Dienstag, 11. April 2006
Wandel in Italien?
Selbst in der sektiererischen, friedmanliberalen Sonderwirtschaftszone der deutschsprachigen Blogosphäre äußert man sich nicht unfroh über den Abtritt des Medien-Potentaten von Rom, auch wenn man dort tatsächliche Liberale als "links" und "unappetitlich" abtut. Kein Zweifel, das Image des Lucio-Gelli-Schülers und mutmaßlichen Mitglieds der rechtsterroristischen P2-Loge sowie mutmasslichen MAFIA-Kompagnons ist im Keller, so im Keller, wie seit Craxis Flucht ins tunesische Exil kein italienischer Politiker mehr desavouiert war, obwohl der Wahlausgang denkbar knapp war. Ist das Land bereit zu einer grundlegenden, gegen Korruption und Clientelismo gerichteten Entschlackung oder ist es das nicht? Nach dem seinerzeitigen Zusammenbruch des gesamten alten Parteiensystems anfang der 90er waren zivilgesellschaftliche Kräfte wie Rete angetreten, eine Säuberung des durch und durch korrupten Staatswesens in Angriff zu nehmen, und Berlusconi hat dies 12 Jahre erfolgreich verhindert. Wird auf sein Abtreten nur müdes Weitervwursteln bis zur Intransigenz des politischen Systems folgen, oder wird durch dieses Land ein wahrer Ruck gehen?

http://de.today.reuters.com/news/NewsArticle.aspx?type=topNews&storyID=2006-04-11T134714Z_01_HUM118409_RTRDEOC_0_ITALIEN-WAHL-ZF.xml

- Es sind politisch spannende Zeiten, Frankreich, Italien, jetzt lohnt ein Blick auf Peru.

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Das Böse ist immer und überall
Da waren wir, der Betriebsrat von Boocompany, gerade im Rheinland am Tagen. Auch dort gibt es abschiebewütige Beamte und Leute mit Zivilcourage; um mir unnötige Schreibarbeit zu ersparen, kolportiere ich hier einen Beitrag der Westdeutschen Zeitung:


"Sankt Lambertus gewährt Hilfe und Schutz
Der Streit um die Abschiebung einer Familie nach Serbien spitzt sich zu.
Nun hat sich die katholische Kirche eingeschaltet und bietet den
Menschen Asyl.
*Düsseldorf.* "Das ist menschlich nicht in Ordnung. Die Abschiebung ist
moralisch nicht gerechtfertigt und auch noch vollkommen sinnlos." Der
Düsseldorfer Stadtdechant Rolf Steinhäuser bezieht eindeutig Stellung
und stellt sich auf die Seite der Roma-Familie Idic. Seit Sonntag
genießen die Mutter und ihre vier Kinder Asyl in der Kirchengemeinde
Sankt Lambertus. Die katholische Kirche hält schützend ihre Hand über
die Familie und will damit verhindern, dass die Mutter mit ihren Kindern
nach Serbien abgeschoben wird.
Die WZ hatte bereits mehrfach darüber berichtet, dass die kommunale
Ausländerbehörde der Stadt Düsseldorf junge Menschen abschieben möchte,
die in Deutschland geboren sind und keinen Ton serbisch sprechen. Als
Steinhäuser dem Kirchenvorstand von der Not der Familie berichtete, war
es für die Katholiken keine Frage, wie sie sich zu verhalten hatten:
"Einstimmig hat der Vorstand beschlossen, Kirchenasyl zu gewähren." Dazu
wird wohl auch die DVD eines Journalisten beigetragen haben, auf der
Bilder zeigen, unter welchen Verhältnissen der bereits abgeschobene
Vater in Serbien lebt.
"Das alte Haus war 17 Jahre nicht bewohnt, als Dach gibt es nur eine
Plastikplane, es gibt keinen Strom, das Haus ist nicht beheizt",
schildert Steinhäuser die Situation und dann fügt er an: "Dort können
doch keine Kinder leben."
Sie werden es müssen, wenn die Abschiebung durchgesetzt wird. Damit dies
nicht geschieht, leben sie jetzt auf dem Areal der Kirche in der
Altstadt. Wo genau, das sagen weder Steinhäuser noch seine Mitarbeiter,
die Familie soll sicher vor Entdeckung sein. Reicht der Schutz der
Kirche aus? "Das hoffen wir. Es kommt darauf an, die Schwelle
hochzulegen. Das Ausländeramt hat einen Ermessensspielraum, den soll es
nutzen", sagt Steinhäuser. Und dann postuliert er seinen Grundsatz: "Die
Kirche muss da sein, wenn der Mensch in Not ist."
Steinhäuser ist aber auch von dieser Welt und deswegen wünscht er sich
Verbündete. "Es wäre gut, wenn OB Erwin sich für die Familie einsetzen
würde. Er könnte dann zeigen, dass er mit Augenmaß vorgeht." Gegenüber
der WZ hatte der OB bereits vergangene Woche erklärt, dass er sich zu
diesem Thema nicht äußern wolle, da ihm die Hände gebunden seien. Die
letzte Chance für die Familie ist die Härtefallkommission des Landtages.
Semra Idic weiß nicht viel von Politik, ist aber derzeit schon
glücklich, dass sich die Kirche für sie, ihre Schwestern, ihr fünf Jahre
altes Brüderchen und ihre Mutter einsetzt. "Es gibt mir ein Gefühl der
Sicherheit, wenn ich weiß, dass uns die Kirche hilft", sagt sie. Dass
die Familie nun in einer fremden Wohnung lebt, das stört die
Gymnasiastin nicht: "Die letzten fünf Monate waren wir im Asylheim in
Wersten, da war es schlimm", erzählt sie. Neben ihr steht ihre Schwester
Merina. Sie ist hier geboren und sagt in akzentfreiem Deutsch: "Ich
finde es komisch, dass ich weg soll."
Heute morgen um 9 Uhr muss die Familie bei der Ausländerbehörde
vorsprechen. Damit ihr nichts geschieht, begleiten sie Freunde zur Behörde."

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Montag, 10. April 2006
Repression gegen Ärzte
Ich kann mich nur wiederholen: Rassismus, Ausgrenzung, Deportation hat in Deutschland ungebrochene Tradition. Wehrt Euch, greift ein!

In diesem Fall Solidarität mit mutigen Ärzten!

http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=50338

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Donnerstag, 6. April 2006
Migration in den USA
Die Republikaner wollen eine Gesetzesvorlage in den Kongreß einbringen, die 11 Millionen in den USA lebende illegale Einwanderer legalisieren soll mit der Möglichkeit, US-Bürger zu werden. Bin gespannt, was einigen "prowestlichen" Rassisten dazu einfällt ;-)!

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Mittwoch, 5. April 2006
Erhöhung sozialer Leistungen
Die Niedersächsische Landesarmutskonferenz fordert die Erhöhung des Regelsatzes bei der Sozialhilfe und von ALG 2 um bis zu 18 Prozent, um den steigenden Lebenshaltungskosten und der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung Rechnung zu tragen.

