Montag, 18. Dezember 2006
Never forget, what they have done
Allen jenen, die immer noch meinen, der Irak-Einsatz der Bushkrieger sei eine Parteiname für die vom Baath-Regime Unterdrückten im Irak, schleudere ich diesen Link ins Gesicht: http://de.wikipedia.org/wiki/Anfal-Operation



Ich habe lange genug an der Seite der Überlebenden und Angehörigen der Opfer gestanden. Die Imperialisten und die Modernisierungsdiktatur des Baath-Regimes, aus der Perspektive von unten, sei es der kurdischen Perspektive oder der Klassenperspektive betrachtet, ist das die gleiche Seite.

Für soziale Revolution weltweit!

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Modernisierungsdiktatur ?
Verzeihung wenn es OT erscheinen mag, aber was genau ist das so ? Zwingt man die Leute dazu eine Spülmaschine zu kaufen, bei Androhung der Folter ?

Im Übrigen bin ich zu der Überzeugung gekommen das die Bürger des Irak unter Sadam in weit grösserer Sicherheit lebten als heute.

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@Che:

Was mich etwas wundert, ist die Kontinuität zwischen völlig unterschiedlichen amerikanischen Administrationen, die Du implizit unterstellst. Clinton hatte offensichtlich andere außenpolitische Vorstellungen als Bush I und hat sich, was man ihm hoch anrechnen muß, jedenfalls gegen Ende seiner Amtszeit dazu durchgerungen, auf einige Provokationen Saddams mit Bombardierungen zu reagieren. Bush II hatte ebenfalls eine ganz andere außenpolitische Agenda. Der neokonservative Impetus war ja gerade, sich mit Leuten wie diesem genozidalen Drecksack in Bagdad nicht mehr arrangieren zu wollen. Das ist ein riesiger Unterschied zu den "Realpolitikern" der Bush I-Administration, die sich eben tatsachläch mit ihm arrangiert haben -- und deren Rückkehr jetzt etwas voreilig allseits bejubelt wird.

@Lebemann:
Die Schlußfolgerung bezüglich der Sicherheit gilt leider immer nur für die, die es schaffen, durch Unauffälligkeit oder Anpassung ungeschoren davon zu kommen.

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Eine Modernisierungsdiktatur ist ein Regime, welches wirtschaftliche Modernisierung (also das, was im Sinne der Entwicklungshilfe Entwicklung heißt) mit despotischen Mitteln durchsetzt. Die in den 1970ern im Westen meistgelobten Entwicklungsdiktaturen jener Region waren der Irak und der Iran.


Als Vertreter des Neuen Antiimperialismus, also Sozialrevolutionär, gehört meine Solidarität denen, die sich gegen das Modernisierungsregime wehren, etwa Bauern, die ihre Subsistenzwirtschaft bewahren wollen, weil die Subsistenz Rückzugsräume übrig lässt für Renitenz. In diesem Sinne werden Verhaltenweisen wie innere Kündigung, Krankfeiern bis hin zu Sabotage am Arbeitsplatz viel eher als klassenkämpferisch betrachtet als die disziplinierten sozialistischen Stachanow-Arbeiter, die eigentlich Klassenverräter sind, weil sie das Kommando über die Arbeit internalisiert haben. Ein echter Proletarier muss nicht nur rot, sondern auch blaumachen. Sich dem Kommando über die Arbeit entziehen, dieser proletarische Eigensinn muss am Anfang jeder sozialen Bewegung von unten stehen. Es gibt dafür in der marxistisch inspirierten englischen Sozialgeschichte einen eigenen Kategorialbegriff, nämlich moral economy. Renitenz am Arbeitsplatz bis hin zu offener Delinquenz wird hier - durchaus innerhalb seröser geschichtswissenschaftlicher Diskusion - als moralisches Recht der Armen auf sozialen Widerstand begriffen , und aus dieser sozialrevolutionären Perspektive sind die Unterschiede zwischen USA, der damaligen UDSSR und den Modernisierungsdiktaturen irrelevant, erst recht zwischen verschiedenen US-Präsidenten.

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noch klarer wird, was che meint, wenn man sich voraugen führt, dass ein amerikanischer präsident niemals gegen die interessen der amerikanischen wirtschaft und deren folterinstrumente iwf und weltbank regierte und regieren wird.

ps: the revolution will not be televised...

