Mittwoch, 31. März 2010
Wann brennen in London die Barrikaden?
Wir erinnern uns aus der Ära Thatcher: Der Staat kürzte soziale Leistungen und privatisierte Staatsbetriebe, begründet mit dem Abbau von Staatsverschuldung, die dadurch aber nicht weniger wurde, und die Klasse wehrte sich mit Streiks und riots. Der lange lange Streik der Minenarbeiter brachte diese z.T. bis an den Rand ihrer physischen Existenz, und Thatcher schien gegen Scargill einen Privatkrieg zu führen. Kommen diese Bilder demnächst wieder? Tatsache ist, dass England noch Pleiter ist als Griechenland, niemand weiß, wie die Schulden zu tilgen sind und ob der Staatsbankrott noch abzuwenden ist.


http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-69518850.html


http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,410734,00.html

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leider hat die historische Niederlage unter Thatcher vieles verschüttet ... und auch der Optimismus den die "Materialien Nr. 3, England: Krise, Rassismus, Widerstand, Juni 1992" damals (habe dieses Buch geliebt, kannte die britischen Zustände damals allerdings noch nicht aus erster Hand) bezüglich der Poll Tax Riots und anderer Riots an den Tag legten war ziemlich übertrieben ... immerhin gab es letztes Jahr eine Reihe von Betriebsbesetzungen (Vestas, Visteon, Prisme) und zumindest die in der RMT organisierten EisenbahnerInnen wurden nie besiegt und sind kämpferisch wie eh und je und will nach Ostern landesweit den Signalbetrieb bestreiken, ansonsten gab es gerade Streiks bei British Airways ... problematisch ist, dass die Inner City Riot-Bündnisse der 80er anhand ethnischer und religiöser Linien zerbrochen sind, Nutzniesser davon sind teilweise BNP, EDL, islamistische Moscheen und Pfingstkirchen ... ansonsten: http://afed.org.uk/publications/organise-magazine/159-organise-magazine-anti-poll-tax-articles-scanned-in.html & http://entdinglichung.wordpress.com/2010/03/31/poll-tax-riotsbattle-of-trafalgar-31-03-1990/

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Ach ja. Mit den Autoren dieses Bandes hatte ich ja heiße Diskussionen in der Entstehungsphse. Where are all these days?

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Fraglich.
Imho muß man auch in Betracht ziehen, dass sich der Lebensstandard in UK in den letzten 25 Jahren stark erhöht hat. Mein Vater arbeitete in einem internationalen IT-Konzern und er meinte, dass die britischen Kollegen Anfang der 80er Jahre halb so viel wie er verdient hat. Dieses Verhältnis hat sich in den letzten Jahren fast umgedreht. Denen ist schon bewußt, dass viele bei dem Hütchenspiel auch indirekt verdient haben. Aber wird schon spannend sein wie die Briten, Irländer, Spanier und Portugiesen auf die Kürzungen reagieren werden. Und auch wie die Last durch die verschiedenen Schichten verteilt wird. In den USA bedeutet die Gesundheitsreform ja ein deutliches mehr an Umverteilung.
Hab nach wie vor das Gefühl, dass die Hochphase des Neoliberalismus irgendwie zu Ende geht. In dem zur Zeit beruflich von mir bewohnten sauerländischen Hotel les ich morgens immer Financial Times Deutschland. Die sind zur Zeit deutlich keynesianischer als etwa der Spiegel. Übers Handelsblatt möchte ich gar nicht reden. Ideen-Strömungen ändern sich halt und auch Thatcher hatte eine längere intelektuelle Vorlaufszeit...

Die Fähigkeit der sogenannten Klein-Bürger, die Arschbacken zusammenzukneifen halte ich sowieso für sehr elastisch. Ich hoffe von ganzen Herzen, dass durch die nun sichtbar werdenden Kosten der zahllosen Finanzdesaster der letzten Jahre ein Diskurs über eine stärkere Besteuerung der besser mit Einkommen ausgestatteten Teile der Gesellschaft in Schwung kommt. Nicht primär, aber eben auch in Deutschland. Die als Bettvorleger gelandete F.D.P. zeigt eigentlich, dass in der Gesellschaft ein Zweifel bezüglich gewisser Ideen aufgekommen ist.

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Eigentlich läuft alles nach Plan. Je pleiter der Staat ist, desto besser läuft es für die Pleitegeier. In Deutschland macht das beispielsweise Bertelsmann via Arvato. Und die finanzielle Situation der Kommunen ist hierzulande auch nicht besser.

