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Donnerstag, 10. Juni 2021
Optogenetische Therapie bewirkt kleines "Wunder": Funktionell Erblindeter kann nach 40 Jahren wieder rudimentär sehen
che2001, 20:05h
Dr. Bianca Bach
Erstmals ist es mit einer optogenetischen Therapie mithilfe einer signalverstärkenden Brille gelungen, einem durch eine Retinitis pigmentosa (RP) funktionell erblindeten Menschen wieder zu einem rudimentären Sehvermögen zu verhelfen. Prof. Dr. José-Alain Sahel vom Institut de la Vision an der Universität Sorbonne, Paris, stellte die Fallstudie jetzt in Nature Medicine vor.
Die neue Studie ist ein sehr bedeutender Schritt auf dem langen und schwierigen Weg, eine visuelle Prothese zu entwickeln. Prof. Dr. Michael Schmid
40 Jahre zuvor war die erbliche, neurodegenerative Augenerkrankung bei dem inzwischen 58-jährigen Patienten diagnostiziert worden. Zu Studienbeginn nahm er gerade noch Licht wahr, erkannte aber nichts. Nach Therapie konnte er im Verlauf des Follow-ups über 84 Wochen wieder verschiedene Objekte wahrnehmen und sie auch lokalisieren, zählen und gezielt berühren. Zugleich ließ sich im Mehrkanal-Elektroenzephalogramm (EEG) eine objektbezogene Hirnaktivität über dem visuellen Kortex ableiten.
?Sehr ermutigend? findet Prof. Dr. Michael Schmid vom Departement für Neuro- und Bewegungswissenschaften der Universität im schweizerischen Freiburg die berichteten Sehleistungen des Patienten. ?Die neue Studie ist ein sehr bedeutender Schritt auf dem langen und schwierigen Weg, eine visuelle Prothese zu entwickeln.? Ansätze dafür würden schon seit Jahrzehnten mit wechselndem Erfolg erprobt. ?Neu und spannend ist der Weg über die Optogenetik.?
Dies ist ein wichtiger Fallbericht und zugleich die erste in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Studie über eine optogenetische Therapie zur Wiederherstellung des Sehvermögens. Prof. Dr. Zuho-Hua Pan
?Dies ist ein wichtiger Fallbericht und zugleich die erste in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Studie über eine optogenetische Therapie zur Wiederherstellung des Sehvermögens?, betont auch Prof. Dr. Zuho-Hua Pan vom Kresge Eye Institute an der Wayne State University School of Medicine in den USA. Er ist einer der Pioniere der Technologie. ?Leider konnte die Studie nur einen behandelten Patienten mit der niedrigsten Dosis trainieren und testen. Das wiederhergestellte Sehvermögen scheint zudem stark begrenzt zu sein.?
Designerproteine mit Lichtpulsen stimulieren
Optogenetische Technologien ermöglichen es, die Aktivität von Zellen mit Licht zu kontrollieren. Mit einer Gentherapie schleust man dabei zunächst Fremd-Gene in Zielzellen ein, die anhand der genetischen Information lichtempfindliche Ionenkanäle, Transportproteine oder Enzyme produzieren. Diese Designerproteine wiederum können mit Lichtpulsen stimuliert werden und dann beispielsweise, wie im aktuellen Fallbericht, Ganglienzellen in der Netzhaut erregen. Diese leiten dann idealerweise elektrische Signale an höhere Hirnzentren weiter.
Mithilfe eines adeno-assoziierten Virus als Genfähre wurden dem Patienten einmalig 5 x 1010 Vektorgenome für das Protein ChrimsonR zusammen mit dem Fusionsprotein tdTomato in den Glaskörper des stärker betroffenen Auges injiziert ? nahe an die Fovea centralis, die Stelle des schärfsten Sehens.
Das Kanalrhodopsin ChrimsonR ist ein lichtempfindlicher Ionenkanal. Die Kombination mit dem rot-fluoreszierenden tdTomato erhöht die Expression von ChrimsonR auf der Zellmembran. ChrimsonR-tdTomato ist besonders empfindlich für Licht auf Wellenlängen um 590 nm. Das entspricht der Farbe von Bernstein an der Grenze von Gelb zu Orange. Solches Licht sei, so Sahel, sicherer und veranlasse die Pupille weniger, sich zu verengen, als blaues Licht, wie es für viele andere Sensoren verwendet werde.
Neuromorphe Kamera als Spezialbrille
In die verwendete Spezialbrille ist eine sogenannte neuromorphe Kamera eingebaut. Sie registriert Pixel für Pixel Unterschiede in der Lichtintensität in der Umgebung. Das transformiert sie in monochromatische Bilder und projiziert diese in Echtzeit mit 595 nm-Lichtpulsen auf die Netzhaut.
Diese Brille müsse vor allem verwenden werden, weil Kanalrhodopsin-exprimierende Netzhautneuronen im Allgemeinen nur eine geringe Lichtempfindlichkeit aufweisen, so dass man sehr helles Licht über die Brille projizieren müsste, um die transduzierten Neuronen in der Netzhaut zu aktivieren, erläuterte Pan.
Für die Aktivierung der ChrimsonR-tdTomato-transduzierten Netzhautneurone waren Lichtintensitäten von mindestens 1015 Photonen pro Quadratzentimeter und Sekunde erforderlich.
Verbesserung des Sehvermögens nach 7 Monaten
Vor der Injektion änderte die Brille nichts an der visuellen Wahrnehmung des Patienten. Nach 4,5 Monaten begannen die Forscher, ihn regelmäßig damit trainieren zu lassen. Ab dem 7. Monat bemerkte er bei Nutzung der Spezialbrille eine allmähliche Verbesserung seines Sehvermögens. Dies testeten die Wissenschaftler, in dem sie ihm in einem Abstand von 60 cm zu seinem Auge in einer zufälligen Reihenfolge und auch einmal 20 cm zur Seite verschoben, Objekte verschiedener Größe und in 3 Grauabstufungen auf einem weißen Tisch vorlegten. Es handelte sich um einen großen Gegenstand ? ein Notebook ? und um eine kleine Schachtel mit Heftklammern.
Das größere Objekt vermochte der Patient bei 36 von 39 Versuchen und damit in 92% der Fälle zu erkennen, zu lokalisieren und auch zu berühren. Das gelang signifikant besser als bei dem kleinen Objekt, bei dem nur 36% von 45 Versuchen erfolgreich waren. Die Graustufen machten keinen relevanten Unterschied.
