Montag, 22. Juni 2020
In Brasilien setzen jetzt Gangs die Ausgangssperre durch
che2001, 14:24h
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arboretum,
Montag, 22. Juni 2020, 14:57
Die Geschichte, dass in den Favelas die Gangs ein Ausgangsverbot durchsetzen, ist aber alt, die war schon am 25. März im Guardian, Stern und Wiener und am 26. März beim Redaktionsnetzwerk Deutschland zu lesen und tags drauf auch noch in weiteren deutschen und schweizer Medien.
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lemmy caution,
Dienstag, 23. Juni 2020, 01:50
nutcase
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che2001,
Dienstag, 23. Juni 2020, 10:34
@Arboretum, soziale Prozesse sind ja auch kein Thema für one-moment-newstelling.
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arboretum,
Dienstag, 23. Juni 2020, 10:49
Mich irritierte das "jetzt" in der obigen Überschrift - als wäre es etwas völlig Neues.
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lemmy caution,
Dienstag, 23. Juni 2020, 13:32
dieses ganze Bolsonaro Ding ist sehr düster
dieser Spiegel Artikel hat mich fasziniert:
https://www.spiegel.de/politik/ausland/coronakrise-in-brasilien-die-stehpinkler-und-ihre-maegde-a-00000000-0002-0001-0000-000171037344
Ist jetzt leider hinter paywall.
Der Artikel endet damit, dass die im Stehen pinkeln, weil Hausangestellte ihren Dreck wegmachen und dass dies tiefe Wurzeln in dem Herren-Selbstverständnis einer Sklavenhaltergesellschaft hat.
Chile ist da nicht so arg wie Brasilien, aber eins meiner surrealsten Erlebnisse in Chile war, als in einem eigentlich liberalen Haushalt mit aufgrund von Bildung sozial aufgestiegenen Eltern die damals 18-jährige Tochter in ihrem mit Marihuana Referenzen und Pfeifen vollgepflasterten Zimmer genussvoll die Hausangestellte herumkommandierte. Ich glaub, dass alle deutschen Eltern ausgerastet wären. Ich kochte innerlich. Das war aber für alle chilenischen Beteiligten normal. Ich hab danach lange mit meiner damaligen chilenischen Freundin darüber geredet.
Die Tochter macht heute ein vom chilenischen Staat finanziertes post-graduierten Studium in London und wird vermutlich dort bleiben.
In den Augen der Bolsonaro Faschisten sind die Favela Leute keine vollwertigen Menschen, also braucht man die auch nicht vor Covid 19 zu schützen.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/coronakrise-in-brasilien-die-stehpinkler-und-ihre-maegde-a-00000000-0002-0001-0000-000171037344
Ist jetzt leider hinter paywall.
Der Artikel endet damit, dass die im Stehen pinkeln, weil Hausangestellte ihren Dreck wegmachen und dass dies tiefe Wurzeln in dem Herren-Selbstverständnis einer Sklavenhaltergesellschaft hat.
Chile ist da nicht so arg wie Brasilien, aber eins meiner surrealsten Erlebnisse in Chile war, als in einem eigentlich liberalen Haushalt mit aufgrund von Bildung sozial aufgestiegenen Eltern die damals 18-jährige Tochter in ihrem mit Marihuana Referenzen und Pfeifen vollgepflasterten Zimmer genussvoll die Hausangestellte herumkommandierte. Ich glaub, dass alle deutschen Eltern ausgerastet wären. Ich kochte innerlich. Das war aber für alle chilenischen Beteiligten normal. Ich hab danach lange mit meiner damaligen chilenischen Freundin darüber geredet.
Die Tochter macht heute ein vom chilenischen Staat finanziertes post-graduierten Studium in London und wird vermutlich dort bleiben.
In den Augen der Bolsonaro Faschisten sind die Favela Leute keine vollwertigen Menschen, also braucht man die auch nicht vor Covid 19 zu schützen.
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che2001,
Dienstag, 23. Juni 2020, 13:37
Ich weiß, es ist sogar so dass die Polizei aus Hubschraubern über den Favelas Leute mit Gewehren abballert die Drogenhändler sein KÖNNTEN.
