Freitag, 14. April 2023
Der dressierte Mann
che2001, 11:35h
Das seinerzeit heftig umstrittene Buch von Esther Vilar wird zur Zeit in mehreren Folgen im MDR Hörfunk gelesen, ich höre das zum Frühstück. Aus heutiger Sicht erscheint es mir wie ein Abgesang auf eine längst vergangene Zeit. Die Geschlechtsrollenklischees, die da gedroschen werden, erschienen schon damals, 1971, nicht mehr taufrisch, gehörten aber noch in den Zeithorizont. Heute muss man mindestens nach Südamerika oder in arabische Länder gehen, um noch solche Männer- und Frauenrollen zu finden, wie sie von Vilar als selbstverständlich und alleingültig angesehen wurden.
Da heisst es etwa, wenn sie die 25 überschritten hätten seien Frauen für Männer sexuell nicht mehr attraktiv. Wenn ich mich in meiner Umgebung umschaue erlebe ich haufenweise Mittfünfzigerinnen auf Partnersuche, einige ihr Fitnesstraining wie einen Leistungssport betreibend, teils aussehend wie 30, und mitunter polyamourös. Das alles wäre wohl für Frau Vilar damals gar nicht vorstellbar gewesen.
Da heisst es etwa, wenn sie die 25 überschritten hätten seien Frauen für Männer sexuell nicht mehr attraktiv. Wenn ich mich in meiner Umgebung umschaue erlebe ich haufenweise Mittfünfzigerinnen auf Partnersuche, einige ihr Fitnesstraining wie einen Leistungssport betreibend, teils aussehend wie 30, und mitunter polyamourös. Das alles wäre wohl für Frau Vilar damals gar nicht vorstellbar gewesen.
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avantgarde,
Freitag, 14. April 2023, 13:00
Ich erinnere mich allerdings auch an die irrwitzige Bösartigkeit von Alice Schwarzer in ihrem Rededuell mit Esther Vilar, die der jüdischen (!) Autorin Faschismus und Stürmer-Qualitäten vorwarf. Was auch dazu führte, dass Vilar von Feministinnen verprügelt wurde.
https://www.youtube.com/watch?v=-NufFVuXN84
https://www.youtube.com/watch?v=-NufFVuXN84
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che2001,
Freitag, 14. April 2023, 15:54
"Er war der Hauptfaschist der ganzen Gegend (damals allgemein übliche, total übertriebene Bezeichnung für alle, die konservativer waren als die studentische Linke)"
Eckhart Henscheid, Geht in Ordnung - sowieso - genau.
Eckhart Henscheid, Geht in Ordnung - sowieso - genau.
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workingclasshero,
Freitag, 14. April 2023, 16:30
Die machen da beide keine gute Figur. Schwarzer wie immer hochernst, ultramoralisch und humorlos, Vilar provokant-dümmlich. Und schon von der Körperhaltung her das Luxusweibchen.
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netbitch,
Freitag, 14. April 2023, 17:00
Ich wäre für Vilar auch gar nicht vorstellbar gewesen. Was haben wir die gehasst! Aber verprügeln geht gar nicht.
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workingclasshero,
Freitag, 14. April 2023, 18:12
Was es damals alles nicht gab
Vollerwerbstätige Frauen als gesellschaftlicher Regelfall, aktives weibliches Sexualleben 40+, Fitnesscenter, Trendsportarten, gesellschaftlich akzeptierte Homosexualität, die Liste ist lang. Hier können wir echt mal von Fortschritt sprechen.
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arboretum,
Sonntag, 16. April 2023, 00:15
Ich habe die Villar auch gehasst, und wie. Hatte eigens ihr Machwerk gelesen, um zu wissen, ob zu Recht. Die Antwort lautete ja.
Ich frage mich, warum in aller Welt sendet der mdr eine mehrteilige Lesung davon?
Ich frage mich, warum in aller Welt sendet der mdr eine mehrteilige Lesung davon?
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che2001,
Sonntag, 16. April 2023, 18:40
Weil der Programmschwerpunkt heute wenig gelesene, aber wichtige Werke der Weltliteratur sind und das Publikum aus Leuten besteht, die in der DDR sozialisiert wurden und dieses Buch überhaupt nicht kennen.
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che2001,
Sonntag, 16. April 2023, 18:41
Der undressierte Mann
Im Stern der Siebziger Jahre gab es eine Cartoonserie "Der undressierte Mann", in der ein Mann allerlei Unfug anstellte, ähnlich wie später Sondermann in der Titanic.
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avantgarde,
Sonntag, 16. April 2023, 18:58
Es lohnt sich durchaus, mal reinzuhören, denn Leslie Malton liest das Ganze herrlich pointiert.
Was Esther Vilar mit diesem Büchlein ursprünglich bezweckte, bleibt mir unklar. 50 Jahre später hört sich vieles völlig absurd and misogyn an, doch eigentlich war es das auch schon zum Zeitpunkt der Publikation. Nur ist manches so überspitzt formuliert (insbesondere die ständige Wiederholung der Dummheit und Blödheit der Frau), dass man sich fragt, warum sie das so schrieb. Und immer wieder blitzen da einige Verhaltensformen auf, die in der Familie der gehobenen Mittelklasse dieser Zeit durchaus vorkamen.
Trotzdem, so recht schlau werde ich aus Vilar nicht. Sie war sicherlich eine intelligente Frau. Wollte sie einfach mal polemisch und satirisch die damalige Diskussion auf den Kopf stellen und wurde dann vom kommerziellen Erfolg überrascht (und vereinnahmt)?
