Freitag, 27. Oktober 2006
Nicht, dass ich etwas gegen Liberale hätte
Hinsichtlich der Universalität von Menschen- und Bürgerrechten und der Ablehnung von atavistischem Kulturalismus bewege ich mich mit denen durchaus auf einem Boden. Insofern Dank an Statler für diesen Lesetipp: http://arlesheimreloaded.twoday.net/stories/2849280/.


In diesem Zusammenhang möchte ich zu Huntington noch bemerken, dass dieser in den 1980er Jahren Mitglied einer Kommission zur Entwicklung einer integrierten Langzeit-Strategie für die US-Streitkräfte war, und bei einem solchen Hintergrund fällt es mir schwer, dem guten Sam den neutralen Philosophen abzunehmen. Umso mehr trägt Dahrendorfs Beitrag zur Wahrung eines rationalen politischen Diskurses angesichts der herrschenden Verwirrung bei.

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Erich Honeckers Wiedergänger
heißt George Bush II. Unfug? Nein, man schaue hier (frau auch): http://www.gmx.net/de/themen/nachrichten/ausland/amerika/3117704,cc=000000160300031177041pseKP.html

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Donnerstag, 26. Oktober 2006
Hier spielt die Musik!
Dank an Tattletale dafür: http://www.clipfish.de/player.php?videoid=MTcxNzF8NA%3D%3D

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Mittwoch, 25. Oktober 2006
Leichenschänder in Afghanistan
Da machen deutsche Junx also schwer einen auf Kapitan Dragan. Nun, Soldaten sind schließlich Mörder, außerdem ist jede Armee Spiegel ihrer Gesellschaft, undbeim Zustand der bundesdeutschen Gesellschaft wundert mich nichts mehr. Andererseits dient eine Armee aber auch der Abschreckung, und wie sollte man das besser können, als mit Nazis, Psychopathen und Perversen in Uniform?

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Nullchecker on Tour
Dass es Blogger gibt, die andere nicht mögen und dies auch laut sagen ist legitim. Wenn aber ein Herr Petersen, Peterle oder so ähnlich ein Anti-Don-Blog betreibt bzw. seine aktuellsten Aussagen alle reines Don-Gebashe sind, stellt sich die Frage, ob da einer gewaltig neidisch ist bzw. Don als Vehikel benutzt, um Aufmerksamkeit zu generieren. Trafficmaschine Alphonso sozusagen. Lustig sind die Aussagen, die er über Dons Charakter, den Nörgler, FoolDc etc. trifft - sie verraten nämlich, dass er komplett keine Ahnung hat :-)


http://rebellmarkt.blogger.de/stories/589329

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Am Rande
Möchte ich auf ein paar lesenswerte Blogs hinweisen, Verlinkung bei Gelegenheit:


http://mivtzaatid.wordpress.com/

http://www.claudiakilian.de/


http://dosron.twoday.net/

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Dienstag, 24. Oktober 2006
Extrem proletarisch
waren ja die Aktionstage am Wochenende. was wir bräuchten, wären bundesweite Montagsdemos gegen Hartz IV. Vielleicht passiert das selbst in diesem traurigen Land noch, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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Köhler greift ein
Nun hat unser Bundeshotte zugeschlagen und die Privatisierung des Fluglotsendienstes verhindert. Eine kluge Intervention. Die Enthusiasten des deregulierten Kapitalismus würden sonst wahrscheinlich noch die Polizei privatisieren, mit Knästen fangen sie ja schon an.

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50 Jahre Ungarnaufstand
Das, wessen da gedacht wird, hatte wenig mit dem 17. Juni, dem Prager Frühling oder der friedlichen Revolution in der DDR zu tun. Der Ungarnaufstand war gewalttätig - stalinistische Funktionäre wurden von revolutionären Studenten und Arbeitern an die Wand gestellt - und hatte in Teilen eher einen rätekommunistischen oder anarchosyndikalistischen Charakter. Ein nicht unbeachtlicher Teil des Aufstands war der Versuch einer Revolution links des orthodoxen Kommunismus. Gerade deswegen blieb jede reale Hilfe aus dem Westen aus.

