Dienstag, 29. Dezember 2020
Wer wird zuerst geimpft?
Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut hat ihre Empfehlung zur Priorisierung von SARS-CoV-2-Impfungen veröffentlicht. Ihr Stufenplan für Impfungen im Überblick:

Stufe 1:

Bewohner von Senioren- und Altenpflegeheimen

Personen im Alter von ≥ 80 Jahren

Personal mit besonders hohem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen

Personal in medizinischen Einrichtungen mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen

Pflegepersonal in der ambulanten und stationären

Andere Tätige in Senioren- und Altenpflegeheimen mit Kontakt zu den Bewohnern

Stufe 2:

Personen im Alter von ≥ 75-79 Jahren

Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit hohem Expositionsrisiko

Personen mit einer Demenz oder geistigen Behinderung in Institutionen

Tätige in der ambulanten oder stationären Versorgung von Personen mit Demenz oder geistiger Behinderung

Personen mit Down-Syndrom (Trisomie 21)

Stufe 3:

Personen im Alter von ≥ 70-74 Jahren

Personen nach Organtransplantation

Personen mit Vorerkrankungen mit hohem Risiko

Bewohner und Mitarbeiter in Gemeinschaftsunterkünften

Enge Kontaktpersonen von Schwangeren

Enge Kontaktpersonen bzw. Pflegende von Personen mit hohem Risiko

Personal mit moderatem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen und in Positionen, die für die Aufrechterhaltung der Krankenhaus-Infrastruktur besonders relevant sind

Teilbereiche des öffentlichen Gesundheitsdiensts

Stufe 4:

Personen im Alter von ≥ 65-69 Jahren

Personen mit Vorerkrankungen mit moderat erhöhtem Risiko und deren engste Kontaktpersonen

Personal mit niedrigem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen

Lehrer

Erzieher

Personen mit prekären Arbeits- und/oder Lebensbedingungen

Stufe 5:

Personen im Alter von ≥ 60-64 Jahren

Mitarbeiter in Schlüsselpositionen der Landes- und Bundesregierungen

Mitarbeiter im Einzelhandel

Mitarbeiter zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit mit erhöhtem Expositionsrisiko

Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur

Stufe 6:

Alle übrigen Personen im Alter von < 60 Jahren

Welche Impfstoffe werden in Deutschland verfügbar sein?
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA hat am 21. Dezember den Impfstoff BNT162b2 von Biontech/Pfizer für die Zulassung zur Anwendung bei Personen ab dem 16. Lebensjahr empfohlen. Damit können, wie von Gesundheitsminister Jens Spahn angekündigt, nach den Weihnachtsfeiertagen in Deutschland die Impfungen beginnen. Über den Kandidaten mRNA-1273 von Moderna will der CHMP am 6. Januar 2021 beratschlagen, bei Bedarf auch am 12. Januar 2021.

Hinzu kommen bei der EMA 2 fortlaufende Überprüfungen, sogenannte Rolling Reviews, und zwar für Vektorimpfstoffe der Pharmakonzerne AstraZeneca beziehungsweise Johnson & Johnson. Ziel dieser Strategie ist, Zulassungsanträge schneller zu bearbeiten.

Auch das deutsche Unternehmen Curevac hat am 14. Dezember 2020 laut Pressemeldung eine Phase-2b/3-Studie begonnen. Mehr als 35.000 Teilnehmer sollen eingeschlossen werden. Auch der Impfstoff-Kandidat CVnCoV des Unternehmens basiert auf der mRNA-Technologie.

Wer sollte derzeit nicht geimpft werden?
Gesundheitsbehörden aus Großbritannien raten nach 2 Fällen mit allergischen Reaktionen durch den Pfizer-BioNTech-Impfstoff, Patienten mit „signifikanten“ Allergien auf Medikamente oder Arzneimittel in der Vorgeschichte nicht zu impfen. Laut Impfstrategie befragen Ärzte des jeweiligen Impfzentrums in Deutschland alle Personen nach Allergien oder akuten Erkrankungen.

