Montag, 27. März 2006
Es muss nicht immer Kronlüster sein
Streng genommen ist Art Déco ja gegenüber Barock und Biedermeier sozusagen die aufgeklärtere Dekadenz.

Nein, im Ernst, erlaubt ist, was gefällt und kein Billig-Tinnef ist, und gegenüber den Halogenspots war das eine entschiedene Verbesserung.


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Was fehlte:
Lüsterblog Numero zwo ;-)

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biedermeier dekadent?

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Ist möglicherweise ein String, den Du nicht mitbekommen hast. Etliche Blogger (nicht nur Don) haben das Thema Antiquitäten und Raritäten in die Richtung gedreht, dem Zeitgeist-Mode-Einerlei einen eigenen Lebens- und Einrichtungsstil entgegenzusetzen, bei dem Gediegenheit ebenso eine Rolle spielt wie die Tatsache, dass die Stücke zwar alt, aber nicht unbedingt teuer sind. Das haben wir selbstironisch mit "dekadent sein und Spaß haben" umschrieben.

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Halogenspots kann ich auch nicht mehr sehen. Bäh! Beim gewählten Modell kannst du immerhin Energiesparlampen verwenden, oder?

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Tue ich auch!

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che, danke für die erläuterung.

die jagd, die gier, die sucht und das finden.
wer des dons berichte über kronleuchter, stadtpaläste mit fast meterdicken mauern und entsprechender dachkostruktion, leben mit büchern, essen mit silbernem besteck und trouvaillen in berlin und und und schätzt, findet dann auch dorthin.

aber das ist so, immer, wenn ich dekadent höre, zucke ich etwas zusammen. es gibt da welche, für die sind alle, die kein bärenfell über der schulter und sich nicht die linke hand geben, weil sie in der rechten hand die keule tragen, schon dekadent und deshalb scharf abzulehnen.

dekadent sein und spass haben, feine sache, das.


jetzt will ich auch einmal ironisch sein: und wenn biedermeier das ikea seiner zeit war?

hintergrund: mit biedermeier-möbeln verbinde ich eher leichte, geschwungene, dem gebrauch angemessene formen unter verwendung eher heller materialien bei gleichzeitig hochwertiger verarbeitung (letzteres entkräftet natürlich die zuvor gestellte frage, aber so ist das mit der ironie).

massgebend für fragen der inneneinrichtung ist für mich jene schwäbische fabrikantengattin, die gesagt haben soll: jetzt brauchet mir no so e schibbendehlklafier, dann send mit komplett eigrichtet in unserm bongaloh.

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Back to Origins
Dann hat sie ja fast schon die Originalaussprache: Bungalow kommt von Bangalore oder aber von Bangla-like (wie ein bengalisches Haus), so wurden nämlich die Ferienhäuser im indischen Stil genannt, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg im Empire modern wurden. Dass heute Häuser mit Spitzdach, aber ohne Obergeschoss Bungalow genannt werden ist widersinnig: Noch in den 70ern war Bungalow gleichbedeutend mit Einfamilienhaus mit Flachdach.

Ich verbinde mit dem Biedermeier etwas ganz Anderes, nämlich eine restaurative, schnarchnnasige, in gewisser Weise gemütliche, aber erzreaktionäre Zeit. Aus diesem Grunde werden in der Geschichtsforschung gelegentlich die 50er als "motorisiertes Biedermeier" bezeichnet.

Wenn Biedermeier damals IKEA war, war dann der englische Salonstil Flötotto?

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Nö Flötotto ist für mich eher ein Beispiel für gesellschaftlichen Wandel, weg von einem 70er-Jahre-(Wohn)Ideal, bei dem Bildung, Pädagogik und partnerschaftliche Eltern eine große Rolle spielten, hin zu überteuerten und mit Mitteln des Marketings maßlos aufgeblasenen Lifestyle-Getue.

Beobachten könnte man hier m.E. einen auch gesellschaftlich beobachtbaren Wandel von den inneren zu den äußeren Werten.

IKEA war für mich immer nur eine Variante billiger und bezahlbarer Möbel, die es Unterschichten und Studenten ermöglichten, billiges Wohnen zu verwirklichen.

Neben einer Vielzahl von Designkatastrophen (z.B. peinlichen Papphockern, Billy und lieblos dahingeschusterten Pressspanmöbeln), einer mir nie ganz verständliche Mode offener Holzregale sowie nicht wenigen originellen - und immer noch preiswerten - Möbeldesigns bot IKEA vor allem das, wofür sich herkömmliche Möbelfabrikanten oft zu schade waren:

Billige Möbel fürs Volk.

Man mag sich darüber mokieren. Doch, wozu?

Sind die noch bedeutend übleren Pressspanangebote der übrigen Möbeldiscounter, welche die IKEA-Alternative für die Zielgruppe sind, wirklich die moralisierend präsentierte Aufregung beim Begriff IKEA wert? Muss man IKEA für jede mangelnde Geschmacksbildung verantwortlich machen? Pfft!

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Darum geht es nicht. IKEA begann in den 70ern mit naturbelassenen Kiefermassivregalen, die preislich unter Presspanware z.B. von Möma lagen, und stellt heute eben Pressspanware her. Dadurch, dass IKEA damals die Marke der Studenten und kleinen Leute war, hat man sich die Treue der heute etablierten akademischen Intelligenz als Kundenkreis sichern können und tritt heute als Trendsetter auf. In der Geschichte dieser Firma spiegelt sich die Geschichte der 68er und ihrer unmittelbaren Nachfolger wieder, die heute Establishment und keine Rebellen mehr sind.
Einerseits steht die Marke als Gleichnis für die Entwicklung einer Generation, andererseits hat man seine eigenen Basics verraten, ähnlich wie der frühere Autominimalist Volkswagen heute schwerpunktmäßig Fahrzeuge herstellt, die sich seine frühere Klientel nicht mehr leisten kann.

Wenn wir über IKEA spotten, hat das immer diese Komponente, zum Anderen ist das sich einrichten mit billig erworbenen gebrauchten Antikmöbeln nicht nur stilvoller, sondern auch weitaus nachhaltiger als IKEA.

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Und was Flötotto angeht: Die Marke steht für mich in erster Linie für Büromöbel auf Chefetagen, die noch Materialien wie Teak oder Buchsbaum im Furnier verwenden. In Autos übersetzt, wenn IKEA VW ist, wäre Flötotto Jaguar.

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