Montag, 27. Februar 2006
Meister Shorin Tanaka
Meister Shorin Tanaka saß in einem Resraurant und speiste zu Abend. Außer ihm waren nur noch drei Gäste anwesend, an ihrer gleichförmigen Tätowierung als Yakuza-Mitglieder erkennbar. Einer von ihnen baute sich vor dem Meister auf und fragte: "Alter Mann, was glaubst du, wie lange du noch lebst?" "Wissen kann das niemand, aber ich rechne mit einer langen Zeit." "Dann solltest Du dich von deinem Geld erleichtern."
Meister Shorin Tanaka sagte gar nichts, sondern aß weiter. Eine Fliege summte an ihm vorbei. seine Eßstäbchen zuckten nach oben, und ohne hinzusehen, zerquetschte er die Fliege zwischen ihren Spitzen. Dann nahm er das Fischmesser, welches neben seinem Teller lag, und warf es mit einer beiläufigen Bewegung an einen der hölzerne Türpfosten. Die Klinge verschwand bis zum Heft im massiven Teakholz. Meister Tanaka wischte die Eßstäbchen sauber und setzte seine Mahlzeit schweigend fort. Er brauchte nicht aufzublicken, um zu wissen, dass die drei Räuber gegangen waren.
Der beste Kampf ist der, der nicht stattfindet.

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Am Rande...
http://trouvaillen.blogger.de/stories/396267/

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Nettikette
Am Rande möchte ich den sprachunbegabten Betreiber eines langweiligen Filmblogs übrigens darauf hinweisen, dass man Leute, die ihm nichts getan haben, nicht unbedingt als Arschlöcher bezeichnen sollte, nur weil es einem vielleicht gerade an Selbstbewusstsein mangelt, das mit dem Erwachsenwerden schon noch kommen wird.

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Die gläserne Tanja-Anja
Thomas Knüwer schreibt, wie es ist:

http://blog.handelsblatt.de/indiskretion/eintrag.php?id=595#k6395962

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So Dämokratisch ists in Toitschland
dju-Pressemitteilung: Gesetzliche Grauzonen gefährden den Schutz von Informanten und Journalisten

Berlin, 27.2.06

Heute - am 27.2.06 - wurde bekannt, dass die Polizei im Jahr 2004 monatelang die Telefone zweier Journalisten in Wolfsburg sowie die der "Wolfsburger Allgemeinen Zeitung" (WAZ) kontrollieren und die Verbindungsdaten ermitteln ließ. Wie die Zeitung mitteilt, suchte die Polizei nach "Indizien für ihren diffusen Verdacht, Mitarbeiter der WAZ hätten Polizeibeamte bestochen, um an Informationen zu kommen. Der Verdacht hat sich als haltlos erwiesen, die entsprechenden Verfahren wurden eingestellt."

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di protestiert nachdrücklich gegen diese Verletzung der grundgesetzlich geschützten Vertrauensbeziehung zwischen Journalisten, Redaktionen und ihren möglichen Informanten ohne hinreichenden oder triftigen rechtsstaatlichen Grund.

"Damit wird der Vertrauensschutz von Informanten gegenüber der Presse und zugleich der grundgesetzlich garantierte Schutz der Presse vor staatlicher Aufsicht und Gängelung zerstört," so Manfred Protze, Sprecher der dju in ver.di. Auch in diesem Fall wurde wieder der Versuch unternommen, über die Telekommunikationsdaten von Journalisten an die von den Ermittlungsbehörden gewünschten Informationen heranzukommen. Das zeigt erneut die von der dju seit Jahren gerügte Gefahr gesetzlicher Erlaubnisse in einer Grauzone. Sie ermöglichen die Umgehung von Verboten und bieten damit keinen ausreichenden Schutz für Informanten und Journalisten.

"Es gilt nach wie vor: Die Pressefreiheit existiert entweder ungeteilt oder sie existiert nicht. Wer Rechte der anderen nicht verteidigt, setzt die eigenen aufs Spiel. Nicht nur die SPIEGEL-Affäre hat gelehrt, dass die Pressefreiheit ein latent gefährdeter Pfeiler der Demokratie ist. Er bedarf unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" der stets aufmerksamen Verteidigung", so Manfred Protze.

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Pflichtlektüre zu allen "Achsen des..."
Hier: http://www.blogfrei.de/metalust/2006/02/blockgegensaetze.html

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Sonntag, 26. Februar 2006
Stalking Heads
Wenn ich eines hasse, so sind das Stalker, Spammer, Schnüffler, spionierende Hacker, Paparazzi etc.

Dennoch muss ich (ich habe gerade eine besinnliche Zeit, in der alte Erinnerungen hochkommen) eingestehen, dass auch ich nicht frei von Schuld bin. Es ist schon eine Weile her, ich weilte mehrere Tage in HH und übernachtete dort bei der K. Deren Mitbewohnerin war nicht anwesend, und so konnte ich deren Zimmer benutzen. Nun hatte ich mir Arbeit mitgebracht, brauchte also einen Rechner, und als praktizierender Anhänger großer Workstations besaß ich schon lange kein Notebook mehr. Die K. meinte, ihre Mitbewohnerin (die fing auch mit K an, ich nenne sie also hinfort K2) hätte sicher nichts dagegen, wenn ich ihren Rechner benutzte. Das tat ich dann auch. Dabei stieß ich auf eine Merkwürdigkeit.

K2 hatte ihre Daten nicht nur durch kein Password gesichert, Sie ließ alles ungeordnet im Wurzelverzeichnis herumliegen. Es passierte mir wiederholt, dass ich versehentlich eine ihrer Dateien öffnete, die ich dann ärgerlich wieder wegklickte. Am zweitenAbend, es war schon ziemlich spät, blieb ich dann irgendwann hängen und las einen Text, eine politische Rede für eine Kundgebung. Ich wusste, dass das nicht in Ordnung war, aber ich las erneut weiter, als ich ein weiteres Mal eine Word-Datei öffnete, die so ähnlich hieß wie ein von mir abgespeicherter Text, aber eine Art Tagebucheintrag der K2 war. Sehr schnell ereignete sich der Sündenfall zum Stalker: Ich las über eine Stunde lang in ihren Aufzeichnungen, die in einer warmen, sympathischen facettenreichen Farbe geschrieben waren, und erfuhr dabei sehr viel über sie, ihre Vorlieben, ihre Ängste, ihren Geschmack, insbesondere auch darüber, worauf sie so bei Männern steht. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, als ich den Rechner abschaltete, aber ich war auch hin- und hergerissen vom Interesse an dieser offensichtlich faszinierenden Frau, deren Texte eine außerordentliche innere Schönheit offenbarten.

Dass von äußerer Schönheit auch die Rede sein konnte, offenbarte sich am nächsten Abend, als die K2 nach Hause kam. Diese hatte schon sehr viel von mir gehört, kannte die meisten meiner Texte und war, wie sie erzählte, schon lange sehr daran interessiert, mich kennenzulernen.
Da ich auf diese Frau nun meinerseits ziemlich abfuhr, machte ich ihr den Hof, warf mit Komplimenten um mich, baggerte, was das Zeug hielt und machte auch bedenkenlos von meinem Herrschaftswissen Gebrauch, das auf ihrer Festplatte lag. Wo immer ich wusste, dass sie an dieser Stelle nun dies erwartet oder gerne gehört hätte, setzte ich es konsequent ein. Irgendwann kam die K, um mir mitzuteilen, dass sie mir die Couch im Wohnzimmer bezogen hätte, da die K2 ja nun wieder ihr Zimmer bräuchte, aber da war längst klar, wer mit wem in wessen Bett die Nacht verbringen würde.

- Es wurde daraus eine One-Weekend-Love-Affair, nichts Größeres, aber in jeder Beziehung wunderbar.
Ich richtete mich auch beim Sex sehr genau nach dem, was sie laut ihren Aufzeichnungen haben wollte, hier ein Biß ins Ohr, dort ein Fingernagel auf der Wirbelsäule, da ein Kniff in den Hintern, wenn sich gerade ihr Atem beschleunigte...

Nur hatte ich hinterher ein schlechtes Gewissen, ohne sagen zu können, dass ich mein Handeln bedauerte. Irgendwann fasste ich Mut und rief die K2 an, um ihr alles zu gestehen. Ich stammelte ziemlich lang und dumm herum, bis ich zum Punkt kam.Ich war sehr zerknirscht. Da sagte die K2: "Zwischen uns gibt es kein wirkliches Problem. Mich nerven One-Night-Stands mit Männern, die das Falsche sagen oder Reize spielen lassen, die mich nicht ansprechen oder mich mackermäßig beeindrucken wollen. Ich habe also nachgeholfen. Du hast genau die Dinge gemacht, die ich als Handlungsanweisungen auf meinem Rechner hinterlassen habe."


tit for tat, kann man nur sagen.

