Montag, 4. April 2022
Oberarzt Dr. Martin Hartmann zu Interdependenzen von Covid und HIV und dem neuesten Stand der Aids-Forschung
Transkript des Videos von PD Dr. Martin Hartmann, Heidelberg

Schönen guten Tag,

hier ist Martin Hartmann aus der Hautklinik der Universität Heidelberg. Es geht heute um die CROI (Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections), die Mitte Februar 2022 virtuell stattfand.

Schwerpunkt sind traditionell Retroviren, also HIV, AIDS und opportunistische Infektionen. Zusätzlich gab es zahlreiche Beiträge zur SARS-CoV2-Infektion.

Neues zur HIV-Infektion

Bei der HIV-Infektion gibt es immer mehr Daten zu den lang wirksamen Substanzen, insbesondere zu Cabotegravir, was in Kombination mit Rilpivirin zugelassen ist. Die ersten 3-Jahres-Daten zeigen, dass diese Kombination effektiv ist.

Auch in der PrEP konnte die Substanz überzeugen, zumindest im Vergleich zu Truvada, was einmal täglich oral gegeben werden muss. Allerdings muss im Verlauf darauf geachtet werden, ob nicht Infektionen auftauchen, die vielleicht vorher schon bestanden haben.

Der Kapsid-Inhibitor Lenacapavir, der täglich oder als 6-Monats-Injektion gegeben werden kann, konnte bei therapienaiven Patienten mit 6-Monats-Daten sowie bei Patienten mit Resistenzen gegen andere Substanzen mit 1-Jahres-Daten überzeugen.

In Bezug auf die Injektionen wurden die weiteren Versuche momentan angehalten, weil Verdacht auf Inkompatibilitäten mit dem Glas, in dem die Injektionslösung geliefert wurde, besteht.

Auch die klinischen Studien mit Islatravir wurden angehalten. Auf der Substanz lagen viele Hoffnungen, weil sie monatlich oder wöchentlich gegeben werden kann und sich als Kombinationspartner für lang wirksame Substanzen angeboten hatte. Hier sind im Verlauf der Studien unklare Lymphopenien aufgetreten, die Auswertung wird momentan abgewartet.

Es gibt einen weiteren Fall einer HIV-Heilung: eine 59jährige Frau mit akuter myeloischer Leukämie, die im Verlauf CCR5-negatives Nabelschnurblut erhalten hat. Nach der Behandlung wurde versuchsweise die HIV-Therapie abgesetzt. Momentan weist die Patienten seit 14 Monaten keine nachweisbare Viruslast mehr auf.

Der weitere Verlauf bleibt abzuwarten. Dies gilt als 3. Fall der Heilung einer HIV-Infektion.

Long-COVID-19

Zur Corona-Impfung gab es weitere Daten bei HIV-Patienten. Hier sind die Antikörper-Spiegel geringer ausgeprägt.

Eine Session beschäftigte sich mit Long-COVID oder Post-COVID, inzwischen auch PACS genannt (Post-akutes COVID-Syndrom/Post-Acute Sequelae of SARS-CoV-2).

Problem ist, dass die Definition des PACS nicht einheitlich ist. Die WHO schlägt vor, dass eine Dauer von 8 Wochen nach Infektion ein PACS definiert.

Die Infektion dauert im Durchschnitt 7 bis 10 Tage. Bei etwa 10% der Patienten geht man von weiteren Symptomen im Zeitraum zwischen 4 bis 8 Wochen und bei 5% der Patienten länger anhaltenden Symptomen aus.

Man unterscheidet einen pulmonalen Symptomenkomplex vor allem mit Belastungsdyspnoe, einen kardialen Symptomenkomplex und einen neurologischen Symptomenkomplex. Vor allem neurologische Symptome können nach überstandener SARS-CoV2-Infektion noch zunehmen.

Die Symptome verschieben sich und bleiben länger bestehen.

Eine Impfung schützt nicht vollständig vor einem PACS. Hier rechnet man aber mit einer Reduktion um etwa 50%.

Ich habe mit 2 Patienten gesprochen. Ein vitaler mittelalter Patient hat sehr unter dem PACS gelitten, es sei, wie wenn man den Stecker gezogen hätte. Tägliche Verrichtungen sind kaum noch möglich. Das Ganze hält jetzt schon in der 8. Woche an.

Eine jüngere Kollegin berichtete über zentralnervöse Symptome, die nach überstandener Infektion noch zugenommen haben, wie Konzentrationsstörungen oder das Gefühl ?daneben zu stehen?. Auch hier sind die ersten Wochen vergangen, ohne dass sich die Beschwerden deutlich gebessert haben.

Zur Therapie des PACS gibt es kaum Daten. Es wird immer wieder diskutiert, dass eine Impfung, also eine Post-PACS-Impfung zur Besserung führen kann. Erste Studien zeigen aber, dass diese Erfolge sehr limitiert sind.

Es bleibt also spannend bei dieser bislang schlecht definierten Erkrankung. Die Fälle sind sicher unterrepräsentiert, da nicht alle Patienten zum Arzt gehen.

Das war es von der CROI.

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