Freitag, 16. Januar 2009
Gewesene Linke, heute: Die Demokratischen Sozialisten (DS)
Am Anfang dieser längst vergessenen Partei standen der NATO-Doppelbeschluss von 1979 und die sogenannte Rotstift-Politik, welche die Regierung Schmidt nach ihrer Wiederwahl 1980 einschlug. Die damalige Stagflation und der von der Schmidt-Regierung angehäufte Schuldenberg ließ schon der damaligen SPD-FDP-Koalition den keynesianischen Wohlfahrtsstaat als nicht mehr finanzierbar erscheinen. Daher wurden ab 1980 die Mittel für diverse soziale Projekte gekürzt. Im Grunde war die Wirtschafts- und Sozialpolitik, die später von der Regierung Kohl-Genscher betrieben wurde unter Schmidt schon angelegt gewesen, mit dem entscheidenden Unterschied, dass Schmidt sicher keine umfassende Privatisierung staatlicher Unternehmen durchgeführt hätte. Aber mit Manfred Lahnstein bekam die BRD 1982 einen Finanzminister, dessen Hauptaufgabe das Sparen sein sollte. Haushaltskonsolidierung sollte vorrangig die deutsche Politik bestimmen. In dieser Situation brach die FDP bekanntlich die Koalition, Schmidt wurde durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt und Kohl Bundeskanzler. Austeritätspolitik erschien der FDP wohl mit dem Original besser. Dass es in Deutschland zu keinem neoliberalen Programm á la Thatcher kam, lag am Widerstand der Gewerkschaften und an der Oppositionsrolle einer SPD, die nun wieder die Interessen der Arbeitnehmerseite vertreten konnte und den "schmutzigen Job" dem schwarzgelben Lager überließ. In dieser Situation, also im Zusammenhang mit der Bonner Wende von 1982, waren zwei neue Parteien gegründet worden: Die Liberalen Demokraten (LD) und die Demokratischen Sozialisten (DS), zwei Abspaltungen von FDP und SPD. Führende Köpfe der DS waren die früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Manfred Coppick und Karl Heinz Hansen. Hansen war für seine Ablehnung des NATO-Doppelbeschlusses von Helmut Schmidt heftig kritisiert und schließlich aus der Partei ausgeschlossen worden. Coppick trat daraufhin aus Solidarität ebenfalls aus. Die Demokratischen Sozialisten waren dem Programm nach eine quasi Vor-Godesberger SPD mit einer entschieden pazifistischen Ausrichtung. Im Europa-Wahlkampf und später bei Land- und Bundestagswahlen bildeten sie dementsprechend mit der DKP und Gruppierungen wie VVN und DFG/VK sowie Pax Christi und Aktion Sühnezeichen eine "Friedensliste", die aber politisch erfolglos blieb. Die DS arbeiteten in Aktionsbündnissen mit Gruppierungen der Neuen Linken zusammen, die von Falken und Grünen über Autonome bis hin zur MLPD reichten (kann mich lebhaft aus eigenem Engagement an diese heterogenen Haufen erinnern, wobei bei uns dann auch noch die türkische Devrimci Yol und die Sympathisanten der Guerrillaorganisation Volksfedayin Irans dazugehörten), betonten dabei aber stets und ständig, dass sie Demokraten seien und auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. Mit Linker Extradienst und Stachel brachten sie zwei lesenwerte linke Zeitschriften heraus. Insgesamt war ihre Bündnisarbeit konstruktiv und solidarisch, aber neben der DKP und ihren ganzen Front- und Vorfeldorganisationen und angesichts einer SPD, die unter Kohl die Oppositionsrolle voll ausspielen konnte war für eine solche eng auf die klassische Arbeiterbewegung alten Typs fixierte linksozialdemokratische Partei kein Platz. Gegenüber den Grünen erschien diese Kleinpartei auch als verschnarcht, untrendy, altmodisch. So gingen die DS Ende der 1980er leider zu Grunde. Nachdem man noch eine Weile erwogen hatte, sich mit der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP), einem wunderlichen Zusammenschluss aus der stalinistischen KPD/ML und der trotzkistischen GIM zusammenzuschließen löste sich die Partei schließlich 1991 auf, wobei der größte Teil ihrer Mitglieder in die PDS/Linke Liste eintrat, in der sich auch bald das "Antiimperialistische Bündnis" aus den noch übriggebliebenen alten K-Gruppen und der anarchosyndikalistischen FAU Freiburg wiederfand. Also eigentlich nur eine Splittergruppe unter vielen, im Gegensatz zu den entsetzlichen ML-Sekten aber eine richtig nette.