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Die neoliberale Falle
Schon etwas älter - aus der taz von kurz vor Weihnachten, doch noch immer aktuell:

Unternehmer sollen Anstand zeigen und keine Leute entlassen, fordern nicht nur Linke. Das ist unpolitisch: So kommt es nie zu Gerechtigkeit, die Chefs können sich freuen
Die Öffentlichkeit ist empört. DaimlerChrysler streicht 8.500 Stellen, die Telekom gleich 32.000. AEG wandert von Nürnberg nach Polen und hinterlässt 1.750 Mitarbeiter ohne Job. Der Reifenhersteller Conti schließt einen Standort in Hannover, 320 Arbeitsplätze entfallen. Dabei konnte der Konzern schon in den ersten neun Monaten einen Rekordgewinn von 1,2 Milliarden Euro melden.
Neue Meinungskoalitionen bilden sich. Ulrich Greiner in der Zeit ist so entsetzt darüber wie die Bild-Zeitung, dass Firmen Stellen reduzieren, obwohl sie Gewinn machen - nur um ihre exorbitanten Erträge noch weiter zu steigern. Allseits wird "Anstand" bei "den Unternehmern" vermisst. Eine Gegenstrategie gibt es ebenfalls: Auch taz-Leser rufen zu Kundenboykotten gegen die ruchlosen Firmen auf.
Sie meinen es alle gut. Doch ohne auch nur zu stocken, eilen Linke und nicht so linke Empörte in eine neoliberale Falle. Die Enttäuschten regen sich zwar über einige Chefs ohne "Anstand" auf, aber das tun sie nur, weil sie an den guten Unternehmer glauben, der für Gerechtigkeit sorgen soll. Der Staat kommt nicht mehr vor - das ist genau das FDP-Konzept. Der moralische Appell an die Firmenchefs ist eine Entpolitisierung, die hochpolitisch ist. Die Mächtigen profitieren, wenn man sie für allmächtig hält.
Zudem läuft die Empörung ins Leere: Moral kann sich nur gegen Täter richten. Doch wer sind "die Unternehmer"? Sie sind nicht fassbar. Beispiel DaimlerChrysler: Wie die Homepage ausweist, gehörte der Konzern am 31. Juli zu 6,9 Prozent der Deutschen Bank und zu 7,2 Prozent dem Emirat Kuwait. Der Rest war Streubesitz: Privatinvestoren hielten 25 Prozent, institutionelle Investoren 60,9 Prozent. Der Firmenchef ist heute nicht mehr der Besitzer, sondern ein Manager. Was die Linken wie einen Klassenkampf zwischen Arbeitnehmern und Eigentümern inszenieren, ist tatsächlich ein Ringen zwischen abhängig Beschäftigten.
Dieser Kampf ist sinnlos. Auch sonst ist der Gegner verstörend uneindeutig: Der Reichtum ist zwar extrem ungerecht verteilt. Trotzdem gehören die großen Firmen nicht mehr nur anonymen Milliardären, die lässig beim Golf ihre umfangreichen Depots verwalten. Der weltweit größte Aktienfonds ist der Pensionsfonds der öffentlichen Bediensteten in Kalifornien. Darauf hat der Unternehmensberater Roland Berger zu Recht hingewiesen (taz vom 17. 12.). Wenn Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, Renditen von 25 Prozent anpeilt, dann profitieren auch viele Kleinanleger. Sie sind genauso anspruchsvoll wie Großkunden - auch der normale Angestellte sucht seine Lebensversicherung nach der Ertragstabelle aus.
Widersinnig sind auch die Boykottpläne, mit denen abwandernde Firmen abgestraft werden sollen: Diese "Kauft deutsch"-Kampagne hat etwas Nationalistisches. Vor allem aber wird ignoriert, dass Deutschland 2005 schon wieder absoluter Exportweltmeister ist. Wir führen weit mehr Güter aus, als wir einführen - und verlagern damit Arbeitslosigkeit in andere Länder. Da ist es volkswirtschaftlich nur fair, wenn dieser Effekt zumindest ein wenig korrigiert wird, indem deutsche Firmen gelegentlich Jobs ins Ausland umschichten.
Aber diese Globalsicht dringt nicht durch; viel stärker beeindrucken die Fernsehbilder, die verzweifelte AEG-Mitarbeiter in Nürnberg zeigen. Sie haben ein Recht auf Wut und Trauer, und sie haben ein Recht darauf, von der Gesellschaft mehr zu erhalten als nur Hartz IV. Doch die bittere Ironie ist: Solange die empörten Fernsehzuschauer nur gebannt auf Einzelfirmen starren und Manager anklagen, wird es nie gelingen, den gesellschaftlichen Reichtum gerechter zu verteilen.
Es ist keine harmlose Nostalgie, sich "die Wiederkehr des alten Patriarchen zu ersehnen" (Greiner). Denn der moralische Appell an die Unternehmer wirkt paradox. Er erscheint wie eine ultimative Drohung, doch gleichzeitig formuliert er eine Heilserwartung, die den Kapitalbesitzern grenzenlosen Einfluss zuschreibt. Die Empörten haben vergessen, dass für das Volkswohl nicht die Bosse zuständig sind - sondern die Parlamentarier. Selbst Linke glauben heute, dass Betriebs- und Volkswirtschaft identisch seien. Sie vertrauen derart inniglich auf die Firmenchefs, dass sie vergessen, dass man ruhig die Unternehmensteuern erhöhen könnte. Stattdessen trachten sie danach, die Manager moralisch zu läutern.
Dabei berufen sich die Empörten gerne auf Artikel 14 des Grundgesetzes, der im zweiten Absatz dekretiert, dass "Eigentum verpflichtet". Allerdings macht der erste Absatz klar, dass es ein Missverständnis wäre, zu glauben, dass damit vorrangig der moralische Appell an einzelne Unternehmer gemeint wäre, der von engagierten Bürgern ausgesprochen wird. Oder von der Bild-Zeitung. Stattdessen formuliert der erste Absatz, welche "Schranken" es für das Eigentum gibt - die durch "Gesetze bestimmt" werden. Mit diesem Absatz werden übrigens so unterschiedliche Eigentumsbeschränkungen wie der Umweltschutz, der Arbeitsschutz oder auch die progressive Einkommensteuer begründet. Artikel 14 ermächtigt also den Staat, das Parlament, nicht selbst ernannte Moralisten. Warum können selbst Linke damit nichts mehr anfangen, obwohl dies urlinkes Gedankengut ist?
Vielleicht lässt sich diese merkwürdige öffentliche Empörung damit erklären, dass die Fronten so unübersichtlich sind. Die Bürger kommen mit ihren vielfältigen Rollen nicht mehr zurecht. Als Kunde profitieren sie vom gnadenlosen Wettbewerb; als Anleger freuen sie sich über Kurssprünge und hohe Dividenden. Doch als Angestellte sind sie Opfer dieser Trends - ihre Löhne stagnieren, ihre Jobs könnten eingespart werden.
Diese Zerrissenheit wird noch zunehmen. Auch durch politische Maßnahmen, die von fast allen gewünscht sind. So würden 85 Prozent aller Bundesbürger ihre Rente am liebsten weitgehend privat ansparen. Wieder sagt der Instinkt: Bloß keine Lösungen vom Staat erwarten, etwa eine steuerfinanzierte Altersvorsorge. Doch die Privatisierung würde die Pensionsfonds weiter aufblähen, die schon jetzt den rabiaten Renditekurs der Aktiengesellschaften bestimmen - siehe DaimlerChrysler.
Dieser unreflektierte Instinkt lässt sich politisch bestens ausnutzen. In den Vereinigten Staaten will Präsident Bush die Renten ebenfalls privatisieren. Sein Chefberater Grover Norquist fühlt sich so sicher, dass er die Motive sogar öffentlich erläutert: "Wenn wir mehr Leute zu Investoren machen, dann schaffen wir mehr Republikaner und weniger Demokraten." Denn Kleinanleger reagieren wie Großaktionäre: Sie werden konservativ. Wer also nicht als staatsferner Neoliberaler enden will, sollte etwas selbstkritischer sein. Es ist absurd, gegen den mangelnden Anstand von Unternehmern zu wettern - wenn es doch wahrscheinlich ist, dass der Kritiker indirekt selbst dieser Unternehmer ist.
ULRIKE HERRMANN
taz Nr. 7850 vom 20.12.2005, Seite 12, 241 Zeilen (Kommentar), ULRIKE HERRMANN

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Samstag, 25. Februar 2006
Wege zur Knechtschaft oder Friedmans Blutspur
Der eigentliche Einfluß von Hayeks Lehre zeigt sich erst bei seinen Schülern bzw. in dritter Generation. Basierend auf Hayeks purifiziertem Wirtschaftsliberalismus, entwickelte Milton Friedman die Grundsätze der sogenannten Angebotsökonomie. Während die von Hayek und Friedman gegründete Mont Pelerin Society eine eher im kleinen Kreis wirkende ideologische Kaderschmiede von Neoliberalen (oder Marktradikalen, was den Begriff eigentlich besser trifft, weil in der Geistesgeschichte des deutschen Liberalismus neoliberal eigentlich sozialliberal meint und "liberals" in den USA Sozialdemokraten sind) ist, war der Einfluß der von Friedman geleiteteten Chikago School of Economy weitaus größer. Was von ihr in den 70er Jahren entwickelt wurde, hat mein alter Mitstreiter Detlef Hartmann einmal sehr polemisch und reichlich martialisch, in den politisch-historischen Schlussfolgerungen aber nicht ohne Scharfsinn als "Völkermord gegen soziale Revolution" bezeichnet.
(vgl. Hartmann, Detlef, Völkermord gegen soziale Revolution. Das Wirtschaftssystem von Bretton Woods als Vollstrecker der nationalsozialistische Neue n Ordnung, in: Klassengeschichte=soziale Revolution?, Autonomie Neue Folge Nr.14)

Konkret ging es hierbei um Folgendes:
Die Geldpolitik der USA und wenn man das so sagen kann "des Westens" in den keynesianisch geprägten Nachkriegsjahrzehnten war expansiv ausgelegt und trachtete in Tradition des Marshallplans vor alle danach, industrielle Entwicklung und Wachstum zu fördern. Die sich emanzipierenden jungen Nationalstaaten der "Dritten Welt" wurden mit Entwicklungskrediten unterstützt. Dieses Modell war nur vor der Systemkonkurrenz mit dem kommunistischen Lager denkbar, es ging dabei um die gegenseitige Umwerbung von Entwicklungsregimen (am Klügsten machte das Maltas Dom Mintoff, der abwechselnd proamerikanisch, prosowjetisch, prochinesisch und prolibysch war, je nachdem, von wem er gerade eine neue Werft oder Raffinerie brauchte). Dieses Modell geriet anfang der 70er in die Krise, diese war vor allem eine Krise des US-Imperialismus.