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Montag, 23. Oktober 2006
Fernsehtipp
Gleich geht´s los, auf Arte: Fatih Akins "Gegen die Wand".

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Meine Provinz und ich
Nicht, dass mir die von Don ausgelobten Gabeln wichtig wären - aber hier kommt mein Beitrag zum Contest.


Ich gehöre nicht zu den Honoratioren, wohl aber zur Lokalprominenz der Provinzstadt. Wenn ich in Urlaub fahre, verabschiedet sich der Stadtdirektor von mir, ich habe im Theater zwei Ehrenplätze direkt hinter dem OB, in der Fußgängerzone grüßen mich Passanten mit Namen, da ich bekannt genug bin.

Ein Blick in den Rückspiegel. Die Enduro, die die ganzeNacht hinter unserer Villa Kunterbunt im Park gestanden hat, nimmt die Verfolgung auf. Nach einer Weile spricht der Fahrer in ein Funkgerät und biegt ab, während nun ein VW-Bus mit der Werbung eines Service-Unternehmens hinter mir herfährt. Meine Briefe kommen zwei Stunden später an als beim Rest der Hausgemeinschaft dafür, etwas Service darf man ja erwarten, geöffnet. Eine Mitbewohnerin bringt Müll zum Müllcontainer, zu dem und von dem zurück ihr eine gelber Postbus folgt. Seit Wochen geht das so. Wir verabreden uns telefonisch zur Übergabe einer Kiste mit Granaten und können dann amüsiert verfolgen, wie viele Einsatzkräfte der Überreichung eines Kastens Jever beiwohnen. Die ganze Farce endet, als ein grinsender Richter das Verfahren einstellt und ein grinsenderer Anwalt seine Robe in die speckige aktentasche knüllt und schulterklopfend sagt: "So viel zum Thema 129a)!"



Niemandem aus meiner jetzigen Umgebung könnte ich dies erklären. Diese kommunalen und Provinzhochschul-Bediensteten, mittelständischen Unternehmer, Juristen und IHK-Funktionäre, PRler und Designer, Journalisten und Berater, mit denen ich so zu tun habe, haben zu dieser Vergangenheit, von der ich mich nie distanziert habe, sondern der ich langsam entwachsen bin, keinen Bezug. Nicht, dass ich mit meiner Vita hinterm Berg hielte, manche Erlebnisse haben für meine jetzige Umgebung großen Unterhaltungswert, aber ich teile mit ihnen nur das Hier und jetzt, weder das Gestern noch das Morgen.


Die Nacht im Minenfeld im Sinai, der Anblick eine explodierenden Autos, wo ich gerade noch gestanden hatte,die Genossin, die sie nackt an den Armen aufhängten und der sie unsagbare Scheußlichkeiten androhten, bis ein Anruf von ganz oben sie rettete, das Grauen, als wir Fotos von Azads Heimatdorf sahen, auf das sie Schrappnellbomben so dicht geworfen hatten, dass eine jede im Wirkungskreis der anderen detoniert war, so etwas vergisst man ebensowenig, wie die vielen Situationen, wo man gemeinsam Solidarität und eine tiefe Mitmenschlichkeit erfuhr, das ist keine Vergangenheit, die man ablegt wie einen Mantel.


Der Zweite Bürgermeister eröffnet eine Ausstellung, ich halte eine Laudatio. Klickblitz, klickblitz, klickblitz, shakehands, wiedermal. Dieses biedere, etwas konservative, in religiösen, sexuellen und migrationspolitischen Fragen liberale Millieu ist gar nicht so schlecht, hätte ich immer hier gelebt, hätte bei mir möglicherweise keine Radikalisierung stattgefunden, eher ein Aussteigen Richtung Travellertum, Stairway to heaven am Strand von Lombok singend.

Szenenwechsel: Man gibt 60 000 Euro für eine Lautsprecheranlage und ein Übersetzerbüro aus, damit wir zwei den Vorständen, Aufsichtsräten, Gewerkschaftern und Frauenbeauftragten unsere Rechercheergebnisse zu den Tätigkeiten des Konzerns in diesem schönen Lande vortragen können, übersetzt in 3 Sprachen. Sie erwarten eine gehübschte Werksgeschichte mit einigen kritischen Anmerkungen, man hält sich Historiker schließlich als so eine Art Hofnarren.


