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Dienstag, 31. August 2010
Bundesweiter Gedenktag für die Toten in Abschiebungshaft
che2001, 01:24h
PRO ASYL
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.
Presseerklärung
30. August 2010
Bundesweiter Gedenktag für die Toten in Abschiebungshaft
PRO ASYL und Interkultureller Rat: Abschiebungshaft muss drastisch reduziert werden
Anlässlich des heutigen Gedenktages für die Toten in Abschiebungshaft fordern PRO ASYL und der Interkulturelle Rat in Deutschland die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern auf, die Abschiebungshaft grundsätzlich neu zu regeln und drastisch zu reduzieren.
Bei jedem neu bekannt werdenden Suizid in der Abschiebungshaft gibt es lediglich Betroffenheitsbekundungen und Lippenbekenntnisse. Diesen steht keine adäquate Bereitschaft gegenüber, notwendige Reformen durchzuführen. Nach wie vor ist die Abschiebungshaft in Deutschland keineswegs die ultima ratio zur Durchsetzung einer bestehenden Ausreisepflicht. Sie wird noch immer zu schnell beantragt und oft nach oberflächlicher richterlicher Prüfung verhängt, ohne dass Alternativen überhaupt geprüft werden. Mit tragischen Konsequenzen:
* Nach einem Bericht der Berliner Zeitung haben Anfang 2010 innerhalb eines einzigen Tages drei Abschiebehäftlinge in der Haftanstalt Köpenick versucht sich das Leben zu nehmen. Einer trank eine Shampooflasche leer, einer schnitt sich mit der Rasierklinge den ganzen Körper auf und blutete so stark, dass ein Rettungshubschrauber gerufen werden musste. Ein Dritter versuchte sich in der Zelle zu erhängen.
* Am 7. März 2010 erhängte sich ein junger georgischer Abschiebungshäftling im Zentralkrankenhaus für Häftlinge in Hamburg. Anstaltspsychologen hatten mit dem Häftling, dem die Zurückschiebung nach Polen drohte, Gespräche geführt und eine Suizidgefahr nicht ausgeschlossen. Er erhängte sich in der videoüberwachten Krankenzelle.
* Nach achtwöchiger Abschiebungshaft erhängte sich am 16. April 2010 die 34 Jahre alte indonesische Staatsbürgerin Yeni P. in der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand in Hamburg. Der für die Hamburger Haftanstalten zuständige Senator ist inzwischen Erster Bürgermeister Hamburgs.
* Am 2. Juli 2010 nahm sich der 58-jährige Slawik C. in der Abschiebehaftanstalt Hannover-Langenhagen das Leben. Fünf Tage vor seiner geplanten Abschiebung nach Armenien erhängte er sich mit dem Kabel eines Wasserkochers. Von Nichtregierungsorganisationen werden heftige Vorwürfe gegen die niedersächsischen Behörden erhoben. Die Inhaftierung habe keine Rechtsgrundlage gehabt und die Ausländerbehörde falsche Identifikationsdaten zur Beschaffung von Passersatzpapieren benutzt. Zudem sei Slawik C. trotz Anzeichen für einen möglichen Suizid nicht überwacht worden.
Völlig unannehmbar ist es zudem, dass in deutschen Haftanstalten, diesen Orten der Verzweiflung, Minderjährige untergebracht werden. Zwischen 2005 und 2007 wurden bundesweit in 377 Fällen unbegleitete Minderjährige in Abschiebungshaft genommen. Auch seitdem sind immer wieder neue Fälle bekannt geworden. PRO ASYL und der Interkulturelle Rat sehen hierin eine Verletzung der UN-Kinderrechts-konvention.
Die Konsequenzen, die aus der unmenschlichen Vollzugspraxis der Abschiebungshaft in Deutschland ergeben müssen, sind offensichtlich. PRO ASYL und der Interkulturelle Rat fordern,
* Abschiebungshaft für Minderjährige kategorisch auszuschließen;
* in jedem Einzelfall Alternativen zur Verhängung der Abschiebungshaft umfassend zu prüfen und berücksichtigen;
* die Betroffenen konsequent getrennt von Strafgefangenen unterzubringen;
* verbindliche Mindeststandards für Abschiebungshaftanstalten zu schaffen. Diese müssen die Bewegungsfreiheit innerhalb der Einrichtung gewährleisten, angemessene medizinische Versorgung sicherstellen und kostenlosen Zugang zu rechtlicher Beratung und Vertretung ermöglichen.