Das Robert Koch-Institut, Berlin, schreibt zum Thema Allergien:

Die Impfzentren bzw. die mobilen Teams müssen mit einer Notfallausstattung zur Behandlung anaphylaktischer Reaktionen ausgestattet sein.

Im Rahmen des Aufklärungsgesprächs soll eine allergische Disposition, auch bei Kosmetika, erfragt werden.

Bei bekannten Allergien gegenüber Inhaltsstoffen des COVID-19-Impfstoffs ist die Impfung kontraindiziert.

Sind früher allergische Reaktionen nach der Gabe von anderen Impfstoffen aufgetreten, soll die Nachbeobachtungszeit auf 30 Minuten verlängert werden

Bei anderen Allergien (ohne Anaphylaxie) in der Anamnese (Nahrungsmittel, Insektengift, Inhalationsallergien, Unverträglichkeit oraler Medikamente) kann die Impfung regulär erfolgen.

Ist eine anaphylaktische Reaktion nach Verabreichung der 1. Impfstoffdosis aufgetreten, sollte die 2. Impfstoffdosis nicht gegeben werden.

Zunächst werden nur Jugendliche ab 16 Jahren und Erwachsene geimpft. Für Kinder, Jugendliche unter 16 und Schwangere gibt es keine ausreichenden Daten. Erhebungen aus mehreren Ländern zeigen, dass die Prävalenz von SARS-CoV-2-Infektionen vor allem in der Gruppe bis 18 Jahren stark ansteigt, verglichen mit anderen Altersgruppen.

Bei einem Pressegespräch betonte Prof. Dr. Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin an der Eberhard Karls Universität Tübingen, zur Kontrolle der Pandemie und zur Eradikation des Virus sei es wichtig, auch Kinder und Jugendliche zu impfen. Er berichtete auch von einer geplanten Datenerhebung am Paul Ehrlich-Institut mit werdenden Müttern, die zum Zeitpunkt der Impfung nichts von ihrer Schwangerschaft wussten.

Ist nach einer Impfung endlich Schluss mit Masken-Tragen?
Auch nach einer Impfung raten Ärzte weiter zur „AHA+L“-Regel, und zwar aus mehreren Gründen: Die bislang veröffentlichten Protokolle sehen 2 Impfdosen vor. Erst nach 1-2 Wochen hat das Immunsystem den maximalen Schutz aufgebaut. Bis dahin besteht weiterhin das Risiko, sich zu infizieren. Der maximale Schutz wird etwa 10 Tage nach der 2. Impfung erreicht.

Hinzu kommt: Bislang weiß man nicht, ob die SARS-CoV-2-Vakzine auch die Übertragung des Virus auf gesunde, nicht geimpfte Menschen verhindert. Die „AHA+L“-Regel gilt dementsprechend auch für Geimpfte weiter.

Bei einem Pressegespräch verwies Prof. Dr. Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin an der Eberhard Karls Universität Tübingen, auf Ergebnisse aus Tierexperimenten mit Primaten. Diese ergaben, dass es zu einer Reduktion der Viruslast in den oberen Atemwegen und damit zu einer geringeren Ausscheidung von Viren nach einer Impfung komme. Ob sich die Daten auf Menschen übertragen ließen, sei unklar.

Welche Wirksamkeit ist für die verschiedenen Impfstoffe dokumentiert?
Zu den wichtigsten Vakzinen gibt es folgende Eckdaten:

mRNA-1273 von Moderna: 94,1% (2 Wochen nach der 2. Dosis (Phase-3-Studie)

BNT162b2 von Biontech/Pfizer: 95% (7 Tage nach der 2. Impfung; Phase-2/3-Studie)

AZD1222 von der Oxford University und von AstraZeneca: 90% (Dosisschema ½ Dosis plus 1 Dosis im Abstand von mindestens 1 Monat) bzw. 62% (Dosisschema 1 Dosis plus 1 Dosis im Abstand von mindestens 1 Monat). Hier handelt es sich um die Zwischenauswertung einer Phase-2-Studie. Diese Unterschiede lassen sich nicht erklären; eine weitere Studie ist geplant.