Wir aber erzählen in Seelenruhe, wer wann welche spektakulären Unfälle verursacht hat, wie man mit den Generälen gekungelt hat, dass die Lautsprecherboxen auf der Plaza major einmal aufgehängt wurden, um die Schreie der Gefolterten im Keller des Justizpalasts mit Gedudel zu übertönen, wie man der Stadt Wasserrechte abkaufte, erzählen den Gewerkschaftern und Frauenbeauftragten, welche Rechte sie in Deutschland hätten, wir nennen schrecklich viele Namen und Daten. Mitten in unserem Vortrag geht ein Vorstandsvorsitzender wortlos, andere schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. So schnell werden die keinen Historikern mehr die Werkstore öffnen. Am Abend, bei Languste und Rotwein, lobt uns unser Gastgeber und sagt, wir hätten genau die richtigen Fragen thematisiert, da hätten einige Täter mit im Saal gesessen.

So gesehen, bin ich nicht spießig geworden, habe nur das Kampffeld gewechselt. Einige gezielte, stachelige Interventionen gehen noch immer. Ein Bruch in meinem Leben?

Nö, nur eine große Bandbreite.

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Vielerlei Kapitalismus
Im Rahmen einer interessanten Debatte http://che2001.blogger.de/stories/574233/ schrieb Rayson, dass eine in wesentlichen Teilen von einer autoritären Führung gelenkte Wirtschaft alles andere als kapitalistisch sei, in diesem Sinne sei der NS/Faschismus eigentlich kein politisches System innerhalb des Kapitalismus. Die von mir vorgetragene Definition des Kapitalismus als Marktwirtschaft mit Privateigentum an Produktionsmitteln und Mehrwertschöpfung als Produktionsziel wies er als zu unvollständig und zu speziell zurück, da auf jeden Fall der freie Markt und die von staatlichen Zwängen unkontrollierte Wirtschaft hinzugehörten. http://martinm.twoday.net/stories/2768707/#2770304


