Dienstag, 21. Februar 2006
Das Geheimnis des Erfolgs
Einerseits leben wir in einer Zeit, in der davon die Rede ist, dass wir alle den Gürtel enger schnallen müssten, dass der Staat sparen und der Bürger seine Bedürfnisse im Zweifelsfalle auch zurückfahren müsste. Andererseits ist Deutschland Exportweltmeister, geht es unserer weltmarktorientierten Großindustrie demzufolge gar nicht schlecht, und es wird auch gesagt, wir, die Bürger, müssten mehr Privatinitiative ergreifen, privat vorsorgen und selber betriebswirtschaftlich denken. Das heißt ja wohl, dass es für den Privathaushalt erfolgversprechend sein könnte, sich die Erfolgsstrategien der wirklich erfolgreichen Unternehmen zu eigen zu machen. Da schaue ich mir doch einmal DaimlerChrysler an. DaimlerChrysler ist ohne Zweifel einer der erfolgreichsten deutschen Konzerne. Und was machen die? Obwohl sie sehr viel Geld verdienen, sogar weltweit, zahlen sie am Heimatstandort, in und um Stuttgart, de facto so gut wie keine Steuern? Ist es das? Ich meine, wenn ich den Staat wie ein Investor oder Shareholder betrachte, ist das ja eine nüchterne Abwägung. Ich zahle meine Steuern ja nicht für die Bedürfnisse der Politiker nach Diäten oder der Flugbereitschaft, sondern, weil ich selber etwas vom Staat haben will. Dieser Staat kürzt aber ständig soziale Leistungen, also das, was der Bürger vom Staat bekommen könnte. Da der Bürger keinen Return of Investment erwarten kann, lässt das im Umkehrschluss nur zu, dass es vollkommen sinnlos ist, an diesen Steuern abzuführen. Von DaimlerChrysler lernen heißt doch wohl, siegen zu lernen, also auf die Zahlung von Steuern zu verzichten. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

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Munoz kritisiert deutsches Bildungssystem
Der UN-Sonderbeauftragte Munoz konstatiert zum Abschluss seiner Inspektionsreise, dass soziale Klassen- oder schichtzugehörigkeit mehr als in den meisten anderen entwickelten Ländern die Bildungschancen in Deutschland bestimmt. Eine Ohrfeige ins Gesicht der Leistung-muss-sich-lohnen-Bildungspolitiker.

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Montag, 20. Februar 2006
Damals war´s
Man wird ja richtig nostalgisch, wenn man das hier liest.
http://www.computerwoche.de/cebit/nachrichten/572526

Wobei ich mich noch an eine andere "heiße" Story eerinnere: Microsoft, Apple, IBM und Texas Instruments entwickelten damals in Konkurrenz zu Intel und AMD den Super-PC, von dem man sich einen epochemachenden Quantensprung versprach. Doch das Konsortium zerkrachte sich frühzeitig, und heraus kam der Cyrix, ein völlig übertakteter, störanfälliger Pentium-Nachmacher.

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Abschiebemeister Niedersachsen
Es gehört zur bisherigen Teilbilanz der schwarz-gelben Koalition in Niedersachsen: Hinsichtlich Abschiebungen ist das Land besonders hart. Ich weiß zwar nicht, was daran christlich oder liberal sein soll, eine schwangere Mutter von zwei Kindern ohne Federlesens in die Türkei abzuschieben, aber es passt gut zu einer Regierung, zu deren Reformen die Abschaffung des Blindengeldes gehörte.

http://www.haz.de/niedersachsen/285246.html

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Sonntag, 19. Februar 2006
Die Achse des Schönen
wurde wieder einmal aktualisiert, aus Zeitmangel gibt´s ganz prosaisch einen Link.

http://trouvaillen.blogger.de/stories/391469/

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Samstag, 18. Februar 2006
Chavez droht USA
Mal bietet er armen US-Bürgern verbilligtes Öl an, mal droht er mit Embargo. Venezuelas bunter Präsident Hugo Chavez reagiert gereizt auf unverhohlene Drohungen von Condoleeza Rice. Schritt für Schritt, so will es scheinen, wird auf dem südamerikanischen Kontinent eine neue internationale Krise vorgekocht. Tröstlich ist: Zu solch unmittelbaren Rechtsbrüchen und Abstrafaktionen wie Contragate oder Grenada scheinen die USA zurzeit nicht fähig. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,401633,00.html

Ich bin gespannt, wie die Entwicklung weiter geht.Solch lustige Visionen wird es jedenfalls nur in den berauschten Nächten nordhessischer Bloggerinnen geben, http://netbitch1.twoday.net/stories/1587593, aber militärische Eskalationen sind durchaus drin.

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Englisch-Übung (with contributes to Netbitch)
Train your English!

Laut vorlesen, vorsichtshalber Lappen bereithalten:

Für Anfänger/For beginners

Drei Hexen schauen sich drei Swatch-Uhren an.
Welche Hexe schaut welche Swatch-Uhr an?

Three witches watch three swatch watches.
Which witch watch what swatch watch?

Für Fortgeschrittene/For Walkaways


Drei geschlechtsumgewandelte Hexen schauen sich drei Swatch-Uhrenknöpfe an.

Welche geschlechtsumgewandelte Hexe schaut sich welchen Swatch-Uhrenknopf an?

Three switched witches watch three Swatch watch switches.

Which switched which would watch which Swatch watch switch?

Für Experten/For heavy speakers

Drei Schweizer Hexenschlampen, die sich wünschten, geschlechtsumgewandelt zu sein, schauen sich Schweizer Swatch-Uhrenknöpfe an.

Welche Schweizer Hexenschlampe, die sich wünschte, geschlechtsumgewandelt zu sein, schaut sich welche Schweizer Swatch Uhrenknöpfe an?

Three swiss witchbitches, who wished to be switched, are watching three swiss Swatch watch switches.

Which swiss witchbitch, who wishes herself to be switched, watches which swiss Swatch watch switch?

Jetzt Umgebung mit dem Lappen trocken wischen!

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Mittwoch, 15. Februar 2006
Wider Geschichtsrevisionismus II
Aus Gründen der Lesbarkeit geht´s hier weiter.

