Donnerstag, 17. Juni 2021
Intensivbetten: DIVI und DKG verwahren sich gegen Betrugsvorwürfe
che2001, 13:00h
Ute Eppinger, Medscape
Erstattung von Schutzmasken, Ausgleichszahlungen an Kliniken und Aufbau von Intensivbetten ? der Bericht des Bundesrechnungshofs (BRH), der vergangene Woche dem Haushaltsausschuss des Bundestages zugeleitet wurde, verursacht reichlich Wirbel. Der BRH hat die Ausgaben der Bundesregierung in der Corona-Pandemie scharf kritisiert und strengere Kontrollen verlangt.
Die Regierung müsse ?bei künftigen Maßnahmen zulasten der Steuerzahler stärker auf eine ordnungsgemäße und wirtschaftliche Mittelverwendung achten?, heißt es in dem 42-seitigen Prüfbericht. Unterstützung sei nach dem ?Gießkannenprinzip? verteilt worden.
Eine ?massive Überkompensation aus Steuermitteln? habe es auch bei den Ausgleichszahlungen für Kliniken gegeben. Im Jahr 2020 lagen sie bei 10,2 Milliarden Euro und damit um 1,3 Milliarden höher als 2019, obwohl die Betten 8% weniger ausgelastet waren.
Betrug mit den Intensivbetten?
Moniert wird auch, dass das Bundesgesundheitsministerium bis heute nicht in der Lage sei, die Zahl der tatsächlich aufgestellten sowie der zusätzlich angeschafften Intensivbetten verlässlich zu ermitteln. Die als Folge aufgetretenen ?unerwünschten Mitnahmeeffekte? seien ?nicht vertretbar?.
Innerhalb eines Jahres flossen bis Anfang März 2021 rund 686 Millionen Euro für neue Intensivbetten. Teilt man die Summe durch den Zuschuss pro Bett müsste es 13.700 neue Intensivbetten geben ? doch die kann der BRH nicht finden, berichtet die Tagesschau . Ein im BRH-Bericht erwähntes Schreiben aus dem Robert Koch-Institut (RKI) vom Januar diesen Jahres, in dem das Institut die Vermutung geäußert haben soll, dass Kliniken zum Teil weniger Intensivbetten meldeten, als tatsächlich vorhanden waren, nährt ebenfalls Spekulationen.
?Horror-Zahlen gefälscht: Der große Betrug mit den Intensivbetten?, titelte prompt die Bild . Es sei ?befremdend? wie ein ehemaliger Staatssekretär im Finanzministerium (Spahn) ?so großzügig und planlos mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger? umgehe, sagte die Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz, die als Obfrau der Grünen im Rechnungsprüfungsausschuss den Bericht bereits lesen konnte, gegenüber der Süddeutschen Zeitung .
Erst im Mai hatte die Ad-hoc-Stellungnahme von Prof. Dr. Matthias Schrappe und Kollegen Aufruhr verursacht, in der von verschwundenen Intensivbetten die Rede war. Die Kritik der Verbände folgte prompt und die Autoren mussten einige Punkte ihrer Stellungnahme korrigieren. Durch den BRH-Bericht sehen sie jetzt aber ihre Einschätzung bestätigt. Schrappe sagt dazu: ?Der Bundesrechnungshof hat unsere Beobachtungen bestätigt und er geht sogar noch einen Schritt weiter.? Die Autorengruppe um Schrappe hat einen Kommentar zum Bericht des BRH veröffentlicht.
Laut Bild führt die Landesregierung in NRW jetzt eine ?Überprüfung eventuell auffälliger Meldewerte? durch, um ?systematisches Fehlverhalten? einzelner Krankenhäuser aufzudecken.
Intensivmediziner fordern Aufarbeitung und schnelle Digitalisierung
Wie ernst die Situation auf den Intensivstationen war, machte Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und Leitender Oberarzt an der Lungenklinik Köln-Merheim, auf der Pressekonferenz der DGIIN, deutlich [1]. ?Wir hatten bei uns in Köln viele Tage, da war kein einziges Intensivbett mehr frei, wir mussten COVID-19-Patienten kilometerweit auslagern, in andere Kliniken transportieren. Wir waren an diesem Punkt und brauchten dringend Maßnahmen ? das war keine Übertreibung und es waren keine falschen Zahlen.?
War die Krisenkommunikation aus seiner Sicht zu alarmistisch? ?Wir müssen uns da kritisch hinterfragen und ja, wir haben gewisse Dinge akzentuiert ? der Hintergrund war aber, dass jeder zweite COVID-19-Patient auf Intensiv gestorben ist und dass das Personal überlastet war?, erinnerte Karagiannidis.
