Montag, 7. Januar 2008
Atombomben unter der Autobahn
Ich schrieb einmal, dass ein Teil der Sprengschächte, die im Kalten Krieg unter westdeutschen Straßen angelegt wurden, im Kriegsfall nuklear bestückt werden sollte. Diesem wurde teilweise heftig widersprochen, das sei Übertreibung, es sei "nur" um konventionelle Sprensätze gegangen.

http://che2001.blogger.de/stories

Im aktuellen SPIEGEL ist jetzt ein Beitrag erschienen, in dem ganz explizit von nuklearen Sprengsätzen die Rede ist. Hobby-Historiker, oder sollte man Archäologen sagen, oder doch eher Neologen, haben in akribischer Kleinarbeit etliches zutage gefördert, und dazu gibt es jetzt auch eine Webseite:

http://www.lostplaces.de/

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Helmut Schmidt
hat kürzlich im Zeit-Magazin auch davon gesprochen, das rief mir Deinen Beitrag wieder ins Gedächtnis. Ich frage mich aber nach wie vor, wie weit diese Gedankenspiele wirklich gediehen waren.

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Na ja, laut SPIEGEL gab es dafür ja einen konkreten Bombentyp, dessen Verbleib bis heute geheimgehalten wird.

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Es wären ja sowohl das Gebiet der ehemaligen BRD als auch das der ehemaligen DDR Einsatzgebiet aller lustigen Waffentypen gewesen die man sich so vorstellen könnte, im ABC-Arsenal.

Man erinnere sich auch an die an gleicher Stelle (Spiegel) nach der Wende erschienenen Berichte über die Warrooms der DDR und die dort ausgeheckten Kriegsspielchen die massgeblich in Moskau erstellt wurden.

Gut für die Deutschen in Ost und West das es dazu nicht gekommen ist, kann man nur sagen. Es wäre recht egal an wessen Waffen die verreckt wären, verreckt wären sie allemal.

Die Wiedervereinigung und das Merkel sind ja duchaus das weit kleinere Übel.

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Und doch habe ich in Zeiten des Kalten Krieges die nukleare und auch sonstige Bedrohung im Wesentlichen als Popanz just for the gallery betrachtet. Unser Engagement in der Friedensbewegung hatte nicht mit den teilweise sogar verinnerlichten Weltuntergangsfantasien ihres bürgerlichen Flügels zu tun, sondern eher mit der konkreten Utopie eines blockfreien abgerüsteten Deutschland zum Einen und dem Bestreben, als Linke in der größten demokratischen Massenbewegung Westdeutschlands Einfluss ausüben und mitgestalten zu können. Die damaligen militärischen Planungen und Szenarien beider Blöcke allerdings kann man im Nachhinein nur als psychopathisch bezeichnen.Es ist die selbe Art planerischer Vernunft, die die Gasöfen von Treblinka konstruiert hat. Donovan sang damals: "Neutron,neutron,you are the estimate bomb, property stays, but the people are gone, yo´re a likeable kind of bomb!".

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Sicher war da
auch viel Hysterie mit im Spiel. Ich habe anno 84 ein Nike-Hercules-Raketenlager bewacht, in dem die Amis auch einige Nuklearsprengköpfe lagerten. Natürlich war jedem bewußt, dass diese Einrichtung womöglich schon vor dem offziellen Beginn der Feindseligkeiten Ziel von Spetsnaz-Sabotageaktionen oder dergleichen sein würde oder ansonsten wenns hoch kommt spätestens eine halbe Minute nach dem Ausbruch von Kampfhandlungen nur noch ein verstrahlter Krater sein würde. Um Terroristen oder fehlgeleitete Friedensbewegte habe ich mir im Wachdienst aber mehr Sorgen gemacht als um den "großen Knall".

Alles in allem hatte ich auch nicht unbedingt das Gefühl, weniger zum Erhalt des Friedens beizutragen als die paar versprengten Demonstranten, die an Ostern vor dem Doppelzaun des Raketenlagers rumstanden oder die Millionen, die nach Bonn gepilgert sind.