Es hat in der Vergangenheit nicht nur von Auschwitz leugnenden Neonazis und ihren publizistischen Adlaten mit so passenden Namen wie Leuchter und Zündel Vorstöße mit geschichtsrevisionistischen Inhalten gegeben, sondern auch seitens der etablierten Politik. So äußerte in Zeiten der Anti-Atomraketen-Proteste beispielsweise Heiner Geißler die These, die Friedensbewegung dr 20er und 30er Jahre habe Hitler erst möglich gemacht, worauf Joschka Fischer konterte, ob denn demzufolge Carl von Ossietzky und Erich Mühsam quasi für Auschwitz verantwortlich gemacht werden sollten. Fischers Antwort war polemisch und moralisierend, dabei gerät aber außer Acht, dass Geißler hier vor allem historisch falsch lag (ein ewiges Problem bei den Grünen und den deutschen Linken ist ja viel Moral und mangelndes historisches und politisches Wissen): Die Appeasement-Politiker, welche Hitler lange gewähren ließen, waren alles Andere als Pazifisten, es handelte sich vielmehr um Rechtskonservative mit uneingestandenen Sympathien für die Nazis. Während Teile der britischen Torys klammheimlich davon träumten, mit den Gewerkschaften so umzuspringen, wie die Nazis es getan hatten, gab es in Frankreich sogar die Parole "plustot Hitler que Léon Blum", es wurde also die Besetzung durch die Nazis einem Wahlsieg der französischen Sozialisten vorgezogen. Insofern war die französische Kapitulation bereits 2 Jahre vor ihrem Stattfinden angelegt.


Zu einem für die deutsche Historiographie beispiellosen, vor allem außerhalb der Fachöffentlichkeit, nämlich in der Presse ausgetragenen Skandal kam es, als Ernst Nolte In seinem Beitrag "Vergangenheit, die nicht vergehen will" http://lexikon.idgr.de/h/h_i/historikerstreit/historikerstreit.php

die These vertrat, die Sowjetunion sei eigentlich schuld am NS-Regime, zumindest aber an den KZ´s. Diese seien von den Nazis als Kopie des Archipel Gulag eingerichtet worden, und nur die Furcht vor den Kommunisten haben sie getrieben, ihrerseits zunächst Kommunisten, dann auch andere Gruppen in Lager zu sperren, der Holocaust sei eigentlich eine "asiatische Tat". Hier finden wir typische Elemente apologetischer Geschichtsschreibung: Einerseits eine unmenschliches Handeln verharmlosende, die Nazis als von Anderen Verführte oder unter Angst vor Anderen Handelnde eigentlich unmündige Wesen, ein Element der im Antisemitisnmus zum Tragen kommenden Paranoia (vgl. Adorno, Levinson et al "Studien zum autoritärenCharakter" sowie Adorno und Horkheimer "Dialektik der Aufkläung. Elemente des Antisemitismus") sowie die Behauptung, das groteske Verbrechen der Massenvernichtung sei eigentlich undeutsch, wurzle anthropologisch in Asien, was von einem geistigen Hintergrund des Verfassers in der Nähe der Rassentheorien und daher im Umfeld der NS-Ideologie selber zeugt. Den Sinn der Auseinandersetzung um die Positionen Noltes machten damals die konservativen Historiker Michael Stürmer und Andreas Hillgruber deutlich, als sie schrieben, dass Derjenige die Zukunft gewinne, der die Deutungshoheit über die Vergangenheit gewinne. Darum ging es demzufolge Nolte um eine Inwertsetzung der Geschichtswissenschaft als Werkzeug im Kalten Krieg: Da eigentlich "der Russe" schuld sei, müsse die NS-Vergangenheit nicht mehr bewältigt, wohl aber aktiv am Sturz des kommunistischen Systems gearbeitet werden.

Noltes Positionen wurden von der Mehrheit der deutschen Historiker zurückgewiesen.

Dies hielt allerdings Vertreter wie Rainer Zitelmann nicht davon ab, ihrerseits neue geschichtsrevisionistische Vorstöße zu unternehmen, etwa dergestalt, der NS sei Bestandteil der allgemeinen Modernisierung im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Eine andere Form von Geschichtsrevisionismus kommt zurzeit aus neokonservativer Ecke. Anknüpfend an Friedrich August von Hayek wird der Nationalsozialismus als zwangsläufiges Ergebnis des Sozialismus betrachtet, teilweise unterscheiden neocons zwischen "Sozial-Sozialisten"(=Linke und Sozialemokraten) und "Nationalsozialisten". Nun hat Hayek sich zwar, insbesondere in den diversen Neuauflagen seiner im Original 1944 verfassten Schrift "Der Weg zur Knechtschaft" sich gegen jede Form von Staatsinterventionismus ausgesprochen und den ursprünglichen Manchesterliberalismus Adam Smith´s entschieden befürwortet. In seinen späteren Jahren wandte er sich auch gegen den Ordoliberalismus im Spannungsfeld von sozialer Marktwirtschaft und Keynesianismus.

Auch ein Vergleich nationalsozialistischer und stalinistischer Wirtschaftsstrukturen findet sich bei Hayek, womit dieser sich bereits außerhalb des beschriebenen Historikerkonenses befindet. Bereits Popper und sein eigener Lehrmeister v.Mises hatten an Hayek Irrationalismus und Demokratieskeptizismus kritisiert.

Wenn wir den antisozialdemokratischen Ausfällen folgen, wie sie auf neokonservativen Weblogs veröffentlicht werden, gehen die heutigen selbsternannten Hayek-Apologeten aber sehr viel weiter. Einerseits wird dadurch, dass Keynesianismus bzw. die Sozialdemokratie implizit in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt wird, Verhöhnung der Opfer des NS betrieben, andererseits läuft die implizite Logik, dass es außerhalb des reinen Liberalkapitalismus kein denkbares Gesellschaftsmodell mehr geben soll auf Totalitarismus hinaus - totalitärer Wirtschaftsliberalismus halt. Den haben die Jünger des Hayek-Schülers Milton Friedman in Chile und der Türkei (Turgut Özal war selbst einer der Chicago-Boys) bereits praktisch demonstriert. Es scheint so, dass hier eine neue extremistische Bewegung heranwächst.

Es ist auch Bestandteil des neokonservativen Geschichtsrevisionismus, anzunehmen, dass der heutige westliche Wohlstand allein Leistung des Kapitalismus selber sei, als hätten alle Arbeiterkämpfe um Partizipation und soziale Leistungen nicht stattgefunden, ja, Neokonservative glauben sogar, ohne Arbeiterbewegung sei die Entwicklung des allgemeinen Wohlstands bereits viel weiter als real geschehen.

