Montag, 26. März 2007
Strafprozess um Verbrennungstod eines Flüchtlings im Polizeigewahrsam
che2001, 13:25h
Internationale Liga für Menschenrechte und PRO ASYL beobachten
Strafprozess
gegen zwei Polizeibeamte vor dem Landgericht Dessau
Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner, der den Prozess auch für die
Flüchtlingsorganisation PRO ASYL (Frankfurt/M.) beobachteten wird:
"Dieses Strafverfahren bedarf besonderer öffentlicher Aufmerksamkeit,
damit der tragische Verbrennungstod eines Asylbewerbers in einer
Polizeizelle endlich nach über zwei Jahren rückhaltlos aufgeklärt wird
und die Verantwortlichen innerhalb der Polizei zur Rechenschaft gezogen
werden."
Ab Dienstag, 27.03.2007 findet vor dem Landgericht Dessau ein
Strafverfahren gegen zwei Polizeibeamte statt, die mutmaßlich für den
Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh verantwortlich sind. Die Anklage
lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge (durch Unterlassen) und
fahrlässige Tötung. Der Bürgerkriegsflüchtling aus Sierra Leone war
Anfang 2005 in betrunkenem Zustand in Polizeigewahrsam geraten. Die
Polizisten fesselten ihn an Händen und Füßen, weil er angeblich
Widerstand leistete, fixierten ihn auf einem Bett in der Arrestzelle und
ließen ihn allein zurück. In der rundherum gekachelten Sicherheitszelle
verbrannte er am 7.1.2005 bei lebendigem Leib. Trotz Hilferufen und
Todesschreien, die über eine Gegensprechanlage vernehmbar waren, trotz
Alarmzeichen des Feuermelders reagierten die wachhabenden Beamten nicht
rechtzeitig.
Prozessbeobachter Dr. Rolf Gössner: "Die Aufklärung dieses Todesfalles,
der international Aufsehen erregte, wurde mehr als zwei Jahre lang
verschleppt. Bei ihren Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft bereits
gravierende Widersprüche ignoriert, sich schon frühzeitig auf die
Version einer Selbstanzündung festgelegt und damit die Einlassung der
Angeklagten übernommen". Nach dieser Version habe das Opfer die schwer
entflammbare Matratze, trotz Fesselung, selbst angezündet - mit einem
Feuerzeug, das bei der intensiven Personenkontrolle übersehen worden
sein soll und das nach dem Brand erst bei einer zweiten
Zellen-Durchsuchung gefunden wurde.
Das Landgericht wird drängende Fragen klären müssen:
· Darf die Polizei einen Betrunkenen mit fast drei Promille Blutalkohol
in einer Zelle an allen Gliedmaßen fesseln und fixieren, ohne ihn
ständig zu beaufsichtigen oder wäre es seinem Zustand entsprechend nicht
angebracht gewesen, ihn in ein Krankenhaus zu bringen?
· Wie sind die Verletzungen zu erklären, die bei den Obduktionen zu Tage
getreten sind?
· Wie konnte ein Feuerzeug, trotz intensiver Personendurchsuchung, in
die Zelle gelangen und warum wurde es erst so spät gefunden?
· Wie kann ein stark alkoholisierter Mensch, der an Händen und Füßen
fixiert worden ist, ein Feuerzeug aus der Hosentasche fingern und dann
eine feuerfest ummantelte Matratze anzünden?
· Weshalb haben die Angeklagten angeblich die Todesschreie nicht gehört
und warum nicht auf den Alarm des Feuermelders reagiert; war die
Gegensprechanlage tatsächlich extra leise gestellt und der Rauchmelder
zweimal ausgeschaltet worden?
· War es Selbsttötung, die durch rechtzeitiges Reagieren hätte
verhindert werden können, war es unterlassene Hilfeleistung, fahrlässige
Tötung oder etwa Mord aus rassistischer Motivation, für die manche
Anzeichen sehen?
Die prozessbeobachtenden Organisationen messen diesem Prozess auch
deshalb große Bedeutung zu, weil es immer wieder vorkommt, dass
Angehörige sozialer Randgruppen, darunter zahlreiche Migranten,
Flüchtlinge und Schwarze, in Polizeigewahrsam schwer verletzt werden
oder gar ums Leben kommen; häufig bleiben solche Fälle unaufgeklärt und
ungesühnt. Nach einer Studie der Universität Halle haben zwischen 1993
und 2003 bundesweit 128 Menschen den Polizeigewahrsam nicht lebend
verlassen; dabei hätte jeder zweite Todesfall verhindert werden können/./
/ /
Prozessbeobachtungen sollen der Justiz besondere Aufmerksamkeit
signalisieren und dazu beitragen, dass die gerichtlichen Vorgänge in der
Öffentlichkeit kritisch diskutiert werden. Die Internationale Liga für
Menschenrechte und PRO ASYL haben sich - zusammen mit einer
internationalen Delegation von Teilnehmern aus Frankreich,
Großbritannien, Südafrika und der Bundesrepublik - zur Aufgabe gemacht,
auf eine rückhaltlose Klärung der polizeilichen Verantwortung zu drängen
und eine Entschädigung der Familie des Todesopfers anzumahnen.
