Dienstag, 11. Juni 2019
Runder Tisch am Rande der Innenministerkonferenz (IMK) in Kiel
Nichtregierungsorganisationen treffen sich mit IMK-Vertretern, appellieren an den Widerstand der Bundesländer gegen das vom Bundestag verabschiedete Migrationspaket und fordern Abschiebungsstopps, u. a. für Afghanistan.

Bei einem Runden Tisch anlässlich der Innenministerkonferenz (IMK) in Kiel haben Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Selbstorganisationen sowie Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen ihre Forderungen an die tagenden Innenminister aus Bund und Ländern gerichtet. Im Fokus stand der Appell an die Bundesländer, der Politik des Bundes gegen Schutzsuchende ihren Widerstand entgegenzustellen.

„Die vom Bund mit dem aktuellen Migrationspaket betriebene Verschärfung aller möglichen flüchtlingsspezifischen Rechtslagen geht vor allem zu Lasten der Länder, die langfristig mit den Folgen von Ausgrenzung und Desintegration konfrontiert sein werden“, mahnte Günter Burkhardt, Geschäftsführer bei PRO ASYL e.V. Er forderte die Bundesländer zum Widerstand auf gegen das vom Bund euphemistisch „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ bezeichnete Gesetz und erinnerte an die Zustimmungsbedürftigkeit durch den Bundesrat zu den vorgenommenen weitgehenden Gesetzesänderungen. „Die mit diesem Gesetz einhergehende Ausweitung von Gründen, Geflüchtete in Haft zu nehmen, ist rechtswidrig und stößt daher auch beim Antifolterkomitee des Europarats auf erhebliche Kritik“, so Burkhardt weiter.

Auch die Vollzugspraxis bei Abschiebungen stand in der Kritik. „In der Praxis beobachten wir, dass ärztliche Atteste von den für Aufenthaltsbeendigungen zuständigen Behörden ignoriert werden“, beklagte Heiko Habbe, Jurist bei der Kirchlichen Hilfsstelle Fluchtpunkt in Hamburg. „Ohne erkennbare medizinische Expertise wischen Behördenmitarbeiter regelmäßig Diagnosen und Therapiebedarfe vom Tisch. In anderen Fällen werden die Betroffenen durch Ärzte und Ärztinnen im Behördenauftrag reisetauglich geschrieben. Eine zunehmend kritische Rechtsprechung hat kaum Einfluss auf das restriktive Verwaltungshandeln“, sagte Habbe und forderte generell eine höhere Sensibilität bei der Entscheidung über die Abschiebung kranker Menschen.

Die Strategie des Bundesinnenministeriums, Geflüchtete künftig langfristig und bei einigen Gruppen während des gesamten Aufenthalts in Deutschland in Lagern zu isolieren, stößt auf entschiedene Kritik. Mit Blick auf die Erfahrungen mit der in Bayern schon lange angewandten Praxis erklärte Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat: „Die Asylsuchenden werden uninformiert und unvorbereitet in die komplexen und für sie kaum durchschaubaren Asylverfahren getrieben.“ Folge seien Fehlentscheidungen durch das BAMF, die zahlreiche aufwändige Klageverfahren nach sich zögen. „Durch die Isolation der Menschen in verkehrsungünstig gelegenen, für Unterstützer*innen in der Regel nicht zugänglichen Lagern werden zudem rassistische Vorurteile in der Gesellschaft befördert“, ergänzte Grote.

„Ein besonderes Problem sind noch immer fehlende Partizipation und Gewaltschutz für Frauen und Minderjährige in Gemeinschaftsunterkünften“, konstatierte Katharina Wulf vom Landesverband Frauenberatung Schleswig-Holstein. „Wenn wir weiterhin auf Fremdbestimmung setzen, anstatt Machtverhältnisse abzubauen, produzieren wir Konfliktlagen, die Frauen und Kinder am härtesten treffen.“

Durch das am 7. Juni im Bundestag beschlossene Gesetzespaket werden auch die Chancen auf eine nachhaltige Integration für Geflüchtete weitgehend konterkariert. „Im sogenannten ,Geordnete-Rückkehr-Gesetz‘ werden die Arbeitsverbote insbesondere für Asylsuchende durch eine längere Wohnpflicht in Erstaufnahmeeinrichtungen erheblich ausgeweitet“, kritisierte Barbara Weiser, Juristin beim Caritasverband für die Diözese Osnabrück. Weiser forderte die Länder auf, u. a. bestehende Spielräume bei der Verteilung zu nutzen und bei der Passbeschaffung die Möglichkeit und Zumutbarkeit von Mitwirkungshandlungen adäquat zu prüfen. Mit Blick auf das neue Beschäftigungsduldungsgesetz kritisierte Weiser: „Hiermit wurde keine Aufenthaltserlaubnis bei Ausbildungsaufnahme geschaffen – was systemkonform gewesen wäre, sondern die Hürden für den Erhalt einer Ausbildungsduldung wurden deutlich erhöht.“

Ihren größeren Ermessensspielraum sollten die Länder auch bei der Umsetzung einer vom Bund geforderten restriktiven Abschiebungspolitik nutzen. Die Bundesländer sind aufgefordert, sich der vom Bund geforderten Ausweitung von Abschiebungen nach Afghanistan zu widersetzen. „Sichere Gebiete in Afghanistan gibt es nicht“, erklärte Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network. Nirgends gibt es mehr Kriegstote, mehr Hungernde gibt es nur in Jemen und von den wenigen Abgeschobenen, die für eine Erhebung erreicht werden konnten, waren die meisten besonderer Verfolgung ausgesetzt. Anstatt geflüchtete Afghanen abzuschieben ist es „angesichts der Situation gerechtfertigt, afghanischen Asylbewerbern generell zumindest subsidiären Schutz zu gewähren“, erklärte Ruttig.

Auch für die Staaten Syrien, Sudan und Gambia forderten die Vertreter_innen der Nichtregierungsorganisationen beim heutigen Runden Tisch, auf Abschiebungen zu verzichten. „Auch Rücküberstellungen von sogenannten Dublin-Fällen nach Italien sind nicht weiter zumutbar“, erklärte Stefan Schmidt, Vorstandsmitglied bei Borderline Europe e.V. und Landesflüchtlingsbeauftragter in Schleswig-Holstein: „In Italien erhalten Geflüchtete weder eine Arbeitserlaubnis noch soziale oder medizinische Versorgung. Sie sind entweder in großen Lagern interniert oder der Obdachlosigkeit anheimgestellt. Dort werden sie zum lukrativen Spielball von organisierter Kriminalität.“ Weiterwanderung in andere EU-Mitgliedsstaaten gerate so zu einer alternativlosen Überlebensstrategie der Betroffenen.

Hinsichtlich der Kriminalisierung zivilgesellschaftlicher Organisationen der Flüchtlingshilfe wurde beim Runden Tisch festgestellt: Die Stimmungsmache korrespondiert mit zunehmenden Ermittlungsverfahren gegen Kirchenasyl gebende Gemeinden, mit einer Kriminalisierung von Landesflüchtlingsräten und einem Bundesfinanzgerichtshofsurteil, das die politische Tätigkeit von gemeinnützigen Vereinen in Frage stellt. „Es belegt eine tiefgreifende Krise des demokratischen Systems, wenn die politische Klasse konzertiert Front macht gegen zivile und bürgerschaftliche, in der Flüchtlingshilfe engagierte Initiativen und Organisationen“, mahnte Kai Weber, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Niedersachsen.

Kontakt:

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Kai Weber, Tel. 0178 17 32 56 9, E-Mail: kw@nds-fluerat.org, nds@nds-fluerat.org,
Hintergrund:

Am Runden Tisch haben am 11. Juni im Gästehaus der Landesregierung Schleswig-Holstein auf Seiten der Innenministerien teilgenommen der Vorsitzende der IMK und Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration (MILISH), Hans-Joachim Grote, Staatssekretär Torsten Geerdts und Abteilungsleiter Norbert Scharbach, beide MILISH, und der Abteilungsleiter und stellvertretende Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport Friedhelm Meier. Auf Seiten der zivilgesellschaftlichen Organisationen nahmen teil Martin Link und Simone Ludewig, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V., Kiel, Bischof Gothart Magaard, Evgl.-Luth. Bischof für Schleswig und Holstein, Schleswig, Günter Burkhardt, PRO ASYL e. V., Frankfurt/a. M., Sebastian Ludwig, Diakonie Deutschland, Berlin, Thomas Ruttig, Co-Vorsitzender des Afghanistan Analysts Network, Kabul/Berlin, Stefan Schmidt, Vorsitzender von Borderline Europe e. V., Lübeck, Julian Staiger, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Stuttgart, Daniel Steinmaier, adopt a revolution, Leipzig, Tobias Klaus, Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Berlin, Susanne Uhl, Regionsgeschäftsführerin des DGB Schleswig-Holstein Nordwest, Flensburg, Katharina Vogt, AWO Bundesverband, Berlin, Kai Weber, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., Hannover, Barbara Weiser, Caritasverband für die Diözese Osnabrück, Katharina Wulf, Landesverband Frauenberatung Schleswig-Holstein, Kiel, Katharina Grote, Bayerischer Flüchtlingsrat e.V., München, Heiko Habbe, Kirchliche Hilfsstelle fluchtpunkt, Hamburg, Beate Bäumer, Katholisches Büro Schleswig-Holstein, Erzbistum Hamburg, Dietlind Jochims, BAG Asyl in der Kirche, Berlin, Harald Löhlein, Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband, Berlin.

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Flucht durch die Zeit
Flucht durch die Zeit

Kleines Festival zum Weltflüchtlingstag

am 20. Juni 2019, ab 17:00 Uhr bei kargah e.V.