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Dienstag, 14. Februar 2006
Wider Geschichtsrevisionismus
Während Geschichtsschreibung lange Zeit vor allem die Geschichte der Sieger war, verfasst aus ihrer eigenen Sicht (von Cäsars De Bello Gallico bis Heinrich von Treitschke), bedeutet die Verwissenschaftlichung der Geschichtsschreibung seit dem Historismus, dem Positivismus, aber auch dem Historischen Materialismus (nicht der sozialistischen und kommunistischen Parteien, sondern der diesem Ansatz verpflichteten seriösen Historiker) den Versuch, einer objektiven, zumindest: nicht von der Apologie der Staatsmacht her geleiteten Sichtweise der historischen Prozesse nahezukommen. Je mehr von einer gewissenhaften und seriösen Geschichtswissenschaft gesprochen werden kann (historische Objektivität kann es angesichts der Subjekitivität der Menschennaturen und subjektiver Interessenlagen gar nicht geben, aber es gibt sehr wohl eine distanzierte, quellenkritische und an einem Erkenntnisinteresse orientierte Geschichtsforschung und - Schreibung), desto eher formiert sich der Versuch, historische Prozesse im Nachhinein tendenziös umzudeuten, am Rande und zunehmend außerhalb der Geschichtswissenschaft. Schon nach dem Ersten Weltkrieg zeigte sich dies anhand der Ostforschung. Rechtsnationale deutsche Historiker, Sprachwissenschaftler und Volkskundler versuchten, nach dem Verlust deutscher "Ostgebiete" wie Teilen Polens oder Südmasuren nachzuweisen, dass diese aufgrund jahrhundertealter deutscher Besiedlung "deutscher Kulturboden" oder ihre nichtdeutschsprachige, aber kulturell deutsch beeinflusste Bevölkerung "volksdeutsch" sei, um territoriale Ansprüche auf diese Gebiete historisch begründen zu können. Historiker wie Hermann Aubin oder Gerhard Ritter schufen so einerseits durch die Verbindung von Geschichtsforschung mit Volkskunde, Sprachwissenschaft und Archäologie die Grundlagen der modernen Sozialgeschichte im Sinne der Historischen Sozialwissenschaft (genauer gesagt, einen Zweig davon, der andere Zweig kam aus der angloamerikanischen Entwicklungssoziologie), andererseits ein Rechtfertigungsprogramm für die Eroberungszüge der Nazis und die Datenbasis des verbrecherischen "Generalplans Ost". Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte sich diese Tradition nicht ungebrochen fortsetzen, wohl aber der sich von der Geschichtswissenschaft mehr und mehr entfernende Geschichtsrevisionismus.


Einer von dessen extremsten Formen ist die Auschwitz-Leugnung, die nicht etwa nur von kahlköpfigen Stiefelnazis vorgenommen wurde, sondern, als prominentestem Vertreter, auch von dem britischen Rechtsaußen-Historiker David Irving.

Generell gibt es zum Thema Faschismus/Nationalsozialismus in der Historiographie diverse, höchst unterschiedliche Forschungsansätze. Der Kürze halber sollen hier erwähnt werden:

1) Faschismus/Nationalsozialismus als Totalitarismus
Angesichts des Hitler-Stalin-Paktes und des Vorgehens der Komintern-Brigaden gegen die anarchistische CNT und die trotzkistisch-rätekommunistische POUM im Spanischen Bürgerkrieg erschien der Vergleich zwischen Stalinismus und Nationalsozialismus hinsichtlich der Machtstrukturen naheliegend. Dies war ursprünglich eine moralische Gleichsetzung, die sozioökonomische Faktoren ausblendete. Im Kalten Krieg wurde daraus dann ein Ansatz, der Sozialismus und Faschismus generell gleichsetzte, bis hin zur Instrumentalisierung zur prowestlichen Propaganda, die HannahAhrendt, der wesentlichsten Begrpnderin des Totalitarismus-Ansatzes, sehr fern gelegen hatte. Nach 1989 erlebte dieser Mißbrauch der Totalitarismus-Theorie eine Renaissance in Form übler Machwerke, wie dem Schwarzbuch des Kommunismus.


2) Nationalsozialismus als einzigartiges Phänomen

Vwerschiedene Ansätze, z.B. NS als Spezialfall des Faschismus, nämlich als durch die Gesellschaftsstrukturen des Kaiserreichs bestimmter deutscher Sonderweg (Jürgen Kocka)

Deutscher Sonderweg reicht von Luther über Bismarck geradewegs bis hin zu Hitler
(O.Butler, Mc Govern, Shirer, in einer sehr speziellen Variante auch Goldhagen)

NS unterscheidet sich von anderen Faschismen oder Totalitarismen durch die besondere Rolle Hitlers (Bracher, illgruber, Hildebrand, Haffner, Fest)


3) Nationalsozialismus als Faschismus

a) Faschismus ist die unmittelbar terroristische Herrschaft der am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Kräfte des Finanzkapitals
(Dimitroff).

b) Faschismus als Bonapartismus: Ein Machtvakuum zwischen Kapital und Arbeiterklasse führt zur Machtergreifung einer im Kern kleinbürgerlichen, Elemente der Arbeiterbewegung wie der bürgerlichen Eliten aufgreifenden militant-chauvinistischen M;assenbewegung (Bauer, Thalheimer)


c) Faschismus als Post-Bonapartismus: Faschismus ist Klassenkampf von oben, in einer Art sozialem Bürgerkrieg wird die Arbeiterbewegung zerschlagen. Der Faschismus ist die Art der Terrorherrschaft, durch welche die Bourgeoisie nach Auftreten der ersten sozialistischen Revolutionen ihre Macht absichert, sowie der terreur der Jakobiner die Terrorherrschaft zur Verhinderung sozialistischer KOnsequenzen der Französischen Revolution war.
(Trotzky)

d) Faschismus als bürgerlicher Ausnahmestaat

Nachdem die kulturelle Hegemonie des Bürgertums zerstört wurde, aber das Proletariat nicht zur Macht gelangen konnte folgt auf den liberalen Kapitalismus mit weltmarktabhängiger Geldwirtschaft eine auf nationaler Abschottung basierende Verbindung aus Industriekapitalismus und ursprünglicher Akkumulation durch Zwangsarbeiterwirtschaft und Raubkriege - Primat der Politik zur Rettung der kapitalistischen Ökonmie (Poulantzas, Mason).

e) Faschismus als fehlgeschlagene Modernisierung
(Parson).

f) Faschismus als an die 20er, 30er und 40er Jahre gebundene Revolte gegen Tradition und Moderne zugleich (Nolte).

g) Faschismus als durch Umstrukturierungsprobleme feudaler Agrargesellschaften bedingte Abweichung vom "normalen" kapitalistischen Modell, das sonst eine liberaler Verfassungsstaat ist.
(Mommsen, Jäckel, Hildebrand, Organski, Moore)

h) Faschismus als Extremismus der Mitte
Mittelschichten reagieren in der Furcht, zwischen Proletariat und Bourgeoisie zerrieben zu werden mit Unterstützung der extremen Rechten
(Lipset).

