Sonntag, 26. Mai 2013
Brief an black bloc in Ägypten
Teilnehmende von Schwarzer-Block-Aktionen in den USA beginnen, sich mit ägyptischen GenossInnen zu vernetzen. Ich zitiere auszugsweise: "Das Auftauchen des Schwarzen Blocks in Ägypten zu diesem Zeitpunkt sollte uns nicht so überraschen, wie es die Pazifisten und Autoritären überrascht. Die Kämpfe des 21. Jahrhunderts werden weder auf den gewaltfreien zivilen Ungehorsam noch auf den Reformismus beschränkt bleiben; sie kommen nicht umhin, in einen offenen Konflikt mit dem Staat zu geraten. Außerdem werden sie, dem Umfang und Charakter nach, zunehmend international. Wann immer irgendwo auf der Welt jemand für seine eigenen Belange aufsteht - wie ungeschickt und bescheiden auch immer - dann setzt das einen Präzedenzfall für die nächste Generation des Widerstandes. Lasst uns dafür sorgen, dass wir der Lage gewachsen bleiben.

An den Schwarzen Block von Ägypten


Ihr schlagt den Ton an - er klingt in uns. Es ist uns eine Ehre an Euch zu schreiben - wegen Eures Mutes im sich weiter entfaltenden Kampf in Ägypten. Anderthalb Jahrzehnte lang haben wir in den Vereinigten Staaten und anderswo in der Welt an Schwarzer-Block-Aktionen teilgenommen. Natürlich repräsentieren wir nichts und niemanden; der Schwarze Block ist eine Taktik, keine Gruppe - das ist es auch, was ihn für unsere Herrscher so furchterregend macht. Jedoch wir auf Grundlage unseer Erfahrung mit dieser Taktik gerne einige unserer Perspektiven teilen, in der Hofnung, einen expliziteren interkontinentalen Dialog zu etablieren. Wir standen bereits in einer Art Dialog mit Euch, indem wir Signale der Revolte über den Ozean austauschten..... Wir wollen in der Lage sein, auch über Strategie,Taktik und Ziele zu diskutieren. Vorneweg und vor allem: Ihr seid nicht alleine. Ihr seid Teil eines in der ganzen Welt stattfindenden Kampfes gegen unterdrückende Macht. Die gleiche Wirtschaft, die Ägypten ausplündert, richtet unser Leben und das Land hier in den Vereinigten taaten zugrunde. Dieselben Netzwerke bewaffneter Kräfte, die Euch in Kairo mit Trängengas eindecken, halten die "Ordnung" in New York City aufrecht. Wenn wir in diesem Kampf irgendetwas gewinnen wollen, können wir das nur international.....Wir wollen den Kampf den politischen Parteien vollständig aus den Händen nehmen und Gespräche unter Leuten statt mit Parteien und Regierungen einführen. Wir versuchen Kämpfe zu verbreiten, in denen wir direkt mit anderen kommunizieren und sie inspirieren, so wie Ihr uns inspiriert habt. Wir werden diesen Dialog in der sinnvollsten uns möglichen Weise fortführen - indem wir die Machtstrukturen hier in den USA in Frage stellen, die diejenigen in Ägypten und anderswo in der Welt stütze. Aber wenn irgendwer von Euch uns Berichte von Euren Kämpfen schicken oder Materialien vom Englichen ins Arabische und umgekehrt übersetzen könnte, wären wir hocherfreut, von Euch zu hören. Mögen wir uns auf den Straßen einer staatenlosen Gesellschaft treffen. Von einigen Anarchisten des Schwarzen Block in den Vereinigten Staaten. rollingthunder@crimethinc.com

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"Die gleiche Wirtschaft, die Ägypten ausplündert, richtet unser Leben und das Land hier in den Vereinigten taaten zugrunde. Dieselben Netzwerke bewaffneter Kräfte, die Euch in Kairo mit Trängengas eindecken, halten die "Ordnung" in New York City aufrecht."

Klingt verdammt nach Verschwörungstheorie. Wer soll denn das sein, der sowohl hinter der amerikanischen Regierung wie hinter den Muslimbrüdern steckt?

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Der Kapitalismus, Willy. Kennste?

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Hinter den Muslimbrüdern steckt auch der Kapitalismus?

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Allein diese Frage ist schon Komplexitätsreduktion mit der Laubsäge, aber bitteschön: Ja!