Im Rahmen des Weltflüchtlingstags, am 20. Juni 2019, möchte der Verein kargah erstmalig an diesem Tag eine große, umfangreiche Kulturveranstaltung ausrichten. Flucht und Migration sind wichtige Bestandteile unserer Gesellschaft. Unter dem Titel „Flucht durch die Zeit“, werden Künstler*innen und Zeitzeug*innen eingeladen, die dem Publikum auf künstlerische und literarische Weise Einblicke in verschiedene Fluchtgeschichten geben und zum Austausch einladen. Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen? Wie war ihr Ankommen in Deutschland? Was verbindet die verschiedenen Fluchtgeschichten?



Unterschiedliche Perspektiven aufzeigen

Gezeigt wird einerseits die Ausstellung „In alle Richtungen“ des Künstlers Edin Bajric, welcher sich seit Jahrzehnten in seiner Kunst mit den Themen Flucht, Ankommen und Zusammenleben auseinandersetzt. In den Werken reflektiert er seine Flucht aus Bosnien in den 90er Jahren sowie seine ersten Eindrücke und seinen Alltag in Deutschland. Zudem zeigt er Ergebnisse aus seinem partizipativen Projekt „Passport, bitte!“, bei dem er auf künstlerische Weise mit Schüler*innen zu den Themen Heimat, Grenzen und zu neuen Visionen des Zusammenlebens gearbeitet hat.

In der Lesung „Flüchtlingswege 1945-2015“ werden die Biografien von vier Personen, die zu unterschiedlichen Zeiten geflohen sind, präsentiert. Ihre Geschichten wurden gemeinsam mit der Autorin Mareile Seeber-Tegethoff festgehalten. Die Portraitierten aus dem Irak, Vietnam, der ehemaligen DDR und Polen/ehemaligen Westpommern werden ihre Erinnerungen und Eindrücke mit dem Publikum teilen und zum Diskutieren einladen.

Nach der Veranstaltung wird zum gemeinsamen Austausch und Essen eingeladen.



Adresse: kargah-Haus, Zur Bettfedernfabrik 1, 30451 Hannover

Infos unter: www.kargah.de

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Gegenveranstaltung zur Innenministerkonferenz in Kiel
Liebe Freundinnen und Freunde,

bei der Innenministerkonferenz in Kiel wird diese Woche über noch mehr Abschiebungen beraten. Jüngst wurde sogar bekannt, dass die Union Abschiebungen nach Afghanistan für alle abgelehnten Schutzsuchenden durchsetzen will. Davon wären dann sogar Kinder und Jugendliche betroffen. Gegen diese Politik der Abschreckung, die viele junge Menschen in Angst leben lässt und ihre Zukunft gefährdet, gehen wir nächste Woche auf die Straße und veranstalten ein Protest- und Kulturprogramm in Kiel.

Wir sagen: Wir sind die Zukunft – wir bleiben hier!

DEMO: #HIERGEBLIEBEN!
Mittwoch 12.06.2019 | 18 Uhr | Platz der Kieler Matrosen in Kiel.
Bitte verbreitet den Demo-Aufruf und kommt nach Kiel!
Facebook:https://www.facebook.com/events/902813386732414/ / Web: konferenz.jogspace.net und auf der web-Seite des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein e.V.

PRESSEKONFERENZ
Donnerstag 13. Juni 2019 | 10:00 Uhr | LPK SH Landeshaus | Kiel

GALA-ABEND: WAHL DES ABSCHIEBEMINISTERS 2019
Donnerstag 13. Juni 2019 | 19:00 Uhr | Theater am Wilhelm Platz 2 | Kiel
Bei uns dürfen alle wählen! Der Eintritt ist frei, kommt gerne vorbei und wählt mit uns den schlimmsten Innenminister!
Dazu gibt es ein Konzert mit Rapfugees und ein Kulturprogramm, dass wir zusammen mit dem großartigen GRIPS-Theater gestalten.

Von Dienstag 11. Juni bis Freitag 14. Juni 2019 wird parallel zu der Innenministerkonferenz (IMK) unsere Jugendkonferenz stattfinden. 70 Jugendliche aus verschiedenen Bundesländern werden daran teilnehmen. Schon seit 2005 protestieren wir Jugendliche ohne Grenzen (JoG), ein Zusammenschluss von betroffenen Jugendlichen und deren Freund*innen, für ein Bleiberecht und das gleiche Recht auf Bildung. Unsere Konferenz wird für und mit betroffenen Jugendlichen organisiert, um über Hintergründe von Duldung, Abschiebung und Flucht zu informieren, Wissen zu vermitteln und vor allem um Perspektiven für ein Bleiberecht zu entwickeln.

Wir freuen uns sehr, wenn ihr uns dabei unterstützt!

Herzliche Grüße
Newroz Duman

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Pro Asyl zur Innenministerkonferenz der Länder
Presseerklärung
10. Juni 2019
Zur Innenministerkonferenz der Länder

PRO ASYL fordert Abschiebemaschinerie zu stoppen
Anlässlich der am Mittwoch startenden Innenministerkonferenz fordert PRO ASYL, die Innenminister der Länder auf, die Situation in den Hauptherkunftsländern und die Unmöglichkeit einer Rückkehr in sichere Verhältnisse zur Grundlage ihrer Debatten zu machen. Die Situation in den Herkunftsstaaten Afghanistan, Syrien und Irak ist unverändert katastrophal; im Sudan eskaliert die Lage.

PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt appelliert: »Der Bundestag hat auf Druck der Union die Rechtsinstrumentarien für eine weitere Brutalisierung der Abschiebemaschinerie zur Verfügung gestellt. Nun ist es an den Innenministern der Länder eine politische Entscheidung zu treffen.« PRO ASYL fordert, die Abschiebemaschinen nach Afghanistan zu stoppen. Auch unter Flüchtlingen aus Syrien darf durch kurzfristige Abschiebestopps keine Panik geschürt werden, denn eine realistische Analyse zeigt, dass auf absehbare Zeit keine sichere Rückkehr nach Syrien möglich ist. Deshalb ist auch die flächendeckende Einleitung von Widerrufsverfahren zu beenden. Die Umstände in Syrien haben sich nicht langfristig und nachhaltig geändert. Darüber hinaus erfordert die eskalierende Lage im Sudan einen umgehenden Abschiebungsstopp.

Informationen zu Herkunftsstaaten

Afghanistan
Über 3800 Zivilist*innen verloren im letzten Jahr ihr Leben und noch nie starben in Afghanistan so viele Kinder wie 2018. Abseits der großen Städte fallen immer mehr Regionen unter die Herrschaft der Taliban, sie kontrollieren oder bedrohen wichtige Verbindungsstraßen. Überlandreisen sind daher mit großen Risiken verbunden. Anschläge hat es in den letzten Jahren bis in die besonders gesicherten Zonen der Städte hinein gegeben – mit vielen Opfern. Im Oktober 2018 hatten die Regierungskräfte laut SIGAR-Report in nur noch 54 Prozent des Landes die vollständige Kontrolle. Die Taliban konnten ihre Gebietsgewinne im selben Zeitraum verdoppeln. Rund ein Viertel des Landes bleibt zwischen den Kriegsparteien konstant umkämpft.


Außerdem wurde kürzlich bekannt, dass die von IOM betreute Übergangsunterkunft in der Stadt nicht mehr zur Verfügung steht. Für Abgeschobene, die nicht über familiäre oder sonstige Netzwerke verfügen, ergibt sich dadurch das zusätzliche Problem drohender Obdachlosigkeit. Dabei gehen sie große Risiken ein, wenn sie sich in der Stadt bewegen. Durch rein finanzielle Unterstützungsleistungen kann dieses Problem nicht gelöst werden.

Syrien
Die Einschätzung aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom November 2018, der eigens zu der damaligen IMK erstellt wurde, legt überzeugend dar, dass die Assad-Diktatur ihren Repressionsapparat weiter ausgebaut hat, dass die unterschiedlichen Geheimdienste faktisch keinen rechtlich definierten Beschränkungen unterliegen und diese Haftanstalten unterhalten, in denen systematisch gefoltert wird.

Die Verfolgungshandlungen des Assad-Regimes sind durch ein hohes Maß an Willkür gekennzeichnet. Jede Person, die auch nur verdächtigt wird, dem Regime gegenüber illoyal gesinnt zu sein, kann Opfer von Verfolgungshandlungen werden. Syrischen Flüchtlingen droht daher bei Rückkehr nach Syrien erhebliche Gefahr, Opfer willkürlicher Inhaftierung, von Folter und Verschwinden-Lassen zu werden. Insbesondere Wehrdienstentziehern und Deserteuren drohen willkürliche Strafen und / oder Zwangsrekrutierung in die syrische Armee oder in regimeloyale Milizen.

Irak
Ergebnis des Krieges im Irak ist ein Flickenteppich von lokalen und regionalen Machtgebieten und ein politisch, konfessionell und territorial tief gespaltenes Land.

Neue Berichte des UNHCR zeigen, wie prekär die Lage im Land weiterhin ist. Noch immer gibt es 1,65 Millionen Binnenvertriebene, von denen viele unter sehr schlechten Bedingungen leben. Die Regierung übt starken Druck auf Binnenvertriebene aus, zurück zu kehren, aber besonders für Angehörige religiöser Minderheiten ist eine Rückkehr in ihre Ursprungsregionen im Irak oft undenkbar – dies gilt insbesondere für Jesid*innen, die den Völkermord, Verschleppung und Versklavung überlebt haben. Die Gefahr durch den Islamischen Staat ist auch nicht gebannt, es werden weiterhin Aktivitäten wie Entführungen gemeldet.

Sudan
Wie verschiedene Medien berichten, wurde am Mittwoch Yasir Arman, Generalsekretär der oppositionellen Sudan People's Liberation Army/ Movement-North von der Militärregierung festgenommen. Yasir Arman, der noch im Februar an einer Demonstration in Hannover gegen das Regime vom al-Bashir teilgenommen hatte, war in der letzten Woche nach etlichen Jahren im Exil zu Verhandlungen mit dem Militärrat in den Sudan zurückgekehrt. Mit der Verhaftung haben die Angriffe der Militärregierung auf die Oppositionellen eine weitere Zuspitzung erfahren. Ganz offensichtlich ist der Militärrat an keiner friedlichen Einigung mit der Opposition und einer Übergabe der Macht an eine noch zu wählende demokratische legitimierte Regierung gelegen. Die Festnahme Armans macht deutlich, wie gefährdet Rückkehrer*innen sind.

Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass IOM das Rückkehrprogramm in den Sudan auf Grund der schlechten Sicherheitslage aussetzt, unterstützt PRO ASYL die Forderung des Flüchtlingsrats Niedersachsen nach einem sofortigen Abschiebungsstopp.

Eine ausführliche Analyse finden Sie in unseren Flüchtlingspolitischen Anliegen zur Innenministerkonferenz.

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Samstag, 8. Juni 2019
Buchempfehlung: Ums Überleben kämpfen
Anbei ein Hinweis auf ein neues Buch von Zain-Alabidin Al-Khatir, Geflüchteter aus dem Sudan, der aus eigenem Erleben über seine Fluchterfahrungen v.a. in Libyen berichtet. Wer dieses Buch gelesen hat, wird sich fragen, warum es nicht längst eine organisierte Rettungspolitik für Flüchtlinge in Libyen gibt. Stattdessen plant und organisiert die Friedensnobelpreisträgerin EU auch weiterhin die Abriegelung des Mittelmeers, die Aussperrung privater Seenotrettungsorganisationen und die gewaltsame Zurückschiebung von Geflüchteten, die sich aufs Meer begeben, in libysche Folterlager. Sie nennt diesen Vorgang einer aktiven Unterstützung von Menschenrechtsverbrechen euphemistisch "Grenzsicherung". Um diese Verbrechen zu beenden, müssen wir damit beginnen, eine andere Sprache für das zu entwickeln, was an den Grenzen Europas passiert. Nirgendwo wird uns der bigotte Umgang Europas mit Menschenrechten so plastisch vor Augen geführt wie gegenwärtig im Umgang mit Menschen, die aus der libyschen Hölle zu fliehen versuchen.

Ums Überleben kämpfen
Meine Flucht aus dem Sudan und Libyen nach Deutschland
138 Seiten
Arete Verlag: Hildesheim
ISBN 978-3-96423-020-1
12,00 €.arete-verlag.de

Als Zain-Alabidin Al-Khatir im November 2013 den Sudan aus politischen Gründen verlässt, hat er weder den Plan, nach Europa zu fliehen, noch ahnt er, was ihn auf seiner Flucht erwarten wird. Über Ägypten gelangt er nach Libyen und erlebt dort für ein zweijähriges Martyrium aus Ausbeutung, Erniedrigung, Willkür und Gewalt.
Tagebuchartig berichtet er von den Brutalitäten der Schleuser, der ständigen Angst, den sexuellen Übergriffen an Frauen und den vielen Gefährten, die auf dem Weg in die Freiheit gestorben sind oder zurückbleiben mussten.
Mit diesem Buch wird erstmals die Innensicht eines Flüchtlings mit seinem einzigen Wunsch, ein Leben ein Freiheit und Sicherheit führen zu können, dokumentiert und berührend vermittelt. So erhalten wir einen Eindruck von der psychischen und physischen Gewalt, die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa erleiden müssen. Zugleich wird das menschenverachtende System der Schleuser offengelegt.

Zain-Alabidin Al-Khatir wurde im Mai 1992 im Sudan in einem kleinen Dorf im Bundesstaat Nord-Darfur geboren.
Al-Khatir hat im Sudan Englisch studiert, bevor er das Land verlassen musste. Heute lebt er im Landkreis Hildesheim und macht eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker.



Arete Verlag
Osterstraße 31-32, 31134 Hildesheim
Tel. 05121/157 500, Fax 03222/378 41 37
E-Mail: becker@arete-verlag.de, www.arete-verlag.de, www.facebook.com/areteverlag, https://twitter.com/arete_verlag
Verkehrsnummer 14195

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Freitag, 7. Juni 2019
Tangut
Aus meiner grauen Erinnerung habe ich im Kopf, dass es in Ostturkestan ein Tangut-Gebirge gibt, dass ähnlich dem Astin Tagh zu den Randgebirgen des Tarim-Beckens gehört. Ich finde aber kein Gebirge dieses Namens auf einer Landkarte, und wenn ich das Wort google finde ich nur ein Volk der Tanguten. Weiss da jemand mehr?

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Donnerstag, 6. Juni 2019
Stoppt den Hass!
Über die Hintergründe zum (mutmaßlichen) Mord an Lübcke:

https://www.vice.com/de/article/mb85bq/walter-luebcke-tot-so-hasserfullt-war-die-rechtsextreme-kampagne-gegen-erschossenen-cdu-politiker?utm_source=pocket-newtab


So hasserfüllt war die rechtsextreme Kampagne gegen den erschossenen CDU-Politiker
Eine Dokumentation der Attacken und Drohungen, die seit 2015 und erneut in den letzten Monaten über Walter Lübcke hereinbrachen.


DIESER BEITRAG WURDE NACH KRITISCHEN KOMMENTAREN EINES LESERS UND KONSTRUKTIVER KRITIK EINER REGELMÄSSIGEN KOMMENTATORIN INHALTLICH ÜBERARBEITET

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Urgent Action - verhindert Abschiebungen in den Sudan, by any means necessary!
Die jüngsten Entwicklungen im Sudan sind extrem deprimierend – auf jeden Fall besteht die akute Gefahr, dass die Militärs die in den letzten Monaten erreichten Erfolge der Demokratiebewegung wieder kaputt machen könnten:


Diverse Artikel aus der taz in den letzten Tagen: http://taz.de/!p4621/

Deutsche Welle: https://www.dw.com/de/opposition-schon-100-tote-bei-gewalt-gegen-demonstranten-im-sudan/a-49061870

tagesschau: https://www.tagesschau.de/ausland/sudan-229.html


Vor diesem Hintergrund haben uns Freund*innen, die an den Kämpfen beteiligt sind, gebeten, auf der Webseite von Afrique-Europe-Interact Protestbriefe an verschiedene Akteure zu dokumentieren (Außenminister Maas, Botschaft von Sudan etc.). Das haben wir getan und möchten euch daher bitten, möglichst zeitnah Briefe runterzuladen und diese Briefe per Fax, Mail oder Post an die entsprechenden Institutionen zu schicken (Post ist nach unser Erfahrung am wirksamsten, weil jeder mit der Post ankommende Brief eigens mit Eingangsstempel versehen und weitergeleitet werden muss - die Adressen bitte jeweils im Internet kurz raussuschen):


https://afrique-europe-interact.net/1800-0-Fr-einen-demokratischen-Sudan.html


Danke und mit besten Grüßen,


Olaf (Afrique-Europe-Interact)



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Urgent action:

Stop the Attacks on Nonviolent Protesters and Civilians in Sudan!

Respect the Will of the People for a Civilian Government!


On 3rd June 2019, the Sudanese paramilitary “Rapid Support Forces” (RSF) attacked the sit-in outside the Army Headquarter in Khartoum, where thousands of protesters have gathered peacefully since 6th April to demand a transition to civilian rule. According to international media, at least 35 were killed and many more injured on 3rd June alone. The Central Committee of Sudan Doctors

furthermore reports on 5th June of 40 bodies in addition being taken out of the Nile by the RSF and brought to an unknown location, after dumping them in the Nile during the massacre. In parallel, paramilitary attacked similar protest sights in Atbara, Damazin and ElNahud.

Since 4th June, the RSF is raging through Khartoum and other cities, doing what they did before as Janjaweed in Darfur: killing, raping, stealing, abducting and spreading terror among the civilian population. Their leader, General Mohamed Hamdan Daglo (called “Hemeti”), is the vice leader of a so-called “Transitional Military Council” – by Sudanese activists being dubbed “Coup Council” – which took over after 30 year military dictator Omar Al-Bashir, was forced out of office by massive nonviolent protest since December 2018, and so was his predecessor General Ibn Auf less than 24 h later.

With unique courage and resilience, protests and strikes still continue in many places, with the “Sudanese Professional Association” calling the population for all out strike and the blocking of all roads, and people including the hope for a civilian government, freedom and peace in their Eid prayers. The protests had started in December 2018 in Atbara and Port Sudan, spread quickly all over the country, and culminated in Sit-Ins in front of Military Headquarters in many cities from 6th April onwards, as well as a general strike on 29th-30th May 2019, after a massacre in Khartoum on 13th May and a breakdown of transition negotiations.

While internet is being cut off in Sudan to stop the world from knowing what is going on, the international community is hardly responding: China and Russia are blocking even a statement of the UN Security Council, and Saudi-Arabia, Egypt and the United Arab Emirates are actively supporting the “Coup Council” and/or the RSF militia, while Russia signed a military deal with the Sudanese military for a 10 year cooperation.

The international community needs to act swiftly and sensitively, to help avoid a further spiral into violence and ensure that the rightful will of the Sudanese people for a civilian government is respected.



Take action now:

Email, fax or call the Sudanese Embassy today, condemning the attacks on nonviolent protesters and demanding that the “Transitional Military Council” withdraws all troops and militia forces from the Khartoum sit-in and other protest sites, as well as hospitals, residential areas and civilian spaces.

Contact the foreign ministry of your government and your local member of parliament. Urge them to issue a statement condemning attacks on protesters and stating that they will hold Generals Burhan and Daglo of the “Transitional Military Council” (TMC) responsible for deaths and injuries to civilians. Call on your government to stop all forms of cooperation with the “TMC” until those responsible for killing and injuring protesters are brought to justice. Call them to use all diplomatic means, to urge Saudi-Arabia, United Arab Emirates, Egypt, Russia and China to stop supporting the “TMC” and respect the will of the Sudanese people.