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in Karlsruhe hat die Vereinigung von Ex-DS und VSP übrigens geklappt und die "Sozialistische Linke Karlsruhe" (gibt es m.W. heute noch) produziert ... ansonsten kann ich mich entsinnen, dass die DS auch ein wenig den Ruf einer "Männerpartei" hatten

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die herren coppik und hansen, von haus aus lehrer, haben ihr blatt wohl ziemlich überreizt. einfach in würde zu gehen war denen wohl zu poplig, es musste schon eine eigene partei sein.

[nachgefasst:
herr manfred coppik ist, wikipedia sei dank, jurist und deutscher politiker, herr karl-heinz hansen deutscher politiker
herr coppik ging seit 1938 seine weg durch verschiedene parteien, um morgen, 18.01.09, bei der die linke in hessen für den wahlkreis 43-offenbach zu kandidieren.
herr hansen flottierte zwischen pds, spd und die linke, lebt in bremen]

so wie verkrachte geistlliche als sektengründer enden.

warum eigentlich erscheint diese parallele so aufdringlich? weil es bei den kirchlichen wie den politischne abspaltungen einer herrschenden glaubensrichtung darum geht, recht zu behalten?

(recht zu behalten, also akademisches oberseminar als gegensatz zur politik, wo es darum geht, an der macht zu bleiben oder dorthin zu kommen)

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"...der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP), einem wunderlichen Zusammenschluss aus der stalinistischen KPD/ML und der trotzkistischen GIM..."

not macht sonderbare bettgenossen.

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ja, einerseits Not (v.a. bei der KPD/ML), andererseits auch das Abrücken von stalinistisch-hoxhaistischen Kram & RGO-Politik bei jenen, v.a. aber eine gemeinsame Praxis in der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit von KPD/ML und GIM sowie Kooperation auf anderen praktischen Politikfeldern (Solidarnosc-Soli, Friedensbewegung) sowie die Zusammenarbeit in der "Beilage" haben dazugeführt, dass beide sich aufeinander zubewegten (wobei sich die GIM weitaus weniger bewegen musste als die KPD/ML) ... weitaus wunderlicher ist die FAU/AP, wo Anarchismus und Stalinismus sich in einer Gruppe (oder einer Person ;-)) zusammengefunden haben

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gute beobachtung, die trotzkisten waren am solidarischsten mit der solidarnosc.

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p.s. ein weiterer Ausgangspunkt der DS war ansonsten der Deutsche Herbst; Coppik und Hansen waren zwei der vier SPD-Abgeordneten, die 1977 gegen das Kontaktsperregesetz zu stimmen wagten

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das ist richtig und ist, wenn man sich die stimmung dieser tage in erinnerung ruft, den beiden hoch anzurechnen. an mut hat es nicht gefehlt.

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Oh ja. Ich weiß noch, was für eine Hetz-Stimmung damals herrschte "man hat sie erkannt, Sie sind ein Sympathisant", und in Vorgärten verbrannten Eltern demonstrativ die Marx-Bände ihrer Kinder. Nach der Landshut-Entführung und dem Schleyer-Mord gab es eine Pogrom-Athmosphäre gegen links. Liberale Blogger wie Stefanolix oder Boche dürften Schwierigkeiten haben, dieses Klima nachzuvollziehen, obwohl sie die Spitzelgesellschaft unter der Stasi erlebt haben. Dass im demokratischen Staat totalitäre Gesinnungen von OBEN jederzeit mobilisierbar sind, erschließt sich nur denen, die so etwas erlebt haben.

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