Donnerstag, 1. März 2007
Deutschland und die Herero - eine unverarbeitete Geschichte Beitrag zum Thema black history der Atlantic Review
http://atlanticreview.org/archives/592-Black-History-Month.html

"An alle Großleute meines Landes. Ich bin Samuel Maharero, Oberhäuptling der Herero. Ich kämpfe, tötet alle Deutschen. Ich habe einen Befehl an all meine Leute angefertigt, dass sie nicht weiter ihre Hände legen sollen an folgende: Engländer, Bastards, Bergdamara, Nama, Buren. Alle diese rühren wir nicht an. Tut dies nicht! Ich habe einen Eid geschworen, dass dieser Beschluss nicht bekannt werden darf, auch nicht den Missionaren."


Wer Anfang 1904 so sprach, war bisher einer der zuverlässigsten Verbündeten der deutschen Kolonialherren in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika gewesen. Seit 1884 hatten die Deutschen, zunächst unter der Leitung des Landeshauptmanns Dr. Heinrich Ernst Göring, der Vater des späteren NS-Reichsmarschalls Hermann Göring (Wie wir noch sehen werden, gibt es zahlreiche Kontinuitäten aus dem deutschen Kolonialregime in Namibia zum späteren Nationalsozialismus hin) sukzessive ihre Macht im Lande ausgebaut, meist als Verbündete der Herero, die sie gegen die übrigen Völker ausspielten, sowie als Gegner der Nama, die sie militärisch unterwarfen. Samuel Maharero schloss als Verbündeter des Deutschen Reichs Grenzverträge ab, zu denen er gar nicht autorisiert war, und unterwarf eigenmächtig Aufstände. Die Herero profitierten von dieser Politik nur kurz: Die Grenzverträge zerteilten das Land, die besten Weideflächen gingen an die Deutschen, in den Minen herrschte furchbarste Ausbeutung, straflose Vergewaltigungen einheimischer Frauen durch Deutsche waren ebenso an der Tagesordnung wie die Auspeitschung mit dem Sjambock, der Nilpferdpeitsche. Das Selbstverständnis der deutschen Kolonialherren als ?Herrenrasse? wurde möglicherweise in Südwestafrika geboren, auf jeden Fall äußerte es sich hier manifest. Die deutsche Dominanz nach dem Prinzip ?teile und herrsche? funktionierte solange, wie die Herero als das stärkste indigene Volk selber andere Völker und Stämme wie Dama, Nama, Damara (Bergdama), Ovambo, Himba und ?Caprivis? (das einzige Volk, das die zweifelhafte Ehre hatte, nach dem Zipfel eines deutschen Reichskanzlers benannt zu werden) kontrollierten oder dominierten.

Als eine Rinderpest 70% des Viehbestands der Herero vernichtete, anschließend eine Malaria-Epidemie ausbrach, die von einer Heuschreckenplage und einer Dürreperiode abgelöst wurde, kam es zu Not und Verelendung, ja zu einem Massensterben unter den Herero. Ein Aufstand der Bondelzwarts im Süden des Landes brachte die deutsche ?Schutztruppe? unter Leutwein dazu, aus dem Gebiet der Herero abzuziehen. Das war für das verelendete und gedemütigte Volk das Zeichen zum Aufstand. Völlig verblüffend für die Deutschen war die hasserfüllte Botschaft ihres bisherigen Verbündeten Maharero und der Brief, den er an seinen bisherigen Todfeind, Hendrik Witbooi, Häuptling der Nama, richtete und in dem er diesen zur Teilnahme am Aufstand aufforderte. Er war bereits über das tribalistische Denken hinaus, in seinem Kopf formten sich erste Umrisse eines namibischen Nationalbewusstsein, während die große Masse der Namibier die Deutschen als Stamm unter Stämmen wahrnahm. Doch es sollte zu keinem gemeinsamen Aufstand kommen. Im Gegenteil, Witbooi kämpfte in der Schlacht am Waterberg gemeinsam mit den Deutschen gegen die Herero. Stabschef General von Schlieffen hatte, als die Meldung vom Beginn des Aufstands Deutschland erreicht hatte, den als ?Kaffernfreund? verschrienen Leutwein abgelöst und durch den aus dem Boxeraufstand blutig berühmten Lothar von Trotha ersetzt, der folgendes verkündete: ?Dieser Aufstand ist und bleibt der Anfang eines Rassenkampfes. Ich kenne genug Stämme in Afrika. Sie gleichen sich alle in dem Gedankengang, dass sie nur der Gewalt weichen. Diese Gewalt mit krassem Terrorismus auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld.?