In einem zweiten Test musste der Patient 2 oder 3 Becher, die an je einer von 6 möglichen Positionen in 60 bis 80cm Entfernung vom Patientenauge aufgestellt wurden, erkennen, zählen und darauf zeigen. Dafür hatte er je 15 Sekunden Zeit. Erkennen und Zählen gelang in 63% der Versuche, das Lokalisieren in 58%.
5 Monate später, in Woche 72, sollte der Patient in einem dritten Test jeweils entscheiden, ob ein Becher an einer fixen Position aufgestellt war oder nicht. Dabei erfolgten EEG-Ableitungen. Die Objekt-getriggerte optogenetische Stimulation führte dazu, dass die okzipital über der visuellen Hirnrinde abgeleiteten 14-Hertz-Alphawellen signifikant desynchronisierten ? ein Hinweis darauf, dass das teilweise Wiedererlangen der Sehkraft auch mit einer entsprechenden neuronalen Aktivität verbunden war.
Nach Protokoll erfolgten alle Tests in Innenräumen. Doch die Forscher interessierte auch, wie der Patient bei Bewegung im Freien zurechtkam. Tatsächlich konnte er Zebrastreifen erkennen und die weißen Streifen zählen. Im Verlauf berichtete er auch, im Alltag Teller, Tasse und Telefon zu erkennen, sowie Möbelstücke und Türen in einem Gang.
Vor und nach dem Eingriff wurde der Patient regelmäßig augenärztlich untersucht. Mit besonderem Augenmerk auf die Netzhautanatomie: Sie wurde mittels optischer Kohärenz-Tomographie (OCT), sowie anhand von Farbfotographien und Autofluoreszenzbildern des Augenhintergrunds begutachtet. Es wurden keine Veränderungen beobachtet. Intraokuläre Entzündungen oder andere unerwünschte Wirkungen am Auge oder allgemein traten nicht in Erscheinung.
?Eine Expression von Fotorezeptoren in Sekundärzellen der Retina wird nie die volle Sehfähigkeit zurückbringen können?, räumte Hegemann ein. ?Allerdings ist die Tatsache, dass ein optogenetisch behandelter Patient sich in seiner Umgebung visuell orientieren und die Zebrastreifen auf der Straße zählen kann, sicherlich ein toller Erfolg und ein Gewinn an Lebensqualität.?
Noch zahlreiche Verbesserungen nötig
Es sei derzeit noch unklar, wie lange nach der Erblindung das Gehirn noch die Fähigkeit habe, neue optogenetischen Signale zu verstehen und damit, wie lange nach Erblindung eine Therapie möglich sei?, erläutert Prof. Dr. Peter Hegemann von der Humboldt-Universität in Berlin.
?Interessanterweise?, so Pan, ?musste der Patient während der Sehtests eine Head-Scanning-Strategie anwenden.? Um Objekte aufzufinden, bewegte er den Kopf. ?Es ist nicht klar, ob der Patient überhaupt Sehschärfe gewonnen hat.?
Die Studienautoren vermuten, dass das optogenetisch aktivierte Netzhautareal insgesamt relativ klein ist. Objekte können daher nicht erkannt werden, wenn sie nicht in einer Linie mit dem Kamerazentrum liegen. Vom Primaten-Tiermodell her sei beim Menschen eine optogenetische Expression in einem Netzhautbereich von 2,5 mm Durchmesser zu erwarten.
?Die Expression wird in Zukunft noch gleichmäßiger über die Retina erfolgen müssen, es werden sicherlich weitere Kanalrhodopsine mit höheren Leitfähigkeiten eingesetzt werden und die Virustechnologie der Gentherapie wird sich sicherlich weiter verbessern müssen?, so Neurowissenschaftler Hegemann.
Schmid betont, dass es sich erst um ?einen allerersten Schritt beim Menschen? handelt. Um Therapieempfehlungen abzuleiten, sei es zu früh. ?Dafür werden Untersuchungen über einen längeren Zeitraum und an einer größeren Stichprobe von Patienten benötigt.?
Weitere Studienteilnehmer, alternative Verfahren
Der Patient, über den Sahel und Kollegen berichten, ist einer von geplant insgesamt 15 Teilnehmern der offenen Phase I/II-Studie PIONEER mit dem Gentherapievektor GS030-DP der Pariser Firma GeneSight Biologics. Andere Unternehmen arbeiten ebenfalls an optogenetischen Therapien für RP-Betroffene.
Pan berichtete beispielsweise von eigenen Modellversuchen mit einem lichtempfindlicheren Kanalrhodopsin. Es habe bei blinden Mäusen schon bei 1013-1015 Photonen/cm2/s Lichtintensität das funktionelle Sehvermögen wiederhergestellt ? was in etwa dem Übergang von Straßenbeleuchtung zur Helligkeit in einem Operationssaal entspreche. ?Wenn sich dies auf den Menschen übertragen ließe, bräuchten die behandelten Patienten bei den meisten normal vorkommenden Lichtverhältnissen keine Brille mehr zu tragen?, sagt der Biophysiker.
Weitere alternative Verfahren, die bei RP erforscht werden, sind etwa Stammzellbehandlungen und elektrische Retina-Chips. Und Gentherapien, die das jeweils defekte Gen ersetzen. Eine solche ist bereits zugelassen, aber bislang nur für RP-Patienten mit Mutationen im Gen RPE65, die noch über ausreichend lebensfähige Netzhautzellen verfügen. Insgesamt sind mehr als 71 verschiedene Genmutationen als Ursache einer RP bekannt. Weltweit leiden über 2 Millionen Menschen daran.
Erstmals ist es mit einer optogenetischen Therapie mithilfe einer signalverstärkenden Brille gelungen, einem durch eine Retinitis pigmentosa (RP) funktionell erblindeten Menschen wieder zu einem rudimentären Sehvermögen zu verhelfen. Prof. Dr. José-Alain Sahel vom Institut de la Vision an der Universität Sorbonne, Paris, stellte die Fallstudie jetzt in Nature Medicine vor.
Die neue Studie ist ein sehr bedeutender Schritt auf dem langen und schwierigen Weg, eine visuelle Prothese zu entwickeln. Prof. Dr. Michael Schmid
40 Jahre zuvor war die erbliche, neurodegenerative Augenerkrankung bei dem inzwischen 58-jährigen Patienten diagnostiziert worden. Zu Studienbeginn nahm er gerade noch Licht wahr, erkannte aber nichts. Nach Therapie konnte er im Verlauf des Follow-ups über 84 Wochen wieder verschiedene Objekte wahrnehmen und sie auch lokalisieren, zählen und gezielt berühren. Zugleich ließ sich im Mehrkanal-Elektroenzephalogramm (EEG) eine objektbezogene Hirnaktivität über dem visuellen Kortex ableiten.