Wen es interessiert:
http://www.attac-koeln.de/index.php?option=com_content&task=view&id=304&Itemid=1

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@saltoftheearth
das mit der Erhöhung des Lebensstandards gilt für "Professionals" in Bereichen wie IT, Finanzen, Dienstleistungen, Civil Service, nicht jedoch für das abgehängte, von Transferleistungen überlebende Fünftel in Council House Estates, ehemaligen Mining Villages, etc. ... und die Löhne für viele ArbeiterInnen in Bereichen wie Einzelhandel, Restaurants, Landwirtschaft, etc. sind meistens nicht höher als der "National Minimum Wage" von £5.80 (und dass bei einem höheren Preisniveau als in der BRD, v.a. bei Mieten), MigrantInnen bekommen teilweise noch weniger Geld

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@genova68:
Dafür, dass Bertelsmann vor ein paar Jahren mit viel Tamtam in dieses Geschäftsfeld des Outsourcings kommunaler Verwaltungsbereiche gestartet ist, hat der Konzern in der Zwischenzeit herzlich wenig gerissen auf diesem Sektor.

Vielerorts dämmert es manchem Verantwortlichen, dass es vielleicht doch nicht so clever war, den kommunalen Energieversorger oder die Verkehrsbetriebe zu verhökern. Entsprechend ist die Neigung, das Einwohnermeldeamt und andere Kernbereiche auszulagern meistens doch nicht so groß, wie Arvato sich das erhofft hat.

Und was die FDP angeht, warne ich vor einer unkritischen und vorschnellen Gleichsetzung von Umfrageergebnissen und realen Wahlentscheidungen. Ich bin wirklich mal gespannt auf die NRW-Wahl.

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@Bertelsmann-Stiftung: Das ist ohnehin das Erschreckende, dass das Land von Thinktanks und Lobbygroups regiert wird, die den Politikern die ideen eingeben, die sie selbst nicht haben. War ja eines der Hauptthemen bei dem Cluster-Buch.

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mark
stimmt wohl, Arvato kommt nicht voran. Was ist eigentlich mit Würzburg? Das wollten die doch zur privatisierten Kommunalavantgarde ausbauen.

Allerdings ist es gut möglich, dass die Entwicklung schubweise kommt. Und außerdem legen die Wert auf Ruhe. Die wissen genau, dass ihre Pläne derzeit nicht populär sind.

Ob es den Verantwortlichen dämmert, ich weiß nicht. Ist nicht die Versuchung größer, angesichts leerer Kassen schnell ein paar Euro zu kriegen? Mich würde interessieren, ob Arvato schon in Wuppertal angeklopft hat.

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Che,
da wäre ich gar nicht mal so sicher, ob die Politiker diese Ideen selbst nicht haben. Unternehmensberater wie McKinsey & Konsorten holt man ja auch oft, um sich eine zusätzliche externe Autorität für Maßnahmen zu holen, die man so oder so ähnlich eh vorhat.

@genova68: Ich wollte da auch nicht vorzeitig frohlocken. Kann tatsächlich gut sein, dass sowas dann eben in Salamitaktik umgesetzt wird, wenn große Würfe auf absehbare Zeit nicht so recht opportun sind.

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Das ist ohnehin das Erschreckende, dass das Land von Thinktanks und Lobbygroups regiert wird, die den Politikern die ideen eingeben, die sie selbst nicht haben.

es gibt da den spruch, dass man von ochsen nicht mehr erwarten solle, als ein stück rindfleisch.

nun begann der sog. wissenschaftliche sozialismus meines wissens als die kopfgeburt eiens mannes, ein ein-mann-thinktank sozusagen,
die gewerkschaften (hu, der böse trade-unionismus) verstanden sich von anfang an als die lobby ihrer mitglieder und erreichten so einiges.

so gesehen fehlt es eigentlich an think tamks und lobbies.

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@Kopfgeburt eines Mannes: Fang Du jetzt bitte nicht auch noch so an, ich führe an anderer Stelle schon eine Debatte, wo völlig losgelöst von historischen und sozialen Kontexten anhand von Sekundärtexten exegetisch über diesen Mann diskutiert wird. Frohe Ostern!

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Einen "wissenschaftlichen Sozialismus" gibt es nicht, eine wissenschaftliche Kritik des Kapitalismus allerdings schon.
Da Sozialismus noch immer eine nie erreichte Utopie ist, wäre eine Wissenschaft vom Sozialismus eine Wissenschaft von nichts, und damit keine Wissenschaft.

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