Gesagt, getan. Während trotz der martialischen Worte Mahareros die Hereros Frauen und Kinder verschonten ? ihr Aufstand war eher eine diffuse Folge von Überfällen auf einzelne Farmen, wo die Farmer erst freundlich begrüßt und dann überraschend mit der Keule erschlagen wurden sowie Sabotageakten auf Telegrafenleitungen und Eisenbahnstrecken ? betrieben die Deutschen gezielten Völkermord. Nachdem sie die Herero in der Schlacht am Waterberg besiegt hatten, trieben die Deutschen sie in die Wüste Omaheke, das ?Sandfeld? und riegelten alle Zugänge der Wüste sowie die wenigen Wasserstellen ab. ?Keine Mühen, keine Entbehrungen wurden gescheut, um dem Feinde den letzten Rest seiner Widerstandskraft zu rauben; wie ein zu Tode gehetztes Wild war er von Wasserstelle zu Wasserstelle gescheucht, bis er schließlich, willenlos, ein Oper der Natur des eigenen Landes wurde. Die wasserlose Omaheke sollte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: Die Vernichtung des Hererovolkes?, hieß es im offiziellen Militärbericht. Von 80 000 Herero überlebten nur 15 000; es handelte sich um Männer, Frauen und Kinder, da die Krieger im Kampf von ihren Frauen begleitet wurden, die sie beim Angriff anfeuerten und die Herero bei der Flucht ihre Kinder und ihr Vieh mitgenommen hatten. Empört über dieses Massaker, erhoben sich nun die Nama unter ihren Häuptlingen Hendrik Witbooi und Jakob Marengo. Im Gegensatz zum Herero-Aufstand wurde diese Erhebung von den Deutschen nicht durch Aushungern, sondern durch den Masseneinsatz von Maschinengewehren niedergeschlagen. Trotzdem leisteten sie den Deutschen in einem langezogenen Guerrillakrieg erbitterten Widerstand, an dessen Ende 260 Aufständische 15.000 Soldaten gegenüberstanden. Im Reich weigerten sich Sozialdemokraten und Zentrum, einen Nachtragshaushalt für diesen Krieg zu genehmigen. Es kam zu Neuwahlen, den die rechten Kräfte mit massiver Rassistischer und imperialistischer Stimmungmache gewannen. Die Wahlen von 1907 waren als ?Hottentottenwahlen? bekannt. Ein System organisierter Bespitzelung mit Kopfgeldern führte die meisten Rädelsführer der Aufstände den deutschen Besatzern zu, die sie überwiegend hinrichteten. Überlebende Nama und Herero wurden in Konzentrationslager verschleppt, wo 45% an Hunger und Seuchen qualvoll verreckten. Der Kommandeur der Verbannungsinsel Haifisch-Insel, v. Estorff, erklärte in einem Telgramm nach Berlin, für solche Henkersdienste übernehme er keine Verantwortung. Frauen mussten in den Lagern die Köpfe der Toten von Glasscherben säubern, da die Köpfe präpariert und in anthropologischen Sammlungen ausgestellt wurden. Bei den wenigen Überlebenden entstand so das Gerücht, die Deutschen seien Kannibalen. ? Damit sind wir bei der Rolle der Anthropologen. Nach der Niederschlagung des Aufstands führte der Anthropologe und ?Rassenkundler? Eugen Fischer Untersuchungen an Abkömmlingen von Verbindungen aus Weißen und Namibiern, diese mündeten in das Buch, das 1913 unter dem Titel" Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen. Anthropologische und ethnographische Studien am Rehobother Bastardvolk in Deutsch-Südwest-Afrika" publiziert wurde. Als Konsequenz seiner Untersuchungen führte er an, dass Vermischung biologisch ungünstig sei und schob damit eine ?biologische? Begründung des 1905 verfügten Verbots von ?Mischehen? nach. Fischer machte nach dem Ersten Weltkrieg eine blendende Karriere. Als einer der Autoren des tonangebenden humanbiologischen Werkes der 20er und 30er Jahre, ?Menschliche Erblichkeitslehre und Rassenhygiene?, des ?Baur/Fischer/Lenz?, in dem die Überlegenheit der ?nordischen Rasse? behauptet und die Notwendigkeit einer eugenischen Bevölkerungsplanung mit Massensterilisationen der ?untüchtigen? Teile der deutschen Bevölkerung gefordert wurde, beeinflusste er die Rassenvorstellungen Adolf Hitlers. Am 29. Juli 1933 bezeichnete er in seiner Antrittsrede als Rektor der Berlineer Universität die NS-Machtübernahme als biologisch notwendige Erb-und Rassenpflege des deutschen Volkes. Zu seinen ersten Amtshandlungen gehörte die Entlassung aller jüdischen Kollegen. Die Pläne für die NS-Rassegesetze, die Sterilisierung von Psychiatrieinsassen, Landstreichern sowie Sinti und Roma wurden von Fischer miterarbeitet. !939 forderte er das ?Ausmerzen? der Juden, obwohl diese nicht ?insgesamt minderwertig seien, wie etwa Neger?.

Fischer überstand das Ende des NS unbeschadet und wurde 1952 Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie und 1954 der Deutschen Gesellschaft für Anatomie.

Die Erfahrungen des deutschen Militärs bei der Aufstandsbekämpfung wurden zur Grundlage des Vernichtungskriegs im Osten 1941-1944. Im Gefolge der Wiedergutmachungszahlungen für die Shoah und die Sinti und Roma, das Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit der Jewish Claims Conference, jüdische Übersiedler aus der GUS als Kontingentflüchtlinge aufzunehmen und schließlich der zaghaften Wiedergutmachungsregelung für Zwangsarbeiter im ?Dritten Reich? wurden Anfang dieses Jahrhunderts auch Forderungen der letzten Herero auf Wiedergutmachungsleistungen oder zumindest ein öffentliches Gedenken und eine öffentliche Entschuldigung duch die Bundesrepublik Deutschland laut. Hierzu erklärte der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer 2003: ?Wir sind uns unserer geschichtlichen Verantwortung in jeder Hinsicht bewusst, sind aber auch keine Geiseln der Geschichte. Deshalb wird es eine entschädigungsrelevante Entschuldigung nicht geben.? Als kurz nach diesem Statement ein historisches Werk zum Völkermord an den Herero erschien (Jürgen Zimmer/Joachim Zeller: Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg 1904-1908 in Namibia und seine Folgen), wurdem diesem die zuvor angekündigte finanzielle Unterstützung durch das Auswärtige Amt entzogen.

Es blieb Heidemarie Wieczorek-Zeul überlassen, sich zum Jahrestag für das Massaker zu entschuldigen.

http://www.guardian.co.uk/germany/article/0,2763,1283864,00.html

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