Ich habe darüber nachgedacht, mich ein wenig in der Geschichte umgesehen und bin zu dem Resultat gekommen, dass Kapitalismus dann wohl ein eher randständiges und nur in historischen Ausnahmesituationen auftretendes Phänomen sein dürfte, wenn man diese Definition eng auslegt und richtig ernst nimmt. In der ganzen Nachkriegszeit bis zum Auftreten von Reagan und Thatcher war der hoch regulierte keynesianische Wohlfahrtsstaat der Normalzustand der westlich-kapitalistischen Welt, eine Gesellschaftsformation, in der ich aufgewachsen bin und die mich prägte. Eine andere Kapitalismusdefinition vertritt mein Vater, der mittlerweile auf Diskussionsrunden wie die von Sabinsen von gestern Abend mit blankem Hass reagiert. Für ihn ist der Sinn und Zweck einer kapitalistischen Wirtschaft, ihre einzige Existenzberechtigung, die Finanzierung eines Sozialstaats, und darunter stellt sich mein Vater den Sozialstaat der 1970er Jahre vor, wo es noch selbstverständlich war, dass man für Zahnersatz und Brille absolut nichts dazuzahlte, Hausbesitzer Renovierungsarbeiten vom Staat bezuschusst bekamen und der Arbeitnehmer als Solcher alle 5 Jahre eine vom Staat bezahlte Kur machte, unabhängig davon, ober er krank war oder nicht. Für meinen Vater hat das politische System der Bundesrepublik Deutschland seit Verabschiedung der Hartz-Gesetze jede Existenzberechtigung und moralische Legitimität verloren. Dabei ist mein Vater nicht etwa ein linker Intellektueller, auch kein dem Kapitalismus besonders fernstehender Mensch, sondern ein pensionierter Bankdirektor, der seine politische Sozialisation in der Ära Adenauer/Ehrhardt/Kiesinger erhalten hat. Diese Ära zeichnet sich durch ein hohes Maß an Koporatismus aus. In Permanenz über Jahre tagende gemischte Kommissionen aus Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Regierung bzw. Krankenkassen, Ärztekammern und Regierung legten Löhne, Gehälter, Arbeitszeiten und Finanzierung des Gesundheitswesens fest, ohne dass es zu Arbeitskämpfen kam, die entscheidenden Beschlüsse fanden auch nicht in Tarifrunden und nicht im Parlament, sondern in den Kommissionen statt (Konzertierte Aktion). Ludwig Ehrhardt bezeichnete die soziale Marktwirtschaft mit ihrem hohen Organisationsgrad in Form mächtiger und die Sozialpolitik gestaltender Verbände selbstgefällig als die "Formierte Gesellschaft". Etwas, womit meine Eltern hautnah zu tun hatten, war die staatliche Zwangsverwaltung des Wohnungswesens, die bis 1965 bestand. Bedingt durch die Wohnraumverluste des Bombenkriegs besaßen die Wohnungsämter die Macht, jedem Hausbesitzer Mieter zuzuweisen. So wohnten meine Eltern als Besitzer eines mehrstöckigen Mietshauses in der eigenen Wohnung mit zwei anderen Familien zusammen, mit denen sie sich Küche, Bad und Toilette teilten. Sie bewohnten mit zwei Kindern innerhalb der eigenen Wohnung lediglich ein Zimmer. Mietern zu kündigen war nur bei schweren Verstößen möglich, in einem Fall reichte die Tatsache, dass ein Mieter einer Mitbewohnerin eine Bratpfanne über den Schädel gezogen hatte nicht aus, um ihn rauszuklagen. So gestaltete sich die dynamischste Wachstumsphase des deutschen Kapitalismus, das sog. Wirtschaftswunder, zugleich als eine Welt mit einer heute höchst sozialistisch anmutenden staatlichen Mangelverwaltung.Wenn wir über die Grenze schauen: Unter gaullistischer Ägide, also von 1958 bis 1972, wurden in Frankreich Mindestlöhne und Höchstpreise durch Präsidialdekrete geregelt.

Weiterhin: Wenn Kapitalismus an freie Märkte und das Fehlen staatlicher Regulierungen gebunden ist, dann hat er zu Zeiten von Adam Smith, David Ricardo und Karl Marx ebensowenig existiert wie Marxens Sozialismus. Konzepte wie "die unsichtbare Hand", "das freie Spiel der Kräfte" und der liberale "Nachtwächterstaat" waren ja keine Beschreibungen einer vorgefundenen Realität, sondern Idealbilder liberaler Philosophen. Die Staaten, in denen diese lebten, subventionierten sich selbst durch Schutzzölle, besaßen eine in verschiedener Hinsicht noch merkantilistische Wirtschaftsordnung und schufen sich in Form der Kolonien gerade gänzlich künstlich organisierte, auf die Bedürfnisse der imperialistischen Mächte und ihrer monopolistischen Kolonialhandelsgesellschaften hindesignten Märkte.

Schließlich und endlich wäre etwa auch zu fragen, inwieweit gerade die heutigen USA, deren treibender Wirtschaftsfaktor ein zu 100% auf Staatsaufträge angewiesener und staatlich subventionierter Aerospace- und Rüstungssektor darstellt, ein typisches Beispiel für einen radikalen Liberalkapitalismus darstellen.

Ich würde viel eher sagen: Ob das aktuelle Deutschland, der norwegische und finnische "Volksheim"-Wohlfahrtsstaat, das anglo-amerikanische Modell, aber auch faschistische Diktatur oder der chinesische Sonderweg einer kapitalistischen Modernisierung unter formal kommunistischem Regime, dies alles sind Formen kapitalistischer Gesellschaften, nur eben mit jeweils unterschiedlichem Charakter.