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Montag, 3. April 2006
Die Relevanz der Blogosphäre
In einer langen und detailreichen Debatte auf Spreeblick http://www.spreeblick.com/2006/03/27/die-ruckkehr-des-wortes/ wird unter Anderem angesprochen, dass Blogger eigentlich ziemlich unter sich sind; von 10 % der Internetuser ist die Rede.Ich kann es bestätigen, wiederholte Aufforderungen an Leute aus meinem Bekanntenkreis, mitzubloggen bzw. Blogenträge zu kommentieren wurden vom größeren Teil der Leute nicht berücksichtigt. Interessant waren die Antworten, die ich auf Rückfragen bekam. Neben Argumenten, die ich verstehe, wie Zeitmangel, kamen da sonderbare Sachen. Zum Beispiel meinte ein Kumpel (allerdings Altlinker mit teils recht überkommenen Ansichten), im Internet würde nur abgebildet, was gedruckt ohnehin vorhanden sei, deshalb erspare er sich dies, für Andere stellte die Tatsache, dass man sich als User registrieren muss eine unüberwindbare Hemmschwelle dar. Nun kann natürlich niemand zu seinem Glück gezwungen werden; wenn aber die Basics so aussehen, wird es die Web 2.0 Revolution wohl nicht geben. Sind wir am Ende alle Nerds, ohne es zu wissen?

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Bleiberecht, mal wieder
Ausnahmsweise zitiere ich mal die Rothenburger Kreiszeitung:

"Ruhigen Schlaf findet Shpejtim Ferizi zurzeit nicht. Das
Aufenthaltsrecht des seit zwölf Jahren in Rotenburg lebenden,
21-jährigen Kosovo-Albaners endet am 31. März. Muss er
Deutschland verlassen, verliert er sein neues Zuhause und seinen
Ausbildungsplatz zum Dachdecker, den er ab August antreten könnte. Nun
beschäftigt sich der Petitionsausschuss des Niedersächsischen Landtages
mit dem Fall.

"Ich kenne die Familie von Anfang an", sagt Elisabeth Isermann,
ehrenamtliche Mitarbeiterin des Ökumenischen Arbeitskreises Asyl in
Rotenburg. Als sie von Shpejtim Ferizis drohender Ausweisung hört, geht
sie auf die Familie zu und fragt, wie sie helfen kann. "Ich habe dann
für den Arbeitskreis ein Schreiben an den Petitionsausschuss des
Niedersächsischen Landtages aufgesetzt", erzählt Elisabeth Isermann und
ist erschüttert über die Lebensbedingungen im Kosovo.

"Die Angst ist mehr geworden", sagt Shpejtim Ferizi mit leiser Stimme.
Dabei wären die Weichen für seine Zukunft eigentlich gestellt. Der
21-Jährige könnte nach seinem Schulabschluss an den Berufsbildenden
Schulen in Rotenburg direkt eine Ausbildung zum Dachdecker beginnen. Die
Firma Schindowski will den jungen Mann gerne einstellen, darf es aber
wegen der drohenden Ausweisung zum 31. März nicht.

"Durch seine praktische Ausbildung und seine aussagefähige Bewerbung um
einen Ausbildungsplatz als Dachdecker haben wir uns bereits im Herbst
vergangenen Jahres entschlossen, Herrn Ferizi einen entsprechenden
Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen", schreibt Geschäftsführer
Wilfried Schindowski ebenfalls in einem Brief an den Petitionsausschuss.
Dort prüfen die zuständigen Behörden derzeit, ob im Fall "Ferizi" die
Härtefallregelung greift und der junge Mann doch in seiner neuen Heimat
an der Wümme bleiben darf.

Das Interesse daran ist nicht nur bei Shpejtim Ferizi groß. Auch sein
potenzieller Arbeitgeber setzt sich für den 21-Jährigen ein und betont,
dass es sich "hierbei um keine Gefälligkeit, sondern um ein ernsthaftes
Angebot einer Berufsausbildung zum Dachdecker handelt". Wilfried
Schindowski weiter: "Wer sich in der Baubranche auskennt, weiß, wie
schwer es ist, motivierte und geschulte Auszubildende zu finden."

Diese Chance will Shpejtim Ferizi nicht verstreichen lassen. "Wenn die
Leute sehen, dass ich dem Sozialstaat nicht auf der Tasche liege, haben
die Behörden keine Argumente", hofft er. Darüber hinaus hat Ferizi auch
beim Niedersächsischen Flüchtlingsrat in Hildesheim Hilfe gesucht. "Sie
haben mir geraten, einen Integrationskursus zu besuchen", sagt der
21-Jährige. Den Kursus möchte er noch diese Woche beim Ausländeramt in
Rotenburg beantragen. Unterstützung findet Shpejtim Ferizi auch beim
evangelischen Kirchenkreisjugenddienst des Diakonischen Werkes und bei
Hans-Günther Ahlborn, Leiter der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde in
Rotenburg. "Ich hoffe, dass die Politiker die Entwicklung und die
besondere Lage des jungen Mannes erkennen", sagt Ahlborn in Bezug auf
die Tatsache, dass Ferizi seit zwölf Jahren in Deutschland lebt und
entsprechend geprägt ist. Er bedauert zudem die enge Fristsetzung, die
es seiner Gemeinde nicht erlaubt, etwa die Möglichkeit eines eventuellen
Kirchenasyls für den 21-Jährigen zu überprüfen. Ahlborn: "Die
Gemeindeleitung müsste sich beraten. Und wir müssten 150 Mitglieder
zusammentrommeln, ihnen eine Empfehlung vorlegen und dann sehen, wie sie
sich entscheiden."

Doch er erlaubte "Speedy" Ferizis Freunden, den Fall am vergangenen
Wochenende vor dem Gottesdienst der Gemeinde vorzustellen und
Unterschriftenlisten auszulegen. Diese Listen haben der 21-Jährige und
seine Freunde gemeinsam entworfen, um mit den gesammelten Unterschriften
beim Niedersächsischen Petitionsausschuss für das Bleiberecht des jungen
Mannes zu plädieren. "Da haben schon am Sonntag etwa 40 Leute
unterschrieben", erzählt Ahlborn.

Einen der Bögen hat der Kosovo-Albaner vergangene Woche Rotenburgs
Bürgermeister Detlef Eichinger übergeben. Ferner liegen die Blätter im
Bistro "Journal" aus, aber auch in anderen Rotenburger Lokalen möchte
sie der 21-Jährige noch platzieren. Er hofft auf zahlreiche
Unterschriften, damit er sein neues Zuhause nicht verliert."

