Samstag, 12. August 2017
Und nicht vergessen: Solidarität ist immer noch eine Waffe
https://www.youtube.com/watch?v=RqA1up7IHdU


https://www.youtube.com/watch?v=Z86S4RoCZyQ

Muss mal wieder betonen dass die Leute die hier kämpfen mir sehr viel näher stehen als die teutschen Moralinlinken.

Und vergesst niemals Said Soltanpour und Marzia Ahmadi Ozkoi.

https://www.youtube.com/watch?v=tl7m1YJzO48

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Montag, 31. Juli 2017
Was heißt hier eigentlich autonom - Mal ein Paar Dinge zum Selbstverständnis
Von der politisch-theoretischen Selbsteinordnung bin ich seit so dreißig Jahren sattelfest und sehe keine Gründe, das grundsätzlich zu ändern. Das ist bei mir so eine Verbindung aus Postoperaismus, Kritischer Theorie und bestimmten Anwendungen des französischen Poststrukturalismus, um das an Zeitschriften und Autoren festzumachen: Materialien für einen Neuen Antiimperialismus, Adorno, ganz bestimmte Ansätze von Foucault und seinem Antipoden Baudrillard sowie Bourdieu.


Wenn ich Postoperaismus schreibe meine ich damit nicht den Operaismus in der Tradition der italienischen Autonomen der 1960er und 70er Jahre, sondern einen Theorie- und Diskussionsstrang rund um die Zeitschriften bzw. Publikationsreihen "Autonomie Neue Folge. Materialien gegen die Fabrikgesellschaft", "Materialien für einen Neuen Antiimperialismus", "Wildcat" und "Zirkular". In einem weiteren Sinne zählen auch noch die "Arranca!" und "Subversion" dazu. Inhaltlich bedeutet dies eine sehr unmittelbare, nicht durch den Arbeiterbewegungsmarxismus, Leninismus, Revisionismus, Histomat oder Diamat vermittelte Anwendung der Kritik der politischen Ökonomie auf aktuelle politische Prozesse und soziale Auseinandersetzungen in Verbindung mit einer sehr weit gefassten Anwendung der Dependenztheorie. Sehr weit gefasst heißt dass es hier nicht nur um gesellschaftliche Prozesse in lateinamerikanischen oder allgemeiner trikontinentalen Gesellschaften und deren Eingebundenheit in globale Machtstrukturen geht sondern dass die Dependenztheorie zur Matrix wurde mit der auch ganz andere gesellschaftliche Prozesse analysiert werden.

So sieht ein postoperaistischer Ansatz etwa Geschlechterverhältnisse aus dem spezifischen Blickwinkel des Neuen Antiimperialismus. Die sexuelle Revolution der 1960er/70er war demzufolge ein subversives Aufbrechen repressiver Gesellschaftsstrukturen und Beginn eines kollektiven Emanzipationsprozesses, die erotische Aufladung von Werbung und Illustriertentitelbildern mit nackten Frauenkörpern und zeitgleiche Entstehung einer Sex- und Pornoindustrie der Gegenschlag des Systems: Die Kolonisierung erwachter erotischer Bedürfnisse durch die Inwertsetzungsmechanismen kapitalistischer Produktivität. Demzufolge wurden dann auch Antipornokampagnen und Aktionen wie z.B. Entglasungen von Aktfotoausstellungen oder Brandanschläge auf Sexshops als eine besondere Form von antikolonialen Befreiungskämpfen angesehen (Nein, genau so würde das niemand formulieren. Ich schematisiere hier bewusst nach dem Motto "Vereinfachungen und Übertreibungen machen anschaulich"). Und genau an dieser Stelle hört mein Verständnis auf. Aus teilweise brillianten Analysen wurde entweder keine Praxis abgeleitet oder rein destruktive Mini-Aufstände oder aber die Begründung von Mitmachen in Neuen Sozialen Bewegungen, das auch ohne den Neuen Antiimperialismus als Begründungszusammenhang auskommen würde.