Allen Faschismustheorien innerhalb der etablierten Geschichtswissenschaft ist gemein, dass sie den Faschismus als ein historisch einzigartiges, nicht relativierbares Verbrechen ansehen. Dies ist das Hauptunterscheidungsmerkmal zum Geschichtsrevisionismus.

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Montag, 13. Februar 2006
Von Antisemitismus, Neuem Antiimperialismus und purer Vernunft
Es ist nun schon fast zwei Jahrzehnte her, aber die jüngsten Ereignisse zeigen, dass die Inhalte noch immer erstaunlich aktuell sind. Da war an der Fassade eines wichtigen linken Zentrums in meterhohen Lettern zu lesen "Boykottiert "Israel". Waren, Strände, Kibbuzim. Palästina, das Volk wird dich befreien!" Es gab in Teilen der Linken damals einen Aufschrei, die VerfasserInnen wurden des linken Antisemitismus bezichtigt. Diese bis heute aufrechterhaltene Anschuldigung geht m.E. etwas an den Tatsachen vorbei. Die Leute, die aus Solidarität mit der Infifada und insbesondere einer Sympathisantenhaltung zur PFLP (Volksfront für die Befreiung Palästinas) diese Parolen geschrieben hatten, hatten ja nichts gegen andere Menschen, wenn oder weil diese Juden waren, sondern sie waren gegen den Staat Israel, weil sie diesen als eine Art Apartheid betrachteten, ein rassistisches Staatsgebilde, das seit den 40ern vertriebene Palästinenser und deren Nachkommen kategorisch von der israelischen Staatsbürgerschaft ausschloss und die seit 1967 besetzten Gebiete zwar de facto annektierte, ihren BewohnerInnen aber ebenfalls staatsbürgerlicher Rechte in Israel vorenthielt.

Antisemitismus hingegen hat eine komplexe, im Bereich der Paranoia verwurzelte Vorurteilsstruktur zum Inhalt https://chuzpe.blogger.de/stories/385800/#386016,

und das ist etwas Anderes als reiner Antizionismus.

Hinsichtlich der GründerInnengeneration der RAF und ihres plötzlichen Umkippens von erst euphorischer Begeisterung für die Kibbuzzim und dann umso rigoroserer Israelfeindschaft inklusive ihrer sowohl projektiven als auch instrumentalen Umgangsweise mit der Shoah lässt sich der Begriff eines "sekundären Antisemitismus" vielleicht noch verwenden, aber er lässt sich nicht von diesem Fluchtpunkt aus generell auf die Verurteilung der Besatzungspolitik oder eine positive Bezugnahme auf palästinensische Kämpfe übertragen. Die PFLP wiederum vertritt ein teilweise ziemlich an den Haaren - oder der Kufaya - herbeigezogenes Modell, in dem "den Juden" das Heimatrecht in Israel abgesprochen werden soll, aber auch das würde ich nicht linken Antisemitismus nennen. Erstens kann Antisemitismus nicht links sein. Links bedeutet, sich an Kategorien wie Klasse, verfolgter Minderheit oder Gender zu orientieren, wer Antisemit ist, begibt sich damit von Vornherein außerhalb der Linken. Abgesehen davon sind PalästinenserInnen sprachlich und ethnisch tatsächlich Semiten, was man von Juden/Jüdinnen nur dann sagen kann, wenn man selber an rassistische Konstrukte glaubt. Ich weiß nicht, wie ich die PFLP-Idologie einordnen soll, ich würde erstmal Schwurbel dazu sagen, aber den Begriff "linken Antisemitismus" halte ich für nicht anwendbar.

- späterer Einschub: Mit der Hamas ist das etwas ganz Anderes, und ich halte es hier durchaus für berechtigt, deren Ideologie als religiösen Faschismus zu bezeichnen, wobei ich auch diese Organisation noch differenziert betrachten möchte Unser Umgang. Aber Hamas wurde im Ursprung gegen die PLO aufgebaut. edit. -

Unser Umgang mit den Parolen war denn auch ein ganz Anderer, und ich halte ihn weiterhin für richtig.

Wir gingen die AutorInnen semantisch an. Wieso steht Israel in Anführungsstrichen, Palästina aber nicht? Entweder, man lehnt Nationalitäten als Konstrukte bürgerlichen Denkens grundsätzlich ab und schreibt sie immer in Anführungszeichen, oder man erkennt Nationalitäten, etwa im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts der Völker, generell an und schreibt sie nie in Anführungszeichen. Hier zweierlei Wertigkeiten von Nationen anzunehmen, bedeutet, selber Nationalist zu sein, und dann ist man nicht links.

"Palästina, das Volk wird dich befreien!" Ah ja, sehr schön! Was ist Palästina? Die Bezeichnung für ein Territorium. Was ist ein Volk? Ein politisch-semantisches Konstrukt, das als Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie dient (wahrscheinlich muss man bald sagen: diente). Also: ein bürgerliches Herrschaftsinstrument soll ein Territorium befreien. Von was denn? Etwa vom Kapitalismus? Nein, bzw. das auch, aber zuerst einmal von der Herrschaft der Israelis. Was interessiert uns als Linke, ob Israelis oder PalästinenserInnen das Territorium kontrollieren? Seit wann interessieren uns Flaggen? Was uns interessiert, ist, wie es dort mit der Eigentumsfrage, mit Selbstbestimmung der ArbeiterInnen, mit Frauenrechten, Menschen-und BürgerInnenrechten allgemein aussieht. Gegen das israelische Besatzungsregime, solange dieses Menschen- und BürgerInnenrechte bricht mit den PalästinenserInnen solidarisch sein ist keine Frage - aber ob die Zukunft in einem sozialistischen Israel liegt oder in zwei verschiedenen Staaten bleibt offen, ein palästinensischer Nationalismus, der das Existenzrecht Israels bestreitet ist einerseits mit linken Vorstellungen nicht identisch, andererseits ein Rückfall hinter die historische Erfahrung des Nationalsozialismus, da nicht die Juden/Jüdinnen es sind, die die Existenz eines israelischen Staates als Schutzwehr der Verfolgten nötig gemacht haben.