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@Che:

Aus einer Perspektive, die moralische Schuld für ein konkretes Ereignis wie die Anfal-Operation zuweist, ist es allerdings dann wieder sehr relevant, wer in den USA am Ruder ist. Da nützt es nichts, sich auf (vermutete) ganz große Linien der Weltgeschichte zurück zu ziehen.

@jolly rogers:

Glaubst Du das eigentlich wirklich, was Du da zu IMF und Weltbank schreibst, oder wolltest Du nur mal wieder einen netten Slogan loswerden?

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wie sehen die lebens- und arbeitsbedingungen der menschen aus, die in den "sonderwirtschaftszonen" mittelamerikas, chinas und südostasiens schuften? auf wessen druck hin werden solche "sonderwirtschaftszonen" eingerichtet? wer profitiert von diesen "sonderwirtschaftszonen"?

wer verschuldete den zusammenbruch argentiniens?

wer ist maßgeblich verantwortlich gewesen für den asien-crash 1997?

wer verlangt von den unterentwickelten ländern bedingungslosen schuldendienst, auch wenn sämtliche öffentlichen güter dafür verscherbelt werden müssen und jegliches bildungs- und gesundheitssystem vor die hunde geht?

nicht der iwf? nicht die weltbank?

und eine letzte frage: wer bestimmt die politik von iwf und weltbank?

na?

:-)

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Wer den Zusammenbruch Argentiniens verschuldet hat? Das ist eine längere Geschichte. In dieser Geschichte kommt ein currency board vor, d.h. ein fixierter Wechselkurs zum Dollar. Gegen den Ratschlag externen Sachverstandes, u.a. vom IMF, übrigens. Dann kommt eine recht hohe argentinische Staatsverschuldung darin vor, zu einem guten Teil in Dollar ausgegeben. Schließlich eine Abwertung der Währungen der wichtigsten Handelspartner Argentiniens in Lateinamerika. Agentinien war dann in einem Dilemma: Nimmt es seine verschlechterten Exportchancen hin, oder gibt es das currency board auf? Es hielt sehr, sehr lange am currency board fest, bis es dann schließlich nicht mehr anders konnte, als seinen Wechselkurs zum Dollar wieder freizugeben. Die darauf folgende extreme Abwertung bedeutete gleichzeitig eine extreme Verteuerung des argentinischen Schuldendienstes, die zum Staatsbankrott führte.

Soweit die Geschichte in groben Zügen. Die Fehler wurden in Argentinien gemacht, IMF und Weltbank kann man da kaum etwas vorwerfen. Zur Asienkrise von 1997 kann man ähnliches erzählen. Wo Staaten versuchen, Wechselkurse zu fixieren oder sonstwie zu manipulieren, laden sie zur Spekulation gegen diese Versuche ein. Oft geht es gut, wenn es nicht gut geht, endet es im Desaster.

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ok. das ist die geschichte aus anderer perspektive besehen. nichts dagegen.

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Eine sichere Nummer
@ statler

Mit "Sicherheit" meinte ich in meiner obigen Einlassung das die Iraker ganz sicher sein konnten das es ihnen ganz bös ergeht bzw. sie auf Nimmerwiedersehen verschwinden wenn sie etwas gegen das Regime bzw. den väterlichen Diktator öffentlich sagten.

Das ist auch eine Sicherheit, und die subjektive Sicherheit ist wichtiger als alles andere. Der arme Iraker von heute kann nicht auf den Markt gehen ohne sich davor gruseln zu müssen von einem anderen militanten und lebensverachtenden Mitbürger einer divergierenden Kaste seines Aberglaubens in die Luft gesprengt zu werden. Ergo ist sein Mass an gefühlter Unsicherheit hoch. Früher war sein Mass an Sicherheit hoch.

Siehe auch DDR. Alle fühlten sich sicher, denn sie wussten sicher was ihnen bei Fehlverhalten blüht. Nicht wie diesseits der Mauer, wo man kein bautzen hatte und auch den Kindern Missliebiger den Studienplatz nicht verweigern konnte. Unsicherheit, ja geradezu Chaos, wohin das Auge sah.

Merke auch: Schuld ist nicht der Bombenleger, sondern der der ihn nicht daran gehindert hat. QED.