Circulate this appeal to your friends, trade union branch or campaign group

Read and share background information about the situation in Sudan and post messages of solidarity with the Sudanese protesters in social media.

PLEASE FIND BELOW SAMPLE LETTERS TO SEND TO THE SUDANESE GOVERNMENTS AND EMBASSY, TO THE EMBASSIES OF EGYPT, SAUDI –ARABIA, UNITED ARAB EMIRATES AND RUSSIA, AND TO THE FOREIGN MINISTRIES OF THE EU:

Statement from the Foreign Relations Committee of the Sudanese Professionals Association, 3.6.19:

In the early hours of today, Rapid Support Forces backed by security forces and Police stormed the sit-in area in front of the headquarters of the Sudanese army in the capital Khartoum. Fire bullets were used excessively and injured several unarmed citizens; uncounted numbers of them are dead. The raiding forces burned the tents in the sit-in area and used excessive physical force against the protestors. The raid and attacks against civilians are still ongoing in an attempt to break and disperse the peaceful sit-in

We consider this violation a criminal offence against the Sudanese people, and a total reversion to the old regime’s tactics and policies.

The Sudanese revolution will continue and shall prevail.

The Foreign Relations Committee, Sudanese Professionals Association
foreignrelations@sudaneseprofessionals.org

For further information visit:

https://www.facebook.com/Sudanese-Translators-for-Change-STC-410547673013811/ for up to date information and witness reports from the ground

www.menasolidaritynetwork.com , who also issued a call for action and states:

“Solidarity is crucial – what you do in the next few hours will make a difference.“

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Der Pilozost in der daoistischen Quantenmechanik
Das Gegenteil von einem Polizisten ist der Pilozost, der ihm äußerlich absolut gleicht, aber für das Gegenteil (pilozostisch: Geigentiel) sorgt: Hie Ordnung und Gesetz, da Chaos und Gesetzlosigkeit, bzw. Gesetzlichkeit nach dem Prinzip der maximalen Entropie oder "Tu was Du willst ist das gesamte Gesetz, nichts ist wahr, alles ist erlaubt".

Nach der quantendynamischen Interpretation des Zweiten Gesetzes der Thermodynamik entsteht für jeden Polizisten zwingend ein Pilozost, um das Gleichgewicht zu erhalten.

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Sonntag, 2. Juni 2019
02. Juni 2019 - 52 Jahre ohne Sorge
https://www.spiegel.de/video/vertuschung-benno-ohnesorg-berliner-polizei-video-1769669.html

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Donnerstag, 30. Mai 2019
Aufruf der Refugee Law Clinic Hannover
Liebe Interessierte,


wir möchten auf diesem Wege auf die anstehenden Projekte unseres Bundesverbandes Refugee Law Clinics Deutschland aufmerksam machen.

Aktuell entwickelt der Bundesverband für die Unterstützung und Qualitätssicherung der Rechtsberatung für Geflüchtete im Rahmen der Refugee Law Clinics in Deutschland ein Intranet. Weiterhin soll im September wieder das alljährliche Vernetzungstreffen stattfinden. Für diese beiden Projekte bittet der Bundesverband derzeit unter folgendem Link um Unterstützung: https://www.betterplace.org/de/projects/56236-refugee-law-clinics-deutschland.

Vielen Dank für Ihr und Euer Interesse!


Herzliche Grüße,


das Team der Refugee Law Clinic Hannover

______________________
Refugee Law Clinic Hannover e.V.
www.rlc-hannover.de
mail@rlc-hannover.de
Königsworther Platz 1 | Postfach 33 | 30167 Hannover | Germany

Spendenkonto:

IBAN: DE83250501800910298599
BIC: SPKHDE2HXXX
Sparkasse Hannover

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Mittwoch, 29. Mai 2019
Die Partei, die Partei...
Herzlichen Glückwunsch!

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/europawahl-die-partei-von-martin-sonneborn-erzielt-drei-sitze-a-1269379.html

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Dienstag, 28. Mai 2019
Haft ohne Straftat – Strafe ohne Verbrechen Ausstellung – Vortrag – Film
Im Rahmen des Festival Contre le Racisme

20.06.2019, 16 bis 22 Uhr
Kulturzentrum Pavillon, Lister Meile 4, 30161 Hannover
Die Abschiebehaft in Deutschland begeht dieses Jahr ein trauriges Jubiläum: Die rassistische Tradition wird 100 Jahre alt. Eingeführt in der Weimarer Republik, um vor allem Jüd_innen aus Osteuropa einzusperren und anschließend abzuschieben, wurde sie durch das Naziregime weiter verschärft und von der BRD nahtlos übernommen. Nunmehr sollen die Regelungen zur Abschiebehaft erneut ausgeweitet werden.
Die Veranstaltung veranschaulicht das Unrecht der Abschiebehaft aus unterschiedlicher Perspektive und auf verschiedene Weise.
16:00 – 18:00: Ausstellung: „Die Unmündigen“
Die Ausstellung der Berliner Künstlerin Marie Radtke zeigt auf eindrückliche Weise Portraits und Schicksale von Abschiebegefangenen, die im zentralen niedersächsischen Abschiebegefängnis in Langenhangen inhaftiert waren und versucht auf diese Weise, den „Unsichtbaren“ ein Gesicht zu geben.
18:00 – 19:30: Vortrag: Abschiebungshaft in Deutschland – Ein Überblick
Der Vortrag gibt einen Überblick über die Geschichte und den Status Quo der Abschiebehaft in Deutschland. Zudem stellt er das Leben im Abschiebegefängnis dar und bietet Raum für Fragen und Gespräche. Gleichzeitig werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie man als Einzelne*r aktiv werden kann.
20:00 – 22:00: Dokumentarfilm: „Vol Spécial“ (CH 2011, 103 Min., franz. OmdU)
Fernand Melgar zeigt intime Portraits der Inhaftierten im Abschiebegefängnis Frambois bei Genf, ihre Verzweifelung und eine Gefängnisrealität, in der die Menschlichkeit zu einer Farce verkommt.
Im Anschluss besteht Gelegenheit für Fragen und Gespräche.
Muzaffer Öztürkyilmaz und Johanna Lal arbeiten beim Flüchtlingsrat Niedersachsen und beraten tagtäglich Gefangene in der Abschiebungshaftanstalt Langenhagen.

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Erneuter Polizeiübergriff in betreutem Jugendwohnen in Berlin – Kein Schutzraum für junge Geflüchtete?
Pressemitteilung,
Flüchtlingsrat Berlin und Bundesfachverband umF, 27. Mai 2019



In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai gegen 4 Uhr verschafften sich drei PolizistInnen - offenbar auf Veranlassung der Berliner Ausländerbehörde - Zutritt zu einer Jugendhilfewohnung in Berlin-Lichtenberg, um zu prüfen, ob der dort gemeldete jugendliche Flüchtling Hamid F. [1] aus Afghanistan auch tatsächlich dort wohnt.

Als auf ihr Klingeln an der Tür niemand reagierte, klopften die PolizistInnen von draußen an die Fenster der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung und verlangten Einlass. Hamid F. ist traumatisiert und in psychiatrischer Behandlung, was auch der Ausländerbehörde bekannt sein müsste. Er benötigt starke Medikamente, um schlafen zu können.

Hamid F. verstand nicht, was die PolizistInnen wollten. Er öffnete die Tür. Hamid F. hatte Angst. Er wusste nicht, dass er die Polizei nur mit einem Durchsuchungsbeschluss - den sie nicht hatte - in die Wohnung hätte einlassen müssen. Die PolizistInnen betraten die Wohnung, gingen direkt in Hamid F.‘s Zimmer und ließen sich sein Ausweisdokument zeigen. Daraufhin befragten sie ihn zu seinen Fluchtgründen und seinem Fluchtweg. Er reagierte auf Grund der Medikamente und des Traumas sehr verzögert. Sie erklärten ihm, er müsse Deutschland verlassen und am nächsten Tag bei der Ausländerbehörde vorsprechen. Sonst würde man ihn abholen und abschieben. Hamid F. zeigte ihnen an der Pinnwand im Flur die Telefonnummer des diensthabenden Bereitschaftsbetreuers der Jugendhilfeeinrichtung, der jedoch nicht benachrichtigt wurde.

Hamid F. befindet sich noch im Asylverfahren. Er kann deshalb gar nicht abgeschoben werden. Berlin schiebt erwachsene abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan nur in Ausnahmefällen bei schweren Straftaten ab, was auf Hamid F. nicht zutrifft. Die Polizei ist auch in keinster Weise zuständig für Befragungen zu den Fluchtgründen und Fluchtwegen, erst recht nicht unangekündigt nachts um 4 Uhr. Hamid F. geht es seit dem Vorfall psychisch deutlich schlechter.

„Dass die Berliner Polizei mitten in der Nacht in eine Jugendhilfeeinrichtung eindringt, um einen dort wohnenden schwer traumatisierten Jugendlichen zu den traumatischen Fluchtereignissen zu befragen, ist ein ungeheuerlicher Skandal“, so Nora Brezger vom Flüchtlingsrat Berlin. „Dies liegt nicht im Verantwortungs- und Kompetenzbereich der Polizei. Ihm dann auch noch entgegen der Rechtslage zu erzählen, er würde abgeschoben, kann nur als rechtwidrige Bedrohung und Nötigung verstanden werden.“

Das rechtswidrige Eindringen Berliner PolizistInnen in die Wohnräume Geflüchteter ohne Durchsuchungsbeschluss unter systematischem Verstoß gegen den in Artikel 13 Grundgesetz gewährleisteten Schutz der Wohnung und die Maßgaben der Berliner Gerichte hat der Berliner Flüchtlingsrat bereits in mehreren Pressemitteilungen thematisiert [2]. Das Eindringen der Polizei in eine betreute Jugend-WG zur Überprüfung der Meldeadresse mitten in der Nacht, verbunden mit rechtswidrigen Befragungen und Bedrohungen ist unter keinen Umständen rechtlich zulässig.