"Für die sozialistische Einheit in Israel und Palästina", das wäre eine Forderung, die für uns als westliche Linke auf der Tagesordnung stehen müsste.

Gut, das vertraten wir AnhängerInnen des Neuen Antiimperialismus 1988 und trieben damit einen Teil der Pro-PFLP-Antiimps schier zur Verzweiflung. Entlarvend war, dass von denen Einige (ich betone, Einige, nicht die Gruppen in ihrer Gesamtheit) nichts zu sagen hatten, als im gleichen Jahr Saddams Truppen die Bevölkerung von Halabja vergasten. Die brutale Logik des "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" und der Identifikation vermeintlich internationalistischer Linker mit sogenannten Befreiungsnationalismen, in diesem Fall dem arabischen Nationalismus, war wohl übermächtig.

Wenn heute religiös-nationalistischer Hass in dieser Region alles zu überschwemmen droht, ist die scheinbar anachronistische Geste, die Klassenfrage zu stellen, vielleicht die einzige Form der Vernunft, die noch bleibt. Es muss nicht gleich die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln auf der Tagesordnung stehen, sondern zunächst der Kampf gegen das fundamentalistische Patriarchat und für Minderheitenrechte. Und da sehen sich unter Umständen palästinensische und israelische Mächtige wie auch die Marginalisierten in beiden Lagern ähnlicher, als Mancher wahrhaben will.

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Hartz IV und das Hotel Mama
Es ist widerwärtig, von sozialdämokratischen Politikern hören zu müssen, dass junge Arbeitslose künftig mit 80 Prozent des ALG 2 vorliebnehmen müssten und dann eben bei ihren Eltern wohnen sollten. Die Generation der Jugendrevolte verordnet den Nachgeborenen nicht nur Schmalhans, sondern auch die entwicklungssoziologische Regression. Interessant fand ich, wie meine alte Mutter reagierte, als sie im Radio erfuhr, wie hoch denn der AlG2-Satz eigentlich ist (der Regelsatz, nicht der reduzierte). Sie kommentierte: "Da müssen die junge Leute ja das Geld mit Einbrüchen herbeischaffen, das geht ja gar nicht anders." Diese Altersweisheit im Hintergrund,fällt mir doch gerade eine alte Parole ein: "Bürger, macht euch keine Sorgen, plündern tun wir morgen!"

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Von Antisemitismus, neoconnerddism
und einigem Anderen:

http://chuzpe.blogger.de/stories/385800/

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Samstag, 11. Februar 2006
Und Du, gesockszugehöriger Hacker
der Du schon den zweiten Angriff auf meinen Rechner gestartet hast, solltest wissen, dass ich nicht nur über zwei Virenscanner und eine Firewall verfüge, sondern auch über ein sehr gutes Traceprogramm. Du solltest Dich also über eine Mailbomb auf Deinem Rechner nicht wundern :-)

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Ach, Volkswagen!
Ich weiß es ja durchaus als gutes Marketing zu goutieren, dass Ihr mir eine Broschüre ins Haus schickt, in der Ihr Eure künftige Modellpolitik erläutert. In der derzeitigen Krisensituation ist es sicher klug, frühzeitig Journalisten, PR-Leute, Kontakter und Entscheider über Eure Vorhaben zu informieren, und ich lese so etwas mit Interesse.Den EcoRacer würde ich sogar gerne fahren, wenn er denn mal fertig ist. Trotzdem komme ich nicht ab von der Überzeugung, das es besser für die Marke wäre, zu den eigenen Wurzeln zurückzufinden. Und das heißt aus meiner Sicht: Preislich und auch von der Fahrzeugklasse her im Segment unter Opel und Ford, da, wo VW eigentlich herkommt. Bescheidenheit ist manchmal mehr!

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Bon appetit!
Paul Combuse ähem Bocuse wird 80. Ich wünsche ihm das Allerbeste und noch ein weiterhin langes, gesundes und kulinarisches Leben. Gefragt, ob man nach seine Kochbüchern auch wie Bocuse kochen könnte, fragte er zurück, ob sein Gegenüber denn der Meinung wäre, dass man nach Zuteilung von Farben und Pinsel wie Picasso malen könnte.

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Donnerstag, 9. Februar 2006
Der Umgang mit den Karikaturen in den USA
Interessant ist, wie mit den Mohammed-Karikaturen in den USA verfahren wird: Zwar wird lebhaft über das Thema diskutiert, aber mit Ausnahme des Philadelphia Inquirer hat keine führende Zeitung die Cartoons unverändert nachgedruckt. Das ist keine Enschränkung der Meinungsfreiheit, sondern selbstverständlicher Ausdruck der political correctness im Umgang mit religiösen und ethnischen Minderheiten, ohne die ein Zusammenleben im Vielvölker- und Einwanderungsland USA gar nicht möglich wäre. Schließlich hängt auch niemand in der South Bronx ein Plakat auf, in dem Schwarze als "Nigger" bezeichnet werden.

