Montag, 12. April 2010
Mainstreamblätter wie SPIEGEL und Junge Welt
Echt, das bekam ich in der Redaktionskonferenz eines linken Szenemagazins mal zu hören. Da meinte ein Genosse dann auch, er lese ja keine Yuppie-Cines wie FAZ, ZEIT oder Handelsblatt. Ich meinte dann, das seien überhaupt keine Yuppie-Cines, sondern die ganz normale bürgerliche Presse. Yuppie-Zeitschriften wären Forbes, Esquire, Gentlemen´s Quarterly, Nido oder Popeye. Da meinte er, diese Titel habe er noch nie gehört, wer lese die denn? Na, Yuppies! Ach so.

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Hat ein Yuppie überhaupt Zeit, zum Zeitunglesen?

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Na ja, zumindest zum Zeitschriften als Distinktionsmarken herumliegen lassen;-)

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in den 1980ern lasen die Yuppies m.W. den "Wiener"

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Ah,
die Debatte, on Tempo und Wiener als typische Yuppiepostillen anzusehen sind (resp. waren), hatten wir ja schon paarmal.

Nach meiner Wahrnehmung eher nicht, obschon es da Schnittmengen gegeben haben mag.

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Ich sehe so etwas ja zunehmend kontextbezogen
Die Macher von Wiener und Tempo waren sicher keine Yuppies, aber ein Großteil der Leser. Das war aber wiederum regional sehr unterschiedlich. Don berichtete zum Beispiel, dass in seiner Abi- und Studienzeit in Ingolstadt und München sehr viele junge Linke Tempo lasen. Da ließ sich dann auch eine komplette Clique von Tempo den Style diktieren und rannte zwei Tage nach Erscheinen eines Tempo-Titelbilds so rum wie die Leute darauf. Scheint auch in anderen Städten so ähnlich gewesen zu sein. Die Münchner linke Studiszene lief auch im Miami-Vice-Look oder Armanijacken herum. Bei uns in Göttingen hätten die meisten Linken mit Leuten mit dem Äußeren nicht mehr geredet. Das Normale Outfit von Studierenden war Outdorkleidung mit dem obligatorischen Fjell-Räven-Rucksack, Linke waren in der Regel als Punks, Hippies, Rastas, klassische Autonome in Lederjacken, Palitüchern und Springerstiefeln, Redskins, Kurzhaarlesben oder Antipatmänner mit bunten Schlabberhosen und Batikhemden unterwegs. Oder Mischformen aus diesen verschiedenen Outfits. Als ich mal zu einer Demo mit einem Hemd mit Kragen erschien frug man mich "Bist Du unser Scout, der uns durch die Massen der bürgerlichen Einkäufer schleust, wenn es eng wird?". Die wenigen Studis, die Markenjackets und Mokassins trugen, waren fast durch die Bank Zahnmediziner, BWLer oder Juristen und FDP- oder CDU-Wähler. Und die lasen Wiener und Tempo und ließen Sprüche ab wie "Ich kriege das Kotzen, wenn ich Rucksackträger sehe!".

Dabei erschienen in beiden Magazinen subversive Beiträge, im Wiener ja auch ein Portrait des Schweizer Anarchisten Hans Pestalozzi, der Aufkleber "Ja zu Nein" und 1986, auf dem Höhepunkt des Strommastenfällens nach Tschernobyl ein Trassenplan der deutschen Hochspannungsleitungen.

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Diese outfitmäßige Uniformierung
entlang der weltanschaulichen Grenzen war zwischen Rhein, Main und Neckar auch nie so allumfassend wie Du es von Göttingen und weiter nördlich schilderst. Aber auch nicht 1:1 kongruent mit München oder Ingolstadt.

Die Punks und Hausbesetzer, mit denen ich zu tun hatte, hätten Zeitgeistmagazine nicht unbedingt gekauft, aber gelesen wurden diese Zeitschriften trotzdem. Die wenigen Yuppies, mit denen ich Kontakt hatte in jenen Jahren, lasen eher wirtschaftslastiges wie die Wiwo, Economist oder Absatzwirtschaft.