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Sonntag, 2. April 2006
Zur Wahl in Peru
Peru kann als ein besonders trauriges Beispiel für die Verirrungen des Neoliberalismus angesehen werden. Zwar ist das Land arm, verfügte aber durch Montanvorkommen und mit die ertragsreichsten Goldminen der Welt über staatliche Einnahmequellen neben den Steuern, die fast ebenso groß waren wie das Steueraufkommen selber. Diese staatlichen Bergwerke wurden von Fujimori restlos an ausländische Investoren verkauft, der die weitgehend autarke Wirtschaft japanischen, europäischen und US-amerikanischen Heuschreckenschwärmen auslieferte. Linkskandidat Ollanto Humala hat nun einen radikalen Wechsel versprochen. Ob das auf eine Enteignung und Verstaatlichung der Gold- und Kupferminen hinauslaufen würde ist zunächst unklar, aber man kann auf die Wahlen am 09. April gespannt sein. Ich habe den Eindruck, dass die USA ihre Machtbasis in der zynisch als "Hinterhof" bezeichneten Südhälfte des Doppelkontinents Stück für Stück verlieren.

Ach ja: Bush hat letzten Umfragen zufolge nur nopch das Vertrauen von 25% der US-Bürger.

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Zum Fall EL Masry
Erschreckend: Der CIA kannte seine Kontobewegungen. Was wird eigentlich noch Alles überwacht? In den 80ern eruierte ich mal, dass mein Telefon überwacht wurde, in dem ich mich telefonisch mit einem Anderen dazu verabredete, eine Ampelblitzanlage in die Luft zu sprengen. Natürlich hatte niemand von uns vor, so etwas zu tun oder überhaupt etwas bumsen zu lassen, aber man konnte dann beobachten, wie erst ein Zivilstreifenwagen und dann ein grünweißer Bulli vorfuhren und die ganze Nacht die arme Ampel bewachten. Nun geschah das in schwersten Hausbesetzerzeiten, die längst vergangen sind, aber mit der Erfahrung im Hintergrund befürchte ich, dass unsere Sicherheitsorgane allererste Spitzelklasse sind. Wie hieß es damals nicht so schön auf unseren Demos: Stasi Ost und Stasi West, überall dieselbe Pest!

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Zur Wahl in Israel
Kadima auf Platz 1, Arbeitspartei auf Platz 2, Likud weit abgeschlagen. Auch wenn ein dauerhafter Frieden mit den Palästinensern in weiter Ferne erscheint, so ist das Wahlvolk wohl dennoch für Haudruffs und Falken nicht zu haben. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes brauchen dringend eine Lösung, und die scheint aus Sicht der Wählermehrheit bei der Partei der Pragmatiker am Ehesten zu erwarten zu sein. Warten wir´s ab. Ich denke, dass sich auch Hamas früher oder später bewegen wird. Wenn man nicht direkt miteinander redet, dann eben über Mittelsmänner, was in der Gegend ja Tradition hat.

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Die Infantilisierung der Gesellschaft
In der Zeit habe ich einen lesenswerten Themenschwerpunkt zu den Protesten in Frankreich verfolgt und dem seltsamen Umstand, dass in Deutschland oder Großbritannien niemand rebelliert . Erklärt wurde dies mit der unterschiedlichen Sozialisation von Studentengenerationen. Rebellierte man in den 60ern und 70ern gegen Nazi-Eltern und Nazi-Lehrer und hatte die Jugendrevolte deswegen notwendigerweise einen linken Charakter, fielen Adoleszensrevolte und politische Oppositionsbewegung aus historischer Notwendigkeit zusammen, so zeichneten sich die 80er durch Diversifizierung aus. Linker Protest richtete sich zunehmend gegen die bereits etablierten 68er, entsprechend verschob sich das subkulturelle Kostüm von Hippie zu Punk, gleichzeitig rebellierten schon die ersten Kinder der 68er gegen ihre Elterngeneration, insofern wäre es grundfalsch, in der Haltung der Popper und Yuppies gesellschaftliche Angepasstheit zu sehen. Dann waren die 80er die Zeit des ausgeprägten Hedonismus und der Mega-Parties, des Aufkommens immer schneller wechselnder Zeitgeist-Moden und der Enttabuisierung bislang eher randständig betrachteter sexueller Neigungen (Stichwort Neue Sinnlichkeit). Die 90er brachten, wie ich sie mal salopp nenne, die Generation Modeste: Von ideologischem Denken weit entfernte Leute (falls keine Ideologie haben nicht auch eine ist), die das Weltgeschehen mit ironischer Distanz betrachteten, für das in den vorangegangenen Generationen selbstverständliche politische Engagement weiter Teile der akademischen Jugend aber kein Verständnis aufbrachten. Die darauf folgende aktuelle Studentengeneration ist geprägt durch Harmonie: Verständnisvolle, aufgeklärte Eltern, praller Wohlstand von Anfang an, eine konfliktarme Kindheit und Jugend - und jetzt plötzlich das Fehlen einer Zukunftsperspektive, bzw. eine Zukunft, die sich mit "Generation Dauerpraktikum" bezeichnen ließe. Im Gegensatz zu den Studierenden der 60er, 70er und 80er haben sie nie für ihre Interessen zu kämpfen gelernt, und nun sind auf einmal sie härteren Zumutungen ausgesetzt als in der Nachkriegszeit je eine Generation vor ihnen. Das ist schwer, da findet sich die Antwort nicht so schnell.

Ich habe gerade im Kino "Basic Instinct 2" gesehen, möglicherweise der raffinierteste Psychothriller, den ich je genießen konnte. Sharon Stone erinnerte mich an eine Frau, mit der ich als 26jähriger (sie war 23) mal ein Kurztechtel hatte. Also, das war natürlich keine Serienkillerin, aber die gleiche Art von cooler, arrogant-raffinierter Dominanz, der gleiche Typ männermanipulierender Vamp. Um mich herum im Kino sitzen lauter Leute in dem Alter, in dem wir damals waren. Ich schaue mir beim Rausgehen die Gesichter der Frauen an. Lauter liebe, unschuldige Puppengesichter. Ich hätte echt Schwierigkeiten, mir bei einer heute 23 jährigen die Verruchtheit meiner damaligen Begegnung vorzustellen. Das gleiche erlebe ich bei meiner Vorzimmerdame oder jungen Männern im Alter von 22-25, mit denen ich zusammenarbeite: Sie erscheinen mir so, wie wir mit 17 waren. Ich erinnere mich, dass der damalige Freund meiner großen Schwester mir seinerzeit sagte, als er 17 gewesen wäre, wäre er weitaus selbstständiger gewesen als meine Generation.

Auf der anderen Seite, Sharon Stone steht wie Madonna für die andere Seite der selben Medaille: Diese Frauen sind jung und schön und dennoch Mitte bis Ende 40. Von Filmdiven abgesehen, hatten Frauen in dem Alter in den 70ern Oma-Habitus: Blauer Faltenrock, Dutt, Dufflecoat, ohne erotische Lockzeichen.

Wo soll das noch hinführen? Rente mit 80, Wahlrecht ab 30, Job als hochqualifizierte Migrationsarbeitskraft in Kasachstan, Sudan, Kosovo
oder auch in Merry Old England oder Schweden?

