Mittwoch, 19. Mai 2010
Lafargue kehrt zurück
In seiner Streitschrift "Das Recht auf Faulheit" bezeichnete Paul Lafargue, der Schwiegersohn von Karl Marx, das Recht auf Arbeit, das von der marxistischen Arbeiterbewegung proklamiert wurde, als "verderbliches Dogma" und forderte seinerseits ein Recht auf Faulheit und einen Anspruch auf hedonistische Lebensführung seitens der Arbeiterklasse. Damit ging er konform mit der proletarischen Basis der Pariser Kommune, die ihren Standpunkt in solch herrlichen Liedern ausdrückte:

"Lustig, lustig ihr lieben Brüder!

Leget alle die Arbeit nieder

und trinkt mit uns ein Gläschen Wein!

Auf die Gesundheit aller Brüder,

die da reißen alles nieder!

Das soll unsere Freude sein!

Lustig lebet in Saus und Brause,

weil wir jetzo sind am Schmause!

Arbeit drücket uns nicht viel,

Denn Geld gibt's ja in Hüll und Fülle –

alles zu nehmen ist unser Wille!

Mag's verwehren, wer da kann!

Weg mit Meistern und mit Pfaffen!

Kaiser, Könige solln sich raffen!

Weg, wer kommandieren will!

Wir sind alle freie Leute,

alle Welt gehört uns als Beute –

Also ist es gut und recht!

Schlagt die Fässer ein, lasst's laufen!

Jetzo heißt es tapfer saufen,

Solches Himmelreich ist nah!

Denn unser Handwerk, das ist verdorben!

Die besten Saufbrüder sind gestorben,

Es lebet keiner mehr als ich und du."

und der französische Anarchist Elysée Reclus textete:
"Es verlangt uns, einander zu lieben, und deshalb sind wir Feinde des Privateigentums und Verächter des Gesetzes", während Auguste Blanqui sich das Motto "Ni dieu, ni maitre" wählte.

Als operaistische Linke bezeichneten wir uns schon mal als MLer der Linken Hand (Marxisten-Lafargueisten), während wir die Marxisten-Leninisten als MLer der Rechten Hand oder auch Die Moralische Linke und ihren dezidiert moralinsauren, normgeilen und regulationsfreudigen Appendix, der sich in Fraktionen wie denen, die in der Frühphase der Grünen wirkungsmächtig waren, dem, was Netbitch die "bürgerliche Frauenbewegung" nennt und solch zwanghaften Gruppierungen wie den Antideutschen oder den Veganen als SDL (Sonderbar durchgeknallte Linke) bezeichneten. Einer der letzten Twittersprüche von Momorulez zaubert das alles zurück:

"Für eine Ergänzung der Grundrechtecharta: Recht auf Faulheit, Recht auf Rausch, Recht auf Dysfunktionalität, Recht auf Disziplinlosigkeit"


Schönen Dank!

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Sehr schön. Ich hätte noch Emma Goldmann anzubieten (nach der die Zeitschrift Emma absurderweise so heißt) oder Marziah Ahmadi Ozkoi, die, bezogen auf die Gesellschaft des Iran mal schrieb: "Ich bin eine Frau, für die es in eurer perversen patriarchalen Sprache kein Wort gibt: Ich habe die Waffe genommen, um Eure Gesellschaft allmächtiger Männer zu vernichten." oder auch: "Wir bleiben unserem Grundsatz treu, verfickt, pervers und arbeitsscheu".

Na ja, arbeiten tue ich viel zu viel. Aber die Perspektive ist nett, nech?

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solange du dich nicht als "Marxist-Lennonist" bezeichnest ;-) ... das Lied in einer textlich etwas anderen Version von Slime: http://www.youtube.com/watch?v=LBCMBF5uY28 (1992)

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Ihr (i.S. von che und netbitch) wendet eure Theorie ja selbst nicht an.
... ich möchte einwenden, dass ich finde, dass ihr dadurch nur gewinnt.

In der konkreten Anwendung
http://daniel-venezuela.blogspot.com/2010/05/la-carolina-5-days-after-chavez-stole.html#more

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Äh, welche Theorie genau?

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Agierst du nach diesen Grundsätzen auf der Arbeit?


