Donnerstag, 12. Oktober 2006
BLEIBERECHT FÜR "GEDULDETE": WER FÜR SICH SORGEN KANN, SOLL BLEIBEN DÜRFEN
che2001, 12:14h
Knapp 200.000 Menschen leben in Deutschland als "geduldete" Ausländer, die meisten bereits länger als fünf Jahre. Dennoch droht ihnen die Abschiebung in ihre Herkunftsländer. Denn Duldung bedeutet nur eine zeitweilige Aussetzung der Abschiebung.
Dieses Verfahren soll durch ein Bleiberecht für geduldete Ausländer neu geregelt werden. Die Innenministerkonferenz kam nun offenbar einer Lösung näher: Ein Aufenthaltsrecht soll nur dann gewährt werden, "wenn jemand selbst in der Lage ist, für sich zu sorgen", sagte der Vorsitzende der Konferenz, Bayerns Innenminister Günther Beckstein.
Seit zehn Jahren lebt die kurdische Familie D. in Deutschland. 1996 floh sie aus der Türkei - als Opfer von Übergriffen und Repressalien. Die Kinder gingen zur Schule und haben diese heute auch erfolgreich abgeschlossen. Den beiden 19- und 21-Jährigen aber droht nun die Abschiebung. Wann, das ist offen. Klar aber ist: Auch nach zehn Jahren Leben, Lernen und Arbeiten in Deutschland hängt das allein von der Verlängerung ihrer Duldung ab.
"Eine Duldung ist nicht zur Regelung eines Daueraufenthaltes gedacht", sagt Flüchtlingsexperte Bernd Misovic von Pro Asyl gegenüber tagesschau.de. "Sie sollte eine Überbrückung für einen Zeitraum sein". Dennoch leben derzeit rund 193.000 Menschen seit Jahren in Deutschland mit einem Papier, das eine Abschiebung in ihr Herkunftsland zeitweilig aussetzt - eben der Duldung. Ihr Bleiberecht soll nun ausgehandelt werden.
"Etwa 120.000 dieser geduldeten Ausländer leben länger als fünf Jahre in Deutschland, mehr als 50.000 von ihnen sogar über elf Jahre", sagt Misovic. Mehrheitlich sind die "Geduldeten" Kosovaren, Roma, Bosnier oder Kurden. Sie kommen aus Serbien-Montenegro, Ex-Jugoslawien, der Türkei, Afghanistan oder dem Irak. Als "Geduldete" hätten sie kaum Chancen, eine Arbeit zu finden, sagt Pro-Asyl-Mitarbeiter Misovic. Und "sie haben kaum Möglichkeiten, nach Schulende eine weiterführende Ausbildung oder gar ein Studium zu machen". Klar ist: "Kettenduldungen, mal drei Monate, mal ein halbes oder ein Jahr Verlängerung, ermöglichen keine Lebensplanung", so der Flüchtlings-Experte.
Dabei seien die meisten von ihnen "integriert", das heißt "sie sprechen Deutsch und leben seit Jahren hier". Dass solche Lebenszustände geändert werden müssen, ist den meisten klar - vor allem, da auch "neue Geduldete nachwachsen", wie Pro-Asyl-Mitarbeiter Misovic sagt. So habe Deutschland in den letzen zwei bis drei Jahren mehr als 40.000 Flüchtlingen den Asylstatus wieder aberkannt - und damit mehr Menschen in den Duldungsstatus gedrängt.
Das Bleiberecht für geduldete Ausländer allerdings soll nach dem Willen der Bundesregierung sowieso nur die so genannten "Altfälle" regeln. Und auch da wird um das Wie gestritten. Bayerns Innenminister Günther Beckstein zum Beispiel zweifelt generell am Vorstoß von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, die Fälle der geduldeten Ausländer, die seit Jahren ohne gesicherten Rechtsstatus in Deutschland leben, zu regeln.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann wiederum will langjährig geduldeten Asylbewerbern mit Kindern ein Bleiberecht verschaffen - allerdings unter bestimmten Bedingungen. So müssten diese Familien ihren Lebensunterhalt durch dauerhafte Beschäftigung selbst bestreiten könnten. Zudem dürften die Eltern nicht straffällig geworden sein oder den Staat hintergangen haben. Darin stimmt Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach überein. Für ihn ist entscheidend, dass keine Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme stattfinde. Bosbach schlägt zudem einen Stichtag für das Bleiberecht vor: "Man muss vor dem 1. Juli 1999 eingereist sein", so der Unions-Fraktionsvize.
Auch SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz spricht sich für einen Stichtag aus. Der Tageszeitung "Die Welt" nannte er als Eckpunkte für ein Bleiberecht einen bis zu sechsjährigen Aufenthalt in Deutschland, die Erfüllung der Schulpflicht, Deutschkenntnisse sowie die Fähigkeit, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Die Grünen wiederum wollen schon nach eineinhalb Jahren vom Duldungsstatus zum Bleiberecht übergehen.
Um die Vorschläge wird bis November, wenn die Innenminister auf ihrer Konferenz über das Thema beraten sollen, noch kontrovers diskutiert werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Flüchtlinge, Pro Asyl, hofft, dass die Bedingungen für ein Bleiberecht der bisher geduldeten Menschen dann wenigstens so aussehen, dass sie auch erfüllbar sein können. Denn Forderungen, dass die Antragsteller zum Beispiel ein "Arbeitsverhältnis mit Dauerwirkung" vorweisen müssen, seien in einer Arbeitswelt, in der auch Deutsche immer mehr befristete oder gar mehrere Jobs haben, unrealistisch und unfair.