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Das liegt daran, dass die wohl echte Yuppies im engeren Sinne (Börsianer oder beabsichtigend, das mal zu werden oder mindestens geplante Controller) waren, die Yuppies, die ich in Göttingen so kannte hingegen gesinnungsmäßige Yuppies. Halt Zahnmediziner oder Juristen viel dabei, also Leute außerhalb der Finanzwirtschaft. Barbourjacken wurden bei uns Juristenjacken genannt, und ein Hemd mit Kragen statt T-Shirt oder Kapuzi tragen brachte einem schon schiefe Blicke ein. Ich ziehe mich heute noch zwei Klassen unter meinem normalen Outfit an, wenn ich nach Göttingen komme.

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Ja,
mein Hemd mit Krawatte kam bei etlichen Komilitonen in Politikwissenschaft in der Wertschätzung kurz vor der Hakenkreuz-Armbinde, ich kenne diesen Konformitätsdruck. Aber das sah in Mannheim (wo BWL und Jura an der Uni dominierten) schon wieder anders aus als in Heidelberg. Aber von meinen Mannheimer Freunden aus der Punker- und Hausbesetzer-Szene wussten meine Heidelberger Mitstudis ja nichts.

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Also die Barbourjacke, oder in der günstigen Ausführung als Belstaff war Mitte der 80er bei uns Startbahnautonomen 1.Wahl. Wasserwerfer, CN, Schmutz und Knüppelproof, viel Taschen. Ein praktisches Kleidungsstück. Nix Juristen.;-)

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Tja, in meinem Mikrokomos lagen die Barbour- und die Bölkstoffjacke so weit auseinander wie Versace und Hein Gericke. Ich hatte mir ja tatsächlich eine Barbourjacke angeschafft, weil ich gehört hatte, dass englische Wachsjacken in der autonomen Szene besonders angesagt waren und musste mir, als ich sie erstmals trug anhören, dass ich mit einer solchen Juristenjacke gleich zum RCDS gehen könnte.

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die Szene in HH im allgemeinen und speziell die Antifagruppen waren da vor rund 20 Jahren noch puristischer, als eher "alternativ" aussehender Langhariger war mensch da auch schon eher eine Ausnahme, Punkderivate dominierten die Kleiderordnung (Redskin-/Sharpskin- & Metalstyling war zumindest geduldet), aufgebrochen wurde dass ganze durch die LA-Riots 1992, die auf einmal Hiphop-Style in den Kanon aufnahmen ... auf die Idee eine Barbourjacke zu tragen wäre da niemand gekommen

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Hamburg 1992: Ich zwängte meinen damaligen Knackarsch in weiße Jeans, trug Jeans-Hemden mit abgeschnittenen Ärmeln und Feinripp drunter, diese komischen Stiefel mit Sporen-Imitat und "eckiger Spitze", ging mit ungestyleten Haaren gar nicht erst auf die auf die Straße und tanzte im "Camelot" zu "Finally" und "The best things in life are free" ;-) ...

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Die Antifa(M) als Trendsetter
Zu der Zeit entdeckte in Göttingen die Autonome Antifa (M) den Techno-Style für sich. Typisch waren absolut hautenge Adidas Trainingshosen und -Jacken, die aber niemals in Kombination getragen wurden, plus Antifaaufnäher bzw. die "Parteiabzeichen" der M. Eine Theatertruppe verglich dieses Outfit mit den Uniformen der Enterprise-Besatzung und machte dazu das Stück "Raumschiff Cloppenburg". Wir kamen uns in Altautonomenoutfit mit Leder- oder Bölkstoffjacken, Palitüchern und den inzwischen hinzugekommenen Baseballcaps richtig altbacken vor. Auf einer JUZI-Party liefen wir dann mal zu dritt in schwarzen Anzügen auf und einer von uns in Frack und Zylinder - prompt erkannten uns manche Leute nicht mehr, und es wurde geraunt, wir seien die Mäzene, die das JUZI heimlich, still und leise aus dem Hintergrund finanzieren wüden;-)

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