Mittwoch, 7. März 2007
Zum Gedenken an einen großen Theoretiker
Jean Baudrillard ist tot. Ich bin mit vielem, was er schrieb, nicht einverstanden, so mit seinen letzten Schriften, aber ich verdanke ihm viel, insbesondere seinem Werk "Der symbolische Tausch und der Tod". Baudrillard kann eigentlich nur im Fünfklang mit Lévy-Strauss, Foucault, Lacan und Bourdieu gedacht werden, also im Kontext des französischen Strukturalismus und Poststrukturalismus. Für mein Weltbild prägend war die Verbindung dieses Gesamtzusammenhangs mit der Kritischen Theorie, den diese hinterfragenden und darüber hinausführenden dekonstruktivistischen Ansätzen Foucaults und Butlers und den aus der Dependenztheorie und der Internationalismus/Dekonolisationsdebatte stammenden Grundpositionen des Neuen Antiimperialismus. Mein eigenes Weltbild ist nun vor allem das Meinige, aber ohne Großtheoretiker wäre es nicht zustandegekommen. Daher: Danke, Baudrillard! Ohne Dich stünde ich nicht hier.

... comment

 
Dank den Theoretikern - und Dank an die Steinbrüche
Mist! Dachte ich mir gerade, als ich überlegte, wem ich derlei Präsentpralinen in den Korb legen würde.

Goethe. Ziemlich uncool, oder? Vor allem, der ist ja schon so tot, bei so einem Mann darf man sich nicht mehr bedanken. Das gilt für auch für Heinrich Heine und Max Weber und ähnlich für Miksch, Eucken, Rawls und Rüstow. Ganz besonders wichtig für meine - an der Realität ausgerichteten - Theoriebildung: Der oft als Theoretiker verkannte, tatsächliche politische Großtheoretiker Tucholsky. Wirklich wahr. Aber kann ich schreiben: "Danke, Tucholsky!"?

Nein.

Ich kann es denken, aber so, wie dem Mann widerfahren ist, so wie er an der politischen Praxis von uns Deutschen gelitten und sich darum umgebracht hat - und wohl auch heute leiden würde: Nein.

...

Dann wären da noch einige Rabbiner, die mein Denken gestählt haben, einige, die schon mehrere hundert oder gar tausende Jahre tot sind und darunter ein überaus putzmunterer Mann. Okay, soweit es sich um Lebendige handelt, könnte ich hier Dankbarkeit formulieren. Obwohl ich mir nicht sicher bin, dass sie sich freuen würden.

Das ist ein bisschen wie die Angst des Sohnes vor dem Vater, wenn dieser, unpassend zum empfundenen Dank, nämlich "missratener Sohn!" sagt oder denkt.

Dann sind da jede Menge Unbekannte, die außer mir fast niemand kennt.

Dann sind da jede Menge Vorbilder, gerade auch für mein Verhältnis zur Theorie, wo es teils schwierig ist, Dankesworte zu finden, teils müssten diese überlang ausfallen - vielleicht ist es hier auch nur mein subjektiver Blick. Wem dank ich dann?

Leonardo da Vinci. Fegt man von seinen Worten den Staub der Geschichte runter, so erblickt man z.B. auch einen allgemeinen Wissenschaftstheoretiker, einen erstaunlichen zumal, und einen, der auf mein theoretisches Denken sehr großen Einfluss hatte und hat.

Die französichen Prä-, Groß- und Poststrukturalisten fallen bei mir da leider nur, jedenfalls in erster Linie, in die Rubrik Unterhaltungsliteratur (immerhin: unterhaltsam!), was einerseits an meiner fehlender Kenntnis und Neigung liegt, sowie hier schlampiger Neugierde (die im Hype erlahmte), andererseits daran, dass sie in mein, Verzeihung!, fast schon zu großes Theoriegebäude dennoch nicht hineinpassen.

Denn oft sind diese neuen, post- und strukturalistischen Theoriemöbel ausgesprochen missgestaltet, dysfunktionabel, zu klein, knallig bunt angemalt, was ja noch ginge, oder sie haben derart ungeschliffene Oberflächen, dass man sich bei näherem Befassen an ihnen verletzen muss; selten passt es zusammen und noch seltener in meine bunte aber sorgfältig eingerichtete Bude, so gern ich diese neuen Möbel auch im Vorrübergehen betrachte.

Wenn aber Che sagt, sinngemäß, dass er diese Landschaft französischer Strukturalismus-Theoretiker nicht wie ein Möbelladen, sondern wie einen Steinbruch behandelt, aus dem er sich unter Mühen die prächtigsten Steine und Säulen herausgeholt hat, so hat das vom Verfahren her meinen größten Respekt.

Auch, weil Ches Steinbruchsarbeit sehr mühselig gewesen sein muss. Und weil Che, da bin ich mir sicher, einen recht guten Blick für die besseren und schlechteren Stücke hat.

Einer meiner Steinbrüche ist Karl Marx. Den achte ich z.B. hoch - auch wenn ich 90% seiner Sachen verwerfe. Denn das, was übrig bleibt, das ist der Mühen wert. Indes, auch Hayek, Buchanan und diese ganzen Idioten (sic!) lohnen die Steinbrucharbeit, aber hier wird man feststellen, dass man sich den Umweg dieser Steinbrucharbeit sparen kann, wenn man Popper oder Dahrendorf liest. Was über diese hinaus geht, lohnt nicht einmal das Nachdenken.

Ein schöner Steinbruch sind auch die Marxofreudianer. Nur, und das sollte man dabei im Blick haben, hier gibt es sehr viele unbehauene Steine und noch mehr Missratenes, was zwar ganz hübsch, aber ansonsten unbrauchbar ist. Trotzdem, man nehmen sich einige schwere Hämmer und geeignetes Gerät mit, auch dafür, um falsche Stücke zu zertrümmern (aber z.B. gelungene Auschmückungen abzutrennen und zu behalten), und wird dann tatsächlich allerbeste Stücke nach Hause nehmen können.

Wie auch immer: Es ist so eine Sache mit den Groß- Mittel- und Kleintheoretikern. Den meisten traue ich erst dann, sobald ich sie nackt im Bade sehen kann.

... link  

 
Gerade dann solltest Du Dich auf Hayek kaprizieren - Salma Hayek.

... link  

 
Nebenbei, beachte in Deinem Blog mal meinen letzten Kommentar zu den Rechtshayekianern von Mehr Demokratie e.V.!

... link  


... comment