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Atom- und Ökohysterie im Wortsinn
Ich erinnere mich vor allem daran, dass es geradezu chic war, Atom-Kriegs-und Ökozid-Ängste zu verinnerlichen. Damals erschien im Berliner tip eine Kontaktanzeige einer Frau, die ihre psychosomatischen/hysterischen Probleme auf die politische Weltlage zurückführte und Gleichgesinnte suchte. Nicht aus therapeutischen Gründen, sondern weil sie sich mit solchen Leuten umgeben wollte.

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Entsprechend gepolte Geselligkeit zu finden
dürfte der Dame wohl nicht schwergefallen sein, nehme ich an. Naheliegende Gründe zum Hysterischwerden wurden in den 80ern ja frei Haus geliefert, angefangen von einem Kanzlerkandidaten Strauß über Mittelstreckenraketen und das Waldsterben bis hin zum Reaktorunglück in Tschernobyl. Und wenn ich mich richtig erinnere, war das "O Gott, wir werden alle sterben" auch schon in den Siebzigern schwer en vogue. Sonntag nachmittags trat im Öffentlich-rechtlichen Fernsehen (was anderes gabs nicht, wir hatten ja praktisch nix nachm Krieg) ein weißhaariger Professor auf, der uns vorrechnete, dass sich bei gleichbleibendem Anstieg der Weltbevölkerung um das jahr 2050 herum die Menschen auf allen Kontinenten fünf oder sechs Lagen hoch stapeln lassen, und was das für die Nahrungs- und Treibstoff-Ressourcen bedeuten würde, hatte paar Jahre vorher schon der Club of Rome skizziert. Und die Ölkrise samt den autofreien Sonntagen rückten diese Fragen nachhaltig ins Bewusstsein. Diverse Weltungangsszenarien waren uns somit schon von Kindes Beinen an vertraut wie die Augsburger Puppenkiste. Aufgrund dieser Vorbelastung und Traumatisierung sehe ich mich übrigens auch außerstande, wegen des drohenden Klimawandels zu hyperventilieren...

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Was waren wir damals unschuldig und gutmenschlich, will mir in den Sinn.

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Unschuldig?
Na, ich weiß nicht. Beim Autoquartett stach doch immer die Karre mit den meisten PS, Zylindern und Kubikzentimetern Hubraum. Und dass wir immer Cowboy und Indianer mit Schießgewehr spielten, das traf meine Eltern, die noch den Krieg erlebt hatten, ziemlich hart.

Ebenso wie es dann mein Umfeld vor den Kopf stieß, als ich mich im Gegensatz zu den meisten meiner Kumpels und Freunde doch für den Wehrdienst entschied und nicht verweigerte. In die Gutmenschenschablone, die ebenso Mitläufertum fördert wie jede andere soziale Struktur auch, wollte ich mich damals nicht pressen lassen. Auf der vermeintlich richtigen Seite zu stehen, haben sich paar Leute seinerzeit nämlich auch sehr einfach gemacht. Womit ich aber ausdrücklich nicht Dich und Deinen Weg meine. sondern so gefühlte Jusos, Leute, die politisch oder sozial nie etwas riskiert haben, weder eine Hausbesetzung noch einen persönlichen weltanschaulichen Irrtum, wie etwa in der von Moskau ferngesteuerten SDAJ mitzumischen oder bei den K-Gruppen oder Hardcore-Autonomen. Irgendwelchen Leuten, die wenns hoch kam mal den Arsch hochkriegten, auf die große Osterdemo in Bonn zu fahren und sich dabei ganz toll zu fühlen, wollte ich irgendwann nicht mehr darlegen, warum ich es für extrem fahrlässig hielt und halte, die Armee bloß den Kommißköppen und Rechtsauslegern zu überlassen. Aber ich glaube, das Thema hatten wir schon mal...