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Samstag, 1. April 2006
Sex und Politik
Das hier hat mich köstlichst amüsiert.
Einfach Klasse!
Lesebefehl!


http://netbitch1.twoday.net/stories/1766959/

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Freitag, 31. März 2006
Rettet den Aprilscherz!
Gerade kommt das hier über den Ticker:

Bonn (dpa) - War der Aprilscherz noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in aller Munde, läuft er nun Gefahr, von der gesellschaftlichen Entwicklung überholt zu werden. Das bestätigt der Volkskundler Gunter Hirschfelder von der Universität Bonn die Entwicklung.



Der 1. April insgesamt habe eine stark rückläufige Konjunktur: "Gegenwärtig sind wir auf einem Weg der Reduktion von Brauchformen." Ostern reduziere sich von einem ganzen Kosmos von Bedeutungen auf Osterhase und Osterei und Weihnachten auf Weihnachtsbaum und Geschenke.

Im Trend liege alles, woraus sich ein Event und womit sich Kommerz machen lasse, sagt Hirschfelder. Das seien etwa der Christopher Street Day, die Love Parade und Halloween. "In diesem Kontext kann man den 1. April nicht hinreichend instrumentalisieren." Die Gesellschaft sei zunehmend humorlos geworden, es herrsche zudem so viel Unsicherheit, "dass wir uns nicht zusätzlich auch noch verulken lassen müssen", meint der Experte. "Wir fühlen uns als Gesellschaft ohnehin schon hinreichend verulkt."

Eine mögliche Erklärung für den Begriff "Jemanden in den April schicken" sieht Hirschfelder in einem Ereignis im 16. Jahrhundert. Damals legte König Karl IX. von Frankreich fest, dass 1564 der Neujahrstag vom 1. April auf den 1. Januar verlegt wurde. Damit wurden im Zuge der gregorianischen Kalenderreform diese bis dahin uneinheitlichen Termine in den meisten europäischen Ländern auf den 1. Januar gelegt. "Wer das also 1564 in Frankreich vergaß, der hatte seine Vorbereitungen zum neuen Jahr wie etwa die Rechnungslegung umsonst getroffen", sagt Hirschfelder.

Seine Hochzeit hatte der 1. April Hirschfelder zufolge im 18. und 19. Jahrhundert. Damals waren derbe Scherze angesagt. Rituale unter Handwerkern, die auf der einen Seite Lacher auslösten, für die Betroffenen oft aber auch gefährlich und schmerzhaft waren. Im 20. Jahrhundert wurde der Aprilscherz umgewidmet und erhielt eine zunehmend scherzhafte Bedeutung.

"Der April-Scherz heute ist harmlos", sagt Hirschfelder. Mit Comedy und Witzchen werde die Gesellschaft praktisch rund um die Uhr von den Medien überfüttert. Dabei handele es sich aber nicht immer nur um harmlose Gags: "Nehmen sie die jüngste Diskussion: Wenn Jugendliche auf ihren Handys Videos abspielen, die Hinrichtungen im Tschetschenien-Krieg zeigen, dann können Sie das nicht mehr toppen."

Oh je, wenn ich das lese, wird mir ganz anders. Ich werde mir Mühe geben, einige Leute gewaltig in den April zu schicken.

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Donnerstag, 30. März 2006
Lufthansa Deportation Class revisited
Im Jahr 2005 wurden insgesamt 16.865 Mal Ausländer auf dem Luftweg abgeschoben. Dabei sind 1.983 Mal Hilfsmittel der körperlichen Gewalt eingesetzt worden, etwa Fesselungsmittel. Dies erklärt die Bundesregierung in der Antwort (16/1055) auf eine Kleine Anfrage der Bündnisgrünen (16/924).
Statistische Übersichten über die Anwendung (einfacher) körperlicher Gewalt würden von der Bundespolizei nicht geführt, heißt es weiter. Entsprechend gebe es dazu auch keine Angaben der Länderpolizei.
In 3.666 Fällen habe die Bundespolizei oder die Länderpolizeien von Abschiebung betroffene Ausländer begleitet. Bei 216 Abschiebungen nach Algerien hätten Sicherheitskräfte des jeweiligen Zielstaates die Personen begleitet, bei 993 Abschiebungen nach Serbien-Montenegro sei dies ebenso der Fall gewesen.
In weiteren 1.284 Fällen sei die Begleitung von Sicherheitskräften verschiedener Luftverkehrsgesellschaften vorgenommen worden.
Zu Abschiebungen mit Charterflügen und zur Frage, wie viele Personen im Zuge von "Sammelabschiebungen der EU" entweder direkt in ihr Herkunftsland oder über Flughäfen anderer Mitgliedsstaaten in das jeweilige Herkunftsland abgeschoben wurden, gibt es laut Regierung "keine belastbaren statistischen Angaben".
Die Zahl der wegen aktiver oder passiver Widerstandshandlungen gescheiterten Rückführungen im Jahr 2005 wird mit 298 angegeben. Weitere 94 Rückführungen seien aus medizinischen Gründen gescheitert, erklärt die Regierung.

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Blogger erhebt Euch und die Welt erlebt Euch
Einfach nur schön und eine reife Leistung:

http://rebellmarkt.blogger.de/stories/416738/

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Mittwoch, 29. März 2006
Pressekonferenz zum Tod von Oury Jalloh
Weitergeleitet von "The Voice"

Einladung zur Pressekonferenz am Samstag, den 01.04.2005
Multikulturelles Zentrum, Parkstrasse 7, Dessau
Zeit: 12.00 Uhr

Wir laden Sie ein zu einer Pressekonferenz im Vorfeld der Demonstration
"Gegen rassistische Staatsgewalt, Vertuschung und Straflosigkeit" und zur
Aufklärung des Todesfalls von Oury Jalloh.

Oury Jalloh verbrannte am 7. Januar 2005 in einer Polizeizelle in Dessau
gefesselt an Händen und Füßen. 13 Monaten nach dem Tod von Oury Jalloh gibt
es immer noch keine Klarheit über die Umstände und Verantwortungen. Trotz
massiver Widersprüche und Unregelmäßigkeiten wird kein Gerichtsprozess
angestrengt. Mit immer neuen Einwänden wird versucht, das Verfahren
einzustellen - bis ins Absurde. Es heißt, die Anzeige der RechtsanwältInnen
der Familie Jalloh sei nicht gültig, denn es gäbe nicht genügend Beweise,
dass es sich tatsächlich um die Familie Jalloh handelt.
Wir fordern Aufklärung, Gerechtigkeit und Entschädigung der Familie von Oury
Jalloh.