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[quote]
In diesem Sinne werden Verhaltenweisen wie innere Kündigung, Krankfeiern bis hin zu Sabotage am Arbeitsplatz viel eher als klassenkämpferisch betrachtet als die disziplinierten sozialistischen Stachanow-Arbeiter,[/quote]
Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) kann geradezu als Musterland für den Modernen Anti-Imperialismus angesehen werden, oder?

Benimmst du dich eigentlich so in deinem Job so. Oder erwartest du das nur von den pintoresken Arbeitern?

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In Eile, daher Telegrammstil:

Statler, natürlich ist relevant, wer in den USA regiert, nur halt unter dem speziellen Blickwinkel "soziale Aufstandsbewegung vs. Modernisierungsdiktatur" gesehen nicht. Wäre 1988 Clinton oder Carter an der Regierung gewesen, ist es möglich, dass dieser Völkermord verhindert worden wäre, sicher bin ich mir da aber nicht.


Zur Rolle von IMF und Weltbank vielleicht später mehr, ich denke, eure beiden Betrachtungen haben etwas für sich, ohne alleinigen Erklärungswert zu liefern, aber den gibt es soo ja auch nicht, und dafür diskutieren wir ja. Die DDR hat mit dem Neuen Antiimperialismus, begründet von TheoretikerInnen aus dem Schnittstellenbereich von Alltags- und Sozialgeschichte, Dependenztheorie, Wertkritik, Positivismuskritik, Umweltgeschichte und Feminismus ungefähr so viel zu tun wie Hermann Göring mit der historisch-kritischen Theologie.

Und ja, ich arbeite viel und bin ein ausgesprochener Leistungsträger, weswegen ich mich jetzt um diese unmarxsche Uhrzeit auch schon wieder meinen Dateien zuwenden muss.

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ging es bei der weltbank nicht immer darum, die miesen kredite, die agressiv agierende us-banken an schlechte schuldner vergeben haben, auf kosten der verbündeten umzuschulden?

die leute, die während ihres aktiven arbeitslebens das problem waren, um dann in der rente dessen lösung sein zu wollen, ja, warum bin ich eigentlich der einzige, dem solche leute verdächtig sind?

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wolfowitz? ich würde dessen umstieg auf den weltbankchafsessel nicht als rentenjob sondern eher als logische fortführung des imperialistischen konzepts sehen. denn auf seinem jetzigen posten hat er tatsächlich die macht, amerikanische wirtschaftsinteressen effektiv durchzusetzen. da hindert ihn keine leidige politik mehr, kein uno, niemand.

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ich dachte da eher an mc namara.

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Da bevorzuge ich doch Macallen, passt auch viel besser zum Stockfisch (das muss ja nicht immer Aquavit sein, der Orkney-Bewohner hat echt mehr Stil als der Lofoter).

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[quote]
ging es bei der weltbank nicht immer darum, die miesen kredite, die agressiv agierende us-banken an schlechte schuldner vergeben haben, auf kosten der verbündeten umzuschulden?
[/quote]
Nö. Die Weltbank vergibt Kredite, wenn ein Land von keiner privaten Bank mehr was verliehen bekommt.
Bei Problemen mit der Rückzahlung wird eher der Weltwährungsfont aktiv.
Und Argentinien hat seit 2003 unter Nestor Kirchner selbst sehr aggressiv bei den Verhandlungen bezüglich der problematischen Rückzahlung der Schulden agiert. Einen nicht unbeträchtlichen Anteil der sehr hohen Schulden von 2002 zahlen die gar nicht zurück. Ich hab gerade was von 30% gelesen. Wenn in deinem schönen Land wg. Krise gerade über 50% auf der falschen Seite der Armutsschwelle leben, ist das auch verständlich. Und die Gläubiger haben eben vorher falsch gegläubt und bezahlen dafür. Sowas verteuert natürlich Kredite in der Zukunft.
Die Empirie zeigt auch, dass man sich nicht verschulden muß. Das geographisch neben Argentinien liegende Chile hat z.B. fast keine Staatsschulden (im Gegensatz zu Deutschland).

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Schön und geradezu beispielgebend finde ich allerdings, dass die einfachen Leute in Argentinien das Hyperinflations- und Verschuldungsproblem für sich dadurch lösen, dass sie einfach eigenes Geld drucken, Freigeld sozusagen (etwa Zettel, auf denen "Dieser Schein ist drei Hühner wert" steht).