Einerseits hatten sich mittlerweile alle westlichen Nationen mit der Verschuldung zur Entwicklung ihrer eigenen Wirtschaft und mit der Gewährleistung sozialer Leistungen überhoben. Im Vordergrund stand damals aber vor allem die Tatsache, dass die USA in Vietnam und phasenweise auch in Kampuchea und Laos einen Krieg führten, den sie nicht gewinnen konnten und der nicht länger bezahlbar war. Bis dahin war die gesamte fluktuierende Menge an US-Dollar durch einen Goldschatz in Fort Knox gedeckt; nun begann man, zur Finanzierung der Kriegskosten die Notenpresse anzuwerfen und ungedecktes Geld zu drucken, parallel den National Treasure Stück für Stück zu verscherbeln, um an Auslandsdevisen zu kommen. Je mehr sich die Niederlage in Vietnam abzeichnete, desto mehr trudelte der Kurs des Dollars ins Bodenlose. Dies führte nicht nur zur Inflation in den USA, sondern auch zu einer Weltwährungskrise, denn im Bretton-Woods-System waren alle frei konvertiblen Währungen fest miteinander verrechnet, der Dollar stellte aber die Leitwährung dar. Wäre man nach dem Prinzip einer keynesianisch regulierten Marktwirtschaft mit gleichen und freien Partnern verfahren, so hätte man die Leitwährung Dollar sinnvoller Weise durch eine härtere Währung ablösen müssen. Gelöst wurde das Problem stattdessen auf eine sowohl marktradikale als auch imperialistische Weise.

Zauberworte waren Monetarismus und Deregulierung. Nicht steigender Lebensstandard in den Industrieländern und eine hohe Binnenachfrage, wie sie bisher erwünscht waren, sondern Freigabe der Währungen, die wie Aktien an der Börse gehandelt werden können, sowie möglichst starke und stabile Währungen sollten nun im Mittelpunkt stehen, diese waren aber nur gewährleistet, wenn Staatsausgaben gesenkt wurden. In Zeiten des Kalten Krieges mit garantiert hohen Rüstungsausgaben waren dies zwangsläufig soziale Leistungen und Bildungsausgaben. Hier sehen wir, wie Probleme teilweise erst durch ihre vorgeblichen Lösungen entstehen. Die USA hatten ein Problem mit ihrer Währung aufgrund eines nicht mehr gewinnbaren oder finanzierbaren Krieges. Da die USA nicht irgendein Staat sind, sondern die imperiale Führungsmacht des Westens, wurde dieses Problem auf die ganze westliche Welt einschließlich der von westlichen Krediten abhängigen Entwicklungsländer abgewälzt. NIcht nur den westlichen Industrienationen - ursprünglich nur den USA - empfahlen die Hayekianer um Friedman das Konzept des Gesundsparens und Sozialabbaus (der sich mit ihren ideologischen Vorstellungen eins puren Manchesterkapitalismus deckte, der übrigens nicht mit politisch liberalen Vorstellungen verknüpft war), sondern auch Weltbank und Internationalem Währungsfond. Mitte der 70er befand sich der US-Imperialismus eindeutig in der Defensive: Vietnam-Krieg endgültig verloren, Nixons Gegenrevolution gescheitert, Black Power immer noch die Systemopposition im eigenen Land, die Unruhen in Nordirland ließen eine soziale Revolution an der Peripherie Nordwesteuropas möglich erscheinen, und mit dem Jom-Kippur-Krieg schuf Ägypten nicht nur für sich mit Israel eine Verhandlungsposition auf Augenhöhe, sondern gab der OPEC den Startschuss für eine weltweite beträchtliche Ölpreiseerhöhung. Entwicklungspolitik und soziale Leistungen auf Pump schienen ebenso am Ende, wie die Vorherrschaft des US-geführten Westens an der Bruchkante erschien, ohne dass ein neues Weltsystem sichtbar war. In dieser Situation begannen verschiedene Regierungen, u.a. Reagan in den USA, Thatcher in Großbritannien, die Pinochet-Diktatur in Chile und die Junta der Generäle in der Türkei in unterschiedlicher Weise die Friedman-Konzepte zu adaptieren und umzusetzen. Als Vorgabe für IWF und Weltbank bedeutete dies ein Knapperwerden von Entwicklungskrediten, die strukturelle Unlösbarkeit der Schuldenkrise der armen Länder und die IWF-Auflage an diese Länder, die staatliche Subventionierung des Brotpreises aufzuheben, was faktisch oftmals darauf hinauslief, Bevölkerungteile dem Hungertod zu überanworten. So bezeichnete man die Brotpreisrevolten in Mexiko, Ägypten, Marokko, Algerien und Tunesien in den 80er Jahre, die meist blutig niedergeschlagen wurden, als IWF-Riots. Tatsächlich sagte einer der höchsten Vertreter der Weltbank mir gegenüber im persönlichen Gespräch: "Wir wollen diese Länder destabilisieren. Sie haben keine marktwirtschaftliche Ordnung, deshalb sind uns Aufstände dort willkommen, um die staatlich gelenkten Wirtschaftssysteme zu schwächen."

Die betriebene Entwicklungspolitik ist also eine durch und durch ideologische Veranstaltung, der es um die Durchsetzung der Hayek/Friedmanschen Ideen des gewünschten Wirtschaftssystems geht, auch wenn es dabei ziemlich viele Tote gibt.

Eine, wenn auch über diverse Eskalationphasen hochgeschaukelte Folge der Auflagen des größten jemals vergebenen IWF/Weltbankkredites war der jugoslawische Bürgerkrieg.

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Bahamas: Land unter!
Kürzlich teilten mir Freunde, die einen linken Buchladen betreiben, mit, dass sie die Zeitschrift "Bahamas" aus dem Programm genommen hätten, weil sie kaum noch gelesen würde und ohnehin politisch schon lange höchst bedenklich sei. Hiermit nähert sich eine Entwicklung ihrem Ende, die ihren Ausgangspunkt mal im linken Antisemistismusstreit genommen hatte.

http://de.wikipedia.org/wiki/Bahamas_%28Zeitschrift%29

Dieser wurde seinerzeit mit einer großen deutschen Gründlichkeit und Verbissenheit ausgetragen.

Ich habe meine Meinung dazu ja nun schon deutlich gemacht:
http://che2001.blogger.de/stories/386740/,
und ich bin nicht der Auffasssung, dass sich die für sich genommen entsetzliche Tatsache, dass bei der Flugzeugentführung von Entebbe wie an der Rampe eines KZs jüdische und nichtjüdisch Passagiere selektiert wurden oder dass bei Personen aus der RAF-Gründergeneration ein antifaschistischzer Philosemitismus schnell in eine bedingungslose Zustimmung zum eleminatorischen Antizionismus der damaligen PFLP umschlug es zulassen, linken Antiimperialismus mit Antisemitismus im Allgemeinen in Verbindung zu bringen. Als Vertreter des an sozialen Bewegungen, nicht an Staaten festgemachten Neuen Antiimperialismus und der Verbindung aus Kritischer Theorie und französischem Strukturalismus waren mir all die Debatten, die Staaten, Nationen usw. zum Gegenstand hatten eher schnurz, andererseits konnte ich auch mit der Pervertierung der Kritischen Theorie seitens einiger Hamburger Antideutscher nichts anfangen, die darauf hinauslief, den Deutschen kollektiv einen Nationalcharakter zuzusprechen, der schlechter sei als der aller anderen völker, und daraus Prozionismus als einzige mögliche Praxis der deutschen Linken abzuleiten.

Unsereins stand dem Ostblock ebensofern wie dem westlichen Kapitalismus, daher nahmen wir den Zusammebruch 1989/(90 nicht einmal als Schwächung der Linken wahr. "Der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist nur übriggeblieben", diese Position vertrete ich heute noch und sehe die verschärften "Globalisierungsphänomene" eher als das konvulsivische Zucken eines sich einer historischen Krise nähernden Kapitalismus denn als Zeichen seines Sieges.