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Mittwoch, 8. Februar 2006
Jyllands Komposten
Zu den Hintergründen der Mohammed-Karrikaturen schreibt Herr Fischer von der SZ:

Publizistischer Begleitschutz
„Jyllands-Posten" hilft der rechten dänischen Regierung

Von Gerhard Fischer
Skandinavien-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung 7.2.2006

München- Im dänischen Wahlkampf im Herbst 2001 griff die Zeitung Jyllands-Posten plötzlich die ausländischen Kollegen an. Er verurteile, was in deutschen oder französischen Zeitungen stehe, schrieb der Kommentator des konservativen Blattes. Die von den Korrespondenten beschriebene Ausländerhetze gebe es im dänischen Wahlkampf nicht, sondern nur eine normale, offene, sehr demokratische Debatte. Die Vorwürfe an die Kollegen gipfelten in dem Satz: „Kümmert euch lieber um die Ausländerghettos, die es in euren Heimatländern gibt!"
Jyllands-Posten - jenes Blatt, das den Karikaturen-Streit ausgelöst hat - ist eine Zeitung mit einem fast missionarischen Anspruch: Sie hat mit Erfolg daran gearbeitet, die geistige und politische Führerschaft der Linksliberalen in der dänischen Gesellschaft zu brechen. Dänemark ist - ausgehend von der 68er-Bewegung - jahrzehntelang ein tolerantes, progressives Land gewesen. Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft wurde staatlich geregelt, Hippies lebten ungestört in dem alternativen Wohnprojekt Christiania mitten in Kopenhagen.
Jyllands-Posten erscheint fern von Kopenhagen, in Aarhus auf Jütland. Die Gegend ist agrarisch geprägt, die Bevölkerung naturgemäß konservativer als in der Hauptstadt. Schon lange kritisierte die Zeitung das ihrer Ansicht nach elitäre, linke, ein bisschen verlotterte Kopenhagen. Mitte der neunziger Jahre machte sich dann eine rechtsgerichtete, ausländerfeindliche Partei auf den Weg: die dänische Volkspartei unter der schrillen Populistin Pia Kjaersgaard. Es wäre eine unzulässige Vereinfachung, Jyllands-Posten und die rechten Politiker gleichzusetzen; aber Mitstreiter im weiteren Sinne sind sie allemal, und nunmehr galt eine weitere Gruppe als lohnenswerte Zielscheibe: Die Muslime im Land. Jyllands-Posten hetzte nicht so schamlos wie Kjaersgaard, aber das Blatt begriff Ausländer nie als Bereicherung, sondern stets als Belastung.
Dann kam der Wahlkampf 2001. Der rechtsliberale Anders Fogh Rasmussen forderte den sozialdemokratischen Regierungschef Poul Nyrup Rasmussen heraus. Beide polemisierten gegen die Ausländer im Land, Fogh Rasmussens Partei Venstre klebte ein Wahlplakat, auf dem kriminelle Muslime zu sehen waren, und darunter stand: „Zeit für Veränderung". Das Plakat suggerierte, dass alle Muslime gewalttätig sind, und dass man sie gerne loswerden würde. Anders Fogh Rasmussen wurde Premier, ließ sich von Kjaersgaards Partei tolerieren, und zusammen versetzten sie die ideologischen Eckpfeiler in der dänischen Gesellschaft: Die Ausländergesetze wurden extrem verschärft, die Entwicklungshilfe und die Ausgaben für die Umwelt gekürzt. Jyllands-Posten gab den publizistischen Begleitschutz auf diesem Weg in eine rechts-konservative Gesellschaft.
Am 30. September 2005 veröffentlichte das Blatt die Mohammed-Karikaturen und erntet nun Reaktionen, die alle Grenzen sprengen. Das dänische Berlingske Nyhedsmagasin schrieb, dass Jyllands-Posten mit seinem jahrelangen Kurs auf eine Eskalation zugesteuert sei. Die liberale Zeitung Politiken sieht das wohl genauso: Auf ihrer Satire-Seite nennt sie Jyllands-Posten seit langem Jyllands-Faschisten oder - weil das Blatt vom Land kommt - Jyllands-Komposten.

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Dienstag, 7. Februar 2006
Wo ich herkomme
1982 war ein besonderes Jahr. Die Häuserkämpfe in Hamburg, Frankfurt, Berlin, Bremen und Göttingen ebbten
gerade ab, der Anti-Atomraketenherbst stand bevor, die 68er waren gerade im Hafen der bürgerlichen
Sicherheit eingelaufen, als eine neue Gegenkultur entstand: Die Autonomen.

Die Gründe der Rebellion waren noch die gleichen wie für die 68er. Noch hatten wir Altnazis als Lehrer. Im Deutschen Herbst hatte man aufgrund einer politisch gegebenen 6 ein Drittel eines Jahrgangs auf meiner
Schule sitzenbleiben lassen, und die Botschaft nach links lautete: Wir können Euch liquidieren.

Was wir, Schüler/innen im Abialter, junge Studis, Azubis um die 20 an den 68ern kritisierten, war, dass
diese zu schnell verbürgerlicht waren, dass sie nicht so radikal waren, wie ihre Parolen vermuten ließen,
dass Mao und Stalin und Konsorten überhaupt nicht links, sondern nur autoritär waren. Wir setzten teils
auf den Anarchismus, teils wandten wir uns ganz gegen ideologisch geschlossene Weltbilder, es waren auch
Kommunisten vor-bolschewistischer Prägung dabei, nach Luxemburg oder nach Marx himself. Wir lehnten den
Birkenstock-Fischerhemd-Passat-Diesel-Mief der 68er ab. Unsere Musik war Neue Deutsche Welle, TonSteineScherben,
Die Toten Hosen, Einstürzende Neubauten, Heavy Metal und Punk. Der Anspruch "Wir wollen Spaß, wollen Spaß."
verband sich mit "Macht kaputt, was Euch kaputt macht" und dem Anspruch auf eine eigene Aneignung linker Traditionen, die uns nicht von Großideologen oder pädagogisierenden Müslibärten vordoziert werden sollte.

Jahre politischer Kämpfe, militant am Bauzaun, konstruktiv und kompromissbereit in Bürgerinitiativen
und Hochschulgremien, mit publizistischen Mitteln, auf allen Ebenen. Gegen AKWs, gegen Startbahn West, gegen Neonazis, für ein Bleiberecht für Flüchtlinge, am Schluss wurde unbezahlte Sozialarbeit daraus. 17 Jahre autonome Szene prägten bei mir vor allem eine grundsätzlich gesellschaftskritische Haltung und die Fähigkeit,
sich mit ungewohnten und oft auch unangenehmen Situationen arrangieren zu können, ohne sich mit ihnen abzufinden.

Manche von uns sind Fernsehredakteure geworden, es gibt selbstständige Unternehmer, Lehrer, Ärzte,
PR-Leute, Designer, alles Mögliche, das niemand mit Autonomen in Verbindung bringen würde, die Otto Normal meist in einer Bauwagensiedlung-Schmuddelecke wähnt. Verschiedene Tätigkeiten - Wissenschaft, New Economy,schließlich PR-Beratung in der Old Ecomomy führten mich auf andere Wege. Meine Wurzeln habe ich nicht verloren.

