Mittwoch, 27. Dezember 2006
Die liebe Verwandtschaft oder Hartz VIII
Ach, war das schön. Die Sippe zu Weihnachten versammelt an üppiger Tafel. Meine große Schwester erzählte, dass meine mittlere Nichte jetzt einen integrierten Studiengang Sozialwissenschaften begonnen hat, was mein Neffe folgendermaßen kommentierte: "Dieser integrierte Studiengang hat den Vorteil, dass sie hinterher als BWLerin UND als Socialworkerin Hartz IV beantragen kann," und meine große Nichte ergänzte "Das nennt sich dann Hartz VIII."


Meine kleine Nichte entwickelt jetzt einen eigenen Musikgeschmack und eigene politische Ansichten, wobei beides sich erfreulich im Rahmen der Familientradition bewegt (Ärzte, Green Day, Tote Hosen, Silbermond, Rosenstolz, global linke Standpunkte) und ich "Juli macht ja gute Popmusik, aber eine Band ohne jede politische Message ist mir zu wenig" aus dem Mund einer Dreizehnjährigen schon allerhand finde.

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Ich stehe ja auf dem Standpunkt, dass man aus fast jedem Studium etwas Anständiges herausholen kann und dass man (leider) genauso mit fast jedem Abschluss zum ALG-2-Empfänger werden kann. Das liegt wohl in der Natur des Menschen -- Hochschulreife muss nicht in jedem Fall auch Lebensreife bedeuten.

Aber sag mal: welche Band aus der Aufzählung hat denn wirklich eine »politische Message«?

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Ich würde mal sagen, Silbermond hat sie als einzige nicht explizit, aber auch dort wird zumindest ein bestimmtes Lebensgefühl vermittelt, das sehr viel mit rebellischer Jugendkultur, Anti-Establishment-Haltung und Pazifismus zu tun hat. "Deine Schuld" von den Ärzten ist für Jung-Antifas oder Attac-Anhänger heutzutage in etwa das, was "Keine Macht für Niemand" von TonSteineScherben oder "Jetzt oder nie - Anarchie!" von Cochise für meine Generation gewesen sind. Die Toten Hosen würde ich als die proletarischere Variante der Ärzte ansehen, je nach Geschmack anzusiedeln zwischen Stadiongesängen der linken Fankurve und "wenn Jusos breit sind", aber mit Werken wie "Ein kleines bißchen Horrorshow" haben sie auch anspruchsvolle Sachen gebracht und Musikgeschichte geschrieben. Rosenstolz war lange Zeit Insidermusik einer subkulturellen Szene im Schnittstellenbereich von Punk-Schwulen-und Frauenlesbenszene, genauer gesagt, im nicht-politisch korrekten Bereich dieser Szene.

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The Medium is the Message
Bei den Hosen ist die "Message" umstandslos im Umfeld des 1.000sten Konzertes zu finden, und wenn sie da nicht mehr ist, dann hat sie Jochen, der plakatierende Manager, abgenegert und meistbeitend verhökert. Kiki darf man dazu nicht fragen, der muss nur brummen, wenn was schief läuft. Die "Message" ist auch bei der Probe auf der Bühnennase besonders gut zu hören, wenn die Bandmitglieder über die Meriten verschiedener Privatschulen und Limousinen führender Fabrikate fachsimpeln, in Leder gewandet, versteht sich.

Und wer jetzt fragt was das obige wohl bedeutet, der hat zwar eine Meinung aber keine Ahnung, sorry das das jetzt so schroff klingt, so gleich nach Weihnachten.

Hach, wie liebe ich die Messages der Künstler. Ein veritabler Steinbruch an wohl gewogenen Aussprüchen zum Zeitgeschehen findet sich auch in den Mündern von "Wir sind Helden", obwohl die laut eigener Aussage gar keine Drogen nehmen.

Jeanette Biedermann ist ja auch für den Weltfrieden, und "Ein bisschen Frieden" hat es ja als offizieller deutscher Beitrag bis in den Grand Prix de L'Eurovision geschafft.

Das dürfte die Bandbreite des gesunden deutschen Volks-Musikempfindens gesinnungsmässig abschliessend umreissen. Immerhin ist Dieter Bohlen bis heute grundehrlich geblieben.

Es grüsst vebindlich, Ihre Bundeskulturkammer.

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Wir fiebern den Zeiten entgegen, wenn per Erlass des Lebemanns ausschließlich von Netbitch im Drei-Akkord-Stil auf dem E-Bass geklampfte Punk-Versionen der Internationale, von Avanti Populo, Bella Ciao, Hasta Siempre Commandante, La Barricada etc. zum zugelassenen Liedgut gehören.

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meine nichte hat mir ne kopie von nina hagens "rangehn" zu weihnachten geschenkt. ich war nicht gerührt, sondern hielt das für normal.

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