Aber speziell die dem Kommunistischen Bund (KB, von härteren Autonomen Kotzbrech genannt, nein, liebe Ex-KB-GenossInnen, von mir nicht) nahestehenden Leute hatten hierzu ein anders Verhältnis, der Zusammenruch des Warschauer Vertrages lief für sie vor allem auf eine Stärkung des Deutschtums mit der Gefahr eines Wiedererstarkens des Faschismus hinaus, eine in Mikrophäönomenen (Neonazis, Remilitarisierung der Außenpolitik) zwar richtige, in historischer Perspektive aber doch reichlich hysterische Annahme.


Liebknechts Position "Der Hauptfeind steht im eigenen Land" wurde so dogmatisch interpretiert, dass Kritik an der US-Außenpolitik nicht mehr möglich erschien.

Und mittlerweile sind die Bahamas im Sumpf der Neocons gelandet. Man kann eben auch so links sein, dass man schon wieder rechts ist.

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Zum 10. Todesjahr: "Tempo" in der Wikipedia
Was Wikipedia so über die Zeitschrift Tempo schreibt, nimmt mich Wunder. http://de.wikipedia.org/wiki/Tempo_%28Zeitschrift%29

Mit Tempo kam der New Journalism nach Deutscland, Tempo war innovativ, soso. Abgesehen davon, dass es sich letztlich um ein deutsches Remake des Wiener handelte, hatten schon vorher Stadtzeitungen den Trend gesetzt, der nun lediglich überregional nachvollzogen wurde: Ab 1983 der Berliner Tip, ab 1984 das Hiero Itzo in Göttingen, ab 1985 ebenfalls in Göttingen der Charakter. Für uns waren alle diese Trendsettermagazine Feindpresse: Propagandaorgane des Yuppie-Lebensstils, der von uns Linken als eklig angesehen wurde und soziokulturell gesehen als bekämpfenswert galt, verschärft noch einmal durch solche Leute:
http://www.insight-online.de/Fragebogen/index.php?id=19,

also Träger dieser Art von "new journalism", die, heute Anti-Imp-Zirkel, morgen Kirch-Gruppe, als Verräter unserer Ideale galten.

Gelesen haben wir das Tempo trotzden, heimlich, auf dem Klo, oder am WG-Küchentisch, um uns über die Inhaltsleere aufzuregen. Auch wenn wir es nicht eingestanden, irgendwo hatten die bunten Bilder ihren Reiz. Ein Linker als bekennender Tempo-Leser wäre aber so undenkbar gewesen wie Alice-Schwarzer als Playboy-Leserin. Heute sieht man das alles in einem milderen Licht, man hat ja selbst Karriere gemacht und sich irgendwie arrangiert, gegenüber früheren Mitstreitern, die die eigenen Genossen ganz unmittelbar behumst und abgezockt haben, erscheinen auch die alerten Karrieristen als weniger schlimm. Heutzutage, wo es von Blättern wie Max, Prinz, Esquire, GQ, Men´s Health etc. wimmelt, sehnt man sich fast zurück nach der Zeit, als ein paar Stadtmagazine, Tempo und Wiener eine inselartige Sonderstellung hatten. Wunder nimmt mich bei der Wikipedia-Darstellung allerdings die Tatsache, dass Coupé als eines der Blätter bezeichnet wird, die dem Tempo das Wasser abgruben. Coupé? Das ist eine Billigillustrierte mit Soft-Porno-Komponente, ein Blatt, das ich zwischen Super-Illu, St.Pauli-Nachrichten und Gala ansiedeln würde, oder in der Nähe der Praline. Was das nun allerdings mit new journalism und dem ja bewusst elitären Trendsetting von Tempo und Wiener zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Selbst wenn die Computer-Bild der Page Anzeigenkunden abgräbt, ähneln sich dadurch noch nicht die Blätter .

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Samstag, 25. Februar 2006
Santé!
So, ich knalle mir jetzt eine Flasche 2001er St.Estephe La Commanderie Cru Bourgeois rein, und hinterher vielleicht noch einen Glernfarclas. Wohlsein!

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Der türkische Dänenkäse
Gerade bei einem türkischen Laden, dessen Betreiber ein gläubiger und praktizierender Muslim ist, gesehen: Ein großes Schild "Wir führen dänischen Käse!".

Sehr schön, was Anderes als diese unerträgliche Schwarz-Weiß-Einteilung der Welt, beruhigend.

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Donnerstag, 23. Februar 2006
Wer foltert eigentlich alles mit?
Gutachten belegt: Erfolterte Geständnisse werden in der Türkei weiterhin als Beweis zugelassen

Berlin, 23.02.2006 – Um die Rechtsstaatlichkeit von politischen Verfahren in der Türkei steht es auch nach den Reformen der letzten Jahre schlecht. Unter Folter erpresste Geständnisse werden weiterhin vor türkischen Gerichten als Beweis zugelassen und tragen entscheidend zur Urteilsfindung bei. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die amnesty international, die Stiftung Pro Asyl und die Holtfort-Stiftung in Auftrag gegeben haben.

Damit widersprechen die Organisationen der bei deutschen Behörden und Gerichten vorherrschenden Meinung. Das Auswärtige Amt und deutsche Verwaltungsgerichte bescheinigen der Türkei umfassende rechtsstaatliche Reformen. Dies führt dazu, dass gefährdete Flüchtlinge aus der Türkei in Deutschland keinen Schutz erhalten: Einige verlieren ihre Anerkennung als Asylberechtigte, andere werden in Strafverfahren an die Türkei ausgeliefert, wo ihnen ein unfaires Strafverfahren droht.

In den untersuchten Fällen haben weder die Staatsanwaltschaft noch die Richter den Vorwurf der Folter angezeigt, obwohl sie dazu als Staatsbeamte verpflichtet gewesen wären. Gerichte nehmen in der Regel Foltervorwürfe nicht ernst, sondern werten sie als den Versuch der Angeklagten, ihrer Bestrafung zu entgehen. Die Studie untersucht insgesamt 18 Fälle. Darunter ist auch der Fall des aus Deutschland abgeschobenen Metin Kaplan. Auch bei ihm wurden erfolterte Beweise im Verfahren verwendet, das mit einem Schuldspruch endete.

Nach türkischem Recht dürfen Aussagen, die unerlaubt herbeigeführt wurden, vor Gericht nicht verwendet werden. Die Türkei ist zudem Vertragsstaat der UN-Antifolterkonvention, die die Verwen=ung erfolterter Aussagen gleichfalls verbietet.

Der Gutachter Helmut Oberdiek hatte Zugang zu Gerichtsakten, führte ausführliche Gespräch mit Rechtsanwälten Betroffener und beobachtete einige Prozesse vor Ort.

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Der Volksmeinung aufs Maul
Gerade wieder eine dieser Debatten geführt, die in die Richtung "Unser täglich Rassismus gib uns heute" gehören. Der ***** meinte, "die Islame sind meine Freunde nicht". "Muslime, es muss Muslime heißen, der Islam ist der Name der Religion." "Egal, wenn die meinen, wir ließen alles mit uns machen, dann haben sie sich geirrt. Ich kenne ja die ganzen Verbrechen des Kolonialismus, aber das ist kein Grund für deren Mordbrennertum. Wenn ich sehe wie die da rumhucken, immer nur Demos machen und nicht arbeiten, kein Wunder, dasss sie zu nichts kommen, aber dann uns die Schuld geben..." Ich distanzierte mich von dem "Wir", weil ich mit Bundesrepublik Deutschland oder der Westen oder die NATO durchaus nicht mich gemeint sehe und wies darauf hin, dass die islamische Welt an sich gar nicht Part des aktuellen Karikaturen-Konflikts ist.

Das sowohl flächenmäßig als auch von der Einwohnerzahl her größte islamische Land ist die Republik Indonesien. Dort gibt es zwar auch Terroristen, die mit der Jamma Islamiya ihre eigene Organisation haben, aber die überwiegende Mehrheit der indonesischen Muslime steht fundamentalistischem Gedankengut fern und lebt auch einen wenig strengen Islam, z.B. tragen Frauen das Kopftuch fast nur zum Gottesdienst. Den indonesischen Muslimen sind Israel und der ganze Nahostkonflikt dermaßen was von schnurzegal, und wenn es religiöse Spannungen gibt, dann mit Hindus, nicht mit indonesischen Juden. So, und wenn wir die Muslime in Indonesien, Malaysia, Bangla Desh, China (Sinkiang-Uighur ist mehrheitlich muslimisch) und Sibirien zusammenrechnen, dann kommt da locker die Häfte der muslimischen Weltbevölkerung raus, und das sind fast alles Leute, die sich für Israel und den Nahostkonflikt nicht interessieren. Der engste militärische Verbündete Israels aber ist die Türkei, in der eine islamistische Partei an der Regierung ist. Also: Die Muslime, die Israel vernichten wollen, sind aus bestimmten politischen Motiven heraus aufgehetzte Leute vor allem in arabischen Ländern und dem Iran (wo mir noch zweifelhaft erscheint, dass Ahmadinejads Vernichtungsdrohungen eine Massenbasis haben, der Durchschnittsperser ist von dem ganzen Regime ziemlich abgenervt), aber nicht "Die Muslime" oder "Der Islam".