?Sehr ermutigend? findet Prof. Dr. Michael Schmid vom Departement für Neuro- und Bewegungswissenschaften der Universität im schweizerischen Freiburg die berichteten Sehleistungen des Patienten. ?Die neue Studie ist ein sehr bedeutender Schritt auf dem langen und schwierigen Weg, eine visuelle Prothese zu entwickeln.? Ansätze dafür würden schon seit Jahrzehnten mit wechselndem Erfolg erprobt. ?Neu und spannend ist der Weg über die Optogenetik.?
Dies ist ein wichtiger Fallbericht und zugleich die erste in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Studie über eine optogenetische Therapie zur Wiederherstellung des Sehvermögens. Prof. Dr. Zuho-Hua Pan
?Dies ist ein wichtiger Fallbericht und zugleich die erste in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Studie über eine optogenetische Therapie zur Wiederherstellung des Sehvermögens?, betont auch Prof. Dr. Zuho-Hua Pan vom Kresge Eye Institute an der Wayne State University School of Medicine in den USA. Er ist einer der Pioniere der Technologie. ?Leider konnte die Studie nur einen behandelten Patienten mit der niedrigsten Dosis trainieren und testen. Das wiederhergestellte Sehvermögen scheint zudem stark begrenzt zu sein.?
Designerproteine mit Lichtpulsen stimulieren
Optogenetische Technologien ermöglichen es, die Aktivität von Zellen mit Licht zu kontrollieren. Mit einer Gentherapie schleust man dabei zunächst Fremd-Gene in Zielzellen ein, die anhand der genetischen Information lichtempfindliche Ionenkanäle, Transportproteine oder Enzyme produzieren. Diese Designerproteine wiederum können mit Lichtpulsen stimuliert werden und dann beispielsweise, wie im aktuellen Fallbericht, Ganglienzellen in der Netzhaut erregen. Diese leiten dann idealerweise elektrische Signale an höhere Hirnzentren weiter.
Mithilfe eines adeno-assoziierten Virus als Genfähre wurden dem Patienten einmalig 5 x 1010 Vektorgenome für das Protein ChrimsonR zusammen mit dem Fusionsprotein tdTomato in den Glaskörper des stärker betroffenen Auges injiziert ? nahe an die Fovea centralis, die Stelle des schärfsten Sehens.
Das Kanalrhodopsin ChrimsonR ist ein lichtempfindlicher Ionenkanal. Die Kombination mit dem rot-fluoreszierenden tdTomato erhöht die Expression von ChrimsonR auf der Zellmembran. ChrimsonR-tdTomato ist besonders empfindlich für Licht auf Wellenlängen um 590 nm. Das entspricht der Farbe von Bernstein an der Grenze von Gelb zu Orange. Solches Licht sei, so Sahel, sicherer und veranlasse die Pupille weniger, sich zu verengen, als blaues Licht, wie es für viele andere Sensoren verwendet werde.
Neuromorphe Kamera als Spezialbrille
In die verwendete Spezialbrille ist eine sogenannte neuromorphe Kamera eingebaut. Sie registriert Pixel für Pixel Unterschiede in der Lichtintensität in der Umgebung. Das transformiert sie in monochromatische Bilder und projiziert diese in Echtzeit mit 595 nm-Lichtpulsen auf die Netzhaut.
Diese Brille müsse vor allem verwenden werden, weil Kanalrhodopsin-exprimierende Netzhautneuronen im Allgemeinen nur eine geringe Lichtempfindlichkeit aufweisen, so dass man sehr helles Licht über die Brille projizieren müsste, um die transduzierten Neuronen in der Netzhaut zu aktivieren, erläuterte Pan.
Für die Aktivierung der ChrimsonR-tdTomato-transduzierten Netzhautneurone waren Lichtintensitäten von mindestens 1015 Photonen pro Quadratzentimeter und Sekunde erforderlich.
Verbesserung des Sehvermögens nach 7 Monaten
Vor der Injektion änderte die Brille nichts an der visuellen Wahrnehmung des Patienten. Nach 4,5 Monaten begannen die Forscher, ihn regelmäßig damit trainieren zu lassen. Ab dem 7. Monat bemerkte er bei Nutzung der Spezialbrille eine allmähliche Verbesserung seines Sehvermögens. Dies testeten die Wissenschaftler, in dem sie ihm in einem Abstand von 60 cm zu seinem Auge in einer zufälligen Reihenfolge und auch einmal 20 cm zur Seite verschoben, Objekte verschiedener Größe und in 3 Grauabstufungen auf einem weißen Tisch vorlegten. Es handelte sich um einen großen Gegenstand ? ein Notebook ? und um eine kleine Schachtel mit Heftklammern.
Das größere Objekt vermochte der Patient bei 36 von 39 Versuchen und damit in 92% der Fälle zu erkennen, zu lokalisieren und auch zu berühren. Das gelang signifikant besser als bei dem kleinen Objekt, bei dem nur 36% von 45 Versuchen erfolgreich waren. Die Graustufen machten keinen relevanten Unterschied.
In einem zweiten Test musste der Patient 2 oder 3 Becher, die an je einer von 6 möglichen Positionen in 60 bis 80cm Entfernung vom Patientenauge aufgestellt wurden, erkennen, zählen und darauf zeigen. Dafür hatte er je 15 Sekunden Zeit. Erkennen und Zählen gelang in 63% der Versuche, das Lokalisieren in 58%.
5 Monate später, in Woche 72, sollte der Patient in einem dritten Test jeweils entscheiden, ob ein Becher an einer fixen Position aufgestellt war oder nicht. Dabei erfolgten EEG-Ableitungen. Die Objekt-getriggerte optogenetische Stimulation führte dazu, dass die okzipital über der visuellen Hirnrinde abgeleiteten 14-Hertz-Alphawellen signifikant desynchronisierten ? ein Hinweis darauf, dass das teilweise Wiedererlangen der Sehkraft auch mit einer entsprechenden neuronalen Aktivität verbunden war.
Nach Protokoll erfolgten alle Tests in Innenräumen. Doch die Forscher interessierte auch, wie der Patient bei Bewegung im Freien zurechtkam. Tatsächlich konnte er Zebrastreifen erkennen und die weißen Streifen zählen. Im Verlauf berichtete er auch, im Alltag Teller, Tasse und Telefon zu erkennen, sowie Möbelstücke und Türen in einem Gang.