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Das Thema hatten wir alle Jahre wieder, in der Urfassung noch mit Stefanolix, auch-einer, Funzen und Netbitch dabei. Ich stimme Dir da völlig zu, abgesehen davon, dass die echten Jusos mal einen Göttinger ASTA platzen ließen, weil sie, nachdem eine Frau, die rein sozial gesehen Kontakte zur autonomen Szene hatte, im Zusammenhang mit einem brutalen Polizeieinsatz getötet wurde, nicht mehr den Schneid hatten, mit uns, die wir diese gefühlte Autonome gekannt hatten, zu koalieren.

Ich schwärzte dann sogar mal als großer Häuptling Adlerauge die ganze Küche mit Schwarzpuler, nämlich schwarzer Erde, die ich in mein Propfengewehr (das mit dem Plop) gefüllt hatte. Später war ich dann der stolze Besitzer des einzigen Gewehrs in der Nachbarschaft mit stählernem Lauf, Holzschaft und -Kolben und internem Knallpatronenmagazin,äußerlich kaum von nem echten KK zu unterscheiden, abgesehen von den Abmessungen. Und beim Quartett stach ich nicht mit Hubraum, sondern mit 100 Kanonen (Sovereign of the Seas).

Mit unschuldig und gutmenschlich meine ich, dass wir die Klimawarnungen und Bürgerkriegsbilder mit Seelenruhe hinnehmen (das meine ich jetzt im Wortsinn, die Seelen der oben von mir Beschriebenen waren ja in Unruhe) und das Lebensgefühl der Friedensbewegungs-Anti-AKW-Demo-Häuserkampfzeit, neben anderen Geschmacksnoten wie null-Bock-auf-euer-Spießerleben und den besagten Ängsten, von einem romantischen Weltverbesserertum geprägt war, das es seither nie mehr gegeben hat.

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Ja,
und dabei habe ich noch die Klage einer älteren Ewig-Studentin im Ohr, die mir Erstsemester Mitte der 80er die Ohren vollheulte, die Studis seien heutzutage so angepasst und unpolitisch, die Demo gehöre gar nicht mehr so zur studentischen Kultur wie vordem...

Trotzdem bleibt die Frage, ob die jüngeren Leute, die sich dann in den 90ern eher bei Greenpeace, Attac und dergleichen engagiert haben, weniger von romantischem Weltverbesserertum geprägt waren als wir damals. Oder ob diese Messgröße bei den einzelnen Engagierten gleich geblieben ist während sich nur die Anzahl der Engagierten insgesamt verringert hat. Ich weiß es wirklich nicht. Könnte sein, dass man da einer automatischen Fehlwahrnehmung unterliegt mit zunehmendem Alter.

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Und ich kann mich daran erinnern, dass es in meiner wahrgenommenem Umgebung in den 1990ern (!) unter linken jungen Studierenden beiderlei Geschlechts in und chic war, zweimal die Woche mit dem 70cm Schlagstock den Straßenkampf mit Bullen oder Nazis zu trainieren und auf jeder Demo den Stock dabei zu haben. Wobei die Mehrzahl nicht wirklich militant, sondern das Ganze eher Attitüde war. Aber einen messbaren Zeitpunkt, wo es etwas Bestimmtes nicht mehr gab, den wird es kaum geben. Nur war das romantische Weltverbesserertum 1980-85 kollektives Lebensgefühl für zehntausende bis über 100 000 jüngere Leute, die Popper und Yuppies als Gegenströmung waren damals noch deutlich weniger, in den 90ern dürfte es nur einen Bruchteil so viel Weltverbesserer,aber ein Übergewicht der Gegenströmung gegeben haben, und heute? Also, die jungen Autonomen, Antiras und Antiglobals, die ich so mitbekomme, sind zwar teilweise voller Elan, aber die wütende Empörung über Unrecht und ein leicht verzweifeltes "aber doch" überwiegt m.E. eher als Weltverbesserertum.

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