Sonntag, 4. März 2007
Globaltrottel
Es ist schon atemberaubend, wenn man liest, dass für die CO2-Menge, die pro Person für einen Transatlantikflug in die Luft geblasen wird, ein VW Polo Blue Motion 60. 000 Km braucht. In sofern klingt es beim ersten Hinhören richtig, wenn Künast & CO dazu auffordern, auf den Südostasienurlaub zu verzichten und stattdessen in Deutschland die Ferien zu verbringen. Einerseits. Andererseits kommt es auch immer darauf an, wer etwas sagt, und hier gilt nicht nur mit Heine "Sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser", nein, sie trinken öffentlich Wein und predigen öffentlich Wasser. Ausgerechnet eine Politikergeneration (Künast herself nun nicht, aber ihre grünen KollegInnen sehr wohl und die Sozen ebenso), die eng mit den 68ern verbunden ist, die seinerzeit als rucksackreisende Traveller die Pioniere des Tourismus in Länder wie Marokko, Sri Lanka, Thailand und Mexiko gewesen sind und Urlaub in der eigenen Heimat geradezu verachteten empfiehlt piefiligen Deutschland-Urlaub , dem Weltklima zuliebe. Nun regredieren hier ehemalige Globetrotter tendenziell zu Globaltrotteln, denn: In einer Zeit, in der aufgrund von Teuerung, Sozialbbau, Lohnstopps usw. immer mehr Leute überhaupt auf ihren Urlaub verzichten, sich aber rein preislich eben das Billigticket nach Marokko oder Tunesien leisten können, Urlaub in Deutschland hingegen nicht, mutet ein moralischer Appell zum Maßhalten lächerlich an, wenn er von Leuten kommt, die einen Audi A8 mit V8-Motor als Dienstwagen benutzen, wenn sie nicht eh die Flugbereitschaft für sich in Anspruch nehmen. Dabei müssen Fernreisen ja gar nicht teuer und energieaufwendig sein: Man gehe nur mal zu einem der Parkplätze am Rande der Industriegebiete, suche sich einen Sattelzug mit Kennzeichen Kasachstan und kome mit dem Fahrer in Kontakt. Meist nehmen die gerne einen Rucksacktouri mit, oft völlig kostenlos, weil sie Unterhaltung auf der langen eintönigen Fahrt schätzen. Ein Urlaub an der georgischen Schwarzmeerküste oder im Kaukasus bietet weitaus mehr Exotic als ein Aufenthalt in einem European Style designten Hotel in Thailand, und wer von einer solchen Reise zurückkehrt, kann wirklich etwas erzählen. Würde unsere politische Elite nicht der ständigen Beschleunigung und Verschärfung der Arbeitsbedingungen in den Betrieben durch Deregulierung und Sozialabbau Vorschub leisten (ich kann schon mal ankündigen, einer meiner nächsten Beiträge handelt denn auch vom Mobbing), sondern würden arbeitnehmerfreundliche Politik machen, wäre ja vielleicht auch mal eine ganz andere Flexibilisierung der Arbeitszeiten möglich. Ich meine damit etwas, was sich im Großen und Ganzen nur Akademiker und Beschäftigte der Automobil- und Chemieindustrie leisten können, nämlich großzügige Sabbathmodelle. Wenn man zusätzlich zum Jahresurlaub problemlos 2,3 Monate unbezahlt blau machen kann, ist auch der Thailandurlaub ohne Flieger drin: Als Kabinengast auf dem Containerschiff ist man 24 Tage bis Singapur unterwegs.

Urlaub in Deutschland? Nichts gegen einzuwenden, aber auschließlich Urlaub in Deutschland, das wäre weniger, als die DDR-Bürger an Bewegungsspielraum hatten.

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danke, che,

so ist es.

immerhin, mut hat sie, die frau k.

so empfiehlt man sich als koalitionspartner für die cdu.

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Wobei der heutige Pauschaltourismus nichts ist, was notwendig wäre. In meiner Kindheit sind wir dreimal im Jahr in Urlaub gefahren und überhaupt nicht ins Ausland, sondern im Sommer an die Nordsee und im Herbst und Frühjahr, manchmal auch im Winter in den Harz. Baden, wandern, skilaufen. Meine Eltern wären nie auf die Idee gekommen, in einem Hotel zu wohnen. Man stieg bei Familien ab, die ein, zwei Gästezimmer vermieteten, und man ging nicht essen, sondern schmierte sich Stullen.Auf die Weise wäre auch heute noch Urlaub für die junge Familie in Deutschland finanzierbar, und es ist tatsächlich die Art, wie meine Schwester und Nichte Urlaub machen.