Vor und nach dem Eingriff wurde der Patient regelmäßig augenärztlich untersucht. Mit besonderem Augenmerk auf die Netzhautanatomie: Sie wurde mittels optischer Kohärenz-Tomographie (OCT), sowie anhand von Farbfotographien und Autofluoreszenzbildern des Augenhintergrunds begutachtet. Es wurden keine Veränderungen beobachtet. Intraokuläre Entzündungen oder andere unerwünschte Wirkungen am Auge oder allgemein traten nicht in Erscheinung.
?Eine Expression von Fotorezeptoren in Sekundärzellen der Retina wird nie die volle Sehfähigkeit zurückbringen können?, räumte Hegemann ein. ?Allerdings ist die Tatsache, dass ein optogenetisch behandelter Patient sich in seiner Umgebung visuell orientieren und die Zebrastreifen auf der Straße zählen kann, sicherlich ein toller Erfolg und ein Gewinn an Lebensqualität.?
Noch zahlreiche Verbesserungen nötig
Es sei derzeit noch unklar, wie lange nach der Erblindung das Gehirn noch die Fähigkeit habe, neue optogenetischen Signale zu verstehen und damit, wie lange nach Erblindung eine Therapie möglich sei?, erläutert Prof. Dr. Peter Hegemann von der Humboldt-Universität in Berlin.
?Interessanterweise?, so Pan, ?musste der Patient während der Sehtests eine Head-Scanning-Strategie anwenden.? Um Objekte aufzufinden, bewegte er den Kopf. ?Es ist nicht klar, ob der Patient überhaupt Sehschärfe gewonnen hat.?
Die Studienautoren vermuten, dass das optogenetisch aktivierte Netzhautareal insgesamt relativ klein ist. Objekte können daher nicht erkannt werden, wenn sie nicht in einer Linie mit dem Kamerazentrum liegen. Vom Primaten-Tiermodell her sei beim Menschen eine optogenetische Expression in einem Netzhautbereich von 2,5 mm Durchmesser zu erwarten.
?Die Expression wird in Zukunft noch gleichmäßiger über die Retina erfolgen müssen, es werden sicherlich weitere Kanalrhodopsine mit höheren Leitfähigkeiten eingesetzt werden und die Virustechnologie der Gentherapie wird sich sicherlich weiter verbessern müssen?, so Neurowissenschaftler Hegemann.
Schmid betont, dass es sich erst um ?einen allerersten Schritt beim Menschen? handelt. Um Therapieempfehlungen abzuleiten, sei es zu früh. ?Dafür werden Untersuchungen über einen längeren Zeitraum und an einer größeren Stichprobe von Patienten benötigt.?
Weitere Studienteilnehmer, alternative Verfahren
Der Patient, über den Sahel und Kollegen berichten, ist einer von geplant insgesamt 15 Teilnehmern der offenen Phase I/II-Studie PIONEER mit dem Gentherapievektor GS030-DP der Pariser Firma GeneSight Biologics. Andere Unternehmen arbeiten ebenfalls an optogenetischen Therapien für RP-Betroffene.
Pan berichtete beispielsweise von eigenen Modellversuchen mit einem lichtempfindlicheren Kanalrhodopsin. Es habe bei blinden Mäusen schon bei 1013-1015 Photonen/cm2/s Lichtintensität das funktionelle Sehvermögen wiederhergestellt ? was in etwa dem Übergang von Straßenbeleuchtung zur Helligkeit in einem Operationssaal entspreche. ?Wenn sich dies auf den Menschen übertragen ließe, bräuchten die behandelten Patienten bei den meisten normal vorkommenden Lichtverhältnissen keine Brille mehr zu tragen?, sagt der Biophysiker.
Weitere alternative Verfahren, die bei RP erforscht werden, sind etwa Stammzellbehandlungen und elektrische Retina-Chips. Und Gentherapien, die das jeweils defekte Gen ersetzen. Eine solche ist bereits zugelassen, aber bislang nur für RP-Patienten mit Mutationen im Gen RPE65, die noch über ausreichend lebensfähige Netzhautzellen verfügen. Insgesamt sind mehr als 71 verschiedene Genmutationen als Ursache einer RP bekannt. Weltweit leiden über 2 Millionen Menschen daran.
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Startschuss für den digitalen Impfpass; Neuinfektionen trotz zweiter Impfung
che2001, 20:02h
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen nimmt weiter ab, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar Wieler haben Details zum neuen digitalen Impfnachweis vorgestellt und der STIKO-Chef Prof. Dr. Thomas Mertens äußert sich zu Fällen von schlechtem Impfschutz nach vollständiger Impfung bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem.
In den vergangenen 24 Stunden wurden dem RKI 3.187 Corona-Neuinfektionen gemeldet (vor einer Woche 4.640). Die 7-Tage-Inzidenz lag laut RKI am Donnerstag erstmals unter 20 (bundesweit 19,3; Vortag: 20,8; Vorwoche: 34,1). Allerdings, so gab Wieler zu bedenken, seien die Fallzahlen immer noch etwa 10 Mal so hoch wie zur gleichen Zeit vor einem Jahr.
Zudem sind bundesweit in den letzten 24 Stunden 94 neue Todesfälle in Verbindung mit COVID-19 gemeldet worden ? vor einer Woche waren es noch 166 Tote gewesen. 47% der deutschen Bevölkerung sind laut Spahn nun mindestens einmal gegen SARS-CoV-2 geimpft.
Startschuss für den digitalen Impfnachweis ? CovPass ab nächste Woche
?Zufrieden? äußerte sich Spahn bei der heutigen Pressekonferenz mit den derzeitigen Entwicklungen: Sinkende Infektionszahlen und weniger COVID-Patienten in den Intensivstationen, immer mehr Impfungen und Lockerungen zählte er zu seiner Erfolgsliste. Und ab jetzt komme auch noch der digitale Impfpass hinzu.
Noch in diesem Monat soll dieser in Deutschland verfügbar sein. Dafür gibt es zum einen eine neue App mit Namen CovPass, die man sich in den nächsten Tagen in den App-Stores herunterladen kann. Zum anderen erhält auch die Corona-Warn-App des Bundes in den nächsten Tagen eine entsprechende Aktualisierung. Ärzte und Impfzentren sollen die Impfzertifikate dann ausstellen können.
