Freitag, 3. Februar 2012
In Zwiebelschale werfen
Morgen ist Wandertag, und da es so richtig schön kalt ist habe ich die willkommene Gelegenheit, die Ranger-Klamotten anzuziehen: Polarboots, Roverhose über Adidas-Trainingshose als langer Unterhose, Holzfällerjacke, The Northface-Klettersteigjacke, Skimütze. Fehlt jetzt eigentlich nur noch der Schlitten mit den Huskies.

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Eine gewisse Art Kleidungs- und Ausrüstungsfetischismus scheint mir unter Kletterern und Bergsteigern weit verbreitet...

Täusche ich mich sehr?

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Das hat aber eher weniger mit Warenfetisch im Allgemeinen zu tun, sondern hängt damit zusammen, dass das Überleben von der Qualität der Ausrüstung abhängt. Ich habe auch eine Bergkameradin, die eine selbstgestrickte Wolljacke trägt, die durch Einnähen eines Regenschirmbezugs wasserdicht gemacht wurde. Aber um so etwas anzufertigen fehlt mir die Geschicklichkeit.

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Kleidungs- und Ausrüstungsfetischismus kann man bei den Spaziergängern sehen, die im Wald herumlaufen als wären Sie auf dem K3.

Allerdings ist es aus heutiger Sicht erstaunlich, dass noch die Spitzenbergsteiger der 30er und 40er Jahre einfach nur warme Kleidung trugen, wie alle anderen zu dieser Zeit auch. Es gab einfach keine Spezialklamotten.

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Das ist vor allem eine Frage des Gewichts: Trüge ich eine Lodenjacke statt der Nortface oder gar einen Pelz, gefütterte Hose statt Trainingshose und Outdoorhose übereinander usw. wären das ein paar Kilo mehr. Und das ist schon erheblich, wenn es ans Klettern geht, allein schon konditionsmäßig. Außerdem spielt es eine Rolle, wie gut die Klamotten warmhalten wenn es nass wird bzw. wie wasser- und winddicht die sind.

Btw: Als ich mit dem Bergsteigen anfing, in den 70ern, gab es zwar schon Spezialkleidung, die wurde aber wirklich nur von Expeditionen eingesetzt. Gore-Tex hatte genau ein Jackenmodell, eine atmungsaktive blaue Windjacke und einen armyoliven Regenponcho. Ich habe mal ein Gewitter beim Abstieg von der Hochalmspitze mitgemacht. Ich weiß nicht, ob ich das ohne Spezialkleidung überlebt hätte. Und ohne dieses atmungsaktive schweißverdampfende Zeug hätte ich mir zumindest die ein oder andere Lungen- oder Rippenfellentzündung zugezogen.

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Lieber Che, was Du beschreibst, ist eben das, was mich in dieser Szene immer wundert:

Es wird mehr über Anstrengung, Gefahr und Ausrüstung erzählt als über die prächtige Schönheit der Berge.

Diese Jacke und das Taschenmesser hat mein Leben gerettet, und wenn wir nicht rechtzeitig vor dem Steinschlag abgestiegen wären..!

Ich selbst war auf dem Olymp, dem Sri Pada, auf dem Camino del Inca über viertausend Meter und natürlich auf dem Wilseder Berg.

Wir sind dahoch spazieren gegangen, manchmal schwer keuchend, mit teils wirklich lachhafter Ausrüstung und ich behaupte, daß wir dabei mehr Spaß hatten, als die meisten derer, die uns überholten.

Nix gegen das Bergsteigen oder die Kletterei - ich selbst pflege schlimmere Hobbys.

Bewegung ist prima, aber mich beschleicht immer ein Unbehagen, wenn beim Sport die Übertragung des Leistungsprinzips auf das Privatleben zu beobachten ist.

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@molinero:
Also dass sich der Hausherr hier mehr über sein Gelörre ausließe als über die Schönheit der Berge und die Kicks beim Rauf- und Runterklettern, kann ich nicht bestätigen.