So sehr ich den Neuen Antiimperialismus in der Theorie also vertrete - es gingen ja auch respektable Ansätze in der Geschichtswissenschaft daraus hervor - eine politische Praxis folgt für mich nicht daraus. Bzw. die politische Praxis der Autonomen, etwa aus dem Materialien-Ansatz eine grundsätzliche Antihaltung gegen jedwede kapitalistische Inwertsetzung abzuleiten und das dann so umzusetzen, dass gegen Gentrifizierung die Erhaltung der Ghettos mit allen Eigenschaften der Ghettoisierung - die Erhaltung von SO36, Schanze oder den Kiezen von Neukölln mit allen dortigen Armutsproblemen - zu verteidigen wäre, weil die urbane Armut Substrat für politischen Widerstand wäre halte ich für verfehlt bis absurd. Bollemärkte plündern und brandschatzen ist kein Angriff auf den Kapitalismus an sich. "Leben als Sabotage" reflektiert eine Widerstandsperspektive, die es so heute nicht mehr gibt. In der theoretischen Erfassung des globalen Kapitalismus finde ich den postoperaistischen (oder postautonomen) Ansatz weiterhin sehr richtig. Als politische Zielbestimmung taugt er nichts mehr. Und es müsste dringend ein Denken her, das der Linken wieder eine Handlungsperspektive aufzeigt.

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Sonntag, 30. Juli 2017
Autonome, Gewalt, rinks und lechts ganz ausgelatscht
Von Gunther Latsch bin ich so manches seltsame Diktum gewohnt. Einstmals, als ich kurzfristig als freier Mitarbeiter für den SPIEGEL tätig gewesen war und nach der Höhe des Honorars gefragt hatte hatte er geantwortet: "100 pro Seite, das Zehnfache wenn Schröder deshalb zurücktreten muss." Das war vielsagend genug, es sagt eigentlich alles über dieses Medium aus: Man wird für die Größe des angerichteten Schadens bezahlt. Tiefschürfende politische Analyse, Gesellschaftskritik oder Kenntnis sozialer Bewegungen kann man vom SPIEGEL latürnich nicht erwarten, und dass ein SPIEGEL-Redakteur Wildcat oder Materialien für einen neuen Antiimperialismus oder ProKla gelesen hat erst recht nicht. Hauptsache immer drauf. Dass die Autonomen als politische Bewegung nicht in jedem Fall mit den Randalierern in Hamburg identisch waren, dass zwischen Autonomen und Antifas und Schwarzen Blöcken in einigen Fällen zu differenzieren und dass das autonome Lager in der Beurteilung des Geschehenen mehr als nur zerstritten ist, das einzugestehen wäre viel zu differenziert.

http://magazin.spiegel.de/SP/2017/29/152163675/index.html


Und wenn ich mir so die Persönlichkeitsstrukturen ansehe, die ich innerhalb der autonomen Szene innerhalb einiger Jahrzehnte in mannigfacher Form kennenlernen konnte so ist mir der Typus machohafter gewaltberauschter Schlägertyp da durchaus einige Male über den Weg gelaufen, aber szenetypisch sind solche Leute nicht. Eher schon ein Sozialisationstyp ähnlich den Leuten die sich im Kontext der Mädchenmannschaft äußern: Problembewusst bis zum Geht-nicht-mehr, hochmoralisch und mit echten moralischen Schwierigkeiten schon bei Dingen wie Fleisch essen, laut "ficken" sagen oder Rasierwasser benutzen (mitunter bis hin zu Genzzziehungen in der Richtung, Leute die so etwas tun gehören schon zum Feind). Eine Art Steigerungsform der ökofundamentalistischen Müslifraktion der sehr alten Grünen, allerdings im Punk- und Techno-Kontinuum. Und darüberhinaus auch viele arbeiterbewegte Altlinke, Jobberszene, Teils auch so ein Kampfsportpublikum mit so einer Art Jedi-Ritter-Ethos. Ein insgesamt sehr buntes und in sich extrem widersprüchliches Spektrum, in dem aber solch hooliganeske Gestalten wie von Latsch geschildert eher geduldete Randerscheinungen als typisch sind.