Was die nachträgliche Zertifizierung für die bereits vollständig Geimpften angeht, bremste Spahn allzu hohe Erwartungen an das Tempo: ?Es geht jetzt los, Schritt für Schritt", sagte er. Geimpfte bekämen den entsprechenden QR-Code für die Übertragung auf das Mobiltelefon entweder von den Impfzentren zugeschickt oder ab kommender Woche unter Vorlage des gelben Papier-Impfpasses in Apotheken. Auch der Apothekerverband hat sich bereits geäußert, dass es noch einige Zeit dauern könne, bis dieser Service in den Apotheken flächendeckend verfügbar sei.
Auch der Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Gassen warnt vor zu hohen Erwartungen: ?Nicht sofort flächendeckend, sondern zunächst nur im Rahmen einer begrenzten Testphase wird der digitale Impfnachweis in Deutschland starten?, schreibt er in einer gemeinsamen Erklärung mit seinen Vorstandskollegen Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Thomas Kriedel. Bislang könnten niedergelassenen Hausärzte und Fachärzte digitale Impfzertifikate noch nicht ausstellen, außer, wenn sie in Modellvorhaben eingebunden seien.
?Noch sind die technischen Voraussetzungen und Klarheit über genaue technische Abläufe in den Praxen nicht gegeben. Für eine flächendeckende Anwendung wird das die Voraussetzung sein?, erklärte Hofmeister. ?Der digitale Nachweis ist eine freiwillige Ergänzung des weiter gültigen gelben Impfheftes aus Papier?, so Kriedel.
Deutschland setze damit ein Vorhaben der Europäischen Union um. ?Urlaubsreisen scheitern ohne das digitale Impfzertifikat aber nicht?, betonte er. ?Der gelbe Impfausweis ist die internationale Bescheinigung über Impfungen und bei Auslandsreisen das Nachweisdokument erster Wahl.?
?Angemessene? Vergütung für Nachtragungen
Die Apotheken sollen eine ?angemessene Vergütung? erhalten, sagte Spahn. ?Hätten wir einen Preis genommen, der den Aufwand nicht angemessen berücksichtigt, dann würden viele Apotheken nicht mitmachen." Er betonte das ?hohe Interesse, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Nacheintragungen machen können?.
Nach Angaben der Ärztezeitung erhalten Ärzte und Apotheker für nachträgliche Zertifikate für Impflinge, die im Impfzentrum oder bei anderen Ärzten, geimpft wurden, 18 Euro ? für Impflinge der eigenen Praxis allerdings nur 6 bzw. 2 Euro.
CovPass in allen EU-Ländern anerkannt
Ronald Fritz, CovPass-Projektmanager von IBM, gab Auskunft zu den Funktionalitäten der CovPass-App für den digitalen Impfnachweis. Es würden nur Impfzertifikate akzeptiert, die EU-konform sind und von autorisierten Stellen in Deutschland ausgestellt wurden. Dokumentiert weder der ?volle Impfschutz? mit in der EU zugelassenen Vakzinen (2 Wochen nach der letzten Impfung) oder der ?Genesenen-Status? mittels PCR-Testergebnis. Spahn ergänzte später auf Nachfrage, dass auch heterologe Impfungen, also solche, bei denen der Erst- und Zweitimpfstoff variierten, dabei als voller Impfschutz gültig seien.
Mittels dem CovPass-Check ließen sich die QR-Codes einlesen, sagte Fritz. Der CovPass könne dann etwa bei Reisen oder bei der Teilnahme an Veranstaltungen vorgezeigt werden, ohne dass man den gelben Impfausweis immer dabeihaben müsse. Er wird in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt. Die EU-Länder und das EU-Parlament hatten sich kürzlich auf ein europaweites Zertifikat geeinigt, mit dem man Impfungen, Tests und überstandene Covid-19-Erkrankungen nachweisen kann, um z.B. Reisen zu erleichtern.
CovPass und CovPass-Check seien inzwischen verfügbar, hieß bei der Pressekonferenz. Beide Apps laufen auf allen aktuellen Android- und iOS-Smartphones (Betriebssysteme ab iOS12 oder Android 6). Die Apps speichern den Nachweis lokal auf dem Telefon.
Infektion trotz Zweifach-Impfung ? AHA-Regeln behalten Bedeutung
Spahn und Wieler warnten auf der Pressekonferenz auch vor der indischen Varianten (Delta), die sich etwa in Großbritannien derzeit rasant ausbreite. Um es der Variante möglichst schwer zu machen, sich auch hier zu verbreiten, gelte es, die Inzidenz möglichst niedrig zu halten. ?Das Virus ergreift jede noch so kleine Chance?, sagte Wieler und verwies auch auf immer mehr Meldungen, nach denen sich selbst zweifach Geimpfte noch mit dem Coronavirus infizieren können. ?Bewährte Werkzeuge? wie Abstand halten, Quarantäne bei Infektion und die Hygieneregeln seien nach wie vor wichtig.
Wieler nahm damit Bezug auf aktuelle Warnungen der Ständigen Impfkommission (STIKO), dass anscheinend etliche Menschen trotz vollständiger Impfung keinen effektiven Infektionsschutz gegen SARS-CoV-2 haben. Der STIKO-Vorsitzende Prof. Dr. Thomas Mertens sagte kürzlich gegenüber der Funke-Mediengruppe: ?Es gibt inzwischen mehrere Studien, die zeigen, dass die Impfung gegen COVID-19 bei Menschen, deren Immunsystem medikamentös gebremst wird, nicht so gut wirkt wie bei anderen.?
Dies gelte etwa für manche Krebspatienten oder Menschen nach einer Organtransplantation oder Patienten, die wegen anderer Erkrankungen immunsuppressive Medikamente erhalten. Diese Menschen müssten zusätzlich über einen ?Kokonstrategie? geschützt werden, indem sich ihr Umfeld so weit wie möglich immunisieren lasse. Derzeit lasse sich zwar noch nicht schätzen, wie groß die Gruppe solcher Personen sei, die trotz vollständiger Impfung keinen ausreichenden COVID-19-Schutz aufbauen, ?wir müssen aber davon ausgehen, dass es nicht nur Einzelfälle sind?, sagte Mertens.
In den vergangenen 24 Stunden wurden dem RKI 3.187 Corona-Neuinfektionen gemeldet (vor einer Woche 4.640). Die 7-Tage-Inzidenz lag laut RKI am Donnerstag erstmals unter 20 (bundesweit 19,3; Vortag: 20,8; Vorwoche: 34,1). Allerdings, so gab Wieler zu bedenken, seien die Fallzahlen immer noch etwa 10 Mal so hoch wie zur gleichen Zeit vor einem Jahr.
