteren Menschen ab 65. Solche Altersmuster zeigt SARS-CoV-2 aber nicht. Hier steigt das Risiko für eine schwere Erkrankung proportional zum Alter.

Daten der 1. Pandemiewelle für Simulation genutzt
Um hier für mehr Klarheit zu sorgen, haben Brauner und Kollegen Informationen der 1. Pandemiewelle zwischen Januar und Ende Mai 2020 ausgewertet. Die Daten kamen aus mehreren europäischen Ländern. Sie arbeiteten mit einem mathematischen Modell, das nicht-pharmazeutische Maßnahmen mit nationalen Fall- und Todeszahlen verknüpft. Die Ergebnisse ihrer Simulation geben wieder, wie sich die Netto-Reproduktionszahl Rt zu einem bestimmten Zeitpunkt (t) durch Interventionen verändert:

Beschränkung von Versammlungen auf maximal 1.000 Personen: 23% (95% KI: 0 bis 40%)

Beschränkung von Versammlungen auf maximal 100 Personen: 34% (95% KI: 12 bis 52%)

Beschränkung von Versammlungen auf maximal 10 Personen: 42% (95% KI: 17 bis 60%)

Schließung einiger risikoreicher Geschäfte: 18% (95% KI: -8 bis 40%)

Schließung der meisten Geschäfte: 27% (95% KI: -3 bis 49%)

Schließung von Schulen und Universitäten: 38% (95% KI: 16 bis 54%);

Aufenthalt zu Hause: Effekt zusätzlich zu allen anderen Maßnahmen 13% (95% KI: -5 bis 31%)

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