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Zur Ökologie der Existenz
Längst ist die sogenannte Neue Linke selber historisch geworden. Ereignisse wie der G20-Gipfel in Hamburg offenbaren denn auch eine Hilf- und Perspektivlosigkeit der Linken, die riots waren ja eben kein selbstbewusster Aufstand, sondern ein eher kontraproduktives Störfeuer, das letzendlich nach hinten losgeht. Die Überlegungen Lars Hartmanns im Freitag sind demangemessen sehr bedenkenswert, aber auch sie waren schon aktuell, als Hazel Henderson ihr Buch zum Ende der Ökonomie schrieb - so um 1980 herum. Demgegenüber betreibt die Linke in ihrer Pflege ritualisierter Proteste eigentlich einen ausgeprägten Konservativismus - eine Art Brauchtumspflege überkommener Grabenkämpfe, man könnte auch Selbstethnisierung dazu sagen.



https://www.freitag.de/autoren/lars-hartmann/neue-linke-muessen-her

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Dienstag, 25. Juli 2017
Der Rechtsstaat
Gefunden bei Bersarin:

https://bersarin.wordpress.com/2017/07/24/vom-rechtsstaat/

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Samstag, 15. Juli 2017
G-20-Gipfel Eine harte Linie gebiert Eskalation
Das Amt verändert die Menschen
In der Haut von Entscheidungsträgern in Hamburg möchte sicher niemand stecken. Leitende Polizeibeamte sind ergebnisorientiert und setzen sich vorsätzlich über Grundrechtspositionen hinweg, wie seinerzeit in Heiligendamm. Vorsätzlich, aber aus Not.
Was man anmerken muss, vielleicht vorwerfen, ist, dass ihre Positionen und Handlungen nicht dem Erkenntnisstand in der Polizei-Wissenschaft entsprechen. Jahrelang haben wir an der Hochschule der Polizei in Münster Versammlungsszenarien durchgespielt und immer wieder festgestellt, dass eine harte Linie nur zur Eskalation führt und es dann eine seltsame Achse zwischen den Hardlinern der Polizei und den gewaltbereiten Chaoten gibt (die Entwicklungen in Hamburg bestätigen dies, leider). Natürlich wurde an der Hochschule auch über Versammlungen berichtet mit über 100 000 Teilnehmern, die friedlich gestaltet werden konnten, weil man sich eben professionell auf eine maximale Friedlichkeit eingestellt hat. Auch bei diesen Demonstrationen gab es einen Anteil durchaus unfriedlicher Demonstranten.
Bei dem einen oder anderen Polizeiführer in Hamburg bin ich persönlich überrascht. Ich war dort 20 Jahre tätig und habe die gesamte Führung, auch Hartmut Dudde, im Verfassungsrecht, auch dem Versammlungsgrundrecht, ausgebildet. Natürlich bin ich nicht so naiv zu glauben, dass das, was sie von der Rechtsseite mitbekommen haben, in der Praxis eine Rolle spielt. Überrascht bin ich deswegen, weil ich feststelle, wie sehr das Amt doch die Menschen verändert. Ich kann mich noch sehr gut an die relativ jungen Hauptkommissare erinnern, die auf dem Weg in den höheren Dienst waren. Dass aus ihnen solche Hardliner werden könnten, hätte ich nicht prognostiziert. Sicher gab es schon immer eine Hamburger Linie, die ein wenig dem Grundsatz folgt: "Not kennt kein Gebot" (Helmut Schmidt, 1962, lässt grüßen). Aber auch der Hamburger Kessel, 1986, eine offensichtlich rechtswidrige Einkesselung von fast 1000 Versammlungsteilnehmern, ist aus dieser Geschichte erwähnenswert.
Neben dieser unseligen, um nicht zu schreiben unprofessionellen Geschichte des Umgangs mit dem Versammlungsrecht wäre es eine eigene Untersuchung wert, ob die Amtsperiode von Ronald Schill in der Polizei personelle Spuren hinterlassen hat. Und quasi als P. S.: Öfters sind die Grünen in Hamburg in einer Regierungskoalition, ohne dass im Mindesten bemerkt werden könnte, dass sie auf eine andere Linie im Umgang mit Demonstranten Einfluss nehmen würden.
Prof. Hans Alberts, Klein Jasedow