Wie auch immer: Wer sich die Lesung anhört, merkt sehr schnell, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Und das ist ja auch mal was.
PS: Im 15. Jh. schrieb ein anonymer Autor die misogynen "Les quinzes joies de mariage".
Der Autor parodiert einen populären Andachtstext, die Fünfzehn Freuden der Jungfrau Maria, und zählt in fünfzehn Bildern die "Freuden" auf, d.h. das schreckliche Unglück des Menschen, der in der "Schlinge" der Ehe gefangen ist, die als Quelle aller häuslichen, erotischen und anderen Übel und vor allem als Ursprung des höchsten Unglücks eines jeden Menschen, dem Verlust der Freiheit, dargestellt wird. Der Ton ist eindeutig frauenfeindlich und antifeministisch und folgt einer mittelalterlichen Tradition, in der die Machenschaften und Tricks der Frauen das Unglück des Mannes bedeuten; der Ehemann wird jedoch als ein fantasieloser Dummkopf dargestellt, der "in einen Esel verwandelt wurde, ohne dass es irgendeines Zaubers bedurft hätte".
Was Esther Vilar mit diesem Büchlein ursprünglich bezweckte, bleibt mir unklar. 50 Jahre später hört sich vieles völlig absurd and misogyn an, doch eigentlich war es das auch schon zum Zeitpunkt der Publikation. Nur ist manches so überspitzt formuliert (insbesondere die ständige Wiederholung der Dummheit und Blödheit der Frau), dass man sich fragt, warum sie das so schrieb. Und immer wieder blitzen da einige Verhaltensformen auf, die in der Familie der gehobenen Mittelklasse dieser Zeit durchaus vorkamen.
Trotzdem, so recht schlau werde ich aus Vilar nicht. Sie war sicherlich eine intelligente Frau. Wollte sie einfach mal polemisch und satirisch die damalige Diskussion auf den Kopf stellen und wurde dann vom kommerziellen Erfolg überrascht (und vereinnahmt)?
Wie auch immer: Wer sich die Lesung anhört, merkt sehr schnell, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Und das ist ja auch mal was.
PS: Im 15. Jh. schrieb ein anonymer Autor die misogynen "Les quinzes joies de mariage".
Der Autor parodiert einen populären Andachtstext, die Fünfzehn Freuden der Jungfrau Maria, und zählt in fünfzehn Bildern die "Freuden" auf, d.h. das schreckliche Unglück des Menschen, der in der "Schlinge" der Ehe gefangen ist, die als Quelle aller häuslichen, erotischen und anderen Übel und vor allem als Ursprung des höchsten Unglücks eines jeden Menschen, dem Verlust der Freiheit, dargestellt wird. Der Ton ist eindeutig frauenfeindlich und antifeministisch und folgt einer mittelalterlichen Tradition, in der die Machenschaften und Tricks der Frauen das Unglück des Mannes bedeuten; der Ehemann wird jedoch als ein fantasieloser Dummkopf dargestellt, der "in einen Esel verwandelt wurde, ohne dass es irgendeines Zaubers bedurft hätte".
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che2001,
Mittwoch, 19. April 2023, 17:54
Neither nor, das toppt sie aber wieder mit besonderer Dummheit.
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che2001,
Mittwoch, 19. April 2023, 18:02
Für mich hat ja das Thema nochmal eine besondere Spitze. So schwelgerisch, wie Vilar sich da über die Schmink- und Rausputzgewohnheiten der Frauen von damals ausließ und so spitzbübisch-süffisant Lesley Malton das vorträgt hat es schon eine dolle polemische Qualität. Gleichzeitig komme ich aber aus der absoluten Gegenwelt. In der linken Szene wie auch im Wissenschaftsbetrieb schminken sich Frauen bis auf wenige Ausnahmen nicht, und normschöne sich schminkende Frauen werden von Szenelinken, insbesondere Feministinnen geradezu verachtet. Als mal eine Bekannte von mir, die nicht zur Szene gehörte, Dolmetscherin, ausgesprochene Schönheit, mit Lippenstift, Cajal und lackierten Nägeln an der Sitzung eines linken Plenums teilnahm wurde über sie gesagt "So wie die aussieht kriegst sie nichts auf die Reihe". Eine Gruppe von Trainees, Männer im Anzug, Frauen im Kostüm mit Einstecktuch und schwarzen Strumpfhosen wurde aufgrund ihres Outfits als "rechter Flügel CDU" eingestuft, und als ich in die Finanzwelt eintauchte kam ich mir vor wie ein Ethnologe in einer fremden Kultur.
Wobei sich da die Dinge ja auch schon wieder verändern. Wo mal Krawattenzwang herrschte und Anzüge von Armani, Versace, Boss oder mindestens Pierre Cardin getragen wurden, tun es inzwischen auch Sport- oder Outdoorklamotten, die dann aber von Nike, Louis Vitton, Rossignol, Tommy Hilfiger, Black Diamond oder Arcteryx sein müssen.
Und da, wo ich eigentlich herkomme heißt es dann: "So erkennt man den Klassenfeind."
Wobei sich da die Dinge ja auch schon wieder verändern. Wo mal Krawattenzwang herrschte und Anzüge von Armani, Versace, Boss oder mindestens Pierre Cardin getragen wurden, tun es inzwischen auch Sport- oder Outdoorklamotten, die dann aber von Nike, Louis Vitton, Rossignol, Tommy Hilfiger, Black Diamond oder Arcteryx sein müssen.
Und da, wo ich eigentlich herkomme heißt es dann: "So erkennt man den Klassenfeind."
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