Auch als berufsbedingter Anzugträger, Teuerurlauber und Gourmet verkehre ich immer noch in linksradikalen Kreisen - aber eben auch mit der IHK, dem Marketingclub, CDU-Politikern usw.

Und ich treffe auch da hin und wieder Menschen mit einer ähnlichen Geschichte wie der eigenen, musste aber feststellen,dass es auch unter golfspielenden Rotariern Leute gibt, mit denen ich mich gut verstehe.

Eine andere kulturelle Grenze bleibt bestehen: So gibt es zwischen
meinemeinem und einer bestimmten Sorte von geschniegelten Á la mode Yuppies eine unüberwindbare Barriere.

Und das ist auch besser so. Treffe ich Autonome, also nicht die eigenen Leute von früher, sondern junge
Leute, die sich heute so nennen, oder auch Leute von Attac, dann finden sich wenig Gemeinsamkeiten. Vielleicht
die politisch-moralische Empörung über bestimmte MIsstände, OK, aber es gibt keinen gemeinsamen Theoriehintergrund, und Dinge wie
Veganismus und asketische Lebensweise machen aus meiner Sicht keinen Sinn und taten das noch nie, und häufig
kommen mir die Leute einfach nur pubertär vor.

Manchmal habe ich den Eindruck, für Viele geht es in erster Linie um Marke tragen, und dann tragen
Autonome halt Carharrt, Hein Gericke, Belstaff,Dockers und die Kufaya (Palästinensertuch, das eigentlich kurdisch ist) mit einer solchen Kultfixiertheit
wie die NE-Yetties und Yappies Versace, Prada und Cerutti und Neonazis Lonsdale und Dr Martens mit weißen
Schnürsenkeln. Inalte? Wer diskutiert denn noch über realisierbare Alternativen zur herrschenden Politik?
Symbolische Proteste haben eine psychohygienische Funktion: Katharsis, man kann vor sich selber geradestehen.
Ich wende mich nicht dagegen, dass sie stattfinden, aber es reicht nicht.

Selber gut zu leben, finde ich völlig in Ordnung, ich war schon immer Hedonist. Meine linke Utopie beinhaltete
nie uniformierte Armut, sondern Luxus für alle.

Na ja, wo ich heute weltanschaulich stehe, kann ich so ganz genau nicht sagen; nur: die Art von autonomer Szene, zu der ich gehörte, waren hochintellektuelle Leute, die z.B. eine Buchreihe "Autonomie Neue Folge" herausgaben, die sogar einen neuen Forschungsansatz in der Geschichtswissenschaft mit auf den Weg brachte, und nicht der Typ "pöbelnde Straßenpunks". Wir haben uns auch weniger mit ritualisierten Protesten gegen alles Mögliche abgegeben, als vielmehr, von der Phase "Bürgerwehr gegen Neonazis" abgesehen, mit Discos, Felafelständen, Konzerten etc. Geld gesammelt, das wir, verborgen in der eigenen Kleidung, nach Kurdistand/Irak runtergeschafft haben, um es da den Leuten in die Hand zu drücken, die es zum Wiederaufbau ihrer zerbombten Dörfer brauchten, von der Abschiebung in Folter und Bürgerkrieg bedrohten Asylbewerbern durch Maßnahmen von Petitionen an Politiker bis Heiraten (damit die nen deutschen Pass kriegen) eine legale Existenz in Deutschland verschafft und und und.

Und ganz im Ernst: mitunter habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich alle diesen Dinge nicht mehr mache, sondern schnödes Business. Es haben mir sogar frühere Weggefährten deshalb die Freundschaft entzogen.

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Damit der Holocaust nie wieder sei
Wenn die neoconnerds ständig betonen, sie würden dem Faschismus sehr viel ferner stehen als ihre linken Kritiker, und ihr Philosemitismus, ihre Israel-Begeisterung weise sie als das genaue Gegenteil von Nazis aus, dann würde mich doch mal ihre Reaktion auf den Lackmus-Test für Antifaschismus interessieren. Der geht so:

"Wir fordern die Vernichtung des Faschismus durch dargelegte Maßnahmen:
Aufbau einer Volksrepublik, Befreiung der Arbeit z.B. durch Achtstundentag und freie Gewerkschaften, Sozialisierung der Wirtschaft, Friede und Recht durch Wiedergutmachung, Wiederherstellung von Humanität als Grundlage der Kultur (Freiheit der Bildung und der Künste), die Sozialistische Einheit gegen den Faschismus.

Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig.


Es lebe das Bündnis aller antifaschistischen Kräfte Deutschlands!

Es lebe ein freies, friedliches, sozialistisches Deutschland!

Es lebe der revolutionäre demokratische Sozialismus!

Es lebe die Internationale der Sozialisten der ganzen Welt! "



Manifest von Buchenwald

Na, wie haltet Ihr es damit?

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Montag, 6. Februar 2006
Heißer September in Paris
Es ist der 17.September 1824 in Paris. Die schmalen, verwinkelten Straßen der Altstadt sind durch teils hastig aufgeworfene Barrikaden befestigt: Man hat Pflastersteine ausgegraben und zu Wällen aufgeworden, sandgefüllte Körbe, umgeworfene Schubkarren und alte Truhen dahinter aufgetürmt. Hinter diesen mehr als notdürftigen Schanzen liegen die Manufakturarbeiter und die Textilarbeiterinnen mit den aus geplünderten Waffenläden geholten Jagdbüchsen, Marktfrauen mit Schrotflinten, Metzgerbeilen oder Hämmern, Straßenjungen mit geklauten Stoßdegen oder auch nur abgebrochenen Stuhlbeinen. Paris ist geteilt: In den westlichen Vororten und an der Straße nach Versailles steht die königliche Kavallerie und werden Gendarmen und Artillerie zusammengezogen. In den Armenvierteln der Innenstadt und des Ostens, dort, wo Arbeiter und Handwerker in der Mehrzahl sind, erwarten die Unterprivilegierten den Tag der Abrechnung. Im Jardin de Luxembourg warten Truppen auf ihren Einsatz: Husaren, Gardeinfanterie, berittene Gendarmen, Marineinfanterie und Pioniere mit Orgelgewehren auf Geschützlafetten. Im Quartier Latin beziehen die Studenten Stellung auf besser befestigten Barrikaden aus umgestürzten Kutschen, mit Schotter gefüllten Bier- und Weinfässern, Bauholz und Steinquadern. Sie tragen trikolorefarbene Kokarden und rote Jakobinermützen, Musketen aus aufgebrochenen Magazinen, Duellpistolen und Duelldegen. Niemand ist bereit, nach dem Tod Ludwig des XVIII. einen weiteren Bourbonen auf dem Thron sehen zu wollen, nachdem der Großherzog von Korsika, Napoleon, sich zum "Kaiser der Arbeiter" ausgerufen hat. Die Tatsache, dass Blücher sich auf dem Schlachtfeld von Waterloo im Nebel verirrt hatte, hatte die Schlacht mit einem Patt enden lassen. Der Kaiser war bereit gewesen, auf den Thron Frankreichs zu verzichten, wenn ihm die souveräne Herrschaft über seine Geburtsinsel blieb. Dem Wiener Kongress war nichts übriggeblieben, als ihm dies zu gewähren, unter der Bedingung, das er über nicht mehr als zehntausend Soldaten und zehn Schiffe geböte. Der Korse hatte in seiner Heimat den fortschrittlichsten Staat Europas organisiert, nun nutzt er das Machtvakuum und stellt sich auf die Seite von Proletariat und radikalem Kleinbürgertum.

