Sonntag, 15. Juni 2008
Ein paar Überlegungen zur Formensprache der Jugendstil-Architektur
Im Augenblick ist in der Architektur ja Neohistorismus angesagt. Wie T.Albert in einem anderen Zusammenhang ausführte, können da wohlhabende Bauherren im Biedermeierzimmer ihren Bastiat lesen, während Andere sich real wieder dem Lebensstandard des 19. Jahrhunderts nähern, sie selbst aber keine Lust haben, in der Postkutsche durch unkanalisierte Straßen zu fahren und an der Cholera zu sterben. Nun, ich weiß den Wert alter Architekturstile ebenso zu schätzen wie den der Klassischen Moderne, die Postmoderne mag ich nicht, umso mehr die organische und die synthetische Architektur von Wright über Aalto bis Safdie (Le Corbusier hasse ich). Wenn ich mir allerdings das Dekor dieses Jugendstil-Hauses anschaue, finde ich fast genial, wie da historistisches mit neuem Ornament verbunden wurde.





Ein Rokoko-Atlant geht eine organische Verbindung ein mit einem geometrischen Muster, das spezifisch spätes 19. Jahrhundert ist.





Die Rosette zeigt besonders deutlich, dass hier ein Spiel gespielt wird: Die Stuck- und Steinfassaden des Barock und Rokoko, auch noch des Klassizismus verkleideten die dahinter befindlichen Ziegelmauern komplett, sie sollten über die wahre Bausubstanz hinwegtäuschen. Hier hingegen wird der Zierat von der tatsächlichen Struktur abgesetzt und als reine Dekoration präsentiert. Im Gegensatz zur Kopie antiker Baustile im Historismus erfolgt das Zitat vergangener Stile sozusagen auf aufgeklärte Weise.



Und ich überlege mir, ob sich eine solche Philosophie nicht auf modernes Bauen übertragen ließe - etwa Bauhausstil mit kubistischen Masken als Fassadenschmuck o.ä.. Zitieren ohne zu kopieren, das wäre wichtig.

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