Der ***** hörte sich das an und meinte dann, na gut, dann müsse man die Araber und Iraner sagen. Ich meinte, nein, auch die nicht in ihrer Gesamtheit, sondern nur ganz bestimmte Leute. Ja, ob ich denn den Terror im Irak rechtfertigen wolle "Natürlich nicht", erwiderte ich "der richtet sich doert ja gegen die eigene Bevölkerung. Eine Massenbasis unter den normalen Irakern hat dieser Terror nicht." "Einmal möchte ich eine Demonstration gegen die Gewalt im Irak sehen," versetzte der *****. "Die gibt es regelmäßig, nur kriegen wir davon nichts mit", erwiderte ich. "Ich habe im Fernsehen noch keine gesehen." "Es wird ja auch nur das gezeigt, was spektakulär ist, auch Nachrichtenbilder sind inszenierte Bilder." "Jaja, du beschönigst alles und erklärst diese Leute da auch noch zu unbefleckten Unschuldsengeln, du bist ja sowieso immer nur auf deren Seite, mit dir kann man darüber überhaupt nicht reden, also rede ich mit dir nicht mehr darüber."

Dann mischte sich auch noch die **** in das Gespräch ein und erklärte, ihre Freundin ****** sei krank und deshalb zum Arzt gegangen, aber das ganze Wartezimmer sei voll von Türken gewesen, da hatte sie es sich nicht angetan, sich dazwischen zu setzen, die stinken ja auch alle so, und sei wieder gegangen.

Ja Klasse. Ich kann mich an ein Schulbuch aus dem Dritten Reich erinnern, wo geschildert wird, wie schrecklich es sei, im Schwimmbad plötzlich von lauter Juden umgeben zu sein.

So weit sind wir schon wieder: Während kurdische Freunde ihre eigene Lage mit der verfolgter Juden vergleichen, und es sind genug Parallelen da, produziert der deutsche Volksmund bereits wieder die klassischen Stereotypen des Antisemitismus, nur mit neuen Objekten der Abneigung. Bravo, Deutschland!

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Hajdars Kneipe
Hajdar hatte eine neue Kneipe eröffnet und mich gebeten, ihm bei der Abnahme durch das Ordnungsamt beizustehen, da von deutschen Beamten gerne mal ausländerfeindliche Unverschämtheiten zu erwarten sind, wenn kein Deutscher in Hörweite ist. Klar war ich zur Stelle, der Beamte war aber sehr höflich. Hajdars Coolness hingegen ließ mich schmunzeln.

Beamter: "Was sind Sie denn für ein Landsmann?"
Hajdar: "Kurde."
Beamter: "Und aus welchem Land?"
Hajdar: "Aus Kurdistan."
Beamter: "Ah ja, Kurdistan."

Dann fragte der Beamte, wieso es nur Elektroherde gäbe und keine Gasherde, und die Antwort, die Hajdar da gab, ließ einem ja fast das Blut in den Adern gefrieren. Er sagte: "Wir Kurden haben was gegen Gas, das ist so ähnlich wie mit den Juden."

Der Mann war vor deutschem Giftgas aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet, wissend, wo das Gas herkam - und wie alle mir bekannten Kurden mit dieser Biografie hat er eine sehr spezielle Art, die Dinge auszusprechen.

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Zahns Schachzug: Schuberth geht an US-Investor
Qualität aus Braunschweig hatte mal einen besonderen Ruf. Das ist freilich bei den meisten Unternehmen schon einige Zeit her; die einstmals weltweit führenden Kamera-Hersteller Rollei und Voigtländer etwa konnten schon in den 70ern dem Konkurrenzdruck der japanischen Mitbewerber Nikon, Canon und Minolta nicht mehr standhalten und reagierten mit Fusion und anschließender Verlagerung der Produktion nach Singapur. Bis vor Kurzem aber ist eine Braunschweiger Qualitätsmarke immer noch vor Ort präsent gewesen:

Die Schuberth GmbH gilt neben Nolan in Italien als einer der beiden weltbesten Hersteller für Motorrad- und Formel 1-Helme. Doch in den letzten Jahren verschlechterte sich die Profitrate, unter Schubert-CEO Zahn erklärte, es gäbe keine Alternative zu einer Verlagerung der Produktion nach Magdeburg. Dort wurde ein neuartiges Werk aus dem Boden gestampft mit den neuartigsten Produktionsanlagen, und Cleverchen Zahn ließ sich den Umzug vom Land Sachsen-Anhalt subventionieren. Das Personal in der Produktion bekommt in Magdeburg 80% weniger als in Braunschweig, was auch der Sinn des Umzugs war. Schuberth war gerettet, so hieß es.

Wohl nicht so ganz: Obwohl Kaufinteresse auch eines Braunschweiger Investors vorliegt, werden die Schuberth-Werke in die USA verkauft, Zahn bleibt jedoch Geschäftsführer. Angeblich sei keiner der Arbeitsplätze in Braunschweig oder Magdeburg gefährdet.

Na, das wollen wir doch mal abwarten. Ich habe schon Pferde kotzen sein, und das direkt an der Kirchhofsmauer.

Quelle: http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2043/artid/5039482

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Berlin und Bayern, Contributes to Don Alphonso
Ein Berliner macht mit seiner Tochter Urlaub in Bayern.

Kaum angekommen, werden sie gleich auf ein Dorffest eingeladen,
und da wird die Tochter von einem stattlichen jungen Bayern
in landesueblicher Tracht zum Tanz aufgefordert.

Als sie nach drei Taenzen wieder zu ihrem Vater zurueckkehrt, sagt der:
"Siehste, jetz haste ooch ma mit'n richtijen Bayern jetanzt!"

"Nee, Papa," antwortet sie, "det war'n Italiener". "Quatsch!" sagt
der Vater, "kicken Dir doch an: Die Seppelhosen, und der Hut
mit'n Jamsbart - det is'n Bayer, det sieht doch'n Blinda
mit'n Kruckstock!"
"Nee, Pappa, det ist'n Italiener, der hat doch mit mir Italienisch
gesprochen!" "Wieso, wat hatta denn jesacht?"

"Ich weiss nicht, es klang wie ...'difickiano'..."

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Mittwoch, 22. Februar 2006
Alles Gute, Leute!
Modeste, Novesia, den beiden Dons, Thomas Knüwer nebst dem Kollegen Endert und allen weiteren Beteiligten wünsche ich einen rundum gelungenen Abend in Düsseldorf. Bin schon sehr auf Berichte und Mitschnitte gespannt.

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Dienstag, 21. Februar 2006
Das Geheimnis des Erfolgs
Einerseits leben wir in einer Zeit, in der davon die Rede ist, dass wir alle den Gürtel enger schnallen müssten, dass der Staat sparen und der Bürger seine Bedürfnisse im Zweifelsfalle auch zurückfahren müsste. Andererseits ist Deutschland Exportweltmeister, geht es unserer weltmarktorientierten Großindustrie demzufolge gar nicht schlecht, und es wird auch gesagt, wir, die Bürger, müssten mehr Privatinitiative ergreifen, privat vorsorgen und selber betriebswirtschaftlich denken. Das heißt ja wohl, dass es für den Privathaushalt erfolgversprechend sein könnte, sich die Erfolgsstrategien der wirklich erfolgreichen Unternehmen zu eigen zu machen. Da schaue ich mir doch einmal DaimlerChrysler an. DaimlerChrysler ist ohne Zweifel einer der erfolgreichsten deutschen Konzerne. Und was machen die? Obwohl sie sehr viel Geld verdienen, sogar weltweit, zahlen sie am Heimatstandort, in und um Stuttgart, de facto so gut wie keine Steuern? Ist es das? Ich meine, wenn ich den Staat wie ein Investor oder Shareholder betrachte, ist das ja eine nüchterne Abwägung. Ich zahle meine Steuern ja nicht für die Bedürfnisse der Politiker nach Diäten oder der Flugbereitschaft, sondern, weil ich selber etwas vom Staat haben will. Dieser Staat kürzt aber ständig soziale Leistungen, also das, was der Bürger vom Staat bekommen könnte. Da der Bürger keinen Return of Investment erwarten kann, lässt das im Umkehrschluss nur zu, dass es vollkommen sinnlos ist, an diesen Steuern abzuführen. Von DaimlerChrysler lernen heißt doch wohl, siegen zu lernen, also auf die Zahlung von Steuern zu verzichten. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

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Munoz kritisiert deutsches Bildungssystem
Der UN-Sonderbeauftragte Munoz konstatiert zum Abschluss seiner Inspektionsreise, dass soziale Klassen- oder schichtzugehörigkeit mehr als in den meisten anderen entwickelten Ländern die Bildungschancen in Deutschland bestimmt. Eine Ohrfeige ins Gesicht der Leistung-muss-sich-lohnen-Bildungspolitiker.