Er betonte, dass verschiedene Lehren aus der Pandemie gezogen werden müssten. So sollten die pandemischen Daten von Think Tanks aufgearbeitet und analysiert werden. Wichtig sei, die Digitalisierung voranzutreiben und die Real-Time-Erfassung der betreibbaren Intensivbetten und des verfügbaren Personals umzusetzen. ?Eine Real Time Erfassung wäre extrem hilfreich ? hätten wir die jetzt in der Pandemie schon gehabt, wären wir unabhängig von den individuellen Eingaben der Krankenhäuser gewesen.?
DIVI: Daten des Intensivregisters zu jeder Zeit belastbar
Im Bericht des BRH heißt es, dass nach Ansicht des RKI die ans DIVI-Zentralregister gemeldeten Daten ?nicht mehr für eine Bewertung der Situation geeignet? gewesen seien. In einer Stellungnahme weist das die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ausdrücklich zurück: ?Das DIVI-Intensivregister und die hierin abgefragten Daten aller Intensivstationen mit Akutversorgung in Deutschland, rund 1.330 an der Zahl, sind und waren zu jeder Zeit belastbar ? zur Bewertung der Pandemie und der Lage auf den Intensivstationen.? Als wissenschaftliche Fachgesellschaft stütze man die Aussagen nicht auf einzelne Daten und nicht auf eine einzige Quelle.
?Selbstverständlich gleichen wir Meldungen im DIVI-Intensivregister mit anderen Daten und weiteren Experten ab. Die DIVI hat keinen Hinweis darauf, dass eine bewusste Falschmeldung der Krankenhäuser erfolgt ist. Wir weisen den Verdacht entschieden zurück, Kliniken würden sich im großen Stil durch bewusste Falschmeldungen bereichern?, stellt die DIVI klar.
Wir weisen den Verdacht entschieden zurück, Kliniken würden sich im großen Stil durch bewusste Falschmeldungen bereichern. DIVI
Neben den ?freien betreibbaren Betten? seien im Intensivregister zahlreiche weitere Indikatoren erfasst worden (freie Beatmungskapazitäten, freie ECMO-Kapazitäten, Bewertung der Situation nach dem Ampel-Prinzip). So habe sich ein eindeutiges und umfassendes Bild der Lage ergeben, dass sich mit der Wahrnehmung zahlreicher Kollegen gedeckt habe. ?Die Intensivstationen waren voll, teilweise überlastet, die Zahl der schwerkranken COVID-Patienten stieg steil an, Patienten mussten überregional verlegt werden?, schreibt die DIVI.
Erstattung von Schutzmasken, Ausgleichszahlungen an Kliniken und Aufbau von Intensivbetten ? der Bericht des Bundesrechnungshofs (BRH), der vergangene Woche dem Haushaltsausschuss des Bundestages zugeleitet wurde, verursacht reichlich Wirbel. Der BRH hat die Ausgaben der Bundesregierung in der Corona-Pandemie scharf kritisiert und strengere Kontrollen verlangt.
Die Regierung müsse ?bei künftigen Maßnahmen zulasten der Steuerzahler stärker auf eine ordnungsgemäße und wirtschaftliche Mittelverwendung achten?, heißt es in dem 42-seitigen Prüfbericht. Unterstützung sei nach dem ?Gießkannenprinzip? verteilt worden.
Eine ?massive Überkompensation aus Steuermitteln? habe es auch bei den Ausgleichszahlungen für Kliniken gegeben. Im Jahr 2020 lagen sie bei 10,2 Milliarden Euro und damit um 1,3 Milliarden höher als 2019, obwohl die Betten 8% weniger ausgelastet waren.
Betrug mit den Intensivbetten?
Moniert wird auch, dass das Bundesgesundheitsministerium bis heute nicht in der Lage sei, die Zahl der tatsächlich aufgestellten sowie der zusätzlich angeschafften Intensivbetten verlässlich zu ermitteln. Die als Folge aufgetretenen ?unerwünschten Mitnahmeeffekte? seien ?nicht vertretbar?.
Innerhalb eines Jahres flossen bis Anfang März 2021 rund 686 Millionen Euro für neue Intensivbetten. Teilt man die Summe durch den Zuschuss pro Bett müsste es 13.700 neue Intensivbetten geben ? doch die kann der BRH nicht finden, berichtet die Tagesschau . Ein im BRH-Bericht erwähntes Schreiben aus dem Robert Koch-Institut (RKI) vom Januar diesen Jahres, in dem das Institut die Vermutung geäußert haben soll, dass Kliniken zum Teil weniger Intensivbetten meldeten, als tatsächlich vorhanden waren, nährt ebenfalls Spekulationen.
