Mittwoch, 17. November 2021
Pharma-Filz: Eine BMJ-Studie deckt auf, wie die Industrie Einfluss auf das Gesundheitswesen nimmt
Ute Eppinger, Medscape



Zwischen der Medizinprodukte-Industrie und dem Gesundheitswesen gibt es ein umfangreiches und enges Netzwerk. Eine jetzt im British Medical Journal erschienene Studie zeigt auf, über welche Wege Beeinflussung stattfindet.

Nach den Erkenntnissen von Susan Chimonas vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York und Kollegen scheint dieses Netzwerk finanzieller und nicht finanzieller Verbindungen größtenteils unreguliert und undurchsichtig zu sein. Die Forscher fordern eine verstärkte Aufsicht und Transparenz, ?um die Patientenversorgung vor kommerziellem Einfluss zu schützen und das öffentliche Vertrauen in die Gesundheitsversorgung zu erhalten?.

Obwohl die Medizinprodukteindustrie ein wichtiger Partner für die Gesundheitsversorgung ist, insbesondere bei der Entwicklung neuer Tests und Therapien, bestehe ihr Hauptziel darin, den Aktionären finanzielle Erträge zu sichern. In einem Bericht aus dem Jahr 2009 hatte das Institute of Medicine ein vielschichtiges System im Gesundheitswesen beschrieben, das von der Industrie beeinflusst wird.

Die meisten Studien über Interessenkonflikte haben sich bislang auf einzelne Aspekte konzentriert, z.B. auf Angehörige der Gesundheitsberufe, Krankenhäuser oder Zeitschriften oder auf eine einzelne Tätigkeit wie Forschung, Ausbildung oder klinische Versorgung. ?Das volle Ausmaß der Verflechtungen der Industrie im gesamten Gesundheitswesen ist daher noch unklar?, schreiben Chimonas und Kollegen.

Eine Karte der Vernetzungen
Um diese Lücke zu schließen, suchten die Forscher in der medizinischen Literatur nach Belegen für Verbindungen zwischen Pharma-, Medizintechnik- und Biotechnologieunternehmen und Parteien (einschließlich Krankenhäusern, verschreibenden Ärzten und Berufsverbänden) und Aktivitäten (einschließlich Forschung, Ausbildung von Gesundheitsfachkräften und Entwicklung von Leitlinien) in der Gesundheitsversorgung.

Anhand von Daten aus 538 Artikeln aus 37 Ländern und Beiträgen von Experten erstellten sie eine Karte, auf der diese Verbindungen verzeichnet sind. Die Ergebnisse zeigen ein umfangreiches Netz von Verbindungen und dass alle Arten von Parteien finanzielle Verbindungen zu Medizinproduktunternehmen haben.

Die am häufigsten ermittelten Beteiligten waren die Angehörigen der Gesundheitsberufe, wobei in 422 (78%) einbezogenen Studien einzelne Fachleute beschrieben wurden. In mehr als der Hälfte (303, 56%) der Veröffentlichungen wurden Verbindungen zwischen der Medizinprodukteindustrie und der Forschung dokumentiert, während die klinische Versorgung (156, 29%), die Ausbildung von Gesundheitsfachkräften (145, 27%), die Entwicklung von Leitlinien (33,6%) und die Auswahl von Arzneimitteln (8,1%) seltener vorkamen.

Richtlinien für Interessenkonflikte fehlen
Die Ergebnisse zeigen auch, dass es für einige finanzielle und einige wenige nicht-finanzielle Verbindungen Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten gibt, aber öffentlich verfügbare Datenquellen beschreiben oder quantifizieren diese Verbindungen nur selten.

Die Forscher beschreiben beispielsweise, wie Opioidhersteller verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens Finanzmittel und andere Mittel zur Verfügung stellten, die wiederum Druck auf Aufsichtsbehörden und Gesundheitsbehörden ausübten, um Richtlinien zur Therapie mit Opioiden aufzuheben oder aufzuweichen. Chimonas und Kollegen warnen, dass viele andere Beispiele für Schäden durch von der Industrie geförderte Produkte noch unerforscht sind.

Sie räumen ein, dass sich ihre Ergebnisse auf bekannte oder dokumentierte Branchenverbindungen beschränken und dass einige Daten möglicherweise übersehen wurden. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass sie durch ihre Strategie der systematischen, doppelten Suche und des Feedbacks eines internationalen Expertengremiums gemeinsame oder wichtige Verbindungen übersehen hätten.

?Im Gesundheitswesens existiert ein umfangreiches Netz von Verbindungen der Medizinprodukteindustrie zu Aktivitäten und Parteien. Es fehlt an Richtlinien für Interessenkonflikte und öffentlich zugängliche Daten. Das deutet daraufhin, dass eine verstärkte Aufsicht und Transparenz erforderlich sind, um Patienten vor kommerziellem Einfluss zu schützen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewährleisten.

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