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Und hier die Langform
Ein anderer Auszug aus dem Text der US-Autonomen:

"Die US-Regierung braucht in Ägypten eine Regierung, mit der sie die für den weltweiten Kapitalismus notwendige Rohstoffentnahme koordinieren kann. Der Schwarze Block macht ihr Angst, weil er mit ihrer Konzeption von Politik unvereinbar ist - er bietet niemanden an, mit dem man verhandeln könnte. Sie will alle politischen Parteien in Gespräche bringen, um alle in ihre Machtstruktur einzuordnen."


Was die Muslimbrüder angeht sind diese ebenso wie Hamas eine Fraktion, die von westlichen und arabischen Geheimdiensten gepäppelt wurden, um der arabischen Linken den Wind aus den Segeln zu nehmen. In den Siebzigern und Achtzigern war diese sehr stark, bei den PalästinenserInnen waren dies vor allem die Organisationen PLF (Palästinensische Befreiungsfront), eine marxistische, projugoslwawische Organisation, die PFLP (Volksfront für die Befreiung Palästinas), prosowjetisch ausgerichtet, aber auch mit Stadtguerrillagruppen wie RAF und Roten Brigaden kooperierend und die DFLP (Demokratische Front für die Befreiung Palästinas), eine guevaristische Guerrillaorganisation, die zeitweise mit Kuba, zeitweise mit China liebäugelte, deren innere Strukturen aber halbwegs demokratische Züge aufwiesen. Diese Gruppen waren nach Arafats Niederlage 1982/83 kurz davor, die Führung in der PLO zu übernehmen. Gleichzeitig hatten sie unter den Arbeitern auf den Ölfeldern bei den öligen Emiren eine quasi gewerkschaftliche Funktion. Von den Geheimdiensten wurden daher Muslimbrüder und Hamas aufgebaut, um der Linken den Wind aus den Segeln zu nehmen - mit durchschlagendem Erfolg.

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Ist ja bekannt, bei den Taliban war es ähnlich. Das die USA solche Leute nutzen, wenn es ihren Interessen dient, weiß man. Auch das es gewaltig in die Hose gehen kann, ich könnte mir vorstellen, dass die Regierung Obama da vielleicht inzwischen eine etwas differenziertere Position vertritt.

Das ändert aber nichts daran, dass die Motivation der Muslimbrüder in ihrem religiösen Wahn liegt und nicht in irgendwelchen Kapitalinteressen.


Das übrigens die marxistischen Ansätze der Linken im Mittleren Osten durch religiösen Fundamentalismus ersetzt wurden (unter teilweiser Beibehaltung der antiimperialistischen Rhetorik) dürfte auch mit dem Theoriewechsel der westlichen Linken hin zu postmodern/relativistischen Positionen zu tun haben.

Stichworte Foucault/Butler

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Auch das ist wieder etwas zu einfach. Die Parteinahme von Foucault und übrigens auch Baudrillard und auch Karl-Heinz Roth, Angelika Ebbinghaus und Detlef Hartmann für die iranische Revolution hängt damit zusammen, dass da anfangs noch die marxistische Guerrillaorganisation Volksfedayin (siehe das Podcast bei Kadda) und andere linke Gruppen mit den Khomeinisten an einem Strang zogen. Wie völlig illusionär die Erwartungen der westlichen Linken waren zeigt in der Autonomie Neue Folge Nr. 14 die Kapitelüberschrift "Der Schiiten-Sozialismus der Khomeinisten."


Der Kampf gegen den Schah war der westlichen Linken eine Herzensangelegenheit gewesen, dass eine noch fürchterbare Diktatur bevorstand ahnte man nicht.

Butler ist ein Kapitel für sich.

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Es gibt da ein interessantes Buch von der exiliranischen Historikerin janet Afary:

http://www.janetafary.com/books/foucault-and-the-iranian-revolution-gender-and-the-seductions-of-islamism/

Sie meint, dass sich Foucault´s positive Aufnahme der islamischen Revolution und des Ayatollah Khomeini durchaus stringent aus seinen Theorien ergibt und kein nebensächliches Fehlurteil ist.

Ich sehe das genauso, es ist eine logische Kosequenz des nietzscheanischen Relativismus (auch bei Butler).

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Dieser Relativismus ergibt sich durchaus auch aus der Geschichte des Strukturalismus, z.B. Levy-Strauss, und nicht nur aus Foucaults-Nietsche-Rezeption, die etwas überbewertet wird. Auch hierzu schreibe ich etwas, wenn ich ein wenig mehr Zeit habe.

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