Bei Nacht und Nebel landet der Korse mit seinen erlaubten 10 000 Mann und Tausenden von griechischen Freiheitskämpfern. Während um Paris die Schlacht tobt, nähert sich der Stadt ein schnell sich vergrößerndes Herr, das von niemandem aufgehalten wird. Karl verzichtet vor der Thronbesteigung auf die Königswürde. Als Napoleon am 21. September die Stadt erreicht, sind 6.000 Menschen gefallen. Noch immer wehen Trikoloren und auch rote Fahnen über unerstürmten Barrikaden. Das Eintreffen des alten und neuen Kaisers bringt alle Auseinandersetzungen zum Stoppen. Die Massen jubeln dem kleinen, mittlerweile betagten Mann zu. Mit der Thronbesteigung des "Arbeiterkaisers" endet die Staatenordnung des Wiener Kongresses.

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Generationenparty
In meiner Wohnung wird eine Party gefeiert. Die Wohnung besteht aus den Räumlichkeiten aller Wohnungen meines Lebens seit Auszug aus dem Elternhaus: Die erste WG, also jene hier: http://che2001.blogger.de/stories/361444/, jene legendäre Szene WG zwischen Uni, Kurden-Eck und Puff, die erste eigene Wohnung am Versuchsgelände, die Klause unterm Dach und mein jetziges Domizil. Sie verteilen sich über mehrere Stockwerke, teils auch Viertel- und Halbetagen, und jede hat ein Schlafzimmer und mehrere Betten. Alle Epochen meines Lebens als Erwachsener fallen hier zusammen, denn die Traumzeit ist Bestandteil der Heutemorgengesternwelt, und verschiedene Zeitabschnitte und Lebensphasen sind fußläufig erreichbar. Vor dem Haus liegt ein Park, und der MFG-Typ radelt hindurch, spricht mich an, ob ich nach Hannover fahre. Ja, irgendwann, sage ich. Er beitet mir Geld, ich sage, ich nehme kein Geld für eine Mitfahrgelegenheit, die ich vielleicht erst in einem halben Jahr anbiete. Er gibt mir einen vierzig Euro-Schein, Sonntagsgeld, und sagt, damit stünde ich in seiner Pflicht, das wäre vielleicht auch Startkapital für eine gemeinsame Mitfahrzentrale. Das Sonntagsgeld ist eine Erfindung der Regierung, um den Umsatz am verkaufsoffenen Sonntag anzukurbeln.Alles, was sonst fünfzig Euro kostet, kostet sonntags vierzig, was für fünf Euro kostet vier usw., dafür wurde spezielles Geld gedruckt, das nur sonntags gültig ist. In meiner WG ist eine Fete, der MFG-Typ kommt mit und flirtet mit Maria. Ich will alleine sein und mit mir Rotwein trinken, durchwühle meine Regale, finde dieses und jenes, z.B. zwischen Büchern einen unverdorbenen Schaschlikspieß aus den Achtzigern, aber auch Rotwein und Brandy. Plötzlich merke ich, das das Himmelsblau nachgeht bzw. stehengeblieben ist: es ist noch hell, aber schon 22 Uhr. Ich komme zu spät zur Geburtstagsfeier meiner Schwester! Als ich eintreffe, sind die Tribünen schon abgebaut, aber Schwesterchen und die Allerschönste noch da. Ein Glück! Wir schließen uns in die Arme.

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Sonntag, 5. Februar 2006
Das Gefünft
Okay, nun also auch ich, nach mymspro, Modeste und Doubl. Also (bei mir gibt es kein Geviert, denn es gilt das Gesetz der Fünf) dann:
Fünf Jobs in meinem Leben:
– Patientenbetreuer
– Bandmalocher
– Investigativrechercheur
– Buchautor
- PR-Berater

Fünf Filme, die ich immer wieder sehen kann:
– Diva
– 2001 - Odyssee im Weltraum
– Iwan der Schreckliche
– Léon, der Profi
- Betty Blue


Fünf Orte, an denen ich Urlaub gemacht habe:
– Avignon
– Kairo
– Sharm el Sheikh
– Funchal
- Barcelona

Vier meiner Lieblingsgerichte:
- Geflügelcouscous mit Harissa
– Lamm auf pakistanische Art
– Sushi
– Paella
– Spaghetti Putanesca
Fünf Webseiten, die ich täglich besuche:
– rebellmarkt
– Dr.Dean
– modeste
- girl
- gmx

Fünf Orte, wo ich jetzt lieber wäre:
– Funchal
– Barcelona
– Bei einer Frau, die im Augenblick nicht rangeht
– im Spaßbad
- kein anderer Ort, sondern eine andere Zeit

Fünf Blogger, die das über sich ergehen lassen sollen:

– Don
– netbitch
– doubl
– strappato
- modeste

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Freitag, 3. Februar 2006
Dudelfunk 6 oder die Achse des Blöden
Den Machern des FFN-Morgenradios scheint die Tatsache entgangen zu sein, wie allenthalben Jung v. Matts Kampagne durch den Kakao gezogen wurde, oder dieser scheint ihnen so gut zu schmecken, dass sie ihn dabei auch noch selber trinken wollen: "Du bist Niedersachsen" schallt es jetzt aus den Radiodetektoren. Na denn!

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