Montag, 9. April 2007
My personal Adorno
Das erste Mal las ich die Dialektik der Aufklärung 1984/85 im Rahmen eines interdisziplinären autonomen Seminars von HistorikerInnen, PolitikwissenschaftlerInnen und PhilosophInnen. Schon hier waren die gänzlich unterschiedlichen Herangehensweisen bezeichnend, während ich das Werk als Rüstzeug zum Dechiffrieren totalitärer Elemente in unserer Gesellschaft betrachtete, sahen die Philos schon einen Gewaltakt darin, dem Lesen des Werkes überhaupt eine Zweckbestimmung zukommen zu lassen. Teilweise fand ich diese Philosophen ja reichlich vom Wiesengrund abgehoben. Nevertheless: Zumindest wurde so sehr gründlich vorgegangen und Seite für Seite textanalalytisch auseinandergenommen. Für mich war die Dialektik der Aufklärung damals noch eine Ergänzungsliteratur zu Reichs Massenpsychologie des Faschismus, Mitscherlichs Das Ich und die Vielen und dem Gesamtwerk Erich Fromms, will sagen: Ich las es nicht im Kontext der Frankfurter Schule, sondern im Kontext psychoanalytisch inspirierter politischer Literatur allgemein. Später befasste ich mich mit dem Werk im Rahmen meines Publizistik-Studium und fand da eine ganz fatale Herangehensweise: Die Reduktion des Werks auf das Kapitel über die Kulturindustrie, später bei den Politologen die Reduktion auf das Kapitel "Elemente des Antisemitismus". Tatsache ist, dass es sich um keine Fragmentensammlung handelt, sondern um ein fragmentarisch geschriebenes Werk letztlich kulturanthropologischen Charakters. Wie ich selber einmal herausgearbeitet habe, thematisiert das Werk einerseits die Entwicklung der Aufklärung seit der Frühzeit des Menschen, ihr Umschlagen in Mythologie und die immer weiter fortschreitende Verwendung aufgeklärter Erkenntnis zur Aufrechterhaltung menschlicher Unmündigkeit, andererseits liefert es zu den Studien zum autoritären Charakter, auf die implizit öfter eingegangen wird, im Nachhinein die Erklärung autoritätsgebundenen Verhaltens durch ein durch die gesamte Menschheitsgeschichte entwickeltes Menschenbild. In diesem Zusammenhang kann auch das Kapitel "Elemente des Antisemitismus" nicht getrennt vom Kapitel über die Kulturindustrie, Juliette oder Odysseus gelesen werden, und die Dialektik der Aufklärung insgesamt nicht getrennt von den Studien zum autoritären Charakter.

Im Rahmen von Magisterarbeit und Dissertation befasste ich mich dann mit dem Werk noch einmal unter völlig anderen Aspekten, etwa dem der Fragestellung des autoritären Charakters als anthropologischer Grundkonstante und den geistesgeschichtlichen Voraussetzungen des Werks als Ergebnis nominalistischer Philosophie, deren Denktraditionen ohne den Universalienstreit nicht vorstellbar sind und daher auch die von Adorno und Horkheimer vorgenommene Rückprojektion ihrer annahmen auf mythologische Zeiten eigentlich nicht zulassen. Insgesamt habe ich mich mit der Dialektik der Aufklärung in Abständen von jeweils einigen Jahren viermal unter völlig anderen Blickwinkeln systematisch auseinandergesetzt. Bei der Einordnung ins allgemeine Gedankengut der Kritischen Theorie erwies sich hierbei Martin Jays Dialektische Phantasie als sehr hilfreich. Was die Dialektik der Aufklärung einerseits zu einem so dichten und faszinierenden Werk, andererseits aber auch ziemlich sperrig macht ist die Tatsache, dass die Kenntnis von Marx, von Freuds Totem und Tabu und Unbehagen in der Kultur, von Henri Bergson, von de Sade, Homer, Kant, Hume, Bacon vorausgesetzt wird, und zwar mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass dies gar nicht erst thematisiert wird. Es ist das, was Horkheimer und Adorno so unausgesprochen als Voraussetzung der Lektüre ihres Werks erwarten, wie die Tatsache, dass der Leser lesen kann.



Tja, und im Kontrast dazu sehe ich dann, wozu im Bahama-Umfeld Adorno so verwurstet wird. Die tun ja glatt so, als ob es sich um eine Verteidigungsschrift der Likud-Politik handle, offensichtlich bar jedes Verständnisses für das, was sie da vor sich haben. Und das ist schade, denn es handelt sich um einen der größten Würfe der Philosophiegeschichte, der von einigen antideutschen Kurzdenkern als Zitatenmüllhalde zum Denunzieren des politischen Gegners mißbraucht wird.

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Der Spion
Ein US-Agent wurde bestens darauf vorbereitet, in Russland zu spionieren. Er geht abends in Moskau in eine Kneipe und wird gefragt, was für ein Landsmann er sei. Er sagt, er sei Russe und bekommt zu hören "Nein, Du bist kein Russe." "Kommt, ich beweise es Euch!" Er lässt sich ein Schachspiel bringen und spielt eine Partie gegen den Lokalmeister und gewinnt. Da heißt es "Du spielst Schach wie ein Russe, Du redest wie ein Russe, aber Du bist kein Russe. Er lässt sich eine Balalaika bringen und spielt wie ein echter Kosak, er tanzt Kasatschok, er bestellt eine Runde Wodka für das ganze Lokal und wirft das Glas hinter sich, er singt russische Volksweisen und Militärmärsche, doch am Ende heißt es: "Du spielst und singst wie ein Russe, Du tanzt wie ein Russe, du trinkst wie ein Russe, aber Du bist kein Russe." Richtig verzweifelt fragt er: "Warum in aller Welt glaubt Ihr, dass ich kein Russe sei?"


"Es gibt keine schwarzen Russen."

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