Kenne das aber aus Radlerkreisen, da wird oft auch mehr über Alu- oder Carbonrahmen und Shimano- vs. Campagnolo-Komponenten gefachsimpelt als darüber, wie geil es einfach ist, sich mit Hilfe seiner eigenen Muskelkraft so schnell da draußen bewegen zu können.

Aber das heißt nicht, dass das Material und die Klamotten völlig nachrangig wären. Wer will, kann sich wegen mir tweedride-mäßig in seiner Breitcord-Knickerbockerhose den Schritt wundstrampeln und seine Lammfellweste durchschwitzen, ich hingegen weiß, was ich an meinen atmungsaktiven Radlerklamotten habe (die ich anfangs natürlich auch für völlig affig und unnötig hielt).

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Sie weichen aus, lieber mark793.

Wer sich beim Fahrradfahren, einer Freizeitbeschäftigung, den Schritt nur deshalb nicht wundstrampelt, weil er als Vorkehrung dagegen die richtigen (und wie Sie treffend bemerken: affigen) Klamotten teuer erwirbt.. - genau darauf wollte ich hinaus.

Mir unverständlich ist dieser Leistungsgedanke im sportlichen Privatleben bei so netten und reflektierten Leuten wie Ihnen oder dem Che.

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Tja, Leistungsgedanke ist ein großes Wort, das auf sehr viele unterschiedliche Praxen anwendbar ist. Der Gedanke an die Leistung ist nach meinem Empfinden eigentlich völlig nachgeordnet, in erster Linie macht es mir enorm viel Freude, mit dem Rad zügig unterwegs zu sein. Für dieses High oder den Flow oder wie immer man es nennen will muss ich nicht am Limit bolzen, aber nur mit gemütlichem Gondeln komme ich da halt auch nicht hin. An zwei von drei Rädern habe ich keinen Tacho, das heißt, es ist mir i.d.R. weitgehend wurscht, was für eine Durchschnittsgeschwindigkeit ich fahre oder wieviele Kilometer pro Tour ich runterreiße. Es muss sich gut anfühlen, und dazu gehört auch, dass mein Hintern es mir dankt, wenn ich mit Radhose auf dem Sattel sitze statt in Bundfalten-Bermudas.

Ich vermute mal, Che wird seine Kraxelei auch nicht primär unter dem Stichpunkt Leistung sehen, sondern aus den grandiosen Momenten, der Intensität bestimmter Situationen (auch gerade der haarigen vielleicht) eine Menge Kraft und Zufriedenheit schöpfen.

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Also erstmal ist der Ausdruck "Kraxelei" etwas, das unter BergsteigerInnen als Beleidigung wahrgeniommen wird. Kraxeln heißt "schlecht bergsteigen". Und was die grandiosen Momente angeht habe ich das ja oft genug beschrieben. Mir geht es u.a. um eine fast mystisch zu nennende Erfahrung, die daraus besteht, dass das ganze innere Gesabbel abgestellt wird, die Gedanken schweigen und man nur noch fühlt und wahrnimmt und sich eins fühlt mit dem Kosmos. @Leistungsdenke: Ja, ich will auf immer höhere und schwierigere Berge, jeder Berg ist eine neue Herausforderung, aber das ergibt sich aus den bereits gemachten Touren und den eigenen Erfahrungen, nicht aus einem Leistungsdenken per se. Oder noch platter gesagt: Entweder man ist Sportler oder man ist es nicht. Die Winterwanderung im Rangerlook war eher sio eine Art privater Karneval. Megacool übrigens mein Neffe in schwarzen Arcteryx-Klamotten. Kenne ich sonst ja nur von Ines Papert und solchen.


@Olymp, Sri Pada etc: Dazu fällt mir erstmal ein, dass das keine Berge sind, bei denen Klimastürze eine besondere Gefahr darstellen. Das Kippen von +20 auf -10 Grad ist in Griechenland und Sri Lanka eher untypisch. Von "erfroren in den Tropen" habe ich auch eher selten gehört.

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