Freitag, 16. November 2007
Münte sagt, wie es nicht ist
Unmittelbar, bevor Münte seinen Rücktritt bekannt gab (seiner Frau, die ich mal kurz kennenglernt habe und ganz nett fand herzlich “Gute Besserung) , wurde noch ein Interview mit ihm gesendet, in dem er die alte ALG2-Regelung damit rechtfertigte, dass es genug Langzeitarbeitslose auch in reiferen Jahren gäbe, die noch gute Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. So gäbe es beispielsweise sehr viele Arbeitslose um 45, die hochqualifiziert seien und daher über kurz oder lang in Beschäftigung finden würden. Wahrscheinlich glaubt er sich das ja, aber wie realitätsfremd ist das denn? Gut, bei Handwerksbetrieben spielt das Alter, wenn Führungskräfte gesucht werden, nicht so die Rolle, der Anlagenbau und bestimmte Sektoren der zuliefernden Elektroindustrie suchen ganz händeringend Leute, Manager bleiben in der ganzen Betrachtung ohnehin außen vor. Und es gibt Branchen, die mit den Anforderungsprofilen der öffentlichen und privaten Stellenvermittlung weder erfasst noch erreicht werden, zum Beispiel Landwirtschaft und Schrottverwertung, ev. auch die Häfen und Werften. Für Handwerksmeister, Maschinenbauingenieure, Geschäftsführer und Prokuristen von Mittelständlern und Traktoristen bestehen also auch mit Mitte 40 noch gute Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt. Ich kannte auch mal einen 47 jährigen Kameramann, der arbeitslos geworden eine Weiterbildung des Arbeitsamts abbrach, weil er von einem Fernsehsender kontaktiert und angeheuert wurde. Auf der anderen Seite muss man aber bei Arbeitskräften aus der Großindustrie (vom Bandmalocher bis zum Mittleren Management) , dem ganzen Bereich Werbung/Marketing/PR/Journalismus und der Wissenschaft sagen, dass, wer da mit 40 arbeitslos wird, verloren hat, wenn er oder sie nicht in ein paar Wochen nach Eintreten der Arbeitslosigkeit eine neue Stelle auftut. Ich habe einmal eine Personalerin kennengelent, die meinte, wenn in einem Lebenslauf ein Alter von über 35 drinstünde, würde sie gar nicht weiterlesen, sondern die Mappe aussortieren. Bei allen Unternehmen mit betrieblicher Altersversicherung wäre es sowieso so, dass unterhalb der Spitzenführungsebene nur Leute eingestellt würden, deren Arbeitszeit im Unternehmen deutlich länger ausfiele als die zu erwartende Rentenbezugsdauer, und was das heißt, wenn davon ausgegangen wird, dass die Leute deutlich über 80 werden und Anfang 60 von der Vorruhestandsregelung Gebrauch machen ist ja wohl klar. Bei einem der weltführenden IT-Hersteller werden die Mitarbeiter an ihrem fünfzigsten Geburtstag gefragt, ob sie nicht dem Nachwuchs eine Chance geben und ihre Arbeitsplatz für einen jüngeren Kollegen freimachen wollten. Ich selbst bin Anfang 40 und besitze eine der denkbar höchsten Qualifikationen, nämlich interdisziplinärer Doktortitel mit magna cum laude plus eine Ausbildung in einem High-Tech-Bereich und einen guten und unbefristeten Job. Aber würde ich arbeitslos, so könnte ich vielleicht noch als Pizzabote, Taxifahrer oder Nachtwächter anheuern, und ich kenne genug Callcenteragents und Feinkostverkäufer mit hochqualifiziertem Hochschulabschluss.

Insofern wünsche ich mir eine Person aus der Politik, die mal ehrlich sagt, wo der Hammer hängt: “Leute, wenn Ihr mit 40+ arbeitslos werdet und ihr organisiert Euch nicht selber was, dann könnt Ihr´s knicken, Ihr seid Ausschuss, Ihr seid verzichtbar, man will Euch nicht, diese Gesellschaft sortiert Euch aus und das soll so sein!”

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