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14. Juli 2017
https://www.youtube.com/watch?v=HM-E2H1ChJM

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Mittwoch, 12. Juli 2017
Nochmal zum G 20 Gipfel oder dies irae
Sehr lesenswerter Beitrag bei vert:


https://vert.blogger.de/stories/2649591/


Auch der Kommentarbereich lohnt sich!

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Simon Teune in der Süddeutschen Zeitung zum Schwarzen Block in Hamburg
"Die Strategie der Polizei ist kolossal gescheitert"
Der Soziologe und Protestforscher Simon Teune erklärt, wer sich hinter dem Schwarzen Block verbirgt und wie die Lage beim G-20-Gipfel in Hamburg so eskalieren konnte. Seine Kritik an der Polizei ist deftig.
Der Soziologe Simon Teune, 40, von der TU Berlin, beschäftigt sich mit der Kultur des Protests. Er arbeitet auch im Institut für Protest und Bewegungsforschung, das die Demonstrationen und Veranstaltungen rund um den G-20-Gipfel in Hamburg beobachtet hat.
SZ: Herr Teune, der sogenannte Schwarze Block steht nach der Eskalation der Gewalt in Hamburg im Fokus. Wer verbirgt sich dahinter?
Simon Teune: Der Schwarze Block ist keine Gruppe, sondern eine Protesttaktik in Demonstrationen. Viele Demonstrationen sind in Blöcken organisiert, in denen man nach Zugehörigkeit mitläuft. Da stellt die Partei Die Linke einen Block auf, die Gewerkschaften, der Bund Naturschutz etc.
Und wer stellt den Schwarzen Block auf?
Der stellt sich selbst auf. Dort finden sich Kleingruppen zusammen, die autonome oder anarchistische Prinzipien teilen. Dieses Spektrum mobilisiert seine Leute zu einer Demonstration, die finden sich dann vor Ort.
Sind die Menschen im Schwarzen Block grundsätzlich gewaltbereit?
In Hamburg muss man sagen: die Menschen, die da Autos angezündet und Läden geplündert haben, würden bei einer Demonstration sehr wahrscheinlich im Schwarzen Block mitlaufen. Aber umgekehrt findet nicht jeder aus dem Schwarzen Block gut, was da passiert ist. Die Leute aus der Roten Flora zum Beispiel haben ein großes Problem damit, dass ihr Viertel auseinandergenommen wurde. Die Vielfalt innerhalb des Blockes ist größer als man denkt.
Wer läuft im Schwarzen Block mit?
Das sind die klassischen, an autonomen Prinzipien orientierten Gruppen, anarchistische Gruppen, aber je nach Anlass auch Gruppen aus der Interventionistischen Linken, die sich gerade nach einer Kritik an der konfrontativen autonomen Politik gebildet haben.
Wer ist denn da auf Radau aus?
Es gibt im Schwarzen Block viele Kleingruppen, die für sich entscheiden, wie sie in einer Situation vorgehen. Da gibt es solche, die offensiv die Auseinandersetzung mit der Polizei suchen. Die waren durch die Konstellation in Hamburg besonders mobilisiert. Aber es gibt auch post-autonome Strömungen, die haben einen anderen Ansatz. Sie stehen dafür, dass von ihnen keine Eskalation ausgeht und die Polizei nicht ihr Gegner ist.
Spielt der Schwarze Block nur bei linken Demos eine Rolle?
Es gibt auch bei einigen Neonazi-Aufmärschen Schwarze Blöcke, die autonomen Nationalisten haben von der Kleidung über die Slogans bis zum Schwarzen Block alles von der radikalen Linken kopiert. Das ist eine neuere Entwicklung.
Worin lag der Sinn, in Hamburg einen Schwarzen Block zu bilden? Man wusste doch, dass die Polizei nur darauf gewartet hat.