Zum Hintergrund des Gedenktages am 30. August:
* Am 30. August 1983 starb Kemal Altun, ein 23-jähriger Asylsuchender aus der Türkei, durch einen Sprung aus dem Fenster des Westberliner Verwaltungsgerichts. Während eines von der Türkei in Gang gesetzten Auslieferungsverfahrens saß Altun 13 Monate lang in Auslieferungshaft.
* Am 30. August 1994 erstickte der Nigerianer Kola Bankole an Bord einer Lufthansamaschine während der Abschiebung, geknebelt, an Händen und Füßen gefesselt, mit Psychopharmaka „ruhig gespritzt“.
* Am 30. August 1999 starb Rachid Sbaai in einer Arrestzelle der JVA Büren, wo er die Matratze seiner Einzelhaftzelle in Brand gesetzt haben soll.
* Am 30. August 2000 stürzte der 28-jährige Mongole Altankou Dagwasoundel beim Versuch, sich während eines Krankenhausaufenthaltes der Abschiebungshaft in Berlin-Köpenick zu entziehen, in den Tod. Beim Versuch, sich aus dem Fenster des überwachten Krankenzimmers abzuseilen, stürzte er ab.
Initiativen gegen die Abschiebungshaft sowie Initiativen, die Gefangene in Abschiebungshaftanstalten beraten und betreuen, erinnern zum 30. August eines jeden Jahres an die Toten in Abschiebungshaft.
Hinweis:
Mehr Informationen sind einem Übersichtspapier mit aktuellen „Daten und Fakten zur Abschiebungshaft“ zu entnehmen, das Pro Asyl und der Interkulturelle Rat erarbeitet und auf ihren Homepages zum Download bereitgestellt haben.
Kontakt:
Tel. 069 23 06 95
E-Mail presse@proasyl.de
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.
Presseerklärung
30. August 2010
Bundesweiter Gedenktag für die Toten in Abschiebungshaft
PRO ASYL und Interkultureller Rat: Abschiebungshaft muss drastisch reduziert werden
Anlässlich des heutigen Gedenktages für die Toten in Abschiebungshaft fordern PRO ASYL und der Interkulturelle Rat in Deutschland die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern auf, die Abschiebungshaft grundsätzlich neu zu regeln und drastisch zu reduzieren.
Bei jedem neu bekannt werdenden Suizid in der Abschiebungshaft gibt es lediglich Betroffenheitsbekundungen und Lippenbekenntnisse. Diesen steht keine adäquate Bereitschaft gegenüber, notwendige Reformen durchzuführen. Nach wie vor ist die Abschiebungshaft in Deutschland keineswegs die ultima ratio zur Durchsetzung einer bestehenden Ausreisepflicht. Sie wird noch immer zu schnell beantragt und oft nach oberflächlicher richterlicher Prüfung verhängt, ohne dass Alternativen überhaupt geprüft werden. Mit tragischen Konsequenzen:
* Nach einem Bericht der Berliner Zeitung haben Anfang 2010 innerhalb eines einzigen Tages drei Abschiebehäftlinge in der Haftanstalt Köpenick versucht sich das Leben zu nehmen. Einer trank eine Shampooflasche leer, einer schnitt sich mit der Rasierklinge den ganzen Körper auf und blutete so stark, dass ein Rettungshubschrauber gerufen werden musste. Ein Dritter versuchte sich in der Zelle zu erhängen.
* Am 7. März 2010 erhängte sich ein junger georgischer Abschiebungshäftling im Zentralkrankenhaus für Häftlinge in Hamburg. Anstaltspsychologen hatten mit dem Häftling, dem die Zurückschiebung nach Polen drohte, Gespräche geführt und eine Suizidgefahr nicht ausgeschlossen. Er erhängte sich in der videoüberwachten Krankenzelle.