- Arbeit drücket uns nicht viel, Denn Geld gibt's ja in Hüll und Fülle
- alle Welt gehört uns als Beute
- Recht auf Dysfunktionalität

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Nee, aber ich habe mich bei mehreren Streiks stärker engagiert, als es legal gewesen wäre. Abgesehen davon, dass meine jetzige Arbeit auch nichts mit entfremdeter, stupider Maloche zu tun hat, im Gegenteil. Und auf der entfremdeten, stupiden Maloche in der Fabrik vor vielen Jahren übten wir selbstverständlich Sabotage an Maschinen, um zusätzliche Pausen rauszuschinden.

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latürnich!!
Also bei mir gehört ein anständiger Vollsuff bei Geschäftsbesprechungen, speziell bei Neukunden, unbedingt dazu. Da wissen beide Seiten gleich, dass man echten Menschen gegenüber sitzt. Ich finde es auch bei der Arbeit sehr entspannend, wenn zwischendurch ein Fläschchen Wein geleert wird oder eine Tüte gedampft wird. Wer müde wird, kann sich ja ne Nase geben. Das wirkt Wunder, und den ganzen Stoff kann man ja auch prima von der Steuer absetzen wenn man es richtig macht.
Genauso ist es für mich aber auch klar, dass ich einem Kunden aufs Maul haue, wenn er Unzufriedenheit zeigt oder gar meint, meine Dienste nicht mehr benötigen zu müssen. Auch intern begrüße ich es, wenn Geschäftsfreunde und Partner Unstimmigkeiten vor der Tür körperlich klären. Danach ist das Thema gegessen und man kann zusammen einen saufen.
Ich muss wohl kaum erwähnen, dass auch unbedingte offene Sexualität im Geschäftsleben unumgänglich ist.

Keine Ahnung, wie das in Chile oder Posemuckel so läuft, aber bei uns gehört all das zur Corporate Culture eines erfolgreichen Unternehmens.

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Endlich sachts mal einer;-

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wenn ich mich richtig erinnere gibt da in dem Film "La Comédie du travail" von Luc Moullet eine Vorstellungsgesprächs-Szene, die seitens des "Arbeitssuchenden" stark in die Richtung geht

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Kennst Du noch die Filme "Weekend" und "Themroc"?

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klar

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Wobei ja gerade Themroc nicht zum Thema hier passt. Der Protagonist fliegt zwar bei der Arbeit raus, weil er keinen Bock auf den Drill hat, arbeitet danach aber umso mehr, wenn er beginnt, sein Haus zu zerstören. Und seine ganze Umgebung macht nach und nach mit. Die Arbeitsleistung ist eine ungeheure, nur nicht im Sinne des Kapitals. Das Recht auf Faulheit nimmt er also nicht in Anspruch. Hedonistisch ist sein Verhalten vielleicht doch, Definitionssache.

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In "Das Recht auf Faulheit" ging es Lafargue nicht um anstrengungslosen Müßiggang, sondern darum, hedonistisch zu tun, was man will ohne Arbeitszwang. "Faulheit" ist hier eher als eine kreative Muße als Lebensprinzip zu verstehen. Und die Idee, dass Faulheit oder drillfreier Hedonismus auf Untätigkeit oder non-action hinausliefe ist schon ein immanentes Ergebnis puritanisch-protestantischer Arbeitsmoral.

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@ che2001:

"hedonistisch zu tun, was man will ohne Arbeitszwang"

- Wenn man also ganz freiwillig durch harte Arbeit sein Einkommen maximieren möchte, liefe das auch unter der oben beschriebenen Faulheit? Interessant; dann wärst Du ja ziemlich nahe an BLOGs et al. ...

"ein immanentes Ergebnis puritanisch-protestantischer Arbeitsmoral"

- Im Zweifelsfall beruht diese Idee wohl eher auf der allgemein üblichen Definition des Begriffes, oder?

MfG

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Vielleicht solltest Du Lafargue einfach mal lesen. Übliche Definitionen von Begriffen stehen übrigens immer unter dem Einfluss ideengeschichtlicher Voraussetzungen. So war "Arschfick" im alten Griechenland mit einem pädagogisch hochgehängten Bildungsauftrag verbunden.

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Hmmm... Und was genau möchtest Du mir mit Deinem Beitrag jetzt sagen?

PS: Ein "Arschfick" im Sinne der heutigen Definition des Begriffes war auch im alten Griechenland ausschließlich Geschlechtsverkehr, nix mit Bildungsauftrag. Du meinst vermutlich den sog. Schenkelverkehr? Das ist / war 'was Anderes...

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