Die Ausschreitungen in Hamburg kann man ohne die Vorgeschichte nicht verstehen. Die Polizei hat von Anfang an Signale ausgesendet, dass Proteste in Hamburg keinen Raum haben. Sie hat die Übernachtungscamps nicht zugelassen. Sie hat eine Verbotszone eingerichtet, in der Protest nicht möglich sein sollte und am Donnerstag dann als Höhepunkt zerschlägt sie eine genehmigte Demonstration - aus nichtigen Gründen und in einer Form, die wahllos Menschen verletzt und gefährdet hat. Diese Vorgeschichte hat dazu geführt, dass die Leute, die die Polizei als Gegner sehen und ein Zeichen des Widerstands setzen wollen, angespitzt wurden.
Das rechtfertigt aber nicht die schweren Krawalle.
Ich sage nicht, dass die Polizei für die Handlungen der Randalierer verantwortlich ist. Das wäre ja blödsinnig. Aber die Polizei setzt in so einer komplizierten Situation Rahmenbedingungen, in denen sich das Protestgeschehen dynamisch entwickelt. Die Demonstration am Donnerstag durfte gar nicht loslaufen, sie wurde gestoppt und zerschlagen, obwohl die Einigung mit der Polizei erfolgt war. Große Teile haben die Vermummung wieder abgelegt. Und wenn die Polizei dann noch mit Wasserwerfern auf Leute spritzt, die auf einem Dach stehen, wenn sie eine Menschenmenge ohne Fluchtweg in die Zange nimmt und wahllos auf Demonstrierende und Unbeteiligte einschlägt, dann bringt das noch mehr Menschen gegen die Polizei auf.
"Seit Jahrzehnten hat man in Hamburg die Taktik, draufzuhauen"
Ihre Kritik an der Polizei ist deftig.
Bei so einem Gipfel ist klar, innerhalb der Demonstrationen ist ein kleiner Teil dabei, der es auf eine Konfrontation mit der Polizei anlegt. Die sind immer da. Also stellt sich die Frage: Wie gehen wir damit um? Seit Jahrzehnten hat man in Hamburg die Taktik, draufzuhauen. Jetzt wurde beim G-20-Protest die Schraube noch einmal weitergedreht, bis zum Einmarsch von Bewaffneten in einen Straßenzug. Wir können von Glück sagen, dass es keinen Toten gab. Ich denke, die Strategie ist kolossal gescheitert.
Wer trägt Ihrer Ansicht nach dafür die Verantwortung?
Einsatzleiter Hartmut Dudde fährt diese Strategie seit Jahren. Der Ansatz ist immer wieder im Nachhinein von Gerichten gerügt worden. Das hat seiner Karriere nicht geschadet. Wenn also Innensenator Andy Grote und Bürgermeister Olaf Scholz ihn als Einsatzleiter einsetzen, dann weiß man, woran man ist. Das war Eskalation mit Ansage. Jetzt sitzt der Senat buchstäblich vor einem Scherbenhaufen.
Wieso war die Strategie falsch?
Das präventive Draufschlagen funktioniert einfach nicht. Das hätte man in Berlin sehen können. Da gab es jahrelang zum 1. Mai Krawalle auf Knopfdruck. Die Berliner Polizei hat es zwischendurch auch mal mit der Taktik versucht, Demonstrationen zu zerstreuen und aufzulösen. Das hat aber nicht geklappt, das Ergebnis waren noch mehr Verletzte und Zerstörung. Bei Gipfelprotesten ist die Situation noch unberechenbarer, weil auch Gruppen aus dem Rest Europas dazu kommen.
Wie hätte denn eine erfolgversprechende Strategie der Polizei ausgesehen?