* Nach achtwöchiger Abschiebungshaft erhängte sich am 16. April 2010 die 34 Jahre alte indonesische Staatsbürgerin Yeni P. in der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand in Hamburg. Der für die Hamburger Haftanstalten zuständige Senator ist inzwischen Erster Bürgermeister Hamburgs.
* Am 2. Juli 2010 nahm sich der 58-jährige Slawik C. in der Abschiebehaftanstalt Hannover-Langenhagen das Leben. Fünf Tage vor seiner geplanten Abschiebung nach Armenien erhängte er sich mit dem Kabel eines Wasserkochers. Von Nichtregierungsorganisationen werden heftige Vorwürfe gegen die niedersächsischen Behörden erhoben. Die Inhaftierung habe keine Rechtsgrundlage gehabt und die Ausländerbehörde falsche Identifikationsdaten zur Beschaffung von Passersatzpapieren benutzt. Zudem sei Slawik C. trotz Anzeichen für einen möglichen Suizid nicht überwacht worden.
Völlig unannehmbar ist es zudem, dass in deutschen Haftanstalten, diesen Orten der Verzweiflung, Minderjährige untergebracht werden. Zwischen 2005 und 2007 wurden bundesweit in 377 Fällen unbegleitete Minderjährige in Abschiebungshaft genommen. Auch seitdem sind immer wieder neue Fälle bekannt geworden. PRO ASYL und der Interkulturelle Rat sehen hierin eine Verletzung der UN-Kinderrechts-konvention.
Die Konsequenzen, die aus der unmenschlichen Vollzugspraxis der Abschiebungshaft in Deutschland ergeben müssen, sind offensichtlich. PRO ASYL und der Interkulturelle Rat fordern,
* Abschiebungshaft für Minderjährige kategorisch auszuschließen;
* in jedem Einzelfall Alternativen zur Verhängung der Abschiebungshaft umfassend zu prüfen und berücksichtigen;
* die Betroffenen konsequent getrennt von Strafgefangenen unterzubringen;
* verbindliche Mindeststandards für Abschiebungshaftanstalten zu schaffen. Diese müssen die Bewegungsfreiheit innerhalb der Einrichtung gewährleisten, angemessene medizinische Versorgung sicherstellen und kostenlosen Zugang zu rechtlicher Beratung und Vertretung ermöglichen.
Zum Hintergrund des Gedenktages am 30. August:
* Am 30. August 1983 starb Kemal Altun, ein 23-jähriger Asylsuchender aus der Türkei, durch einen Sprung aus dem Fenster des Westberliner Verwaltungsgerichts. Während eines von der Türkei in Gang gesetzten Auslieferungsverfahrens saß Altun 13 Monate lang in Auslieferungshaft.
* Am 30. August 1994 erstickte der Nigerianer Kola Bankole an Bord einer Lufthansamaschine während der Abschiebung, geknebelt, an Händen und Füßen gefesselt, mit Psychopharmaka „ruhig gespritzt“.
* Am 30. August 1999 starb Rachid Sbaai in einer Arrestzelle der JVA Büren, wo er die Matratze seiner Einzelhaftzelle in Brand gesetzt haben soll.
* Am 30. August 2000 stürzte der 28-jährige Mongole Altankou Dagwasoundel beim Versuch, sich während eines Krankenhausaufenthaltes der Abschiebungshaft in Berlin-Köpenick zu entziehen, in den Tod. Beim Versuch, sich aus dem Fenster des überwachten Krankenzimmers abzuseilen, stürzte er ab.
Initiativen gegen die Abschiebungshaft sowie Initiativen, die Gefangene in Abschiebungshaftanstalten beraten und betreuen, erinnern zum 30. August eines jeden Jahres an die Toten in Abschiebungshaft.
Hinweis:
Mehr Informationen sind einem Übersichtspapier mit aktuellen „Daten und Fakten zur Abschiebungshaft“ zu entnehmen, das Pro Asyl und der Interkulturelle Rat erarbeitet und auf ihren Homepages zum Download bereitgestellt haben.
Kontakt:
Tel. 069 23 06 95
E-Mail presse@proasyl.de
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