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Sonntag, 28. März 2010
Kulturverfall
che2001, 18:41h
Ich hatte gerade so ein Sonntagsnachmittagsgespräch mit meinem Vater, und da fiel mir mal wieder auf, wie konservativ und gestrig dessen ganzer Hintergrund so ist. Da fühlt man sich hinterher gleich 20 Jahre jünger. Interessant war das Gespräch aber wirklich. Anlass war "Wetten dass", das er gestern Abend geguckt hatte. Er berichtete, dass da diese Lena Dingenskirchen, die Deutschland in Oslo vertreten soll und Anna Netrebko hintereinander aufgetreten wären und ihm im Vergleich der beiden Sängerinnen klargeworden wäre, dass Lena niemals den Eurovision Song Contest gewinnen wird. Die würde ja gar nicht singen.
Nun singt für meinen Vater weder Nena noch Grönemeyer, die Definition von "singen" ist ihm die Stimmlage einer Arie, unter den Liedermachern singt für ihn ausschließlich Klaus Hoffmann und vielleicht noch Reinhard Mey, den Gesang der meisten Schlager- und PopsängerInnen bezeichnet er als rhythmisches Sprechen zu Musik. Die gesamte Rock- und Popmusik nach Elvis (den er gut findet) ist für ihn "unkultivierter Lärm", und er macht sich nicht die Mühe, zwischen Disco, Metal, Rap oder Techno zu unterscheiden, die Unterschiede hört er gar nicht, weil er der Meinung ist, dass das alles sein Ohr beleidige. Dass Lena so schlecht neben der Netrebko abschneide bezeichnete er als "Zeichen des Verfalls unserer deutschen Kultur". Ich erwiderte, dass man kein Schlagersternchen mit einer Operndiva vergleichen könnte, er aber antwortete, dass es ja auffallend sei, dass die großen Meister in Deutschland alle in ferner Vergangenheit komponiert hätten. Da kam ich mit dem Argument, dass man nicht aktuelle Schlagermusik mit der Klassik vergleiche könnte, die Analogie zu seinem Lena-Netrebko-Vergleich wäre ein Vergleich zwischen Beethoven und irgendeiner namenlosen Schrammelkapelle oder einem musikalisch ungeschulten Bänkelsänger des 18. Jahrhunderts, und seblst das wäre ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen. An dieser Stelle weigerte er sich weiterzudiskutieren. Für ihn ist die Sache klar: Die aktuelle Musik, bestimmte Formen des Jazz oder Neue E-Musik ausgenommen, die heute neu entsteht, taugt nichts und ist Ausdruck eines allgemeinen Kultur- und Werteverfalls, der wiederum Bestandteil der völligen Dekadenz unserer Gesellschaft ist. Dazu gehören dann auch die Hartz4-Gesetze, Sozialabbau allgemein, das Postengeschacher in der FDP, absurd hohe Managergehälter, Korruption, Kürzungen im Gesundheitswesen, Raserei im Straßenverkehr und Unfreundlichlichkeit im öffentlichen Raum - alles Ausdruck desselben Kulturverfalls. Man könnte jetzt fast an Oswald Spengler denken, nur zieht mein Vater daraus keine konservativen Konsequenzen, sondern wählt Die Linke. Er will zurück in eine Gesellschaft, in der Respekt und Solidarität zählen, und das ist für ihn die Bundesrepublik Deutschland der 60er Jahre.
Nun singt für meinen Vater weder Nena noch Grönemeyer, die Definition von "singen" ist ihm die Stimmlage einer Arie, unter den Liedermachern singt für ihn ausschließlich Klaus Hoffmann und vielleicht noch Reinhard Mey, den Gesang der meisten Schlager- und PopsängerInnen bezeichnet er als rhythmisches Sprechen zu Musik. Die gesamte Rock- und Popmusik nach Elvis (den er gut findet) ist für ihn "unkultivierter Lärm", und er macht sich nicht die Mühe, zwischen Disco, Metal, Rap oder Techno zu unterscheiden, die Unterschiede hört er gar nicht, weil er der Meinung ist, dass das alles sein Ohr beleidige. Dass Lena so schlecht neben der Netrebko abschneide bezeichnete er als "Zeichen des Verfalls unserer deutschen Kultur". Ich erwiderte, dass man kein Schlagersternchen mit einer Operndiva vergleichen könnte, er aber antwortete, dass es ja auffallend sei, dass die großen Meister in Deutschland alle in ferner Vergangenheit komponiert hätten. Da kam ich mit dem Argument, dass man nicht aktuelle Schlagermusik mit der Klassik vergleiche könnte, die Analogie zu seinem Lena-Netrebko-Vergleich wäre ein Vergleich zwischen Beethoven und irgendeiner namenlosen Schrammelkapelle oder einem musikalisch ungeschulten Bänkelsänger des 18. Jahrhunderts, und seblst das wäre ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen. An dieser Stelle weigerte er sich weiterzudiskutieren. Für ihn ist die Sache klar: Die aktuelle Musik, bestimmte Formen des Jazz oder Neue E-Musik ausgenommen, die heute neu entsteht, taugt nichts und ist Ausdruck eines allgemeinen Kultur- und Werteverfalls, der wiederum Bestandteil der völligen Dekadenz unserer Gesellschaft ist. Dazu gehören dann auch die Hartz4-Gesetze, Sozialabbau allgemein, das Postengeschacher in der FDP, absurd hohe Managergehälter, Korruption, Kürzungen im Gesundheitswesen, Raserei im Straßenverkehr und Unfreundlichlichkeit im öffentlichen Raum - alles Ausdruck desselben Kulturverfalls. Man könnte jetzt fast an Oswald Spengler denken, nur zieht mein Vater daraus keine konservativen Konsequenzen, sondern wählt Die Linke. Er will zurück in eine Gesellschaft, in der Respekt und Solidarität zählen, und das ist für ihn die Bundesrepublik Deutschland der 60er Jahre.
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