„Ein überfallartiges nächtliches Eindringen in Jugendhilfeeinrichtungen ist in jedem Fall rechtswidrig. Sinn und Zweck der Jugendhilfe ist es, einen sicheren Ort zu bieten“, erklärt Tobias Klaus vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. „Solche Einsätze machen natürlich die Runde unter den Jugendlichen und erzeugen Angst. Diese Angst ist Gift für die Stabilisierung der Jugendlichen und ihre Lernerfolge. Und die Angst nimmt derzeit massiv zu – nicht nur in Berlin. Damit werden die Erfolge der Jugendhilfe torpediert.“

Betreute Wohnungen der Jugendhilfe sind nicht nur ein geschützter Wohnraum nach Art 13 Grundgesetz. Sie sind auch nach ihrer Zweckbestimmung besonders geschützte Räume. Unter den dort lebenden und betreuten Kindern und Jugendlichen haben viele vor oder während der Flucht Gewalt und Missbrauch erleben müssen und leiden unter schweren psychischen Belastungen.

Im Berliner Koalitionsvertrag wurde deshalb festgelegt, dass keine Abschiebungen aus Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen und Krankenhäusern mehr stattfinden. Dennoch gab es bereits zwei Fälle in 2017 und 2018, in denen Abschiebungen aus Berliner Jugendhilfeeinrichtung heraus erfolgten [3].

Wir fordern Innensenator Geisel auf, den aktuellen Fall lückenlos aufzuklären und dienstrechtliche Konsequenzen für die verantwortlichen PolizistInnen zu veranlassen. Wir fordern den Innensenator Geisel auf, die BeamtInnen der Berliner Polizei anzuweisen, den besonderen Schutzzweck von Jugendhilfeeinrichtungen zu respektieren. Die Polizei darf dort allenfalls bei Gefahr im Verzug oder mit Durchsuchungsbeschluss eindringen. Klärungen von Sachverhalten und Befragungen im Zusammenhang mit dem Asylverfahren dürfen ausschließlich bei den dafür zuständigen Behörden stattfinden.

Pressekontakt für Rückfragen zu der Berliner Situation:
Flüchtlingsrat Berlin e.V., Tel.: 030 224 76 311, E-Mail: buero@fluechtlingsrat-berlin.de

Pressekontakt für Rückfragen zur bundesweiten Situation:
Bundesfachverband umF e.V., Tel.: 030 820 97 431, E-Mail: t.klaus@b-umf.de

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Montag, 27. Mai 2019
39 % Grüne, 12% CDU
Das ist das Ergebnis der Europawahl bei uns im Viertel. Wäre in meinen jungen Jahren undenkbar gewesen.

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Der Hungerstreik der politischen Gefangenen in der Türkei ist zu Ende
Und zwar mit Erfolg: Etwa 3000 politische Gefangene überwiegend aus der HDP haben es erreicht, dass die Isolationshaft von Abdullah Öcalan aufgehoben wurde. Ein Etappensieg.

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Sonntag, 26. Mai 2019
Jahreshauptversammlung Flüchtlingsrat Niedersachsen
Da trafen wir uns mal wieder, war toll die alten Genossinnen und - nossen nach teils Monaten, teils Jahren und in einem Fall Jahrzehnten wiederzusehen. Eine schöne Brünette begrüßte und umarmte mich und meinte "Ey, Che, lange nicht mehr gesehen!" Ich erkannte sie nicht, dabei war das eine Genossin die ich seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hatte und die damals tolle Sachen gebracht hatte. Wir haben damals Straßenfeste veranstaltet mit Döner, Kebap und Felafel verkaufen, Bücherstände und Ähnliches und sie gehörte zu denen, die die Erlöse dann in Bargeld nach Kurdistan/Irak brachten, in der eigenen Unterwäsche verborgen und illegal über die Grenze, dort unterwegs im Jeep mit lafettiertem MG und Schützen, um das Geld direkt denen in die Hand zu drücken die es brauchten. Auf diese Weise haben wir den Wiederaufbau einer zerbombten Brücke über den Tigris und das Gehalt für einen Lehrer in einer von uns auch wiederaufgebauten Schule in Pengwin bei Süleymania finanziert. "Hoch die internationale Solidarität!" war für uns keine Demoparole, sondern alltäglich gelebte Praxis. Haben auch eine Frau aus einem türkischen Folterknast herausgeholt, die heute im Irak in der verfassungsgebenden Kommission für eine Republik Kurdistan sitzt.

Nun ja, kommen wir zu den Themen der Tagung.


Auf kommunaler Ebene gibt es keine Mindeststandards für die Unterbringung von Flüchtlingen. Erstaufnahmeeinrichtungen die eigentlich nur für eine Unterbringung für einige Wochen vorgesehen sind werden in vielen Fällen zu Dauerunterbringungsorten. Problem der Beschulung wird zunehmend gelöst durch Unterricht in regulären Schulen.

Es gibt kaum noch Unterschiede zwischen Abschiebehaft und Strafhaft, Flüchtlinge, auch Kinder, werden wie Verbrecher behandelt.

Im Juli startes ein neues Projekt zum Thema Bleiberecht. Wie bekommen wir Menschen aus der Langzeitduldung heraus zu einem Aufenthaltstitel?

Highlight war der Vortrag von Behrenice Böhlo (tolle Frau, by the way), bei dem man merkte, dass sie Foucault, Zizek und Mouffe gelesen hat und zu operationalisieren versteht.

Kriminalisierung von Flüchtlingen und Flüchtlingsräten

Es gab keine Grenzöffnung, die EU-Grenzen sind offen.
Was stattfand war der Verzicht auf das Zurückhalten von Flüchtlingen.



Es wurde keine Beschleunigung der Asylverfahren erreicht.
Seit 2015 hat sich die Behandlung der Flüchtlinge massiv verschlechtert.
Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt und das Nachzugsrecht von Angehörigen sowie der Schutz alleinreisender Jugendlicher waren alle auf gutem Weg, davon ist nichts übriggeblieben.
Die BAMF-Vertreter in den Asylverfahren sind fast ausnahmslos Verwaltungsjuristen im Alter von 34, 35 Jahren ohne jede Kenntnis der politischen Verhältnisse in den Herkunftsländern oder der sozialen Situation der Flüchtlinge.

Die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge ist angestiegen, ihre Behandlung ist massiv verschlechtert worden.

Schizophrene Diskursdynamik

Deutsche und europäische Politik kreist um die Flüchtlingsfrage während die objektive Lage der Flüchtlinge katastrophal ist, es geht im Diskurs aber darum wie man die Flüchtlinge schneller loswird und abschiebt. Der Türkeideal hat nicht funktioniert: Die Türkei lässt 0% Flüchtlinge nach Griechenland, die Flüchtlinge die in den Hotspots in Griechenland ankommen kommen als Bootsflüchtlinge. Griechenland selbst hat angefangen abzuschieben. Zentrale Aussage der Politik ist im Grunde: „Gewöhnt Euch an das Sterben im Mittelmeer!“

Das Recht von Menschen auf die Suche nach einem besseren Leben wird negiert

Unmittelbar vor der sogenannten Grenzöffnung fand eine Konsultation von Bundesregierung und Bundespolizei statt, bei der die Bundespolizei vorschlug die Grenzen so dichtzumachen wie beim Gipfel in Heiligendamm die Bannmeile. Auf die Frage wie lange das durchzuhalten ist wenn alle Kräfte mobilisiert werden wurde geantwortet „ein paar Wochen“, das würde aber ausreichen damit auf den Fluchtrouten die Botschaft rüberkommt dass es sich nicht mehr lohnt nach Deutschland zu flüchten. Da erwiderte das Innenministerium das man das nicht machen könne da es europäischem Recht widerspricht. Nach dem Dublin-Abkommen müssen die Flüchtlinge zunächst aufgenommen werden. Es war also nicht Merkel die die Flüchtlinge einlud, die Entscheidung kam aus dem BMI. Als Seehofer mit dem Rücktritt drohte wenn nicht verschärft abgeschoben würde war das ein Verstoß gegen geltendes Recht, bewegte er sich im rechtsfreien Raum. Der Staat bricht seine eigenen Gesetze.

Die Auffassung konservativer Staatsrechtler dass das Recht des Staates auf Grenzsicherung ein absolutes sei bedeutet de facto und de jure die Menschenrechte zur Disposition zu stellen. Das „Vollzugsdefizit“ bei Abschiebungen wird in der Öffentlichkeit als das zentrale Problem der Politik wahrgenommen. Die Politik kümmert sich nicht um Ursachen sondern nur um Symptome. Der Mangel an Dolmetschern, SozialarbeiterInnen usw. macht beschleunigte Asylverfahren völlig unmöglich. In dieser Situation beginnt der Staat mit der Kriminalisierung der Flüchtlingsräte die nichts anderes tun als sich für die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahren einzusetzen. Es finden bereits Razzien in Kanzleien von Asylanwältinnen und Praxen von Ärzten die Flüchtlinge behandeln statt. Wir brauchen neue Institutionen, neue Verfahrenswege, neue Herangehensweisen um diese Probleme zu lösen. Im Mittelpunkt muss das Recht stehen Rechte zu haben.



Aktionen wie die Welcome United Demo in Hamburg, die Bleiberechtsdemo „Unteilbar“ in Berlin mit 400 beteiligten Organisationen und Fridays for Future, die von außen betrachtet scheinbar aus dem Nichts kamen zeigen was für ein großes zivilgesellschaftliches Potenzial mobilisierbar ist. Von staatlicher Seite wird teile und herrsche praktiziert indem soziale Frage und Flüchtlingsfrage gegeneinander ausgespielt werden, die AFD ist hier nur eine Zuspitzung der staatlichen Politik.