Zudem sind bundesweit in den letzten 24 Stunden 94 neue Todesfälle in Verbindung mit COVID-19 gemeldet worden ? vor einer Woche waren es noch 166 Tote gewesen. 47% der deutschen Bevölkerung sind laut Spahn nun mindestens einmal gegen SARS-CoV-2 geimpft.
Startschuss für den digitalen Impfnachweis ? CovPass ab nächste Woche
?Zufrieden? äußerte sich Spahn bei der heutigen Pressekonferenz mit den derzeitigen Entwicklungen: Sinkende Infektionszahlen und weniger COVID-Patienten in den Intensivstationen, immer mehr Impfungen und Lockerungen zählte er zu seiner Erfolgsliste. Und ab jetzt komme auch noch der digitale Impfpass hinzu.
Noch in diesem Monat soll dieser in Deutschland verfügbar sein. Dafür gibt es zum einen eine neue App mit Namen CovPass, die man sich in den nächsten Tagen in den App-Stores herunterladen kann. Zum anderen erhält auch die Corona-Warn-App des Bundes in den nächsten Tagen eine entsprechende Aktualisierung. Ärzte und Impfzentren sollen die Impfzertifikate dann ausstellen können.
Was die nachträgliche Zertifizierung für die bereits vollständig Geimpften angeht, bremste Spahn allzu hohe Erwartungen an das Tempo: ?Es geht jetzt los, Schritt für Schritt", sagte er. Geimpfte bekämen den entsprechenden QR-Code für die Übertragung auf das Mobiltelefon entweder von den Impfzentren zugeschickt oder ab kommender Woche unter Vorlage des gelben Papier-Impfpasses in Apotheken. Auch der Apothekerverband hat sich bereits geäußert, dass es noch einige Zeit dauern könne, bis dieser Service in den Apotheken flächendeckend verfügbar sei.
Auch der Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Gassen warnt vor zu hohen Erwartungen: ?Nicht sofort flächendeckend, sondern zunächst nur im Rahmen einer begrenzten Testphase wird der digitale Impfnachweis in Deutschland starten?, schreibt er in einer gemeinsamen Erklärung mit seinen Vorstandskollegen Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Thomas Kriedel. Bislang könnten niedergelassenen Hausärzte und Fachärzte digitale Impfzertifikate noch nicht ausstellen, außer, wenn sie in Modellvorhaben eingebunden seien.
?Noch sind die technischen Voraussetzungen und Klarheit über genaue technische Abläufe in den Praxen nicht gegeben. Für eine flächendeckende Anwendung wird das die Voraussetzung sein?, erklärte Hofmeister. ?Der digitale Nachweis ist eine freiwillige Ergänzung des weiter gültigen gelben Impfheftes aus Papier?, so Kriedel.
Deutschland setze damit ein Vorhaben der Europäischen Union um. ?Urlaubsreisen scheitern ohne das digitale Impfzertifikat aber nicht?, betonte er. ?Der gelbe Impfausweis ist die internationale Bescheinigung über Impfungen und bei Auslandsreisen das Nachweisdokument erster Wahl.?
?Angemessene? Vergütung für Nachtragungen
Die Apotheken sollen eine ?angemessene Vergütung? erhalten, sagte Spahn. ?Hätten wir einen Preis genommen, der den Aufwand nicht angemessen berücksichtigt, dann würden viele Apotheken nicht mitmachen." Er betonte das ?hohe Interesse, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Nacheintragungen machen können?.
Nach Angaben der Ärztezeitung erhalten Ärzte und Apotheker für nachträgliche Zertifikate für Impflinge, die im Impfzentrum oder bei anderen Ärzten, geimpft wurden, 18 Euro ? für Impflinge der eigenen Praxis allerdings nur 6 bzw. 2 Euro.
CovPass in allen EU-Ländern anerkannt
Ronald Fritz, CovPass-Projektmanager von IBM, gab Auskunft zu den Funktionalitäten der CovPass-App für den digitalen Impfnachweis. Es würden nur Impfzertifikate akzeptiert, die EU-konform sind und von autorisierten Stellen in Deutschland ausgestellt wurden. Dokumentiert weder der ?volle Impfschutz? mit in der EU zugelassenen Vakzinen (2 Wochen nach der letzten Impfung) oder der ?Genesenen-Status? mittels PCR-Testergebnis. Spahn ergänzte später auf Nachfrage, dass auch heterologe Impfungen, also solche, bei denen der Erst- und Zweitimpfstoff variierten, dabei als voller Impfschutz gültig seien.
Mittels dem CovPass-Check ließen sich die QR-Codes einlesen, sagte Fritz. Der CovPass könne dann etwa bei Reisen oder bei der Teilnahme an Veranstaltungen vorgezeigt werden, ohne dass man den gelben Impfausweis immer dabeihaben müsse. Er wird in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt. Die EU-Länder und das EU-Parlament hatten sich kürzlich auf ein europaweites Zertifikat geeinigt, mit dem man Impfungen, Tests und überstandene Covid-19-Erkrankungen nachweisen kann, um z.B. Reisen zu erleichtern.
CovPass und CovPass-Check seien inzwischen verfügbar, hieß bei der Pressekonferenz. Beide Apps laufen auf allen aktuellen Android- und iOS-Smartphones (Betriebssysteme ab iOS12 oder Android 6). Die Apps speichern den Nachweis lokal auf dem Telefon.
Infektion trotz Zweifach-Impfung ? AHA-Regeln behalten Bedeutung
Spahn und Wieler warnten auf der Pressekonferenz auch vor der indischen Varianten (Delta), die sich etwa in Großbritannien derzeit rasant ausbreite. Um es der Variante möglichst schwer zu machen, sich auch hier zu verbreiten, gelte es, die Inzidenz möglichst niedrig zu halten. ?Das Virus ergreift jede noch so kleine Chance?, sagte Wieler und verwies auch auf immer mehr Meldungen, nach denen sich selbst zweifach Geimpfte noch mit dem Coronavirus infizieren können. ?Bewährte Werkzeuge? wie Abstand halten, Quarantäne bei Infektion und die Hygieneregeln seien nach wie vor wichtig.
Wieler nahm damit Bezug auf aktuelle Warnungen der Ständigen Impfkommission (STIKO), dass anscheinend etliche Menschen trotz vollständiger Impfung keinen effektiven Infektionsschutz gegen SARS-CoV-2 haben. Der STIKO-Vorsitzende Prof. Dr. Thomas Mertens sagte kürzlich gegenüber der Funke-Mediengruppe: ?Es gibt inzwischen mehrere Studien, die zeigen, dass die Impfung gegen COVID-19 bei Menschen, deren Immunsystem medikamentös gebremst wird, nicht so gut wirkt wie bei anderen.?