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beeindruckend, diese form der selbsthilfe. auch die tauschringe oder die besetzung von fabriken, der rauswurf des managements und deren betrieb in selbstverwaltung sind beispiele, wie das volk die initiative ergreifen kann.

es gab aber auch ganz traurige beispiele: in meinem bekanntenkreis gibt's einen, der mit einer argentinierin verheiratet ist. deren mutter gehörte als anwältin immer zum gesicherten argentinischen mittelstand. mit großer stadtwohnung in buenos aires, ferienhaus auf dem land und allem pipapo. es ging ihr auch noch gut, als sie in rente gegenagen war. nach dem crash verlor diese frau innerhalb kurzer zeit alles, was sie besaß und ihre rente war keinen schuss pulver mehr wert. am ende war sie so verzweifelt, dass sie ihrer tochter sagte, es habe alles keinen sinn mehr. sie wolle nicht mehr leben. in einer eilaktion hat ihre tochter sie dann aus argentinien nach deutschland geholt. die frau hat sich bis heute nicht erholt. sie leidet unter schweren depressionen.

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war eigentlich nicht so gedacht mit den Tauschbörsen, dass die sich da selbst Falsch äh Freischeine drucken.
Vermutlich bin ich noch zu sehr gefangen in der Logik des Stachanow-Arbeiters...

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Da gibt´s nen interessanten Link zu:


http://www.chiapas.ch/?artikel_ID=95&start=240&j=10

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@axel: sehr witzig! hahaha.

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nochmal @axel: "Und Argentinien hat seit 2003 unter Nestor Kirchner selbst sehr aggressiv bei den Verhandlungen bezüglich der problematischen Rückzahlung der Schulden agiert."
das würde ich ohne mit der wimper zu zucken als "notwehr" bezeichnen. hätte kirchner nicht so gehandelt, gäbe es den staat argentinien heute nicht mehr. was den multis sehr entgegen gekommen wäre, denn: je schwächer ein staat, desto rücksichtsloser lässt sich ein land ausplündern. und das, mein lieber, hat sich seit 500 jahren nicht geändert!

nur kann man die "indigenen" heute nicht mehr so leicht abschlachten wie einst cortez und pizarro das zu tun beliebten. hm. kleines problem.

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@statler: Ich habe gerade Thomas Uwers Artikel in der aktuellen konkret zum Thema Irak gelesen und stimme dem teilweise zu (auch ein Antideutscher hat recht, wenn er etwas Richtiges sagt). So verbohrt bin ich jedenfalls nicht, US-amerikanische Opfer im Irak zu feiern oder einen sofortigen und planlosen Truppenrückzug zu fordern. Dazu steht dort zu viel auf dem Spiel, und mein Mitleid mit den Menschen im Irak wird nicht durch "antiimperialistische" Schablonen gebrochen. Nur, um Mißverständnisse zu vermeiden.

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Wie war das nochmal mit dem Liberalismus?
Was spricht eigentlich für den "Liberalen" S-Tatler dagegen, die Menschen im Irak (via Volksentscheid) darüber entscheiden zu lassen, wie lange und in welcher Form sie die Amerikaner noch im Land haben wollen?

Okay, das trifft sich vielleicht nicht so gut mit dem neokonservativen Amerika Welterrettungswahn (stets mit Krieg, wie sonst?), aber hey, es wäre eine demokratische Lösung, ja, liberal im eigentlichen Sinn.

Und ich traue den Irakern durchaus zu, genau das Abzugsszenario zu wählen, das für sie am besten ist. Deutlich eher als der unverändert lügnerischen Bush-Admnistration.

Aber das tut nichts zur Sache, wer wem Kompetenz zutraut (absurd eigentlich die Idee, ausgerechnet die Bushies hätten außenpolitische Kompetenz), entscheidend bleibt, dass nur ein irakischer Volksentscheid die eigenlich liberale Lösung darstellt.

Okay, für S-Tatler, der einen eigentlich im Kern bereits faschistoiden "Liberalismus" der Eliten anhängt, wo die wirtschaftslibertäre Reichsführerschule das Cato Institute und das rüstungs- und ressentimentgeile AEI als führende politische Elite für den Rest der Welt definieren, was "Freiheit" ist: Nunja, es düfte ihm wohl kaum schmecken.

Die Iraker über sich selbst bestimmen zu lassen, das ist Leuten wie S-Tatler zuviel Liberalismus halt.

*lach*

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