Dem müssen wir sozialen Widerstand entgegensetzen und neue Bündnispartner suchen, etwa Easy-Jet-Streikende, Klimaaktivisten, MieterInnenaktivitäten und Flüchtlinge zusammenbringen. Auf institutionellem Wege sind wir im Augenblick massiv am Verlieren; praktisch müssen wir uns auf einer strategischen und analytischen Ebene neu aufstellen. Aktionen auf der Straße, Vernetzung mit anderen sozialen Bewegungen und pragmatische Maßnahmen wie z.B. die Einstellung von Flüchtlingen in Handwerksbetrieben mit Stellenmangel müssen aufeinander bezogen werden, es gilt aus der empirischen Erfahrung heraus eine Gesamtstrategie abzuleiten.

Uns steht keine geschlossene Gegenseite gegenüber, ebenso wie es Bündnispartner gibt die wir nicht sehen – etwa Bürger in Nauen die aggressiv gegenüber dem Landrat auftraten etwa in dem Wortlaut: „Det könnse nich machen den Ali nach Italien schicken zum Betteln aufde Straße, det is doch Schitt. Der jehört zu uns!“




Wir müssen einen Schalter umlegen und einen Gegendiskurs zur hegemonialen Erzählung in Gang bringen. Wer sagt denn dass die Mobilisierungskraft von Fridays for Future nicht auch für Flüchtlings/Antirassismusbewegung aufgebracht werden könnte?



Lesebefehl: „Erschlagt die Armen!“

https://www.medimops.de/shumona-sinha-erschlagt-die-armen-roman-gebundene-ausgabe-M03894018208.html?variant=UsedGood&utm_source=PSM_KOO&utm_medium=cpc

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Donnerstag, 23. Mai 2019
Vom faulen Zauber der Homöpathie
Dieser Beitrag hier ist ja Wasser auf meine sämtlichen Mühlen:

https://www.nzz.ch/wochenende/gesellschaft/homoeopathie-natalie-grams-kaempft-gegen-die-glaubenslehre-ld.1481938?utm_source=pocket-newtab



Wir hatten vor langer Zeit ja mal einen größeren Thread zu der Thematik

https://che2001.blogger.de/stories/1699322/#1699617

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Dienstag, 21. Mai 2019
Abarakadabara
Magistri di Palevera,
die Birn schwillt rot,
der Arsch ist weich,
Staatsskandal in Österreich!

Wahrlich, ich sage Euch, bald schon wird am Himmel ein gewaltiger Arsch erscheinen, der Euch fürchterlich zusammenscheißt.

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Ohne Worte
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/exxon-sagte-co2-gehalt-der-atmosphaere-fuer-2019-genau-voraus-a-1267915.html

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Sonntag, 19. Mai 2019
Mein Film des Jahres
Das ist der Strache-Video. Der bekommt von mir den Oscar für investigativen Journalismus, den Oscar für Spaßguerrilla, den Oscar für Spackenklatschen, außerdem die Wertung Boo, Insider und Final. Weiter so!

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Kerngedanken zu Marx, Zizek und dem ganzen Drumherum
Bei Bersarin war ein Thread der sich ursprünglich mal mit Theater beschäftigte ausgeufert zu einer Debatte, in der Mitdiskutant Dieter Kief Dinge über Marx formulierte, die entschiedenen Widerspruch bei Bersarin, Nörgler, Netbitch und mir auslösten, wobei er inhaltliche Korrekturen an seiner nachweislich falschen Sicht der Marx´schen Lehre nicht zur Kenntnis nahm und schließlich ohne einen Nachweis dafür zu liefern behauptete, der linke Philosoph Slavoj Zizek hätte sich bei der Torontoer Disputation mit dem kanadischen Psychologen und Neocon Jordan Peterson zu Marx dahingehend geäußert dass er desen Lehre ausdrücklich ablehne und hierbei Übereinstimmung mit Peterson erzielt. Ich hatte angekündigt hierzu noch meine Sicht der fraglichen Theoriezusammenhänge darzustellen, hatte dann zunächst aber keine Zeit, zudem das ganze Thema ziemlich sperrig ist. Nachdem ich heute aber ohnehin meine Kickboxstunde und dort linke Haken und linke Gerade trainiert hatte was ich trotz offiziell kaputter Schulter (mir fehlt der halbe Oberarmkopf) richtig gut konnte möchte ich den Schwung jetzt nutzen.


Um mal Marxens Arbeitswerttheorie und den tendenziellen Fall der Profitrate als wichtigste Kernthemen der Marxschen Theorie zusammenzufassen folgendes:

„Die politische Ökonomie hat nun zwar, wenn auch unvollkommen, Wert und Wertgröße analysiert und den in diesen Formen versteckten Inhalt entdeckt. Sie hat niemals auch nur die Frage gestellt, warum dieser Inhalt jene Form annimmt, warum sich also die Arbeit im Wert und das Maß der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Wertgröße des Arbeitsprodukts darstellt?“
Dass lebendige Arbeit sich in der Warenform niederschlägt, die Ware selbst wird als tot angesehen, ist Marx zufolge ein gesellschaftliches Konstrukt und kein natürliches Ding, Baudrillard sollte später vom Simulakrum, dem gesellschafts- und geschichtsmächtigen Trugbild sprechen. Den bürgerlichen Ökonomen hingegen gelten Dinge wie der „Arbeitswert“ „ihrem bürgerlichen Bewußtsein für selbstverständliche Naturnotwendigkeit“ [Marx: Das Kapital. MEW Bd. 23, S. 95].


„Das Geschwätz über die Notwendigkeit, den Wertbegriff zu beweisen, beruht nur auf vollständiger Unwissenheit, sowohl über die Sache, um die es sich handelt, als die Methode der Wissenschaft.“


„Diese Wertberechnung selbst hat also zu ihrer Voraussetzung eine gegebne historische Stufe der gesellschaftlichen Produktionsweise und ist selbst ein mit derselben gegebnes, also historisches verhältnis“
Daraus ergibt sich, dass der Tauschwert bzw. Warenwert nicht aus dem Gebrauchswert einer Ware erwächst, sondern aus dem Zeitfaktor der zur Herstellung der Ware benötigt wurde und aus den Lohnkosten des Arbeiters. Entscheidende Größe ist der der kapitalistischen Produktionsweise zugrundeliegende Mehrwert. Dieser Wert ist auch nur in der kapitalistischen Produktionweise denkbar, die Wertbegriffe anderer Gesellschaftsformationen sind grundsätzlich andere.


Da der dieser Lehre zufolge nur die menschliche Arbeit wertschöpfend ist (Mehrwerttheorie), sinkt bei zunehmender Kapitalintensität und konstanter Mehrwertrate die Profitrate (definiert als das Verhältnis von Mehrwert (Profit) zu insgesamt eingesetztem konstantem Kapital und variablem Kapital). Der Profitratenfall zwingt die Unternehmer zu einer Erhöhung der Ausbeutung (Anstieg der Mehrwertrate), zu verstärktem Kapitaleinsatz, um die geringere Kapitalrentabilität durch eine größere Gewinnsumme zu kompensieren sowie zur Anwendung der fortschrittlichsten (Arbeitskräfte sparenden) Technologie.

Dadurch lässt sich der tendenzielle Fall der Profitrate jedoch nicht aufhalten, sondern verstärkt sich nur noch weiter.


Das Ganze findet im Weltmaßstab statt und läuft Marx zufolge auf eine irgendwann stattfindende finale Krise des Kapitalismus selbst hinaus. Marx und Engels zufolge ist eine sozialistische Revolution als Ergebnis dieser Krise in den am weitesten entwickelten kapitalistischen Nationalökonomien zu erwarten.


„Alles, was ich weiß, ist, dass ich kein Marxist bin“ – Karl Marx
Lenin, Stalin, Trotzki, Mao stehen damit außerhalb der Marxschen Lehre. In Russsland und China hätten gar keine sozialistischen Revolutionen stattfinden können.

Und aus streng marxologischer Sicht waren das in Wirklichkeit nachholende industrielle Revolutionen in rückständigen Gesellschaften, eine Art Hau-Ruck-Kapitalismus mit dem Staat als einzigem Kapitalisten.
Und insofern haben dann die Anarchisten Bakunin und Kropotkin Recht, die der Auffassung waren, vorderstes Ziel einer russischen Revolution müsste zunächst die Zertrümmerung der zutiefst autoritären Struktur der russischen Gesellschaft und ihr Ersatz durch libertinäre Strukturen sein.


„Nehmt den radikalsten Revolutionär und setzt ihn auf den Thron aller Russen, und in einem Jahr wird er schlimmer als der Zar sein.“ – Michail Bakunin


Und noch Marx dazu:
„Nur durch die Schwankungen der Konkurrenz und damit der Warenpreise setzt sich das Wertgesetz der Warenproduktion durch, wird die Bestimmung des Warenwerts durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit eine Wirklichkeit. Daß dabei die Erscheinungsform des Werts, der Preis, in der Regel etwas anders aussieht als der Wert, den er zur Erscheinung bringt, dies Schicksal teilt der Wert mit den meisten gesellschaftlichen Verhältnissen. Der König sieht meist auch ganz anders aus als die Monarchie, die er vorstellt.“ (Marx: Das Elend der Philosophie, MEW Bd. 4, S. 565-566.)


„Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist Arbeitszeit, erheischt, um irgendeinen Gebrauchswert mit den vorhandenen gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit darzustellen. Nach der Einführung des Dampfwebstuhls in England z.B. genügte vielleicht halb so viel Arbeit als vorher, um ein gegebenes Quantum Garn in Gewebe zu verwandeln. Der englische Handweber brauchte zu dieser Verwandlung in der Tat nach wie vor dieselbe Arbeitszeit, aber das Produkt seiner individuellen Arbeitsstunde stellte jetzt nur noch eine halbe gesellschaftliche Arbeitsstunde dar und fiel daher auf die Hälfte seines frühern Werts.
Es ist also nur das Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit oder die zur Herstellung eines Gebrauchswerts gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, welche seine Wertgröße bestimmt. Die einzelne Ware gilt hier überhaupt als Durchschnittsexemplar ihrer Art. Waren, worin gleich große Arbeitsquanta enthalten sind oder die in derselben Arbeitszeit hergestellt werden können, haben daher dieselbe Wertgröße. Der Wert einer Ware verhält sich zum Wert jeder andren Ware wie die zur Produktion der einen notwendige Arbeitszeit zu der für die Produktion der andren notwendigen Arbeitszeit.’Als Werte sind alle Waren nur bestimmte Maße festgeronnener Arbeitszeit.‘


Die Wertgröße einer Ware bliebe daher konstant, wäre die zu ihrer Produktion erheischte Arbeitszeit konstant. Letztere wechselt aber mit jedem Wechsel in der Produktivkraft der Arbeit. Die Produktivkraft der Arbeit ist durch mannigfache Umstände bestimmt, unter anderen durch den Durchschnittsgrad des Geschickes der Arbeiter, die Entwicklungsstufe der Wissenschaft und ihrer technologischen Anwendbarkeit, die gesellschaftliche Kombination des Produktionsprozesses, den Umfang und die Wirkungsfähigkeit der Produktionsmittel, und durch Naturverhältnisse. […]

Allgemein: Je größer die Produktivkraft der Arbeit, desto kleiner die zur Herstellung eines Artikels erheischte Arbeitszeit, desto kleiner die in ihm kristallisierte Arbeitsmasse, desto kleiner sein Wert. Umgekehrt, je kleiner die Produktivkraft der Arbeit, desto größer die zur Herstellung eines Artikels notwendige Arbeitszeit, desto größer sein Wert. Die Wertgröße einer Ware wechselt also direkt wie das Quantum und umgekehrt wie die Produktivkraft der sich in ihr verwirklichenden Arbeit. (Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 53 ff.)


„Es ist überhaupt in der Gestalt des Marktpreises und weiter in der Gestalt des regulierenden Marktpreises oder Marktproduktionspreises, daß sich die Natur des Werts der Waren darstellt, sein Bestimmtsein nicht durch die zur Produktion eines bestimmten Warenquantums oder einzelner Waren individuell, für einen bestimmten einzelnen Produzenten notwendige Arbeitszeit, sondern durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit; durch die Arbeitszeit, die erheischt ist, unter dem gegebnen Durchschnitt der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen das gesellschaftlich erheischte Gesamtquantum der auf dem Markt befindlichen Warenspezies zu erzeugen.“ (Marx: Das Kapital, MEW Bd. 25, S. 654)

„Ursprünglich erschien uns die Ware als ein Zwieschlächtiges, Gebrauchswert und Tauschwert. Später zeigte sich, daß auch die Arbeit, soweit sie im Wert ausgedrückt ist, nicht mehr dieselben Merkmale besitzt, die ihr als Erzeugerin von Gebrauchswerten zukommen. Diese zwieschlächtige Natur der in der Ware enthaltenen Arbeit ist zuerst von mir kritisch nachgewiesen worden.“ (Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 56)

HABERMASENS IRRTUM

Eine eher fatale Rezeption der Werttheorie bzw. ihre Reduktion auf eine reine Arbeitswerttheorie findet sich bei Jürgen Habermas, der wichtige Aspekte der Marx´schen Theorie leider ausblendet.

"Mit der Industrieforschung großen Stils wurden Wissenschaft, Technik und Verwertung zu einem System zusammengeschlossen. Sie verbindet sich inzwischen mit einer staatlichen Auftragsforschung, die in erster Linie den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt auf militärischem Gebiet fördert. Von dort fließen die Informationen in die Bereiche der zivilen Güterproduktion zurück. So werden Technik und Wissenschaft zur ersten Produktivkraft, womit die Anwendungsbedingungen für Marxens Arbeitswerttheorie entfallen. Es ist nicht länger sinnvoll, die Kapitalerträge für Investitionen in Forschung und Entwicklung auf der Grundlage des Wertes der unqualifizierten (einfachen) Arbeitskraft zu berechnen, wenn der wissenschaftlich-technische Fortschritt zu einer unabhängigen Mehrwertquelle geworden ist, gegenüber der die von Marx allein in Betracht gezogenen Quelle des Mehrwerts: die Arbeitskraft der unmittelbaren Produktion, immer weniger ins Gewicht fällt." (Habermas, Technik und Wissenschaft als 'Ideologie', S. 79 f.)


Habermas erfasst nicht das dialektische Wechselverhältnis von Produktions- und Zirkulationssphäre, der tendenzielle Fall der Profitrate findet bei ihm sozusagen nicht statt. Sein Wertbegriff reduziert sich auf die Wertdefinition in Kapital Band 1.


Zu Marxens Zeiten erschien das Industrieproletariat als die revolutionäre Klasse, von deren Emanzipationskampf gesellschaftlicher Fortschritt und letztendlich eine über Zwischenstufen zum Kommunismus führende soziale Revolution ausgehen würden. Auch hier sieht man dass der Marxismus-Leninismus keine Grundlage bei Marx hat:

Analphabetische Bauern als Träger der sozialen Revolution statt politisch bewusster Arbeiter, eine Partei Neuen Typs mit zentralistischer Kaderorganisation statt Massendemokratie, das stand weit außerhalb der Marx´schen Annahmen und auch der Organisationsformen der 1. und 2. Internationale.

Seit damals haben sich Lebensbedingungen und Selbstverständnis der Industriearbeiterschaft in den Metropolenstaaten radikal verändert. Ein objektives Proletariat, d.h. eine Arbeiterschaft die im Zentrum des Produktionsprozesses steht und materiell in Armut lebt gibt es hierzulande in dieser Form nicht mehr.

Etwa die Hälfte der Industriearbeiter die ich so kenne lebt im eigenen Einfamilienhaus, für einige habe ich selber Baufinanzierungen gemacht, damit die sich ein zweites Haus als Anlageobjekt bauen konnten.

Demzufolge scheidet die Industriearbeiterschaft der hochentwickelten Staaten des Nordens und Westens als revolutionäre Klasse aus. Damit hat aber weder die Weiterentwicklung des Kapitalismus aufgehört noch die Dynamik der Klassenkämpfe.

Um das Ganze begreifen zu können muss es allerdings zum einen aus der Adlerperspektive betrachtet werden, d.h. Im Weltmaßstab, und zum anderen aus der Ameisenperspektive, d.h. dem Alltag der Marginalisierten heraus.

Entsprechende Theoriemodelle wurden hierzu entwickelt.

ABSCHIED VOM PROLETARIAT

Einer der prominentesten Ansätze geht auf den neben Horkheimer, Adorno und dem in diesem Kontext meist schwer vernachlässigten Erich Fromm wichtigsten Vertreter der Frankfurter Schule zurück, nämlich Herbert Marcuse. Angesichts der Blüte von Jugendsubkulturen in den USA wie Hippies, Freaks und Yippies und der Verbundenheit der Jugendrevolte mit der Bürgerrechts- und Antivietnamkriegsbewegung postulierte er Randgruppen, Subkulturen und ethnische Minderheiten als neue Träger emanzipatorischer Bewegungen. Wie Habermas verlor er dabei die Ökonomie aus den Augen – politische Bewegungen die keine zentrale Bedeutung im Produktionsprozess spielen machen auch keine soziale Revolution.

In Deutschland wurde die Randgruppentheorie in teilweise bizarrer Weise rezipiert, so vertrat das Heidelberger Sozialistische Patientenkollektiv, eine der Keimzellen der späteren RAF die These, psychisch kranke Menschen seien eine revolutionäre Avantgarde. Ihre Parole „Aus der Krankheit eine Waffe machen“ wurde später von Autonomen mit „Das Brett vorm Kopf zur Waffe machen“ veralbert.

Damit sind wir bei den Autonomen. Diese entstanden ursprünglich nicht als mit dem Punk verbundene Protestbewegung junger Leute, sondern bildeten den militanten Kern der italienischen Arbeiterbewegung in einer Welle wilder Streiks, die völlig überraschend für Medien und Establishment Anfang der 1970er Jahre vom FIAT-Stammwerk in Turin losbrachen.

DER OPERAISMUS

Ironischerweise zu einem Zeitpunkt, als die Randgruppentheorie Furore machte brachte die Streikwelle mit spektakulären Aktionen den Klassenkampf in einer sehr harten Form zurück auf die Tagesordnung. Aktionsformen waren Meister verprügeln, Sabotage, Chefs einsperren und Straßenmilitanz bis zum Schusswaffengebrauch gegen die Polizei. Als politische Bewegungen gingen Autonomia als massenmilitante Straßenbewegung und die Roten Brigaden als Stadtguerrilla aus diesen Kämpfen hervor. Die Autonomen dieser Zeit hatten ihre eigenen Theoretiker wie Toni Negri und Mario Tronti, die im Bemühen, analytisch zu erfassen wer hier denn eigentlich das revolutionäre Subjekt sei den marginalisierten Migrationsarbeiter ausmachten: Die Träger der Aktionen waren primär Leute, die keinem traditionellen Arbeitermillieu angehörten, sondern erst kürzlich aus dem agrarisch geprägten Süden nach Norditalien gekommen waren und die entfremdete Fabrikarbeit als gewalttätigen Angriff auf ihre Körperlichkeit wahrnahmen.

BIOMACHT UND EIGEN-SINN

Hier ist dann eine Anknüpfung an Foucaults Körpergeschichte und sein Konzept der Biomacht gegeben, zugleich können auch diese unangepassten Arbeiter als eine Art Randgruppe angesehen werden – die allerdings im Gegensatz zu den Jugendsubkulturen oder der Studentenbewegung im Mittelpunkt des Produktionsprozesses steht.

ANTIIMPERIALISMUS

Leider knüpften an diesen als Operaismus bekannt gewordenen Theoriestrang die wesentlichen Theoriestränge der damaligen radikalen Linken nicht an.