Dies gelte etwa für manche Krebspatienten oder Menschen nach einer Organtransplantation oder Patienten, die wegen anderer Erkrankungen immunsuppressive Medikamente erhalten. Diese Menschen müssten zusätzlich über einen ?Kokonstrategie? geschützt werden, indem sich ihr Umfeld so weit wie möglich immunisieren lasse. Derzeit lasse sich zwar noch nicht schätzen, wie groß die Gruppe solcher Personen sei, die trotz vollständiger Impfung keinen ausreichenden COVID-19-Schutz aufbauen, ?wir müssen aber davon ausgehen, dass es nicht nur Einzelfälle sind?, sagte Mertens.
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Wegweisendes EuGH-Urteil zu subsidiärem Schutz
che2001, 14:41h
Der Europäische Gerichtshof hat heute über die Voraussetzungen zur Gewährung subsidiären Schutzes entschieden. Für Geflüchtete, insbesondere aus Afghanistan, ist das Urteil aus Luxemburg ein wichtiges Hoffnungszeichen
Die Richter*innen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haben heute in einem Urteil festgestellt: Allein das Verhältnis von zivilen Opfern zur Gesamtbevölkerung im Herkunftsland eines Geflüchteten kann kein entscheidender Ausgangspunkt sein, um ihm einen Schutzstatus zuzuerkennen oder ihm abzusprechen, dass er Schutz benötigt. Es bedarf vielmehr einer quantitativen als auch qualitativen Gesamtwürdigung der Umstände.
Bei der Feststellung einer »ernsthaften individuellen Bedrohung« sei die Zahl der zivilen Opfer im Verhältnis zur Gesamtzahl der Bevölkerung des betreffenden Gebiets im Rahmen eines bewaffneten Konflikts nicht mehr Ausgangbasis, sondern nur noch ein Kriterium unter vielen weiteren. Der Begriff »ernsthafte individuelle Bedrohung« des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die subsidiären Schutz beantragt, ist demnach weit auszulegen. Daher sei eine umfassende Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere derjenigen, die die Situation des Herkunftslands des Antragstellers kennzeichnen, erforderlich. Hierzu zählen beispielsweise die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der beteiligten Streitkräfte und die Dauer des Konflikts. Außerdem können das geografische Ausmaß der Lage willkürlicher Gewalt, der tatsächliche Zielort Schutzsuchender im Falle einer gedachten Rückkehr und die Aggression der Konfliktparteien gegen Zivilpersonen eine Rolle spielen.
Insbesondere afghanische Geflüchtete aus stark umkämpften Provinzen können vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH nun darauf hoffen, künftig subsidiären Schutz gewährt zu bekommen. ?Die bisherige Rechtsprechung in Deutschland ist der tatsächlichen Situation in Afghanistan nie gerecht geworden. Dies muss sich jetzt nach dem EuGH-Urteil ändern ? erst recht vor dem Hintergrund der sich weiter zuspitzenden Sicherheitslage am Hindukusch?, sagt Peter von Auer, Rechtpolitischer Referent von PRO ASYL.
Mit dem Urteil ist der Ansatz, der eine »ernsthafte individuelle Bedrohung« davon abhängig macht, ob das Verhältnis der Zahl ziviler Opfer zur Gesamtzahl der Bevölkerung des betreffenden Gebiets eine bestimmte Schwelle erreicht, nicht mit der EU-Richtlinie 2011/95 (= Qualifikationsrichtlinie) vereinbar.
Das Urteil des EuGH bedeutet eine zu vollziehende Kehrtwende für die Rechtspraxis der Bundesrepublik. Denn das Bundesverwaltungsgericht ist in seinen bisherigen Urteilen von einem rein quantitativen Ansatz ausgegangen, der als ?body count? bezeichnet werden kann: Ausgangsbasis ist hierbei, wie viele zivile Opfer es im Verhältnis zur Bevölkerung in einer Konfliktregion gibt. Wird dabei eine Mindestschwelle nicht erreicht, ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Gewährung von subsidiärem Schutz von vornherein ausgeschlossen. Andere Faktoren, die einen bewaffneten Konflikt neben der Zahl der Opfer so gefährlich machen könnten, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Schutzstatus gegeben wären, können dann gar nicht berücksichtigt werden. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht den zugrunde zulegenden Mindestwert nie exakt beziffert.
Der Gerichtshof hat sich mit seinem heutigen Urteil einmal mehr als wahrer ?Hüter der europäischen Verträge? positioniert ? eine Rolle, die eigentlich der Europäischen Kommission zukommt. Doch während diese die Asyl- und Flüchtlingspolitik immer weiter verschärft, gemeinsam mit EU-Mitgliedstaaten wie Dänemark und Griechenland, verteidigt der EuGH die grundlegenden Flüchtlings- und Menschenrechte. Nun muss auch Deutschland seine Rechtspraxis ändern, denn die Urteile des EuGH sind für alle nationalen Gerichte rechtlich bindend.
Vorabentscheidungsersuchen aus Baden-Württemberg
Grund für die EuGH-Entscheidung war ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Jahr 2019. Dieser musste über die Klagen auf subsidiären Schutz von zwei afghanischen Staatsangehörigen entscheiden. Nach dem ?body-count-Ansatz? ist die Gewährung von subsidiärem Schutz auch für Afghan*innen ausgeschlossen. Weil der Verwaltungsgerichtshof im konkreten Fall anzweifelte, dass der body-count-Ansatz ausreiche, hat er den EuGH um Klärung gebeten. Dieser hat nun deutlich gemacht: Die zynische Rechnung des Bundesverwaltungsgerichts ? in Afghanistan stürben nicht genug Menschen, um davon ausgehen zu können, dass beispielsweise die beiden afghanischen Kläger bei einer Rückkehr in ihre Heimat tatsächlich in Gefahr wären ? kann so nicht länger aufrechterhalten werden.
