Dienstag, 28. März 2006
Elemente der Gegenaufklärung, heute: Liberale auf Abwegen
Dass sich in der Nachbarschaft von Ausländerfeinden auch Liberale finden mutet absurd an. Liberalismus zeichnet sich bekanntlich durch Toleranz und im Allgemeinen auch Kosmopolitismus aus. Nun steht aber die FDP, da kann auch kein optimistisches Westergrinsen drüber hinwegtäuschen, in einer besonders heiklen Position. Mit der Agenda 2010 und spätestens den Hartz-Reformen III und IV hat sich die rot-grüne Bundesregierung ein wirtschaftsliberales Programm gegeben. Außer der linkspopulistischen PDS/Linkspartei/WASG sind nun alle im Bundestag vertretenen Parteien an einem wirtschaftsliberalen Programm beteiligt. Auf der anderen Seite haben die Grünen sich im Bereich politischer Liberalismus im Sinne von liberaler Innen- und Rechtspolitik, Bürger- und Menschenrechten längst zur liberalen Partei gemausert. Im Gegentum zur FDP sind sie hier sehr stark mit Selbsthilfeorganisationen, NGOS und karitativen Netzwerken, kurz, der Zivilgesellschaft verbunden und somit die eigentliche politisch liberale Partei in Deutschland. Damit ist für die FDP die Legitimation ihrer Existenz in Frage gestellt. Es gibt zwei logische Weisen, darauf zu reagieren. Entweder profiliert man sich über radikal wirtschaftsliberale Positionen, unterstellt allen Anderen, den Wirtschaftsliberalismus zu verwässern und behauptet die eigentliche Reformpartei zu sein. Oder aber, man nimmt sich ein Vorbild an Haiders FPÖ und verbindet Nationalliberalismus mit einer besonderen Form von Ausländerfeindlichkeit, die sich nicht gegen Ausländer an sich, sondern Armutsmigranten richtet. Nun ist die alte nationalliberale Erich-Mende-FDP, die sich nicht groß von der damaligen FPÖ unterschied, seit fast 40 Jahren Geschichte. Mit dem Freiburger Programm, das auf einen Disput zwischen Altopoda und Adhomaha, also Albert Popper Topitsch Dahrendorf und Adorno Horkheimer Marcuse Habermas, inkarniert durch Ralf Dahrendorf und Rudi Dutschke zurückging, hatte sich die FDP in der Zeit der rotgelben Koalition zu deren eigentlicher Reformpartei gemausert. Das Programm umfasste folgende Punkte:

* "Liberalismus nimmt Partei für Menschenwürde durch Selbstbestimmung"
* "Liberalismus nimmt Partei für Fortschritt durch Vernunft"
* "Liberalismus fordert Demokratisierung der Gesellschaft"
* "Liberalismus fordert Reform des Kapitalismus"

Otto Graf Lambsdorff war als Hayek-Anhänger in der FDP ein Außenseiter. Er importierte quasi Hayeks in Deutschland nicht verwurzelte Hardcore-wirtschaftsliberale Lehre. Die Reformkräfte in der FDP, die ihre Impulse aus den Dialog Kritischer Rationalismus versus Kritische Theorie bezogen, konzentrierten sich vor allem um die Parteijugendorganisation Jungdemokraten (Judos). So war es der erste Schlag des Kreises um Lambsdorff, durch Gründung einer zweiten, wirtschaftsliberalen Jugendorganisation (Jungliberale, Julis) die Reformkräfte zu isolieren und den Coup von 1982, die Bonner Wende, vorzubereiten. Nach dem Regierungswechsel wurden die Judos aus der Partei verstoßen, und andere Reformkräfte traten teils zur SPD über (Ingrid Matthäus Meier, Günter Verheugen) oder gründeten die radikal pazifistische linksliberale Splitterpartei Liberale Demokraten, die im Windschatten der Grünen nicht überlebensfähig war. Dennoch waren die Reformliberalen nicht aus der Welt, Leute wie Gerhart Rudolf Baum, Burkhard Hirsch, Irmgard Adam-Schwätzer , Hildegard Hamm-Brücher oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger waren nicht ohne Einfluss, auch wenn sie die Partei insgesamt nicht prägten. Jetzt scheint es Kräfte zu geben, die die FDP zurückbringen wollen in die Zeit vor Freiburg, also die Uhr um knapp 40 Jahre zurückdrehen, und dabei wirtschaftlich nicht nur an Hayek, sondern an dessen brutaleren Epigonen und Vollstrecker Milton Friedman und seinen verstaubten Lehrmeister von Mises anknüpfen wollen. Es scheint weiter so zu sein, dass eben diese Kräfte sowohl die verschärft wirtschaftsliberale als auch die nationalliberal-wohlstandsrassistische Richtung zusammenführen wollen. Ich würde nicht, wie gelegentlich geschehen, solche Leute als bräunlich bezeichnen und in die Nähe von Nazis rücken. Aber wer ahistorisch einen längst Geschichte gewordenen, von der Entwicklung der Partei überholten Liberalismus wiederherstellen will, ist ebenso wie Konservative, die sich rechts von ihrer eigenen Regierungschefin positionieren, schlicht und einfach reaktionär. Und wahrscheinlich erfolgreich dabei, die FDP auf unter 5 Prozent zu bringen.

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Es muss nicht immer Kronlüster sein
Streng genommen ist Art Déco ja gegenüber Barock und Biedermeier sozusagen die aufgeklärtere Dekadenz.

Nein, im Ernst, erlaubt ist, was gefällt und kein Billig-Tinnef ist, und gegenüber den Halogenspots war das eine entschiedene Verbesserung.


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