?Horror-Zahlen gefälscht: Der große Betrug mit den Intensivbetten?, titelte prompt die Bild . Es sei ?befremdend? wie ein ehemaliger Staatssekretär im Finanzministerium (Spahn) ?so großzügig und planlos mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger? umgehe, sagte die Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz, die als Obfrau der Grünen im Rechnungsprüfungsausschuss den Bericht bereits lesen konnte, gegenüber der Süddeutschen Zeitung .
Erst im Mai hatte die Ad-hoc-Stellungnahme von Prof. Dr. Matthias Schrappe und Kollegen Aufruhr verursacht, in der von verschwundenen Intensivbetten die Rede war. Die Kritik der Verbände folgte prompt und die Autoren mussten einige Punkte ihrer Stellungnahme korrigieren. Durch den BRH-Bericht sehen sie jetzt aber ihre Einschätzung bestätigt. Schrappe sagt dazu: ?Der Bundesrechnungshof hat unsere Beobachtungen bestätigt und er geht sogar noch einen Schritt weiter.? Die Autorengruppe um Schrappe hat einen Kommentar zum Bericht des BRH veröffentlicht.
Laut Bild führt die Landesregierung in NRW jetzt eine ?Überprüfung eventuell auffälliger Meldewerte? durch, um ?systematisches Fehlverhalten? einzelner Krankenhäuser aufzudecken.
Intensivmediziner fordern Aufarbeitung und schnelle Digitalisierung
Wie ernst die Situation auf den Intensivstationen war, machte Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und Leitender Oberarzt an der Lungenklinik Köln-Merheim, auf der Pressekonferenz der DGIIN, deutlich [1]. ?Wir hatten bei uns in Köln viele Tage, da war kein einziges Intensivbett mehr frei, wir mussten COVID-19-Patienten kilometerweit auslagern, in andere Kliniken transportieren. Wir waren an diesem Punkt und brauchten dringend Maßnahmen ? das war keine Übertreibung und es waren keine falschen Zahlen.?
War die Krisenkommunikation aus seiner Sicht zu alarmistisch? ?Wir müssen uns da kritisch hinterfragen und ja, wir haben gewisse Dinge akzentuiert ? der Hintergrund war aber, dass jeder zweite COVID-19-Patient auf Intensiv gestorben ist und dass das Personal überlastet war?, erinnerte Karagiannidis.
Er betonte, dass verschiedene Lehren aus der Pandemie gezogen werden müssten. So sollten die pandemischen Daten von Think Tanks aufgearbeitet und analysiert werden. Wichtig sei, die Digitalisierung voranzutreiben und die Real-Time-Erfassung der betreibbaren Intensivbetten und des verfügbaren Personals umzusetzen. ?Eine Real Time Erfassung wäre extrem hilfreich ? hätten wir die jetzt in der Pandemie schon gehabt, wären wir unabhängig von den individuellen Eingaben der Krankenhäuser gewesen.?
DIVI: Daten des Intensivregisters zu jeder Zeit belastbar
Im Bericht des BRH heißt es, dass nach Ansicht des RKI die ans DIVI-Zentralregister gemeldeten Daten ?nicht mehr für eine Bewertung der Situation geeignet? gewesen seien. In einer Stellungnahme weist das die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ausdrücklich zurück: ?Das DIVI-Intensivregister und die hierin abgefragten Daten aller Intensivstationen mit Akutversorgung in Deutschland, rund 1.330 an der Zahl, sind und waren zu jeder Zeit belastbar ? zur Bewertung der Pandemie und der Lage auf den Intensivstationen.? Als wissenschaftliche Fachgesellschaft stütze man die Aussagen nicht auf einzelne Daten und nicht auf eine einzige Quelle.
?Selbstverständlich gleichen wir Meldungen im DIVI-Intensivregister mit anderen Daten und weiteren Experten ab. Die DIVI hat keinen Hinweis darauf, dass eine bewusste Falschmeldung der Krankenhäuser erfolgt ist. Wir weisen den Verdacht entschieden zurück, Kliniken würden sich im großen Stil durch bewusste Falschmeldungen bereichern?, stellt die DIVI klar.
Wir weisen den Verdacht entschieden zurück, Kliniken würden sich im großen Stil durch bewusste Falschmeldungen bereichern. DIVI
Neben den ?freien betreibbaren Betten? seien im Intensivregister zahlreiche weitere Indikatoren erfasst worden (freie Beatmungskapazitäten, freie ECMO-Kapazitäten, Bewertung der Situation nach dem Ampel-Prinzip). So habe sich ein eindeutiges und umfassendes Bild der Lage ergeben, dass sich mit der Wahrnehmung zahlreicher Kollegen gedeckt habe. ?Die Intensivstationen waren voll, teilweise überlastet, die Zahl der schwerkranken COVID-Patienten stieg steil an, Patienten mussten überregional verlegt werden?, schreibt die DIVI.
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