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Montag, 20. Februar 2006
Damals war´s
Man wird ja richtig nostalgisch, wenn man das hier liest.
http://www.computerwoche.de/cebit/nachrichten/572526

Wobei ich mich noch an eine andere "heiße" Story eerinnere: Microsoft, Apple, IBM und Texas Instruments entwickelten damals in Konkurrenz zu Intel und AMD den Super-PC, von dem man sich einen epochemachenden Quantensprung versprach. Doch das Konsortium zerkrachte sich frühzeitig, und heraus kam der Cyrix, ein völlig übertakteter, störanfälliger Pentium-Nachmacher.

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Abschiebemeister Niedersachsen
Es gehört zur bisherigen Teilbilanz der schwarz-gelben Koalition in Niedersachsen: Hinsichtlich Abschiebungen ist das Land besonders hart. Ich weiß zwar nicht, was daran christlich oder liberal sein soll, eine schwangere Mutter von zwei Kindern ohne Federlesens in die Türkei abzuschieben, aber es passt gut zu einer Regierung, zu deren Reformen die Abschaffung des Blindengeldes gehörte.

http://www.haz.de/niedersachsen/285246.html

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Sonntag, 19. Februar 2006
Die Achse des Schönen
wurde wieder einmal aktualisiert, aus Zeitmangel gibt´s ganz prosaisch einen Link.

http://trouvaillen.blogger.de/stories/391469/

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Samstag, 18. Februar 2006
Chavez droht USA
Mal bietet er armen US-Bürgern verbilligtes Öl an, mal droht er mit Embargo. Venezuelas bunter Präsident Hugo Chavez reagiert gereizt auf unverhohlene Drohungen von Condoleeza Rice. Schritt für Schritt, so will es scheinen, wird auf dem südamerikanischen Kontinent eine neue internationale Krise vorgekocht. Tröstlich ist: Zu solch unmittelbaren Rechtsbrüchen und Abstrafaktionen wie Contragate oder Grenada scheinen die USA zurzeit nicht fähig. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,401633,00.html

Ich bin gespannt, wie die Entwicklung weiter geht.Solch lustige Visionen wird es jedenfalls nur in den berauschten Nächten nordhessischer Bloggerinnen geben, http://netbitch1.twoday.net/stories/1587593, aber militärische Eskalationen sind durchaus drin.

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Englisch-Übung (with contributes to Netbitch)
Train your English!

Laut vorlesen, vorsichtshalber Lappen bereithalten:

Für Anfänger/For beginners

Drei Hexen schauen sich drei Swatch-Uhren an.
Welche Hexe schaut welche Swatch-Uhr an?

Three witches watch three swatch watches.
Which witch watch what swatch watch?

Für Fortgeschrittene/For Walkaways


Drei geschlechtsumgewandelte Hexen schauen sich drei Swatch-Uhrenknöpfe an.

Welche geschlechtsumgewandelte Hexe schaut sich welchen Swatch-Uhrenknopf an?

Three switched witches watch three Swatch watch switches.

Which switched which would watch which Swatch watch switch?

Für Experten/For heavy speakers

Drei Schweizer Hexenschlampen, die sich wünschten, geschlechtsumgewandelt zu sein, schauen sich Schweizer Swatch-Uhrenknöpfe an.

Welche Schweizer Hexenschlampe, die sich wünschte, geschlechtsumgewandelt zu sein, schaut sich welche Schweizer Swatch Uhrenknöpfe an?

Three swiss witchbitches, who wished to be switched, are watching three swiss Swatch watch switches.

Which swiss witchbitch, who wishes herself to be switched, watches which swiss Swatch watch switch?

Jetzt Umgebung mit dem Lappen trocken wischen!

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Mittwoch, 15. Februar 2006
Wider Geschichtsrevisionismus II
Aus Gründen der Lesbarkeit geht´s hier weiter.

Es hat in der Vergangenheit nicht nur von Auschwitz leugnenden Neonazis und ihren publizistischen Adlaten mit so passenden Namen wie Leuchter und Zündel Vorstöße mit geschichtsrevisionistischen Inhalten gegeben, sondern auch seitens der etablierten Politik. So äußerte in Zeiten der Anti-Atomraketen-Proteste beispielsweise Heiner Geißler die These, die Friedensbewegung dr 20er und 30er Jahre habe Hitler erst möglich gemacht, worauf Joschka Fischer konterte, ob denn demzufolge Carl von Ossietzky und Erich Mühsam quasi für Auschwitz verantwortlich gemacht werden sollten. Fischers Antwort war polemisch und moralisierend, dabei gerät aber außer Acht, dass Geißler hier vor allem historisch falsch lag (ein ewiges Problem bei den Grünen und den deutschen Linken ist ja viel Moral und mangelndes historisches und politisches Wissen): Die Appeasement-Politiker, welche Hitler lange gewähren ließen, waren alles Andere als Pazifisten, es handelte sich vielmehr um Rechtskonservative mit uneingestandenen Sympathien für die Nazis. Während Teile der britischen Torys klammheimlich davon träumten, mit den Gewerkschaften so umzuspringen, wie die Nazis es getan hatten, gab es in Frankreich sogar die Parole "plustot Hitler que Léon Blum", es wurde also die Besetzung durch die Nazis einem Wahlsieg der französischen Sozialisten vorgezogen. Insofern war die französische Kapitulation bereits 2 Jahre vor ihrem Stattfinden angelegt.


Zu einem für die deutsche Historiographie beispiellosen, vor allem außerhalb der Fachöffentlichkeit, nämlich in der Presse ausgetragenen Skandal kam es, als Ernst Nolte In seinem Beitrag "Vergangenheit, die nicht vergehen will" http://lexikon.idgr.de/h/h_i/historikerstreit/historikerstreit.php

die These vertrat, die Sowjetunion sei eigentlich schuld am NS-Regime, zumindest aber an den KZ´s. Diese seien von den Nazis als Kopie des Archipel Gulag eingerichtet worden, und nur die Furcht vor den Kommunisten haben sie getrieben, ihrerseits zunächst Kommunisten, dann auch andere Gruppen in Lager zu sperren, der Holocaust sei eigentlich eine "asiatische Tat". Hier finden wir typische Elemente apologetischer Geschichtsschreibung: Einerseits eine unmenschliches Handeln verharmlosende, die Nazis als von Anderen Verführte oder unter Angst vor Anderen Handelnde eigentlich unmündige Wesen, ein Element der im Antisemitisnmus zum Tragen kommenden Paranoia (vgl. Adorno, Levinson et al "Studien zum autoritärenCharakter" sowie Adorno und Horkheimer "Dialektik der Aufkläung. Elemente des Antisemitismus") sowie die Behauptung, das groteske Verbrechen der Massenvernichtung sei eigentlich undeutsch, wurzle anthropologisch in Asien, was von einem geistigen Hintergrund des Verfassers in der Nähe der Rassentheorien und daher im Umfeld der NS-Ideologie selber zeugt. Den Sinn der Auseinandersetzung um die Positionen Noltes machten damals die konservativen Historiker Michael Stürmer und Andreas Hillgruber deutlich, als sie schrieben, dass Derjenige die Zukunft gewinne, der die Deutungshoheit über die Vergangenheit gewinne. Darum ging es demzufolge Nolte um eine Inwertsetzung der Geschichtswissenschaft als Werkzeug im Kalten Krieg: Da eigentlich "der Russe" schuld sei, müsse die NS-Vergangenheit nicht mehr bewältigt, wohl aber aktiv am Sturz des kommunistischen Systems gearbeitet werden.

Noltes Positionen wurden von der Mehrheit der deutschen Historiker zurückgewiesen.

Dies hielt allerdings Vertreter wie Rainer Zitelmann nicht davon ab, ihrerseits neue geschichtsrevisionistische Vorstöße zu unternehmen, etwa dergestalt, der NS sei Bestandteil der allgemeinen Modernisierung im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Eine andere Form von Geschichtsrevisionismus kommt zurzeit aus neokonservativer Ecke. Anknüpfend an Friedrich August von Hayek wird der Nationalsozialismus als zwangsläufiges Ergebnis des Sozialismus betrachtet, teilweise unterscheiden neocons zwischen "Sozial-Sozialisten"(=Linke und Sozialemokraten) und "Nationalsozialisten". Nun hat Hayek sich zwar, insbesondere in den diversen Neuauflagen seiner im Original 1944 verfassten Schrift "Der Weg zur Knechtschaft" sich gegen jede Form von Staatsinterventionismus ausgesprochen und den ursprünglichen Manchesterliberalismus Adam Smith´s entschieden befürwortet. In seinen späteren Jahren wandte er sich auch gegen den Ordoliberalismus im Spannungsfeld von sozialer Marktwirtschaft und Keynesianismus.

Auch ein Vergleich nationalsozialistischer und stalinistischer Wirtschaftsstrukturen findet sich bei Hayek, womit dieser sich bereits außerhalb des beschriebenen Historikerkonenses befindet. Bereits Popper und sein eigener Lehrmeister v.Mises hatten an Hayek Irrationalismus und Demokratieskeptizismus kritisiert.