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Elemente der Gegenaufklärung, heute: Die Libertären
Der Begriff Libertäre für Vertreter eines ungehemmten Kapitalismus klingt eigentlich wie Hohn. Traditionell versteht man in Europa den Begriff libertär als ein Synonym für anarchistisch, bzw. als Sammelbegriff für nicht-leninistische Formen radikal linker Position. US-libertarians sind hingegen eher so etwas wie Anarcho-Kapitalisten. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen; erst einmal gilt es zu erläutern, was die deutschen Libertären wollen und wo sie herkommen. Hierzu hole ich bis zur Weltklimakonferenz in Rio de Janeiro aus. Damals, 1992, wurde auf Betreiben diverser NGOs und insbesondere Al Gores die Agenda 21 beschlossen, die vorsah, bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts denEintrag von Treibhausgasen und Schadstoffen in die Athmosphäre wesentlich zu senken. Die Agenda 21 wurde zur Motivationsrichtschnur von Grünen und Umweltinitiativen, die nach dem Motto "global denken, lokal handeln" danach trachteten, lokale Agenden zur Einhaltung der Vorgaben aus der Agenda 21 möglichst in jedem niedersächsischen Dorf zu verwirklichen, zur Basis des späteren Kyoto-Klimaprotokolls, zur programmatischen Vorgabe für die BASF zum nachhaltigen Wirtschaften und zur Inspiration einer neuen Generation von Alternativ-Ökonomen im rot-grünen Umfeld, die nach dem Ende des Kalten Krieges von der "Friedensdividende" und der umweltfreundlichen Marktwirtschaft schwärmten. Von BASF-CEO Strube bis Jürgen Trittin, einig waren sich die Protagonisten darin, dass wirtschaftliches Wachstum in Zukunft nur um den Preis höherer Rohstoffpreise, niedrigeren Energieverbrauchs und verringerten Schadstoffausstoss zu haben sei. Symbolträchtig brachte VW sein Öko-Auto Lupo 3L unmittelbar nach Regierungsantritt von Schöder und Fischer auf den Markt. Die ausgehenden 90er Jahre schienen das Zeitalter des nachhaltigen Wirtschaftens zu sein.

Dessenungeachtet wirtschaftete der Sektor, der die schnellsten Umsatzsteigerungen zu haben schien und die schönsten Börsenerfolge hatte, die New Economy, in der gleichen Zeit überhaupt nicht nachhaltig. Im Gegenteil, man agierte eher nach dem Motto "Found it-bring it up-sell it-run away", es gab sogar Leute, die, anknüpfend an semiotische Theorien und das eigentlich kapitalismuskritisch gedachte Modell der sog. "spektakulären Handelsökonomie" davon ausgingen, dass im postindustriellen Zeitalter nicht mehr der Warenwert, sondern Informationen und Symbole zählen würden, der Wert eine strukturelle Revolution erlebe, die es ermögliche, losgelöst vom realen Tauschwert realer Produkte oder Dienstleistungen Profit machen zu können. In der Praxis hieß dies etwa, dass ein Softwareunternehmen, dessen Software noch in der Entwicklung befindlich, also gar nicht marktreif war, an die Börse ging, mit viel PR dafür sorgte, dass der Kurs der Aktien hoch ging und dann nicht von der Software, sondern vom Verkauf der Aktien selbst lebte.


Ich erspare mir hier, zu schildern, wie das endete. Auffällig ist aber, dass sich in den Reihen der deutschen Libertären recht häufig nicht reich gewordene Vertreter der deutschen New Economy finden. Diese vertreten eine Ideologie, die das genaue Gegenteil von Nachhaltigkeit beinhaltet (haben sie in der NE ja gelernt). In Diskussionen mit Libertären habe ich die seltsamsten Dinge gehört, etwa auf den Hinweis auf knapper werdende Rohstoffe, z.B. Kupfer: "Wenn es kein Kupfer mehr gibt, wird der Markt einen Ersatz finden." Unbekümmert wird die Haltung vertreten, Treibhausgase auszuschütten, der Markt wird es schon regeln - das spiegelbildliche Gegenteil der Formel vom Sustainable Development eben. Scheinbar brauchen gescheiterte NE-Zocker eine Ideologie, um ihre Irrtümer zuzukleistern im Sinne von jetzt-erst-recht. Diese gegenüber der Umwelt gemeingefährliche Haltung verbindet sich mit Manchesterliberalismus und einer sogenannten prowestlichen Haltung, d.h. Unterstützung für die Bush-Administration, allerdings ohne ihren Konservatismus in moralischen und innenpolitischen Fragen zu teilen. Fast hat es den Anschein, die Tatsache, dass Bush aus reinem Opportunismus das Kyoto-Abkommen verletzt und dass die Positionen der Agenda 21 vom Demokraten Gore mitentwickelt wurden, wird von den Libertären zu einer Ideologie umgebogen: Sie sind aus Überzeugung gegen Umweltschutz, soweit würde Bush nie gehen. Der "Markt" wird, verbunden mit einem eigenartigen Geschichtsrevisionismus, der die Arbeiterbewegung als Hermmschuh sozialen Fortschritts auffasst, als seligmachendes Regulativ aufgefasst, Adam Smith´s unsichtbare Hand quasi zur Gottheit hypostasiert. Damit verlassen sie auch den Boden wirtschaftsliberaler Theoriebildung, der blinde Glaube an den Markt nimmt Züge des Aberglaubens an. Anarcho-Kapitalisten vertreten demgegenüber die These, der Kapitalismus würde besser funktionieren, gäbe es keine Staaten mehr und würden alle hoheitlichen Aufgaben von Privatunternehmen übernommen (ich schätze, wenn das geschähe, würden Firmen Privatarmeen aufstellen, die Kriege um Rohstoffe führten). Dazwischen gibt es noch die Sekte der Ayn-Rand-Anhänger und Objektivisten, die eine streng codifizierte Mischung aus Hayek-Liberalismus und Elementen des Anarchokapitalismus und auch konservativer Gedanken vertreten. Für viele junge Wirtschaftsliberale scheint zurzeit die libertäre Ideologie ein kokettes Spiel zu sein, um zu provozieren oder sich gegen "konventionelle" Liberale abzugrenzen, bei anderen nimmt diese Ideologie hingegen totalitäre Züge an, wenn etwa die Todesstrafe damit begründet wird, dass Gefängnis Freiheitsberaubung und daher mit libertären Prinzipen unvereinbar sei.

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Dienstag, 28. März 2006
Unser alltäglicher Rassismus, heute: Szenen aus Oberfranken
Am 27.März 2006 kam es im Ausreisezentrum Fürth zu einer Razzia.
In Begleitung von 2 normalen und ca. 5-10 USK-Polizisten überfielen
zwei Vertreter der Regierung Mittelfranken
und der ihr untergeordneten zentralen Rückführungsstelle die Bewohner
des Ausreisezentrums in der Hafenstrasse Fürth.

Kurz nachdem die Ausgabe der Essenspakete begonnen hatte(die Flüchtlinge werden mit Fertiggerichten verköstigt), fiel sehr überraschend das Kommando
im Ausreisezentrum ein.