Am 11. Februar 2021 hat Generalanwalt Priit Pikamäe bereits in seinen Schlussanträgen die Ansicht vertreten, dass eine rein quantitative Betrachtung im Sinne einer Mindestanzahl an zivilen Opfern nicht zur Grundlage der Bestimmung des Vorliegens der Voraussetzungen für Schutz (nach der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU, Art. 15 Buchst. c) gemacht werden kann. Die Beurteilung des Bedürfnisses nach internationalem Schutz müsse auch »nicht quantifizierbare Gesichtspunkte einbeziehen können wie z.B. jüngste Entwicklungen eines bewaffneten Konflikts, die, auch ohne bereits zu einem Anstieg der Opferzahlen geführt zu haben, signifikant genug sind, um die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für die Zivilbevölkerung zu begründen«. Erforderlich sei eine »sowohl quantitative als auch qualitative Gesamtwürdigung aller relevanten Tatsachen, die diesen Konflikt kennzeichnen«.
Der EuGH ist in seinem heutigen Urteil der Linie des Generalanwalts gefolgt.
Die Richter*innen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haben heute in einem Urteil festgestellt: Allein das Verhältnis von zivilen Opfern zur Gesamtbevölkerung im Herkunftsland eines Geflüchteten kann kein entscheidender Ausgangspunkt sein, um ihm einen Schutzstatus zuzuerkennen oder ihm abzusprechen, dass er Schutz benötigt. Es bedarf vielmehr einer quantitativen als auch qualitativen Gesamtwürdigung der Umstände.
Bei der Feststellung einer »ernsthaften individuellen Bedrohung« sei die Zahl der zivilen Opfer im Verhältnis zur Gesamtzahl der Bevölkerung des betreffenden Gebiets im Rahmen eines bewaffneten Konflikts nicht mehr Ausgangbasis, sondern nur noch ein Kriterium unter vielen weiteren. Der Begriff »ernsthafte individuelle Bedrohung« des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die subsidiären Schutz beantragt, ist demnach weit auszulegen. Daher sei eine umfassende Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere derjenigen, die die Situation des Herkunftslands des Antragstellers kennzeichnen, erforderlich. Hierzu zählen beispielsweise die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der beteiligten Streitkräfte und die Dauer des Konflikts. Außerdem können das geografische Ausmaß der Lage willkürlicher Gewalt, der tatsächliche Zielort Schutzsuchender im Falle einer gedachten Rückkehr und die Aggression der Konfliktparteien gegen Zivilpersonen eine Rolle spielen.
Insbesondere afghanische Geflüchtete aus stark umkämpften Provinzen können vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH nun darauf hoffen, künftig subsidiären Schutz gewährt zu bekommen. ?Die bisherige Rechtsprechung in Deutschland ist der tatsächlichen Situation in Afghanistan nie gerecht geworden. Dies muss sich jetzt nach dem EuGH-Urteil ändern ? erst recht vor dem Hintergrund der sich weiter zuspitzenden Sicherheitslage am Hindukusch?, sagt Peter von Auer, Rechtpolitischer Referent von PRO ASYL.
Mit dem Urteil ist der Ansatz, der eine »ernsthafte individuelle Bedrohung« davon abhängig macht, ob das Verhältnis der Zahl ziviler Opfer zur Gesamtzahl der Bevölkerung des betreffenden Gebiets eine bestimmte Schwelle erreicht, nicht mit der EU-Richtlinie 2011/95 (= Qualifikationsrichtlinie) vereinbar.
Das Urteil des EuGH bedeutet eine zu vollziehende Kehrtwende für die Rechtspraxis der Bundesrepublik. Denn das Bundesverwaltungsgericht ist in seinen bisherigen Urteilen von einem rein quantitativen Ansatz ausgegangen, der als ?body count? bezeichnet werden kann: Ausgangsbasis ist hierbei, wie viele zivile Opfer es im Verhältnis zur Bevölkerung in einer Konfliktregion gibt. Wird dabei eine Mindestschwelle nicht erreicht, ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Gewährung von subsidiärem Schutz von vornherein ausgeschlossen. Andere Faktoren, die einen bewaffneten Konflikt neben der Zahl der Opfer so gefährlich machen könnten, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Schutzstatus gegeben wären, können dann gar nicht berücksichtigt werden. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht den zugrunde zulegenden Mindestwert nie exakt beziffert.
Der Gerichtshof hat sich mit seinem heutigen Urteil einmal mehr als wahrer ?Hüter der europäischen Verträge? positioniert ? eine Rolle, die eigentlich der Europäischen Kommission zukommt. Doch während diese die Asyl- und Flüchtlingspolitik immer weiter verschärft, gemeinsam mit EU-Mitgliedstaaten wie Dänemark und Griechenland, verteidigt der EuGH die grundlegenden Flüchtlings- und Menschenrechte. Nun muss auch Deutschland seine Rechtspraxis ändern, denn die Urteile des EuGH sind für alle nationalen Gerichte rechtlich bindend.
Vorabentscheidungsersuchen aus Baden-Württemberg
Grund für die EuGH-Entscheidung war ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Jahr 2019. Dieser musste über die Klagen auf subsidiären Schutz von zwei afghanischen Staatsangehörigen entscheiden. Nach dem ?body-count-Ansatz? ist die Gewährung von subsidiärem Schutz auch für Afghan*innen ausgeschlossen. Weil der Verwaltungsgerichtshof im konkreten Fall anzweifelte, dass der body-count-Ansatz ausreiche, hat er den EuGH um Klärung gebeten. Dieser hat nun deutlich gemacht: Die zynische Rechnung des Bundesverwaltungsgerichts ? in Afghanistan stürben nicht genug Menschen, um davon ausgehen zu können, dass beispielsweise die beiden afghanischen Kläger bei einer Rückkehr in ihre Heimat tatsächlich in Gefahr wären ? kann so nicht länger aufrechterhalten werden.
Am 11. Februar 2021 hat Generalanwalt Priit Pikamäe bereits in seinen Schlussanträgen die Ansicht vertreten, dass eine rein quantitative Betrachtung im Sinne einer Mindestanzahl an zivilen Opfern nicht zur Grundlage der Bestimmung des Vorliegens der Voraussetzungen für Schutz (nach der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU, Art. 15 Buchst. c) gemacht werden kann. Die Beurteilung des Bedürfnisses nach internationalem Schutz müsse auch »nicht quantifizierbare Gesichtspunkte einbeziehen können wie z.B. jüngste Entwicklungen eines bewaffneten Konflikts, die, auch ohne bereits zu einem Anstieg der Opferzahlen geführt zu haben, signifikant genug sind, um die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für die Zivilbevölkerung zu begründen«. Erforderlich sei eine »sowohl quantitative als auch qualitative Gesamtwürdigung aller relevanten Tatsachen, die diesen Konflikt kennzeichnen«.
Der EuGH ist in seinem heutigen Urteil der Linie des Generalanwalts gefolgt.
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