Dieses Verfahren soll durch ein Bleiberecht für geduldete Ausländer neu geregelt werden. Die Innenministerkonferenz kam nun offenbar einer Lösung näher: Ein Aufenthaltsrecht soll nur dann gewährt werden, "wenn jemand selbst in der Lage ist, für sich zu sorgen", sagte der Vorsitzende der Konferenz, Bayerns Innenminister Günther Beckstein.
Seit zehn Jahren lebt die kurdische Familie D. in Deutschland. 1996 floh sie aus der Türkei - als Opfer von Übergriffen und Repressalien. Die Kinder gingen zur Schule und haben diese heute auch erfolgreich abgeschlossen. Den beiden 19- und 21-Jährigen aber droht nun die Abschiebung. Wann, das ist offen. Klar aber ist: Auch nach zehn Jahren Leben, Lernen und Arbeiten in Deutschland hängt das allein von der Verlängerung ihrer Duldung ab.
"Eine Duldung ist nicht zur Regelung eines Daueraufenthaltes gedacht", sagt Flüchtlingsexperte Bernd Misovic von Pro Asyl gegenüber tagesschau.de. "Sie sollte eine Überbrückung für einen Zeitraum sein". Dennoch leben derzeit rund 193.000 Menschen seit Jahren in Deutschland mit einem Papier, das eine Abschiebung in ihr Herkunftsland zeitweilig aussetzt - eben der Duldung. Ihr Bleiberecht soll nun ausgehandelt werden.
"Etwa 120.000 dieser geduldeten Ausländer leben länger als fünf Jahre in Deutschland, mehr als 50.000 von ihnen sogar über elf Jahre", sagt Misovic. Mehrheitlich sind die "Geduldeten" Kosovaren, Roma, Bosnier oder Kurden. Sie kommen aus Serbien-Montenegro, Ex-Jugoslawien, der Türkei, Afghanistan oder dem Irak. Als "Geduldete" hätten sie kaum Chancen, eine Arbeit zu finden, sagt Pro-Asyl-Mitarbeiter Misovic. Und "sie haben kaum Möglichkeiten, nach Schulende eine weiterführende Ausbildung oder gar ein Studium zu machen". Klar ist: "Kettenduldungen, mal drei Monate, mal ein halbes oder ein Jahr Verlängerung, ermöglichen keine Lebensplanung", so der Flüchtlings-Experte.
Dabei seien die meisten von ihnen "integriert", das heißt "sie sprechen Deutsch und leben seit Jahren hier". Dass solche Lebenszustände geändert werden müssen, ist den meisten klar - vor allem, da auch "neue Geduldete nachwachsen", wie Pro-Asyl-Mitarbeiter Misovic sagt. So habe Deutschland in den letzen zwei bis drei Jahren mehr als 40.000 Flüchtlingen den Asylstatus wieder aberkannt - und damit mehr Menschen in den Duldungsstatus gedrängt.
Das Bleiberecht für geduldete Ausländer allerdings soll nach dem Willen der Bundesregierung sowieso nur die so genannten "Altfälle" regeln. Und auch da wird um das Wie gestritten. Bayerns Innenminister Günther Beckstein zum Beispiel zweifelt generell am Vorstoß von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, die Fälle der geduldeten Ausländer, die seit Jahren ohne gesicherten Rechtsstatus in Deutschland leben, zu regeln.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann wiederum will langjährig geduldeten Asylbewerbern mit Kindern ein Bleiberecht verschaffen - allerdings unter bestimmten Bedingungen. So müssten diese Familien ihren Lebensunterhalt durch dauerhafte Beschäftigung selbst bestreiten könnten. Zudem dürften die Eltern nicht straffällig geworden sein oder den Staat hintergangen haben. Darin stimmt Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach überein. Für ihn ist entscheidend, dass keine Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme stattfinde. Bosbach schlägt zudem einen Stichtag für das Bleiberecht vor: "Man muss vor dem 1. Juli 1999 eingereist sein", so der Unions-Fraktionsvize.
Auch SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz spricht sich für einen Stichtag aus. Der Tageszeitung "Die Welt" nannte er als Eckpunkte für ein Bleiberecht einen bis zu sechsjährigen Aufenthalt in Deutschland, die Erfüllung der Schulpflicht, Deutschkenntnisse sowie die Fähigkeit, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Die Grünen wiederum wollen schon nach eineinhalb Jahren vom Duldungsstatus zum Bleiberecht übergehen.
Um die Vorschläge wird bis November, wenn die Innenminister auf ihrer Konferenz über das Thema beraten sollen, noch kontrovers diskutiert werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Flüchtlinge, Pro Asyl, hofft, dass die Bedingungen für ein Bleiberecht der bisher geduldeten Menschen dann wenigstens so aussehen, dass sie auch erfüllbar sein können. Denn Forderungen, dass die Antragsteller zum Beispiel ein "Arbeitsverhältnis mit Dauerwirkung" vorweisen müssen, seien in einer Arbeitswelt, in der auch Deutsche immer mehr befristete oder gar mehrere Jobs haben, unrealistisch und unfair.
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