Sie stellten jeweils 2 Wachen oben und unten an den Ausgängen auf und
untersagten den Flüchtlingen, das Lager zu verlassen. Dann drangen sie in die Zimmer ein
und durchsuchten sie. D.h. der Wachdienst schloss die Zimmer auf. Auf
Fragen nach dem Grund der Durchsuchungen gab es nur ein Grinsen als Antwort.

Alle privaten
Kühlschränke und Fernseher wurden beschlagnahmt. Die Lebensmittel wurden
auf den Boden gekippt, oder die Bewohner aufgefordert, die Kühlschränke
zu leeren. Die Geräte wurden dann vom Hausmeister mit Schubkarren
weggebracht.

Von den Flüchtlingen gab es Reaktionen von Protest bis völliger
Verwunderung, Fragen, wo sie jetzt ihre Hühnchen lagern sollen.

In der Gemeinschaftsküche gibt es 4 Kühlschrnke. Einer ist kaputt. Für
das restliche Essen aller ist zuwenig Platz. Dauernd kommen daraus zudem
die besten Sachen weg.

Angeblich gäbe es die Mglichkeit, in einem ominösen Gemeinschaftsraum
fernzusehen. Allerdings gibt es momentan gar keinen Gemeinschaftsraum.

Von Behördenseite wurde geagt, die Grundlage
der Razzia sei eine Anordnung aus dem Innenministerium. Die Razzia
dauerte 2-3 Stunden.

Es wurde Privateigentum entwendet, die Informationsfreiheit und die
Menschenwürde verletzt.

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Abschied von Lem
Trauer und Ehrbezeigung für den gerade verstorbenen Stanislaw Lem, dessen Romane meine Jugend prägten.

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Dienstag, 28. März 2006
Elemente der Gegenaufklärung, heute: Liberale auf Abwegen
Dass sich in der Nachbarschaft von Ausländerfeinden auch Liberale finden mutet absurd an. Liberalismus zeichnet sich bekanntlich durch Toleranz und im Allgemeinen auch Kosmopolitismus aus. Nun steht aber die FDP, da kann auch kein optimistisches Westergrinsen drüber hinwegtäuschen, in einer besonders heiklen Position. Mit der Agenda 2010 und spätestens den Hartz-Reformen III und IV hat sich die rot-grüne Bundesregierung ein wirtschaftsliberales Programm gegeben. Außer der linkspopulistischen PDS/Linkspartei/WASG sind nun alle im Bundestag vertretenen Parteien an einem wirtschaftsliberalen Programm beteiligt. Auf der anderen Seite haben die Grünen sich im Bereich politischer Liberalismus im Sinne von liberaler Innen- und Rechtspolitik, Bürger- und Menschenrechten längst zur liberalen Partei gemausert. Im Gegentum zur FDP sind sie hier sehr stark mit Selbsthilfeorganisationen, NGOS und karitativen Netzwerken, kurz, der Zivilgesellschaft verbunden und somit die eigentliche politisch liberale Partei in Deutschland. Damit ist für die FDP die Legitimation ihrer Existenz in Frage gestellt. Es gibt zwei logische Weisen, darauf zu reagieren. Entweder profiliert man sich über radikal wirtschaftsliberale Positionen, unterstellt allen Anderen, den Wirtschaftsliberalismus zu verwässern und behauptet die eigentliche Reformpartei zu sein. Oder aber, man nimmt sich ein Vorbild an Haiders FPÖ und verbindet Nationalliberalismus mit einer besonderen Form von Ausländerfeindlichkeit, die sich nicht gegen Ausländer an sich, sondern Armutsmigranten richtet. Nun ist die alte nationalliberale Erich-Mende-FDP, die sich nicht groß von der damaligen FPÖ unterschied, seit fast 40 Jahren Geschichte. Mit dem Freiburger Programm, das auf einen Disput zwischen Altopoda und Adhomaha, also Albert Popper Topitsch Dahrendorf und Adorno Horkheimer Marcuse Habermas, inkarniert durch Ralf Dahrendorf und Rudi Dutschke zurückging, hatte sich die FDP in der Zeit der rotgelben Koalition zu deren eigentlicher Reformpartei gemausert. Das Programm umfasste folgende Punkte:

* "Liberalismus nimmt Partei für Menschenwürde durch Selbstbestimmung"
* "Liberalismus nimmt Partei für Fortschritt durch Vernunft"
* "Liberalismus fordert Demokratisierung der Gesellschaft"
* "Liberalismus fordert Reform des Kapitalismus"

Otto Graf Lambsdorff war als Hayek-Anhänger in der FDP ein Außenseiter. Er importierte quasi Hayeks in Deutschland nicht verwurzelte Hardcore-wirtschaftsliberale Lehre. Die Reformkräfte in der FDP, die ihre Impulse aus den Dialog Kritischer Rationalismus versus Kritische Theorie bezogen, konzentrierten sich vor allem um die Parteijugendorganisation Jungdemokraten (Judos). So war es der erste Schlag des Kreises um Lambsdorff, durch Gründung einer zweiten, wirtschaftsliberalen Jugendorganisation (Jungliberale, Julis) die Reformkräfte zu isolieren und den Coup von 1982, die Bonner Wende, vorzubereiten. Nach dem Regierungswechsel wurden die Judos aus der Partei verstoßen, und andere Reformkräfte traten teils zur SPD über (Ingrid Matthäus Meier, Günter Verheugen) oder gründeten die radikal pazifistische linksliberale Splitterpartei Liberale Demokraten, die im Windschatten der Grünen nicht überlebensfähig war. Dennoch waren die Reformliberalen nicht aus der Welt, Leute wie Gerhart Rudolf Baum, Burkhard Hirsch, Irmgard Adam-Schwätzer , Hildegard Hamm-Brücher oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger waren nicht ohne Einfluss, auch wenn sie die Partei insgesamt nicht prägten. Jetzt scheint es Kräfte zu geben, die die FDP zurückbringen wollen in die Zeit vor Freiburg, also die Uhr um knapp 40 Jahre zurückdrehen, und dabei wirtschaftlich nicht nur an Hayek, sondern an dessen brutaleren Epigonen und Vollstrecker Milton Friedman und seinen verstaubten Lehrmeister von Mises anknüpfen wollen. Es scheint weiter so zu sein, dass eben diese Kräfte sowohl die verschärft wirtschaftsliberale als auch die nationalliberal-wohlstandsrassistische Richtung zusammenführen wollen. Ich würde nicht, wie gelegentlich geschehen, solche Leute als bräunlich bezeichnen und in die Nähe von Nazis rücken. Aber wer ahistorisch einen längst Geschichte gewordenen, von der Entwicklung der Partei überholten Liberalismus wiederherstellen will, ist ebenso wie Konservative, die sich rechts von ihrer eigenen Regierungschefin positionieren, schlicht und einfach reaktionär. Und wahrscheinlich erfolgreich dabei, die FDP auf unter 5 Prozent zu bringen.