Wenn wir den antisozialdemokratischen Ausfällen folgen, wie sie auf neokonservativen Weblogs veröffentlicht werden, gehen die heutigen selbsternannten Hayek-Apologeten aber sehr viel weiter. Einerseits wird dadurch, dass Keynesianismus bzw. die Sozialdemokratie implizit in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt wird, Verhöhnung der Opfer des NS betrieben, andererseits läuft die implizite Logik, dass es außerhalb des reinen Liberalkapitalismus kein denkbares Gesellschaftsmodell mehr geben soll auf Totalitarismus hinaus - totalitärer Wirtschaftsliberalismus halt. Den haben die Jünger des Hayek-Schülers Milton Friedman in Chile und der Türkei (Turgut Özal war selbst einer der Chicago-Boys) bereits praktisch demonstriert. Es scheint so, dass hier eine neue extremistische Bewegung heranwächst.

Es ist auch Bestandteil des neokonservativen Geschichtsrevisionismus, anzunehmen, dass der heutige westliche Wohlstand allein Leistung des Kapitalismus selber sei, als hätten alle Arbeiterkämpfe um Partizipation und soziale Leistungen nicht stattgefunden, ja, Neokonservative glauben sogar, ohne Arbeiterbewegung sei die Entwicklung des allgemeinen Wohlstands bereits viel weiter als real geschehen.

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Dienstag, 14. Februar 2006
Wider Geschichtsrevisionismus
Während Geschichtsschreibung lange Zeit vor allem die Geschichte der Sieger war, verfasst aus ihrer eigenen Sicht (von Cäsars De Bello Gallico bis Heinrich von Treitschke), bedeutet die Verwissenschaftlichung der Geschichtsschreibung seit dem Historismus, dem Positivismus, aber auch dem Historischen Materialismus (nicht der sozialistischen und kommunistischen Parteien, sondern der diesem Ansatz verpflichteten seriösen Historiker) den Versuch, einer objektiven, zumindest: nicht von der Apologie der Staatsmacht her geleiteten Sichtweise der historischen Prozesse nahezukommen. Je mehr von einer gewissenhaften und seriösen Geschichtswissenschaft gesprochen werden kann (historische Objektivität kann es angesichts der Subjekitivität der Menschennaturen und subjektiver Interessenlagen gar nicht geben, aber es gibt sehr wohl eine distanzierte, quellenkritische und an einem Erkenntnisinteresse orientierte Geschichtsforschung und - Schreibung), desto eher formiert sich der Versuch, historische Prozesse im Nachhinein tendenziös umzudeuten, am Rande und zunehmend außerhalb der Geschichtswissenschaft. Schon nach dem Ersten Weltkrieg zeigte sich dies anhand der Ostforschung. Rechtsnationale deutsche Historiker, Sprachwissenschaftler und Volkskundler versuchten, nach dem Verlust deutscher "Ostgebiete" wie Teilen Polens oder Südmasuren nachzuweisen, dass diese aufgrund jahrhundertealter deutscher Besiedlung "deutscher Kulturboden" oder ihre nichtdeutschsprachige, aber kulturell deutsch beeinflusste Bevölkerung "volksdeutsch" sei, um territoriale Ansprüche auf diese Gebiete historisch begründen zu können. Historiker wie Hermann Aubin oder Gerhard Ritter schufen so einerseits durch die Verbindung von Geschichtsforschung mit Volkskunde, Sprachwissenschaft und Archäologie die Grundlagen der modernen Sozialgeschichte im Sinne der Historischen Sozialwissenschaft (genauer gesagt, einen Zweig davon, der andere Zweig kam aus der angloamerikanischen Entwicklungssoziologie), andererseits ein Rechtfertigungsprogramm für die Eroberungszüge der Nazis und die Datenbasis des verbrecherischen "Generalplans Ost". Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte sich diese Tradition nicht ungebrochen fortsetzen, wohl aber der sich von der Geschichtswissenschaft mehr und mehr entfernende Geschichtsrevisionismus.


Einer von dessen extremsten Formen ist die Auschwitz-Leugnung, die nicht etwa nur von kahlköpfigen Stiefelnazis vorgenommen wurde, sondern, als prominentestem Vertreter, auch von dem britischen Rechtsaußen-Historiker David Irving.

Generell gibt es zum Thema Faschismus/Nationalsozialismus in der Historiographie diverse, höchst unterschiedliche Forschungsansätze. Der Kürze halber sollen hier erwähnt werden:

1) Faschismus/Nationalsozialismus als Totalitarismus
Angesichts des Hitler-Stalin-Paktes und des Vorgehens der Komintern-Brigaden gegen die anarchistische CNT und die trotzkistisch-rätekommunistische POUM im Spanischen Bürgerkrieg erschien der Vergleich zwischen Stalinismus und Nationalsozialismus hinsichtlich der Machtstrukturen naheliegend. Dies war ursprünglich eine moralische Gleichsetzung, die sozioökonomische Faktoren ausblendete. Im Kalten Krieg wurde daraus dann ein Ansatz, der Sozialismus und Faschismus generell gleichsetzte, bis hin zur Instrumentalisierung zur prowestlichen Propaganda, die HannahAhrendt, der wesentlichsten Begrpnderin des Totalitarismus-Ansatzes, sehr fern gelegen hatte. Nach 1989 erlebte dieser Mißbrauch der Totalitarismus-Theorie eine Renaissance in Form übler Machwerke, wie dem Schwarzbuch des Kommunismus.


2) Nationalsozialismus als einzigartiges Phänomen

Vwerschiedene Ansätze, z.B. NS als Spezialfall des Faschismus, nämlich als durch die Gesellschaftsstrukturen des Kaiserreichs bestimmter deutscher Sonderweg (Jürgen Kocka)

Deutscher Sonderweg reicht von Luther über Bismarck geradewegs bis hin zu Hitler
(O.Butler, Mc Govern, Shirer, in einer sehr speziellen Variante auch Goldhagen)

NS unterscheidet sich von anderen Faschismen oder Totalitarismen durch die besondere Rolle Hitlers (Bracher, illgruber, Hildebrand, Haffner, Fest)


3) Nationalsozialismus als Faschismus

a) Faschismus ist die unmittelbar terroristische Herrschaft der am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Kräfte des Finanzkapitals
(Dimitroff).

b) Faschismus als Bonapartismus: Ein Machtvakuum zwischen Kapital und Arbeiterklasse führt zur Machtergreifung einer im Kern kleinbürgerlichen, Elemente der Arbeiterbewegung wie der bürgerlichen Eliten aufgreifenden militant-chauvinistischen M;assenbewegung (Bauer, Thalheimer)


c) Faschismus als Post-Bonapartismus: Faschismus ist Klassenkampf von oben, in einer Art sozialem Bürgerkrieg wird die Arbeiterbewegung zerschlagen. Der Faschismus ist die Art der Terrorherrschaft, durch welche die Bourgeoisie nach Auftreten der ersten sozialistischen Revolutionen ihre Macht absichert, sowie der terreur der Jakobiner die Terrorherrschaft zur Verhinderung sozialistischer KOnsequenzen der Französischen Revolution war.
(Trotzky)

d) Faschismus als bürgerlicher Ausnahmestaat

Nachdem die kulturelle Hegemonie des Bürgertums zerstört wurde, aber das Proletariat nicht zur Macht gelangen konnte folgt auf den liberalen Kapitalismus mit weltmarktabhängiger Geldwirtschaft eine auf nationaler Abschottung basierende Verbindung aus Industriekapitalismus und ursprünglicher Akkumulation durch Zwangsarbeiterwirtschaft und Raubkriege - Primat der Politik zur Rettung der kapitalistischen Ökonmie (Poulantzas, Mason).

e) Faschismus als fehlgeschlagene Modernisierung
(Parson).

f) Faschismus als an die 20er, 30er und 40er Jahre gebundene Revolte gegen Tradition und Moderne zugleich (Nolte).

g) Faschismus als durch Umstrukturierungsprobleme feudaler Agrargesellschaften bedingte Abweichung vom "normalen" kapitalistischen Modell, das sonst eine liberaler Verfassungsstaat ist.
(Mommsen, Jäckel, Hildebrand, Organski, Moore)

h) Faschismus als Extremismus der Mitte
Mittelschichten reagieren in der Furcht, zwischen Proletariat und Bourgeoisie zerrieben zu werden mit Unterstützung der extremen Rechten
(Lipset).

Allen Faschismustheorien innerhalb der etablierten Geschichtswissenschaft ist gemein, dass sie den Faschismus als ein historisch einzigartiges, nicht relativierbares Verbrechen ansehen. Dies ist das Hauptunterscheidungsmerkmal zum Geschichtsrevisionismus.

