Sonntag, 23. Januar 2011
Zur Kulturgeschichte der Dhau
Die klassischen arabischen Segelschiffe, wie sie heute, wenn auch zumeist entmastet und motorisiert noch immer zum Einsatz kommen haben eine lange und traditionsreiche Geschichte. Bevor die Portugiesen den Indischen Ozean eroberten waren es arabische Dhauen, die den Fernhandel zwischen China, den Insulinde, Ostafrika und dem Nahen Osten sicherstellten. Zwar weiß man noch etwas von Sindbad dem Seefahrer, aber ansonsten ist im Westen die große nautische Tradition der arabischen Schifffahrt weitgehend vergessen. Fast scheint es so, als könne man Dhau mit arabisches Schiff übersetzen, denn die Formenvielfalt der Dhautypen ist trotz immer gleicher Besegelung (große Lateinsegel) verwirrend. Es gibt Dhauen, die wie Karavellen der Kolumbuszeit anmuten und solche mit geradem, schräg überhängendem Vorsteven, Nuri, Mtepe, Sambuke, Zaruke, Boom und viele andere. Wirklich interessant ist die Vorgeschichte dieser Schiffstypen.


Zur Zeit Trajans erreichte das Imperium Romanum seine größte territoriale Ausdehnung, unter seinem Nachfolger Hadrian seine größte wirtschaftliche Blüte. Zu dieser Zeit fuhren schon römische Handelsschiffe regelmäßig nach Indien und Sri Lanka, damals Taprobane genannt, um Pfeffer, Madrascurry, Perlen, Kaurischnecken, Edelsteine und Sandelholz zu erwerben. Die römischen Indienfahrer entsprachen dem Corbita genannten Standardtyp des römischen Handelschiffes, waren aber deren größte Ausführungen. Sie hatten eine Länge von etwa 30 Metern, waren füllig und rundlich und hatten im Gegensatz zu den griechischen Handelsschiffen schon ein durchlaufendes Deck. Insgesamt fuhren sie 4 Segel: Ein großes Rahsegel, zwei dreieckige Toppsegel beiderseits des Mastes über der Rah und ein kleines Rahsegel am Artemon, einem auch als Ladekran genutzten Bugspriet, um den Bug vor dem Wind zu halten. Wirklich hochseetüchtig waren die leicht gebauten Schiffe, deren Planken mit Stricken zusammengeschnürt und durch Überpinseln mit Fischöl "seewasserdicht" gemacht wurden nicht, aber der Indische Ozean ist in seinem nördlichsten Abschnitt eher ein Schönwetterozean. Die Römer segelten auch nicht über die offene See, sondern immer in Sichtweise der Küste, nachts wurde geankert und zur Bereitung des Abendessens am Lagerfeuer sogar an Land gegangen. Auf diese Weise dauerten Indienfahrten natürlich unglaublich lange, aber es scheint dennoch schon son etwas wie einen Liniendienst gegeben zu haben.

Mitte des 2. Jahrhunderts gaben die Römer die Indienfahrt auf und überließen sie den arabischen Nabatäern (das waren die, die Petra erbaut haben), den Spediteuren des Alten Orients. Diese übernahmen die römischen Handelschiffe, segelten im Gegensatz zu den Römern aber über den offenen Ozean, den Monsun nutzend und brauchten somit für die Reise nach Indien nicht nur viel weniger Zeit, sondern gelangten auch schnell bis nach Malakka und Sansibar. Nach dem Untergang des Imperium Romanum scheinen die Indienfahrten nachgelassen zu haben, aber zumindest gab es noch Handelsverkehr vom Roten Meer in den Persischen Golf und umgekehrt sowie zum Horn von Afrika. Aus der Zeit Mohameds wissen wir nichts über Schiffahrt, die ersten Propheten, als Beduinen echte Landratten, verboten diese sogar, aber mit dem Aufschwung der islamischen Welt unter den Umaiaden und Abbasiden nahm auch der Seehandel zu. Kontakte der Araber zu den Chinesen, die ihrerseits mit ihren Dschunken bis in den Jemen kamen sind bezeugt. Das Kaffeetrinken ist Resultat dieser Begegnung: Während die Jemeniten bis dahin Betel, Qath und Kaffeebohnen kauten, inspirierte sie das Teetrinken der Chinesen, daraus ein Heißgetränk zu machen. Aber auch auf den Schiffbau scheinen die Chinesen Einfluß gehabt zu haben: Eine Illustration aus den Makamen des Al Hariri (11. Jahrhundert) zeigt ein Schiff, das wie eine römische Corbita aussieht, aber ein achtern angebrachtes Dschunkenruder führt und dessen Rahsegel durch hölzerne Querlatten ausgesteift ist. Mit solchen Schiffen dürften die arabischen Fernhändler schon bis Ostbengalen und Burma, Java und Madagaskar vorgedrungen sein. Verglichen mit der Mittlerfunktion seefahrender arabischer Kaufleute war die Hanse eine bescheidene Angelegenheit.

Das I-Tüpfelchen war dann die Einführung von Lateinsegeln, die ein Kreuzen und über Stag gehen ermöglichten und damit die Navigation revolutionierten: Man war nicht mehr darauf angewiesen, mit bestimmten periodischen Winden zu segeln, sondern konnte mit dem Wind souverän arbeiten.

In Indien lernten die Araber einen neuen Schiffstyp kennen, die schlank gebaute, elegant geschnittene Pattamar, die sie übernahmen und sogleich mit Lateinsegel und Hecksteuerruder ausrüsteten. Auf dieser Basis entstand die Ghanja, eine noch schnittigere Weiterentwicklung, die bald als Piratenschiff gefürchtet sein sollte und aus Rekombinationen der verschiedenen inzwischen vorhandenen Dhautypen sozusagen synkretistisch die heutige Typenvielfalt. Als Vasco da Gamas Kanonen ein neues Kapitel in der Seefahrt im Indischen Ozean aufschlugen umfasste der von den Arabern erschlossene Seeraum ein Gebiet, das von den Komoren und Mauritius bis zu den Molukken, den Philippinen und Kanton reichte. Vom Auftauchen der Europäer im Indischen Ozean sollte sich der arabische Seehandel nie wieder erholen.

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Bildungsblog;-)
Finde ich aber hochinteressant. Habe ja selber auf Réunion noch diese lateingetakelten Boote gesehen. Deine ganzen Seefahrtgeschichten finde ich ja fast immer spannend.

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Waren das Dhauen?
Oder doch eher Praus:


http://www.britannica.com/EBchecked/topic/474088/prau

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Bildungsmacker, Du hast gewonnen!
Es waren doch eher Praus. Oder Prauen? Es heißt ja auch nicht Fraus.

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