/ /
gez. Rolf Gössner gez. Bernd Mesovic
Internationale Liga für Menschenrechte PRO ASYL
Strafprozess
gegen zwei Polizeibeamte vor dem Landgericht Dessau
Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner, der den Prozess auch für die
Flüchtlingsorganisation PRO ASYL (Frankfurt/M.) beobachteten wird:
"Dieses Strafverfahren bedarf besonderer öffentlicher Aufmerksamkeit,
damit der tragische Verbrennungstod eines Asylbewerbers in einer
Polizeizelle endlich nach über zwei Jahren rückhaltlos aufgeklärt wird
und die Verantwortlichen innerhalb der Polizei zur Rechenschaft gezogen
werden."
Ab Dienstag, 27.03.2007 findet vor dem Landgericht Dessau ein
Strafverfahren gegen zwei Polizeibeamte statt, die mutmaßlich für den
Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh verantwortlich sind. Die Anklage
lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge (durch Unterlassen) und
fahrlässige Tötung. Der Bürgerkriegsflüchtling aus Sierra Leone war
Anfang 2005 in betrunkenem Zustand in Polizeigewahrsam geraten. Die
Polizisten fesselten ihn an Händen und Füßen, weil er angeblich
Widerstand leistete, fixierten ihn auf einem Bett in der Arrestzelle und
ließen ihn allein zurück. In der rundherum gekachelten Sicherheitszelle
verbrannte er am 7.1.2005 bei lebendigem Leib. Trotz Hilferufen und
Todesschreien, die über eine Gegensprechanlage vernehmbar waren, trotz
Alarmzeichen des Feuermelders reagierten die wachhabenden Beamten nicht
rechtzeitig.
Prozessbeobachter Dr. Rolf Gössner: "Die Aufklärung dieses Todesfalles,
der international Aufsehen erregte, wurde mehr als zwei Jahre lang
verschleppt. Bei ihren Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft bereits
gravierende Widersprüche ignoriert, sich schon frühzeitig auf die
Version einer Selbstanzündung festgelegt und damit die Einlassung der
Angeklagten übernommen". Nach dieser Version habe das Opfer die schwer
entflammbare Matratze, trotz Fesselung, selbst angezündet - mit einem
Feuerzeug, das bei der intensiven Personenkontrolle übersehen worden
sein soll und das nach dem Brand erst bei einer zweiten
Zellen-Durchsuchung gefunden wurde.
Das Landgericht wird drängende Fragen klären müssen:
· Darf die Polizei einen Betrunkenen mit fast drei Promille Blutalkohol
in einer Zelle an allen Gliedmaßen fesseln und fixieren, ohne ihn
ständig zu beaufsichtigen oder wäre es seinem Zustand entsprechend nicht
angebracht gewesen, ihn in ein Krankenhaus zu bringen?
· Wie sind die Verletzungen zu erklären, die bei den Obduktionen zu Tage
getreten sind?
· Wie konnte ein Feuerzeug, trotz intensiver Personendurchsuchung, in
die Zelle gelangen und warum wurde es erst so spät gefunden?
· Wie kann ein stark alkoholisierter Mensch, der an Händen und Füßen
fixiert worden ist, ein Feuerzeug aus der Hosentasche fingern und dann
eine feuerfest ummantelte Matratze anzünden?
· Weshalb haben die Angeklagten angeblich die Todesschreie nicht gehört
und warum nicht auf den Alarm des Feuermelders reagiert; war die
Gegensprechanlage tatsächlich extra leise gestellt und der Rauchmelder
zweimal ausgeschaltet worden?
· War es Selbsttötung, die durch rechtzeitiges Reagieren hätte
verhindert werden können, war es unterlassene Hilfeleistung, fahrlässige
Tötung oder etwa Mord aus rassistischer Motivation, für die manche
Anzeichen sehen?
Die prozessbeobachtenden Organisationen messen diesem Prozess auch
deshalb große Bedeutung zu, weil es immer wieder vorkommt, dass
Angehörige sozialer Randgruppen, darunter zahlreiche Migranten,
Flüchtlinge und Schwarze, in Polizeigewahrsam schwer verletzt werden
oder gar ums Leben kommen; häufig bleiben solche Fälle unaufgeklärt und
ungesühnt. Nach einer Studie der Universität Halle haben zwischen 1993
und 2003 bundesweit 128 Menschen den Polizeigewahrsam nicht lebend
verlassen; dabei hätte jeder zweite Todesfall verhindert werden können/./
/ /
Prozessbeobachtungen sollen der Justiz besondere Aufmerksamkeit
signalisieren und dazu beitragen, dass die gerichtlichen Vorgänge in der
Öffentlichkeit kritisch diskutiert werden. Die Internationale Liga für
Menschenrechte und PRO ASYL haben sich - zusammen mit einer
internationalen Delegation von Teilnehmern aus Frankreich,
Großbritannien, Südafrika und der Bundesrepublik - zur Aufgabe gemacht,
auf eine rückhaltlose Klärung der polizeilichen Verantwortung zu drängen
und eine Entschädigung der Familie des Todesopfers anzumahnen.
/ /
gez. Rolf Gössner gez. Bernd Mesovic
Internationale Liga für Menschenrechte PRO ASYL
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