Man kann es vergleichen mit dem 1. Mai oder der Demonstration in Rostock zum G-8-Gipfel 2007. Da hat ein deeskalierendes Konzept dafür gesorgt, dass die Ausschreitungen im Vergleich gering blieben. Das Konzept heißt: die Demonstration zulassen, ihr Raum geben, kleinere Verstöße ignorieren. Vor allem muss das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gewährleistet werden. Wenn man versammlungsfeindlich agiert, verhärtet das die Fronten.
In Rostock wurde die Polizei damals auch hart kritisiert.
Weil es auch 2007 viele Verletzte und Sachbeschädigungen gab. Das war ja tatsächlich schlimm. Es gab aber damals auch einen Schwarzen Block, der war zwei oder dreimal so groß wie jetzt in Hamburg. Das Potenzial war größer. Nach der Demonstration lief aber alles in geordneten Bahnen ab.
Gibt es innerhalb der Szene eine Debatte, ob es den Schwarzen Block weiter geben soll?
Es gibt wohl kaum eine Diskussion über die Taktik des Schwarzen Blocks. Aber die Aktionen der letzten Tage werden sehr wohl kritisch diskutiert. Viele Leute sind nicht davon begeistert, was in Hamburg passiert ist. Da wurden auch szeneintern einige rote Linien überschritten: Angriffe auf Journalisten, Feuer in einem Wohngebiet und ich weiß nicht, was noch mehr.
Was droht denjenigen, die nun in Hamburg festgenommen wurden?
Die Frage ist, wie vielen man gerichtsfest eine Straftat nachweisen kann. In Rostock 2007 hatte die Polizei über 1000 Demonstranten festgesetzt, am Ende gab es aber nur sehr wenige, die wirklich verurteilt wurden.
Das erhöht nicht gerade die abschreckende Wirkung auf Randalierer.
Der Gesetzgeber hat gerade beschlossen, dass Angriffe auf Vollstreckungsbeamte schärfer geahndet werden. Das wird auf viele der Festgenommenen angewandt werden. Vielleicht hilft es der Polizei, dass heute überall gefilmt und fotografiert wird, da könnten noch einige mehr überführt werden. Viele werden es nicht sein.
Die Öffentlichkeit verlangt von den friedlichen Demonstranten, dass sie sich vom Schwarzen Block distanzieren.
Das findet ja statt. Bei der Demonstration am Samstag ist das für sehr viele ein Anliegen gewesen zu sagen: unser Protest sieht anders aus. Man kann schlecht Teilnehmer in schwarz von der Demonstration ausschließen. Dafür ist wie gesagt die Zusammensetzung im Schwarzen Block zu heterogen. In Rostock sind damals Leute aus der Demonstration zwischen die Fronten gelaufen, um die Konfrontation zwischen den Steinewerfern und der Polizei zu stoppen.
Trotzdem bleibt aus Hamburg vor allem die Gewalt hängen. Das kann den anderen Demonstranten nicht recht sein.
Am Freitag gab es auch Blockaden, eine Fahrrad- und eine Bildungsstreik-Demonstration. Es ist ermutigend zu sehen, dass sich viele Menschen auch in einer angespannten Situation das Demonstrieren nicht verbieten lassen. Aber das geht tatsächlich fast unter. Das liegt aber auch daran, dass die Vorfälle so noch nicht dagewesen sind: dass Randalierer durch die Straßen ziehen und reihenweise Autos anzünden; dass die Polizei militarisierte Einheiten einsetzt. Das drängt sich in den Vordergrund. Damit sind wohl alle unglücklich.


http://www.sueddeutsche.de/politik/protestforscher-ueber-g-chaos-die-strategie-der-polizei-ist-kolossal-gescheitert-1.3579457

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Montag, 10. Juli 2017
Sind die Autonomen wirklich autonom?
Kurzer, aber lesenswerter Beitrag bei netbitch

http://netbitch1.twoday.net/stories/1022625856/

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