Donnerstag, 21. August 2008
Der Sieg der Panzer zu Prag
40 Jahre ist sie jetzt her, die Niederwalzung des Prager Frühlings. Die Fernsehbilder von den Panzern der Ostblockländer in den Prager Straßen gehören zu meinen frühesten bewussten Kindheitserinnerungen, ebenso wie das Bild eines Vietnamesen, dem US-Soldaten mit einem Messer den Bauch aufschneiden, damit er ein Waffenversteck verrät. Ich ging noch nicht in die Schule, als ich diese Bilder sah, und sie sollten meine Realitätswahrnehmung nachhaltig prägen. Dass die Großen und Mächtigen Menschen vernichten können und dass man sich irgendwie dagegen wehren muss, das wurde zu einer zentralen Gewissheit bei mir, ehe ich lesen und schreiben konnte.

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Tin soldiers and Nixon coming, we’re finally on our own, this summer I hear the drumming, four dead in Ohio
Die unterm pathischen Wiederholungszwang der "68er"-Verfluchung Stehenden gerieten in schwerwiegende kognitive Dissonanzen, würden sie die Verdrängung des Umstandes aufgeben, daß die Prager Protagonisten ganz vorne zu nennen sind, wenn es um "die 68er" geht.

Die nachkartenwollenden Anti-"68er"-Wutanfälle – die in ihrem Hang zur nachträglichen Korrektur ganz zwanglos an die Optimierungsdiskussionen deutscher WKII-Teilnehmer hinsichtlich der Schlachten erinnern, in welchen die Wehrmacht durch "Fehler" nur zweiter Sieger wurde, und auch die Filme, in denen der Vietnamkrieg nachträglich doch noch von den Guten gewonnen wird, gehören hierher –; der Leidenschaftlichkeit dieser Nachkarter a la Dieckmann, Eva Hermann und der Hysterika Frau Röhl ist unschwer die rückprojezierte Sehnsucht abzuspüren, die Sowjetpanzer hätten nach vollbrachtem Werke die paar deutschen Studenten doch gleich miterledigen können.

In den USA – Achtung, Antiamerikanismus jetzt! – war das nicht nötig, denn John Wayne fuhr in einem Panzer auf den Campus, um die Studenten an ihre patriotischen Pflichten zu erinnern, und als das nicht half, wurden vier Studenten der Kent State University am 4. Mai 1970 von der Nationalgarde erschossen.

Es waren

Allison Krause, Bill Schroeder, Jeffrey Millner, Sandy Scheuer.

Find the cost of freedom
Buried in the ground
Mother earth will swallow you
Lay your body down.

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Solche Dinge eingedenk, verhohnepiepelten wir bei Hausbesetzungen die Bullen mit "Wenn Ihr räumt, holen wir die Russen!"

Und tatsächlich hielten in Berlin Hausbesetzer einen Mauerabschnitt monatelang unter Zwillenbeschuss, mit dem Resultat, dass die Grenzer ihre Patrouillengänge einstellten.

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Jäger des verlorenen Zusammenhangs
Die Kerr-Zitation ist nun aber schon etwas schrägt, Dean. Während der darob von Karl Kraus demontierte – vom DJV gleichwohl als hochgradige "Edelfeder" stets gehypte – Kerr als schreibtischtätiger Aufhetzer der deutschen Riesenkriegsmaschine des Ersten Weltkriegs sich betätigt, versetzt die individuell begrenzte Zwillensubversion der Maschine des Antifaschistischen Schutzwalls einige wenige und punktuelle Nadelstiche.
Wie man da Kerr und die Zwillies in einem Atemzug nennen kann, das erschließt sich mir nicht.
Der eine ist ein wilheminischer Bellizist mit 1,5 Meter schnittfestem Schaum vor dem Mund; die anderen nerven Leute, die auf Leute, die ein Staatsgebiet verlassen wollen, scharfschießen. Also bitte.

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Den Zusammenhang hat der Gastgeber dieses Blogs ja selber mit der Hausbesetzer-Russen-Ironie und deren Relation zum realen Handeln der Häuserkämpfer hergestellt. Aber im Zusammenhänge nicht sehen ist Dr Dean ja ganz groß ;-)

Sorry, der musste jetzt sein!

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Das letzte Krauszitat verstehe ich nicht in dem Bezug, in den es von Dir hier gestellt wurde.

Die Zwillies mitsamt der sie zurückrufenden Umgebungsszene sind Teil des Ursachenbündels dafür, daß der Nörgler landauf landab jedem, den es nicht interessiert, erklärt, daß er kein Linker ist.

Insoweit bürgt meine Ablehnung dieser Richtung, an der mir die ganze Richtung nicht paßt, dafür, daß nicht klammheimliche Sympathie es ist, die mich dazu motiviert zu sagen, daß Deine Annahme, die hausbesetzenden Grenzer-Beschießer näherten sich Bereichen des Kerrzitats, historisch, moralisch, juridisch und faktisch völlig daneben ist.

Der Vergleich von Gaskriegern, die die halbe Welt in Brand setzten unterstützt von der Wucht eines ganzen Volkes, seiner Industrie und seiner geistigen, technischen, wissenschaftlichen und finanziellen Kräfte, diesen Vergleich mit Zwillebubis anzustellen, ist ein Vergleich, den ich gelinde gesagt mal als obsolet bezeichne.

Man kann den Zwillies nicht die Dignität der Prager Demonstranten zugestehen, aber das hat hier auch niemand getan.

Wenn ich aber, von den Prager Panzern ganz zu schweigen, mir die Bilder der Prügelperser vom 2. Juni 1967 und der sie unterstützenden Berliner berittenen Polizei ansehe und wie sie harmlose kreuzbürgerliche brave arglose Studenten in Anzügen mit Hemd und Krawatte und weißen Blusen und dunklen Röcken mit Holzknitteln überfallen und mit Pferden und Polizeiknüppeln niedermachen, jagen, verfolgen, in Panik versetzen, schlagen, dann würde ich mir im nachhinein wünschen, da wären ein paar Dutzend Zwilleschützen gewesen, um der Gegenseite zu verdeutlichen, daß illegale Gewalthandlungen auch Folgen haben können.

Und wenn an diesem Tag dem von "Bild" und Einsatzleitung verhetzten Polizisten Kurras von einem Zwilleschützen rechtzeitig ein Ding verpaßt worden wäre, dann wäre der Mörder, getroffen von einem groben 40kmh-Geschoß wegen einer Platzwunde mit leichter Gehirnerschütterung nicht mehr in der Lage gewesen, den Mord zu begehen.
Da aber kein helfend eingreifender und lebensrettender Zwilleschütze zugegen war, feuerte der beamtete Killer ein explosionsstoffgetriebenes Projektil mit einer Mündungsgeschwindigkeit von 400kmh auf Benno Ohnesorg ab, woran der, in einer sich ausbreitenden Blutlache liegend, auf der Straße elend verreckte.

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Mordschützen durch Androhung oder Zufügung von Körperverletzung zeitweilig aus dem Verkehr zu ziehen halte ich ja für völlig legitim. Ansonsten hat die nette Bitch durchaus Recht. Demnächst lege ich Pointen-Erklärungszettel bei ;-)

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