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Montag, 13. Februar 2006
Von Antisemitismus, Neuem Antiimperialismus und purer Vernunft
Es ist nun schon fast zwei Jahrzehnte her, aber die jüngsten Ereignisse zeigen, dass die Inhalte noch immer erstaunlich aktuell sind. Da war an der Fassade eines wichtigen linken Zentrums in meterhohen Lettern zu lesen "Boykottiert "Israel". Waren, Strände, Kibbuzim. Palästina, das Volk wird dich befreien!" Es gab in Teilen der Linken damals einen Aufschrei, die VerfasserInnen wurden des linken Antisemitismus bezichtigt. Diese bis heute aufrechterhaltene Anschuldigung geht m.E. etwas an den Tatsachen vorbei. Die Leute, die aus Solidarität mit der Infifada und insbesondere einer Sympathisantenhaltung zur PFLP (Volksfront für die Befreiung Palästinas) diese Parolen geschrieben hatten, hatten ja nichts gegen andere Menschen, wenn oder weil diese Juden waren, sondern sie waren gegen den Staat Israel, weil sie diesen als eine Art Apartheid betrachteten, ein rassistisches Staatsgebilde, das seit den 40ern vertriebene Palästinenser und deren Nachkommen kategorisch von der israelischen Staatsbürgerschaft ausschloss und die seit 1967 besetzten Gebiete zwar de facto annektierte, ihren BewohnerInnen aber ebenfalls staatsbürgerlicher Rechte in Israel vorenthielt.

Antisemitismus hingegen hat eine komplexe, im Bereich der Paranoia verwurzelte Vorurteilsstruktur zum Inhalt https://chuzpe.blogger.de/stories/385800/#386016,

und das ist etwas Anderes als reiner Antizionismus.

Hinsichtlich der GründerInnengeneration der RAF und ihres plötzlichen Umkippens von erst euphorischer Begeisterung für die Kibbuzzim und dann umso rigoroserer Israelfeindschaft inklusive ihrer sowohl projektiven als auch instrumentalen Umgangsweise mit der Shoah lässt sich der Begriff eines "sekundären Antisemitismus" vielleicht noch verwenden, aber er lässt sich nicht von diesem Fluchtpunkt aus generell auf die Verurteilung der Besatzungspolitik oder eine positive Bezugnahme auf palästinensische Kämpfe übertragen. Die PFLP wiederum vertritt ein teilweise ziemlich an den Haaren - oder der Kufaya - herbeigezogenes Modell, in dem "den Juden" das Heimatrecht in Israel abgesprochen werden soll, aber auch das würde ich nicht linken Antisemitismus nennen. Erstens kann Antisemitismus nicht links sein. Links bedeutet, sich an Kategorien wie Klasse, verfolgter Minderheit oder Gender zu orientieren, wer Antisemit ist, begibt sich damit von Vornherein außerhalb der Linken. Abgesehen davon sind PalästinenserInnen sprachlich und ethnisch tatsächlich Semiten, was man von Juden/Jüdinnen nur dann sagen kann, wenn man selber an rassistische Konstrukte glaubt. Ich weiß nicht, wie ich die PFLP-Idologie einordnen soll, ich würde erstmal Schwurbel dazu sagen, aber den Begriff "linken Antisemitismus" halte ich für nicht anwendbar.

- späterer Einschub: Mit der Hamas ist das etwas ganz Anderes, und ich halte es hier durchaus für berechtigt, deren Ideologie als religiösen Faschismus zu bezeichnen, wobei ich auch diese Organisation noch differenziert betrachten möchte Unser Umgang. Aber Hamas wurde im Ursprung gegen die PLO aufgebaut. edit. -

Unser Umgang mit den Parolen war denn auch ein ganz Anderer, und ich halte ihn weiterhin für richtig.

Wir gingen die AutorInnen semantisch an. Wieso steht Israel in Anführungsstrichen, Palästina aber nicht? Entweder, man lehnt Nationalitäten als Konstrukte bürgerlichen Denkens grundsätzlich ab und schreibt sie immer in Anführungszeichen, oder man erkennt Nationalitäten, etwa im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts der Völker, generell an und schreibt sie nie in Anführungszeichen. Hier zweierlei Wertigkeiten von Nationen anzunehmen, bedeutet, selber Nationalist zu sein, und dann ist man nicht links.

"Palästina, das Volk wird dich befreien!" Ah ja, sehr schön! Was ist Palästina? Die Bezeichnung für ein Territorium. Was ist ein Volk? Ein politisch-semantisches Konstrukt, das als Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie dient (wahrscheinlich muss man bald sagen: diente). Also: ein bürgerliches Herrschaftsinstrument soll ein Territorium befreien. Von was denn? Etwa vom Kapitalismus? Nein, bzw. das auch, aber zuerst einmal von der Herrschaft der Israelis. Was interessiert uns als Linke, ob Israelis oder PalästinenserInnen das Territorium kontrollieren? Seit wann interessieren uns Flaggen? Was uns interessiert, ist, wie es dort mit der Eigentumsfrage, mit Selbstbestimmung der ArbeiterInnen, mit Frauenrechten, Menschen-und BürgerInnenrechten allgemein aussieht. Gegen das israelische Besatzungsregime, solange dieses Menschen- und BürgerInnenrechte bricht mit den PalästinenserInnen solidarisch sein ist keine Frage - aber ob die Zukunft in einem sozialistischen Israel liegt oder in zwei verschiedenen Staaten bleibt offen, ein palästinensischer Nationalismus, der das Existenzrecht Israels bestreitet ist einerseits mit linken Vorstellungen nicht identisch, andererseits ein Rückfall hinter die historische Erfahrung des Nationalsozialismus, da nicht die Juden/Jüdinnen es sind, die die Existenz eines israelischen Staates als Schutzwehr der Verfolgten nötig gemacht haben.

"Für die sozialistische Einheit in Israel und Palästina", das wäre eine Forderung, die für uns als westliche Linke auf der Tagesordnung stehen müsste.

Gut, das vertraten wir AnhängerInnen des Neuen Antiimperialismus 1988 und trieben damit einen Teil der Pro-PFLP-Antiimps schier zur Verzweiflung. Entlarvend war, dass von denen Einige (ich betone, Einige, nicht die Gruppen in ihrer Gesamtheit) nichts zu sagen hatten, als im gleichen Jahr Saddams Truppen die Bevölkerung von Halabja vergasten. Die brutale Logik des "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" und der Identifikation vermeintlich internationalistischer Linker mit sogenannten Befreiungsnationalismen, in diesem Fall dem arabischen Nationalismus, war wohl übermächtig.

Wenn heute religiös-nationalistischer Hass in dieser Region alles zu überschwemmen droht, ist die scheinbar anachronistische Geste, die Klassenfrage zu stellen, vielleicht die einzige Form der Vernunft, die noch bleibt. Es muss nicht gleich die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln auf der Tagesordnung stehen, sondern zunächst der Kampf gegen das fundamentalistische Patriarchat und für Minderheitenrechte. Und da sehen sich unter Umständen palästinensische und israelische Mächtige wie auch die Marginalisierten in beiden Lagern ähnlicher, als Mancher wahrhaben will.

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Hartz IV und das Hotel Mama
Es ist widerwärtig, von sozialdämokratischen Politikern hören zu müssen, dass junge Arbeitslose künftig mit 80 Prozent des ALG 2 vorliebnehmen müssten und dann eben bei ihren Eltern wohnen sollten. Die Generation der Jugendrevolte verordnet den Nachgeborenen nicht nur Schmalhans, sondern auch die entwicklungssoziologische Regression. Interessant fand ich, wie meine alte Mutter reagierte, als sie im Radio erfuhr, wie hoch denn der AlG2-Satz eigentlich ist (der Regelsatz, nicht der reduzierte). Sie kommentierte: "Da müssen die junge Leute ja das Geld mit Einbrüchen herbeischaffen, das geht ja gar nicht anders." Diese Altersweisheit im Hintergrund,fällt mir doch gerade eine alte Parole ein: "Bürger, macht euch keine Sorgen, plündern tun wir morgen!"

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Von Antisemitismus, neoconnerddism
und einigem Anderen:

http://chuzpe.blogger.de/stories/385800/

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Samstag, 11. Februar 2006
Und Du, gesockszugehöriger Hacker
der Du schon den zweiten Angriff auf meinen Rechner gestartet hast, solltest wissen, dass ich nicht nur über zwei Virenscanner und eine Firewall verfüge, sondern auch über ein sehr gutes Traceprogramm. Du solltest Dich also über eine Mailbomb auf Deinem Rechner nicht wundern :-)

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Ach, Volkswagen!
Ich weiß es ja durchaus als gutes Marketing zu goutieren, dass Ihr mir eine Broschüre ins Haus schickt, in der Ihr Eure künftige Modellpolitik erläutert. In der derzeitigen Krisensituation ist es sicher klug, frühzeitig Journalisten, PR-Leute, Kontakter und Entscheider über Eure Vorhaben zu informieren, und ich lese so etwas mit Interesse.Den EcoRacer würde ich sogar gerne fahren, wenn er denn mal fertig ist. Trotzdem komme ich nicht ab von der Überzeugung, das es besser für die Marke wäre, zu den eigenen Wurzeln zurückzufinden. Und das heißt aus meiner Sicht: Preislich und auch von der Fahrzeugklasse her im Segment unter Opel und Ford, da, wo VW eigentlich herkommt. Bescheidenheit ist manchmal mehr!

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Bon appetit!
Paul Combuse ähem Bocuse wird 80. Ich wünsche ihm das Allerbeste und noch ein weiterhin langes, gesundes und kulinarisches Leben. Gefragt, ob man nach seine Kochbüchern auch wie Bocuse kochen könnte, fragte er zurück, ob sein Gegenüber denn der Meinung wäre, dass man nach Zuteilung von Farben und Pinsel wie Picasso malen könnte.

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