Da ich aber keine junge Familie bin, müsste Deutschland schon einiges unternehmen, damit es für mich heute den nötigen Freizeitwert hätte: z.B. die Zugspitze auf 4000 m aufstocken, die Nordseewellen 2m höher machen oder die Versteppung der Märkischen Heide so vorantreiben, dass dort ein Erg oder Outback entsteht ;-)

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Wenn alle schreien (in diesem Fall gegen die Wahlfreiheit des Bürgers sich seine Urlaubsziele selbst auszuwählen), dann lohnt es sich meistens etwas genauer nachzuschauen, ob es sich bei den Aussagen der Politiker um fundierte Äußerungen handelt oder einfach nachgeplapperter Populismus um auf der aktuellen "wer-schützt-das-klima-am-besten" Welle mitzureiten, um ein paar Wählerstimmen und Presseaufmerksamkeit zu erheischen.

Und siehe da einmal kurz gegoogelt und folgendes gefunden:
- eine Statistik des Flughafens Münchens sagt das 47% der Fluggäste Geschäftsreisende sind

weitere Fragen:
-wieviel Prozent der Co2 Emissionen entfallen auf den internationalen Fracht-,Militärflugverkehr
-wieviel CO2 blässt der durchschnittliche Bundespolitiker durch Flüge- und Dienstfahrten in die Luft
-wird der Flugverkehr nicht durch die -von den Politikern- geförderte dezentralisiserung der Wirtschaft
massiv gesteigert (Warentransport, Geschäftsflüge etc.)
- wieviele Flugreisende von Langstreckenflügen sind Ausländer die ihre Familien in den Heimatländern besuchen wollen?

usw. usw.

Wenn man nun alles herunterbricht bin ich mir sicher das der deutsche Durchschnittsmichel mit einem gelegentlichen Flug nach Mallorca einen Beitrag von ca. 0,00000000000001% am Gesamt-Welt CO2 Austoss trägt!!!

Wenn Politiker nun all dies in Ihre Überlegungen mit einbeziehen, nach alter Väter Sitte fortan auf berittene Boten oder Kutschen zurückgreifen um ihre Dienstreisen zu bewältigen, dann, ja dann bin ich evtl. gewillt einen Gedanken über einen Verzicht auf Überseereisen zu verschwenden.

Die Nordsee ist halt nunmal zu kalt zum tauchen, Sportsfreunde!

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Weichei, nimm halt nen 12 mm Neoprenanzug mit Innenfutter ;-)


Aber da hast Du den springenden . ja schon erwischt: Verzichten sollen immer nur die, die keine Macht und keinen Einfluss haben, obwohl sie in der Verfassungstheorie doch angeblich der Soverän sind: Die Massen, the stupid crowds. Wie wäre es denn mal, BASF, Shell und den Kraftwerkbetreibern eine Halbierung ihres CO2-Ausstoßes vorzuschreiben? Zum militärischen Flugverkehr ist freilich zu sagen, dass auch beim Einsatz solarbetriebener strategischer Bomber oder Marschflugkörper und emissionsfreien Flächenbombardements mit Laserstrahlen die Friedensbewegung wohl immer noch was zu mosern haben wird ;-)

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Eine mehrwöchige Reise auf einem Containerschiff ist schon mal was interessantes, aber mehr als ein mal im Leben muss man so etwas wirklich nicht machen. Es sei denn man kennt die ganzen Filme der Bordvideothek noch nicht, will ein Buch schreiben oder kann der ewig gleichen Aussicht etwas Zenmeditatives abgewinnen.

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Unglaublich. Warum ist Fliegen nur so billig? Um keinen Nachteil im internationalen Wettbewerb zu haben wahrscheinlich.

Ich kann damit leben, wenn Minister sich in einem anständigen Wagen chauffieren lassen. Es wird in so einem Auto ja auch gearbeitet etc. und in der Masse gehen die sowieso unter.

Fast überall in Deutschland sind es nur ein paar wenige hundert Kilometer bis in's benachbarte Ausland. Österreich, Italien, Kroatien liegt für mich näher als z.B. Rügen. Aber ich bin auch zufrieden, wenn ich eine Woche im Allgäu sein kann.

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