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lemmy caution,
Dienstag, 23. Juni 2020, 19:57
In Chile gab es vor ein paar Wochen Meldungen, dass die lokalen Narcos in bestimmten Armenvierteln Santiagos begonnen hätten, Hilfspakete zu verteilen. Wenn es soweit kommt, dass Kriminelle originär staatliche Aufgaben übernehmen, ist das natürlich mittel- bis langfristig mit weiten, kaum absehbaren Konsequenzen. Welche Prozesse zur Festsetzung von gesellschaftlichen Regeln sind unter solchen Bedingungen wirksam?
Am Tag nachdem die Pinera Regierung lächerlich drastische Strafen für die Nicht-Einhaltung von Quarantäne Maßnahmen wegen Covid 19 erließ, wurde das Begräbnis von Pineras Onkel - ein 102 Jahre alter kirchlicher Würdenträger - gefilmt. Die hielten sich selbst offensichtlich nicht an die Protokolle. Es waren zu viele Personen anwesend und der Sarg wurde geöffnet.
Da stellen natürlich einige Leute die Frage, wie man die Armen ohne adäquate Versorgung mit Essen mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bedrohen kann, wenn man für die Beerdigung eines der eigenen Leute die Regeln nicht mehr für bindend betrachtet.
Für verschiedene Gruppen bestehen faktisch offensichtlich unterschiedliche Gesetze. Das ist unvereinbar mit einem demokratischen Rechtsstaat, für den sich diese Pinera Regierung nach ihrem Selbstverständnis engagiert.
Vieles was in Deutschland in dieser Covid 19 Krise funktioniert, erklärt sich nicht aus den Handlungen der politischen Führung. Es sind viel mehr Ergebnisse von langjährigen gültigen, oft ungeschriebenen Vereinbarungen in der Gesellschaft. Die Arbeitskräfte in den Laboratorien sind gut ausgebildet. Die Unis haben früh mit den Laboratorien zusammengearbeitet. Nach einer Startphase halten sich praktisch alle an die Covid 19 Isolierungsmaßnahmen. Die Maßnahmen selbst sind nicht übertrieben.
Für einen möglichst reibungslos funktionierenden Schutz gegen die Pandemie tut sich eine hinreichend solidarische und Regeln respektierende Gesellschaft einfacher, als eine, in der man ein sehr starkes Gewicht auf neoliberale Ideen setzte. Die funktionierende Makroökonomie häuft Kosten in Form einer stärkeren Dysfunktionalität in der Gesellschaft an.
Am Tag nachdem die Pinera Regierung lächerlich drastische Strafen für die Nicht-Einhaltung von Quarantäne Maßnahmen wegen Covid 19 erließ, wurde das Begräbnis von Pineras Onkel - ein 102 Jahre alter kirchlicher Würdenträger - gefilmt. Die hielten sich selbst offensichtlich nicht an die Protokolle. Es waren zu viele Personen anwesend und der Sarg wurde geöffnet.
Da stellen natürlich einige Leute die Frage, wie man die Armen ohne adäquate Versorgung mit Essen mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bedrohen kann, wenn man für die Beerdigung eines der eigenen Leute die Regeln nicht mehr für bindend betrachtet.
Für verschiedene Gruppen bestehen faktisch offensichtlich unterschiedliche Gesetze. Das ist unvereinbar mit einem demokratischen Rechtsstaat, für den sich diese Pinera Regierung nach ihrem Selbstverständnis engagiert.
Vieles was in Deutschland in dieser Covid 19 Krise funktioniert, erklärt sich nicht aus den Handlungen der politischen Führung. Es sind viel mehr Ergebnisse von langjährigen gültigen, oft ungeschriebenen Vereinbarungen in der Gesellschaft. Die Arbeitskräfte in den Laboratorien sind gut ausgebildet. Die Unis haben früh mit den Laboratorien zusammengearbeitet. Nach einer Startphase halten sich praktisch alle an die Covid 19 Isolierungsmaßnahmen. Die Maßnahmen selbst sind nicht übertrieben.
Für einen möglichst reibungslos funktionierenden Schutz gegen die Pandemie tut sich eine hinreichend solidarische und Regeln respektierende Gesellschaft einfacher, als eine, in der man ein sehr starkes Gewicht auf neoliberale Ideen setzte. Die funktionierende Makroökonomie häuft Kosten in Form einer stärkeren Dysfunktionalität in der Gesellschaft an.