Stattdessen wurde die Antiimperialismus-Position gewissermaßen zur Achse des Denkens der nichtparteiförmigen radikalen Linken, von Anarchisten im engeren Sinne abgesehen. In ihrer purifizierten Form, die in Deutschland nur von den sektenartigen Antiimps vertreten wurde, die als Grundtendenz aber sich weltweit bei linksradikalen Strömungen wiederfand und zum Beispiel auch die Programmatik von Arbeiterparteien und Organisationen wie den südafrikanischen ANC bis heute beeinflusst bedeutete sie Folgendes: Der Klassenwiderspruch hat mittlerweile einen geopolitischen Charakter angenommen, das Weltproletariat ist die werktätige Bevölkerung der drei Kontinente Südamerika, Afrika und Asien südlich der damaligen Sowjetunion, nur von dieser kann eine Revolution die nur als Weltrevolution denkbar ist ausgehen.

Aufgabe der Linken in den Metropolenstaaten kann es nur sein, soziale Projekte in diesen Ländern und Flüchtlinge aus diesen Ländern zu unterstützen, jede Form von Ausbeutung dieser Länder zu bekämpfen, z.B. durch Proteste oder Bombenanschläge gegen Unternehmen wie Shell oder Billigkleiderhersteller die in Armutsländern zu Hungerlöhnen produzieren lassen und die Bekämpfung des Militärisch-Industriellen Komplexes in den Metropolen, was von Engagement in der Friedensbewegung bis zur Mitgliedschaft in bewaffneten Gruppen wie der RAF reichen könne.

SOZIALREVOLUTIONÄRE POSITION UND NEUER ANTIIMPERIALISMUS

Als Gegenposition wurde die Theorie der permanenten Neuzusammensetzung der Unterklasse in den 1990er Jahren mit unterschiedlichen Schwerpunkten von dem deutschen Historiker Karl Heinz Roth, der Redaktionsgruppe Materialien für einen neuen AntImperialismus und etwas später auch Slavoj Zizek entwickelt.

Hierbei geht es um folgendes: Da die Industriearbeiterschaft in den Metropolenstaaten kein objektives Proletariat mehr ist – sie lebt nicht mehr in Armut und hat einen bürgerlichen Lebensstil angenommen, zugleich aber ständig neue Armut produziert wird – Leiharbeiter, Zeitarbeiter, Billiglohnsektor, Pauperisierung kleiner Angestelltenmilieus – kann davon gesprochen werden dass ein neues, heterogenes Proletariat am Entstehen ist. Dazu gehört dann auch die Deklassierung von Berufsfeldern die früher mal Hochlohnsektoren waren, z.B. in der IT und im Marketing, Stichwort Dauerpraktikanten und outgesourcte Billigpixler.

Bei Hartmann, Roth und den Materialien für einen neuen Antiimperialismus wird das mit einer Entwicklungstheorie verbunden die nach den Interessen der armen Menschen im Trikont und nach den Möglichkeiten praktischer Solidarität fragt, also sich für die kleinen Leute interessiert und sich von der ausschließlichen Orientierung des alten Antiimperialismus an der Solidarität mit Befreiungsbewegungen abwendet.


Zizek hingegen hat eine operaistische Sichtweise zusammengebracht mit Laclau und Mouffe, die davon ausgingen dass in der postmodernen Gesellschaft andere Kämpfe als bisherige Klassenkämpfe relevant werden, nämlich die Kämpfe marginalisierter Gruppen – Frauen, Schwule, Lesben, Migranten u.a. und dass für diese Gruppen eine Befreiungsperspektive nur sichtbar wird wenn sie ihre radikal subjektive Eigenperspektive gegen den gesellschaftlichen Mainstream wenden.

Wobei Chantal Mouffe als Antwort auf den erstarkenden Rechtspopulismus weltweit einen Populismus von links fordert, der polemisch, laut, aggressiv und politisch unkorrekt zu sein habe, bei ihr vermischen sich die Positionen Foucaults und des Operaismus mit situationistischen Ideen.

Daran anküpfend vertritt Zizek einen radikalen Partikularismus der erst in der Auseinandersetzung mit dem Bestehenden zur Möglichkeit kommt Einfluss auf das Allgemeine zu nehmen oder sogar zum Allgemeinen zu werden. In der gemeinsam mit Detlef Hartmann verfassten Antwort auf Empire von Negri und Hardt läuft das auf eine neue Revolutionstheorie hinaus.

Das markiert in etwa das Kräftevektorenumfeld, in dem sich Zizeks theoretische Vorstellungen entwickelt haben, und das hat nichts wie von Kief behauptet mit einem Philosophen zu tun der Marx grundsätzlich ablehnt weil dessen Lehre zu gewalthaltig sei.

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Donnerstag, 16. Mai 2019
Zum Tod von John Singleton
Rest in peace, you´ll ever stay in the hood!

https://www.youtube.com/watch?v=ERWREcPIoPA

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Wiglaf Droste ist tot
Er war ein Mann von großem Sprachwitz, der die linke Szene, namentlich ML (nicht Marxisten-Leninisten, sondern die Moralische Linke, das politisch überkorrekte Spektrum, von uns meist die Spackenfraktion genannt) und SDL (Sonderbar durchgeknallte Linke) mit all ihrer Lustfeindlichkeit und ihrem Dogmatismus herrlich auf die Schippe nahm. Dennoch mochte ich ihn nicht, hatte er sich doch im Zusammenhang mit der Mißbrauch-mit-dem-Mißbrauch-Kampagne selber zu sehr verrannt.

In die damaligen Auseinandersetzungen selbst involviert fällt es mir auch schwer neutral zu bleiben.

Statt hier selber einen Nachruf zu schreiben verlinke ich daher auf das Blog von Bersarin:

https://bersarin.wordpress.com/2019/05/16/kein-elefant-mehr-im-paul-celan-laden-zum-tod-von-wiglaf-droste/

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Wie Rassismus wirkt
https://www.sueddeutsche.de/politik/carolin-emcke-kolumne-rassismus-1.4439103?utm_source=pocket-newtab

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Solidarität ist eine Waffe - 25 Jahre Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren
Büren – Am 19. 5. 1994 wurde der Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. gegründet. Seitdem unterstützt er die Gefangenen in der Abschiebehaftanstalt Büren, legt Zeugnis ab über Missstände in der Haft und verfolgt mit seiner Öffentlichkeitsarbeit das Ziel, Abschiebehaft abzuschaffen.
Jeden Donnerstag besuchen die aktiven Betreuer und Betreuerinnen des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. die Gefangenen der größten Abschiebehaftanstalt Deutschlands. Dabei werden sie mit unterschiedlichen Problemen der Gefangenen konfrontiert. Regelmäßig stellen die Gefangenen die Frage, warum sie überhaupt inhaftiert sind. Sie können sich nicht vorstellen, dass man in Deutschland bis zu 18 Monate inhaftiert werden kann, ohne dass man eine Straftat begangen hat. Eine andere drängende Frage ist natürlich, wie man es erreichen kann, aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Der Verein hilft bei der Suche nach einem Rechtsanwalt und bespricht mit den Gefangenen die Gerichtspapiere. „Wir müssen feststellen, dass in über 50 Prozent der Fälle, die wir begleitet haben, höhere Gerichte die Haft für unrechtmäßig erklärt haben“, so Frank Gockel, Pressesprecher des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren.
Der Verein hat in der Vergangenheit viele Höhen und Tiefen erlebt. „So beeinträchtigt wie heute war unsere Betreuungsarbeit jedoch noch nie“, kritisiert Gockel. Organisatorische Vorgaben der Gefängnisleitung verhindern, dass der Verein die Gefangenen sprechen kann, die zu sprechen er für wichtig hält. Zudem wird die Zuführung in die Besuchsabteilung so in die Länge gezogen, dass sich unnötige und unzumutbare Pausen in der zur Verfügung stehenden ehrenamtlichen Beratungszeit ergeben. „Wenn ich früher pro Nachmittag 10 bis 15 Menschen nach meiner Auswahlsprechen konnte, so muss ich heute froh sein, wenn mir fünf Gefangene, und zwar nach Auswahl des Gefängnisses, zugeführt werden“, so Gockel.
„Zuletzt sind die Haftbedingungen für die Inhaftierten zunehmend schlechter geworden. Seit Anfang des Jahres sorgt dafür das neue Abschiebehaftvollzugsgesetz der Landesregierung. Leider nehmen auch die Skandale in der letzten Zeit deutlich zu“, so Gockel. Er erinnert unter anderem an die Anweisung einer leitenden Beamtin, Medikamente unter das Essen zu mischen, an Fehlbestände in der Gefängnisapotheke und an den Bericht der Nationalstelle zur Verhütung von Folter, in dem zahlreiche Missstände beanstandet werden.
Der Verein setzt sich seit 25 Jahre für die Abschaffung der Abschiebehaft ein. Von 1994 an, wo allein in NRW mehr als 1.000 Menschen gleichzeitig inhaftiert waren, hat sich über die Jahre die Zahl der Häftlinge deutlich reduziert. Im Jahre 2014, als wegen der Trennung von Strafgefangenen und Abschiebehäftlingen die Haftanstalt vorübergehend geschlossen war, waren teilweise unter 10 Gefangene aus NRW. Seit der Wiedereröffnung 2015 steigt die Zahl der in Büren Inhaftierten kontinuierlich. „Aktuell sind ca. 140 Menschen inhaftiert. Die Landesregierung möchte im nächsten Schritt 175 Haftplätze schaffen, allerdings scheitert das aktuell am Personalmangel. Kaum einer will in diesem Bereich arbeiten. Aus internen Quellen wissen wir, dass bereits ein Ausbau bis auf 250 Haftplätze anvisiert wird - für Menschen, denen nicht wegen einer Straftat, sondern zur Erleichterung der Arbeit der Behörden das Grundrecht auf Freiheit genommen wird“, so Gockel.

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