Curevac beginnt erst mit einer Phase-2b/3-Studie.

Wer übernimmt die Kosten für Impfungen?
Alle Personen, die ganz oder überwiegend in Deutschland leben, erhalten laut Bundesregierung Impfungen gegen SARS-CoV-2-Infektionen kostenlos. Ihr Versicherungsstatus spielt keine Rolle. Der Bund übernimmt alle Kosten für Impfstoffe, während die Länder die Kosten für den Betrieb der Impfzentren tragen. Daran sollen sich gesetzliche und private Krankenkassen beteiligen.

Die genauen Kosten der Impfstoffe für Deutschland sind unbekannt. Je nach Region und nach Hersteller bzw. Impfstofftyp ist mit 4 US-Dollar (ca. 4,80 Euro) bis 37 US-Dollar (ca. 44,80 Euro) pro Dosis zu rechnen. In der Regel werden 2 Dosen verimpft.

Eine belgische Politikerin hat aus Versehen Preise der Hersteller gepostet; ihr Tweet wurde mittlerweile gelöscht. Sie nennt pro Dosis für Moderna 18 US-Dollar (ca. 14,80 Euro), für Johnson & Johnson 8,50 US-Dollar (ca. 7,00 Euro), für BioNTech 12,00 Euro, für Curevac 10,00 Euro, für Sanofi 7,56 Euro und für AstraZeneca 1,78 Euro.

Wo kann man sich impfen lassen?
Impfungen finden zu Beginn in Impfzentren statt. In der Regel wird pro Landkreis bzw. kreisfreier Stadt ein Impfzentrum errichtet. Ausnahmen sind Großstädte: Dort kann es auch mehr als ein Zentrum geben. Bislang wurden 406 dieser Einrichtungen aufgebaut.

In Impfzentren arbeiten neben Ärzten auch andere Berufsgruppen. Dazu zählen medizinische Fachangestellte und Verwaltungsangestellte. Warum hat sich die Bundesregierung zu diesem ungewöhnlichen Schritt entschlossen? Das RKI nennt mehrere Gründe: Impfungen über Hausarzt-Praxen würden deutlich länger dauern. Und nicht jeder Niedergelassene hat Tiefkühlschränke. Die Vakzine von BioNTech muss bei -70°C bis -80°C aufbewahrt werden; der Impfstoff von Moderna benötigt -20°C als Lagertemperatur. Und nicht zuletzt erleichtern es Impfzentren, bestimmte Personengruppen laut geplanter STIKO-Empfehlung zu priorisieren.

In der Praxis wird es wohl 2 Wege geben, Termine zu vereinbaren – entweder über Terminservicestellen der KBV (Tel. 116 117) oder über niedergelassene Ärzte. Laut Entwurf einer Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) fordert Gesundheitsminister Jens Spahn von Ärzten, Patienten die STIKO-Priorisierungen zu attestieren – für 5 Euro Aufwandsentschädigung. Sie sollen über ein System die entsprechenden Codes zur Terminvergabe auf Bescheinigungen drucken und alle Leistungen dokumentieren.

Neben Impfzentren wird es auch mobile Teams geben, die Alten- oder Pflegeheime besuchen.

Über 80-Jährige, die noch zu Hause leben, sollen von Kassenärztlichen Vereinigungen angeschrieben werden; die Daten kommen von den Pflegekassen. Sie erhalten Kontaktdaten von Impfzentren oder von mobilen Impfteams.

Ab wann auch niedergelassene Ärzte impfen sollen, ist ungewiss. Bei einer Informationsveranstaltung sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, er sei zuversichtlich, dass Herbst/Winter 2021/22 normaler liefen und man bis dahin die Möglichkeit habe, über die Praxen Millionen von Menschen zu impfen.

https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-12/corona-impfzentrum-deutschland-aktuell-impfung-karte

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