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che2001,
Dienstag, 23. Juni 2020, 20:22
Wieder einmal sehr instruktive Einblicke, danke dafür.
Was die Schlussfolgerung angeht:
Da stimme ich Dir Wort für Wort zu. Man sieht hier auch die Wahrheit des Satzes "Der Staat ist keineswegs die Gesellschaft."
Was die Schlussfolgerung angeht:
Da stimme ich Dir Wort für Wort zu. Man sieht hier auch die Wahrheit des Satzes "Der Staat ist keineswegs die Gesellschaft."
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noergler,
Mittwoch, 24. Juni 2020, 00:07
"... tut sich eine hinreichend solidarische und Regeln respektierende Gesellschaft einfacher, als eine, in der man ein sehr starkes Gewicht auf neoliberale Ideen setzte."
Möchtest du damit sagen, in D. ist die neoliberale, ähm .. sagen wir mal: Prägung nicht vorhanden?
Möchtest du damit sagen, in D. ist die neoliberale, ähm .. sagen wir mal: Prägung nicht vorhanden?
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bersarin,
Mittwoch, 24. Juni 2020, 10:55
Der Begriff "Neoliberalismus" wäre ja sowieso mal ein Anlaß für ein Blogprojekt oder für einen Blogartikel, etwa zu Karl Polanyis "The Great Transformation - Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystem" oder aber David Harvey "A Brief History of Neoliberalism", aber ebenso Wendy Brown "Die schleichende Revolution - Wie der Neoliberalismus die Demokratie zerstört" und dazu noch ein Blick auf gute Formen des politischen Liberalismus und zwar das von Jan-Werner Müller kürzlich erschienene Buch "Furcht und Freiheit. Für einen anderen Liberalismus".
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bersarin,
Mittwoch, 24. Juni 2020, 11:09
Und vielleicht noch für die geschichtlichen Hintergründe ganz zentral zum Walter Lippmann-Kolloquium:
Serge Audier/Jurgen Reinhoudt: "Neoliberalismus. Wie alles anfing: Das Walter Lippmann Kolloquium", Kursbuch Edition, Hamburg 2019
Serge Audier/Jurgen Reinhoudt: "Neoliberalismus. Wie alles anfing: Das Walter Lippmann Kolloquium", Kursbuch Edition, Hamburg 2019
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lemmy caution,
Donnerstag, 25. Juni 2020, 00:30
Der Begriff Neoliberal ist absolut problematisch. Manche Leute scheinen darunter zu verstehen, dass ein Staat versucht einen ausgeglichenen Haushalt zu haben oder viele Preise auf dem Markt gebildet und nicht durch Politiker bestimmt werden.
Für mich ist es eine dominierende ökonomische Denkrichtung, die zwischen etwa 1980 und 2009, an der vieles falsch ist. In Chile hat das einen viel stärkeren Einfluss als in Deutschland.
Natürlich wirkt das in Deutschland auch nach. In meinem direkten beruflichen Umfeld etwa in den hire-und-fire Mentalitäten gewisser stakeholder, aber die setzen sich nicht immer durch. Die Schwäche mancher regulierungsbehörden wie der Bafin, wie der wirecard Skandal aufzeigt.
In Chile ist etwa das Rentensystem nicht originär dafür da, alte Leute mit Einkommen zu versorgen. Es zielt primär darauf ab, Volumen in den Kapitalmarkt für die Investitionen größerer inländischer Unternehmen zu pusten. Das ist ein ganz anderer "Schnack", würde man an der Küste sagen.
Für mich ist es eine dominierende ökonomische Denkrichtung, die zwischen etwa 1980 und 2009, an der vieles falsch ist. In Chile hat das einen viel stärkeren Einfluss als in Deutschland.
Natürlich wirkt das in Deutschland auch nach. In meinem direkten beruflichen Umfeld etwa in den hire-und-fire Mentalitäten gewisser stakeholder, aber die setzen sich nicht immer durch. Die Schwäche mancher regulierungsbehörden wie der Bafin, wie der wirecard Skandal aufzeigt.
In Chile ist etwa das Rentensystem nicht originär dafür da, alte Leute mit Einkommen zu versorgen. Es zielt primär darauf ab, Volumen in den Kapitalmarkt für die Investitionen größerer inländischer Unternehmen zu pusten. Das ist ein ganz anderer "Schnack", würde man an der Küste sagen.
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