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Es muss nicht immer Kronlüster sein
Streng genommen ist Art Déco ja gegenüber Barock und Biedermeier sozusagen die aufgeklärtere Dekadenz.

Nein, im Ernst, erlaubt ist, was gefällt und kein Billig-Tinnef ist, und gegenüber den Halogenspots war das eine entschiedene Verbesserung.


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Montag, 27. März 2006
Die Wahl in Sachsen-Stillstand
OKAY, Große Koalition bestätigt den Bundestrend, aber die Wahlbeteiligung... nur noch 15 % des Wahlvolks haben Böhmer gewählt. Geht der Trend jetzt dahin, dass den Leuten Politik scheißegal ist? Dass es sie nicht mehr interessiert, wer sie verarscht?


Gute Nacht!

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Elemente der Gegenaufklärung - Heute: Die Antideutschen
Die Runde bei der Behandlung der Ideologien, aus denen sich ein postfaschistischer Wohlstandsrassismus speisen könnte, eröffne ich mit meinen ganz besonderen Lieblingen, den Antideutschen. Nicht, dass die besonders wichtig wären, aber sie sind hinreißend skurril, und es gibt einen Nexus zwischen deren und meiner eigenen Geschichte, außerdem sind sie ein Paradebeispiel dafür, wie Aufklärung in ihr Gegenteil umschlägt, in diesem Fall bei Leuten, die selber für sich in Anspruch nehmen, ihre Schlussfolgerungen aus der Dialektik der Aufklärung gezogen zu haben (von der sie wahrscheinlich den Klappentext, und, wenn´s hochkommt, den SOAK-Einführungstext gelesen haben).

Kürzlich war in der Blogosphäre zu lesen, Israel und die USA wären Inseln der Vernunft im Ozean politischer Verblendung oder so ähnlich. Nun, wenn Insulaner bei einer bevorstehenden Hinrichtung auf dem Elektrischen Stuhl "Grill him, grill him" skandieren oder die gleiche Strafe für Abtreiberinnen fordern, handeln sie ebenso vernünftig wie Baruch Goldstein, als er in einer Höhle muslimische Pilger massakrierte. Ich sehe keinen Unterschied zu politischem Wahnsinn in den USA oder Israel oder anderswo in der Welt. Es gibt in beiden Ländern weder mehr noch weniger Unvernunft als hierzulande oder z.B. in Russland, ich würde allerdings sagen, dass Unvernunft in den USA oder von den USA ausgehend zur Zeit besonders groteske Formen annimmt. Der deutsche Faschismus oder die Gewalt von Al Kaida laufen in diesem Zusammenhang außer Konkurrenz.

Die Sache mit der überlegenen israelisch-amerikanischen Vernunft macht deutlich, was die Antideutschen nicht sind: Antinationale oder Antirassisten. Antinationale kenne ich Einige, sie lehnen jeden Nationalismus ab, also auch den US-Patriotismis oder den Zionismus, und etliche davon haben mit überbordendem Nationalismus sehr spezielle Erfahrungen, weil sie zwar in Deutschland geboren wurden, aber Namen tragen, die auf -ic enden. Die antideutsche Ideologie hingegen ist negativer Nationalismus und negativer Rassismus: Die Deutschen werden als ein Kollektiv betrachtet, dem ein Nationalcharakter zukommt, und dieser sei schlechter als der anderer Völker, während US-Amerikaner und Israelis als besser angesehen werden. Die meisten Vertreter dieser Denkweise entstammen der westdeutschen marxistischen Linken, wie ich in meinem Bahamas-Artikel schrieb, sind sie so links, dass sie schon wieder rechts sind. Weniger flapsig formuliert: Die antideutsche Position entstand Anfang der 90er aus dem Erosionsprozess des Kommunistischen Bundes (KB) und einer Art Rechtsabweichung der Kritischen Theorie. Wolfgang Pohrt hatte nach der Wiedervereinigung ein Projekt begonnen, bei dem es darum ging, die Studien zum autoritären Charakter, die ein von Adorno geleitetes Team an der US-Bevölkerung in den 30 er Jahren durchgeführt hatte, in modifizierter und modernisierter Form an der deutschen Bevölkerung zu wiederholen, um zu sehen, ob in den 90er Jahren eine faschistische oder totalitäre Bedrohung aufgrund der Handlungsorientierungen der Bevölkerungsmehrheit bestehen würde. An sich war dies ein wertvolles Unterfangen, und e ist in dem Zusammenhang schade, dass ich meine parallel hierzu geplante vergleichenden Studie zu Rechtsextremismus in den USA und Deutschland nicht realisieren konnte, dann könnten die Antideutschen nämlich mit den Argumentationsmustern, die sie vertreten, in ernste Schwierigkeiten geraten.

Das Problem bei Pohrt, einem Philosemiten, der sich freiwillig zur israelischen Armee gemeldet hatte, weil er dies als Wiedergutmachung für die deutschen Greuel betrachtete, ist seine Arroganz. So interviewte er einen Kandidaten der Republikaner und attestierte diesem eine debile und deformierte Sprache, die auf eine charakterliche Pathologie schließen lasse. Tatsächlich war es einfach die Sprechweise eines ungebildeten Arbeiters, dem die Geschliffenheit des marxistischen akademischen Intellektuellen fehlt. Als ich Studierenden Auszüge aus Pohrts Studie vortrug, waren diese kaum davon zu überzeugen, dass dies keine Satire sei.

Wie auch immer, Pohrts Studie lieferte interessante Ansatzpunkte, die elitäre Sichtweise und die politische Verortung des Autors selber führten aber bei seinenAnhängern dazu, die Deutschen insgesamt als ein Volk von gemeingefährlichen Deppen zu betrachten, was zu einem Zeitpunkt, als ein im geistigen Delirium befindlicher Mob in Hoyerswerda, Rostock und Hünxe gegen Migranten randalierte auf fruchtbaren Boden stieß. Umso mehr, als dass eine damit sehr konforme Arroganz bei einem bestimmten Typ bundesdeutscher akademischer Linker Tradition hatte. Ich nenne sie die MLer, was nichts mit Marx und Lenin zu tun hat, sondern für Moralische Linke steht, mit Schnittmengen zur SDL (Sonderbar Durchgeknallte Linke). Viele von ihnen fanden sich in den Reihen des KB oder bei der Marxistischen Gruppe (MG). Um Mistverständnissen vorzubeugen: Ich ordne weder den KB noch die MG insgesamt der ML oder SDL zu, sonst müsste ich mich von einem Teil meiner Freunde distanzieren. Es ist nur so, dass beide Gruppen ein prächtiges Biotop für das Gedeihen eines bestimmten Charaktertypus boten, der sich durch völlige Spaßfreiheit und extremes Problembewusstsein auszeichnete, und eben dadurch, dass nicht rationale Analyse, sondern Moral Triebfeder ihres politischen Handelns war. Ich kann mich an einige schlagende Erlebnisse mit diesem Menschenschlag erinnern. Da schrieb Eckhart Henscheid in der Titanic eimal eine Satire über ein Flugblatt eines studentischen Gremiums, in dem von "ErstsemesterInnen" die Rede wa, wies darauf hin, dass der Begriff Erstsemester Neutrum sei und fragte, wann denn endlich von PlünderInnen, vor allem aber SprachschänderInnen zu lesen sei. Die Moralische Linke wollte ernsthaft einen Resolutionsentwurf durch die Verfasste Studierendenschaft für eine Protestnote gegen die Titanic wg. Verbalsexismus durchbringen. Richtig ärgerlich wurden diese Leute, wenn es um grundsätzlichere Sachen ging. So formulierten Mitte der 80er Jahre Antiimperialisten die These, dass ein Zusammenbruch der DDR auf lange Sicht absehbar sei und es sich daher lohne, die Option der Wiedervereinigung von links her zu thematisieren, mit der Stoßrichtung, durch Synthese von Sozialismus und Demokratie und Schaffung eines blockfreien, demilitarisierten Deutschlands einen Dritten Weg zu ermöglichen und dem militärisch-industriellen Komplex der NATO sein wichtigstes Standbein in Westeuropa wegzuhauen. Ob ein solches Anliegen sinnvoll war oder nicht, möchte ich hier nicht diskutieren, es war nur bezeichnend, wie die Moralischen Linken mit denen umgingen, die Solches vertraten, nämlich mit systematischer Ausgrenzung und dem Vorwurf, sie seien in Wirklichkeit keine Linken, sondern eingeschleuste UBoote der Naziszene. So überließ man dann den Themenkomplex "gesamtdeutscher Neutralismus" Reaktionären wie Mechtersheimer. Die Moralischen Linken waren überhaupt immer an vorderster Front, wenn es darum ging, moralische Tribunale wegen abweichenden Verhaltens durchzuziehen, Sprüche wie "Ein Linker sagt nicht einfach unreflektiert etwas daher" offenbarten ein Menschenbild und Selbstverständnis, das in einem Dominikanerkonvikt des 16. Jahrhunderts gut aufgehoben gewesen wäre.

Anfang der 90er Jahre hatte der KB ein Problem. Eine Fraktion, die Zentristen (Z) Fraktion war bereits geschlossen in den Grünen aufgegangen, die KB-Mehrheit wollte in die PDS-Linke Liste, Versprengte landeten auch bei Ditfurths Ölkolinx. Die Bahama-Fraktion aber vertrat den Standpunkt, ein Kampf für sozialistische Gesellschaftsveränderung in Deutschland würde zwangsläufig zu einem nationalen Sozialismus führen, aufgrund des Nationalcharakters der Deutschen und der verschobenen weltpolitischen Situation sei dies nicht anders möglich, also dürften Linke in Deutschland nicht gegen Sozialabbau u.ä. kämpfen, sondern ausschließlich gegen Nationalismus und Antisemitismus, Letzteres bedeute kompromisslose Solidarität mit Israel.

In meiner Zeit in antirassistischen Zusammenhängen bekam ich dort sehr viel von Antinationalen, nichts aber von Antideutschen mit, denen waren die bosnischen und westafrikanischen Bürgerkriegsflüchtlinge wohl zu "schmutzig" und zu arm (huhu, es grüßt die gute alte Idiosynkrasie aus Adornos Elementen des Antisemitismus!). Der Sexismus muslimischer Männer und der Antisemitismus der Islamisten taten ein Übriges, um bei den Antideutschen ein paranoides Feinbild zu zimmern, in dem Israel und die USA gegen Deutschland und den Islam stehen und sie selbst die einzig aufrechten Vorkämpfer der Wahrheit im Herzen der protofaschistischen deutschen Bestie sind.

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Muskelkater
Der Kater in meinen Oberschenkeln miaut mörderisch. OK, ich war gestern abend schwimmen und habe heute morgen eine Stunde auf dem Laufband gestanden und bin eine Kata gelaufen. Aber das ist nichts ungewöhnliches und reicht normalerweise nicht aus, meine Muskeln zu foltern. Allerdings habe ich beim Training eine Wegbeschreibung eines der anspruchsvollsten Klettersteige der Alpen gelesen. Sollte das Klettersteigfeeling beim Lesen... ich meine, gibt es das, dass man sich bei der Kombination Fitnesstraining und Bergtourenbeschreibungen lesen hinterher körperlich fühlt wie nach einer Bergtour?!

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Blick in die USA
Meine Solidarität gilt der halben Million Demonstrierenden, die in LA und anderswo gegen ein neues Einwanderungsgesetz auf die Straße gehen. Insofern bin ich äußerst "prowestlich". Insbesondere, was die New African People´s Organisation (NAPO), das American Indian Movement (AIM), die US-Sektion der Zapatistas und Not in my Name angeht.

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Samstag, 25. März 2006
Plädoyer für ein besseres Fastfood
Dem aufmerksamen Leser und der geneigten Leserin dürfte nicht entgangen sein, dass der Che ein Gourmet ist. Eben spies ich zum beispiel Langusten-Paella nach eigenem Rezept (d.h.u.a. mit Sambal Oelek), davor eine Gemüsesuppe auf Sellerie-Und Lauchbasis, die sowas von erntefrisch war, dass ein wenig Erde mitgegessen wurde. Nun habe ich die Woche über keine Zeit, selber zu kochen, ich bin auch nur sehr gelegentlich Gast bei Dons koscheren Tafelfreuden, und mit Netbitch ins La Frasca oder Dere ins Tandure Diwan zu gehen, nun, das könnte ich mir auch nicht oft leisten. Also brauche auch ich von Zeit zu Zeit Fastfood. Aber muss das eigentlich immer notwendigerweise auch Junkfood sein? Könnten die vielen kleinen Schnellrestaurants nicht auch was Anderes anbieten als immer nur Döner Pide, Ham- oder Cheeseburger und Pizza vom Blech, wenn ´s hochkommt Falafel (gegen die nichts zu sagen ist)?


Würde Ful (Kidneybohnenbrei in Teigtasche oder Fladenbrot), Soljanka, eine herzhafte Erbsensuppe, ein paar Plinsen oder ein Bratling so viel mehr Mühe erfordern als das übliche Einerlei? Würde es den Etat des Schnellrestaurants sprengen, eine Kerze auf den Bistrotisch zu stellen?


Ich meine ja nur.

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Sa´ad Newroz
Ich wünsche den kurdischen Menschen ein schönes Neujahrsfest und sa´ad sibeh, sa´ad nawzad, eine gute Zukunft.
Biji Kurdistan Azad!

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Zu Stade
Ich hoffe, dass die Anti-Nazi-Demo nicht nur den Glatzen ihre Grenzen aufzeigt, sondern von Migrantens als Akt praktischer Solidarität aufgefasst wird. Die Zeichen stehen gut dafür.

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