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Sonntag, 22. Oktober 2006
Begegnung am Strassenrand
Er trägt eine bodenlange, pfeffer- und salzfarbene Djellaba, einen Fez, Schnabelschuhe, sein schwarzer Bart reicht auf die Hüften, er stützt sich auf einen mannshohen Knotentstock, in seinem Gürtel sitzt ein silberbeschlagener Revolver. Und seine Hände beschäftigen sich mit einem Handheld Computer, einem HP IPAC. So ist der Armenier (aserischer Herkunft) heutzutage.

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Samstag, 14. Oktober 2006
Zwischenzeit
Es kann sein, dass es hier in den nächsten Wochen etwas ruhiger wird. Ich bin in einem Land unterwegs, das zwar nicht auf Stan endet, von dem ich aber dennoch nicht weiß, ob und inwieweit es dort Internetanschluss gibt. Insofern wird die Geschichte "Meine Provinz und ich" für Dons letzten Contest wohl etwas warten müssen - es sei denn, die Verhältnisse dort unten sind besser als gedacht, bei der Entwicklungsgeschwindigkeit der digitalen Welt weiß man ja nie.

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Samstag, 14. Oktober 2006
„Nächste Woche brennt es hier“
Haz vom 13.10.2006



Das Gelände des zentralen Aufnahmelagers in Oldenburg-Blankenburg mit
dem großen Teich und dem schönen Laubwald hat fast etwas von einem
Kurpark – trotz Metallgitterzaun. Doch der Schein trügt. Vor zehn Tagen
sind einige der hier lebenden Asylbewerber in den Streik getreten. Ein
Teil der rund 550 Bewohner kritisiert die Verpflegung, medizinische
Versorgung und „Zwangskasernierung“, fordert Essensgeld statt
„Kantinenfraß“ und und hat daher zum Boykott von Kantine und
Ein-Euro-Jobs aufgerufen. Wer gegen den Boykott verstößt, muss wie der
hungrige Afrikaner in der Kantine mit Druck rechnen. Seit Anfang
vergangener Woche vergeht kaum mehr ein Tag, an dem nicht die Polizei
gerufen wird, um bei der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde (ZAAB)
für Ruhe zu sorgen. Die Konflikte spitzen sich zu. Anfangs hatten
Streikende nur symbolisch den Kantineneingang verrammelt, seit einigen
Tagen häufen sich die Schlägereien. Und ein Ende ist nicht absehbar. Im
Gegenteil. „Nächste Woche brennt es hier“, hat eine Bewohnerin dem
ZAAB-Leiter Christian Lüttgau gedroht. „Lager = Isolation“, steht auf
einem Transparent, das ein Asylbewerber am Donnerstag bei einer
Demonstration durch die Oldenburger Innenstadt trägt. „Stoppt
Massenverpflegung“, steht auf einem anderen. „Ich bin schon seit zwei
Jahren in diesem Lager“, klagt die 28 Jahre alte Kurdin Gülistan, die
ihrem vierjährigen Sohn Asad übers Haar streicht, während die anderen
kämpferisch auf leere Benzinkanister trommeln. „Wir haben keinen Arzt,
kein Geld und keine Schule, und das Essen ist ungenießbar.“ Angeführt
wird die Demonstration von Vertretern eines „antirassistischen Plenums“,
einem bunten Spektrum, das von Globalisierungsgegnern bis zur Antifa
reicht, den sogenannten Antifaschisten. „Wir fordern die dezentrale
Unterbringung in gemeindenahen Wohnungen“, sagt Olaf Bernau vom
„No-Lager-Netzwerk“. „Alle Flüchtlinge müssen das Recht haben, sich bei
uns zu integrieren.“ Doch dies entspricht nicht der deutschen
Gesetzeslage. Abgelehnte Asylbewerber, die mit ihrer Abschiebung zu
rechnen haben, sollen nach dem Willen des niedersächsischen
Innenministers Uwe Schünemann (CDU) nicht in Einzelwohnungen, sondern in
Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden – in Braunschweig,
Bramsche und eben in Oldenburg. Doch die Konzentration auf engen Raum
schafft Probleme. „Wenn man nur 38 Euro Taschengeld im Monat kriegt, ist
klar, dass die Leute klauen oder mit Drogen handeln“, sagt der Türke
Mustafa Kocef. Auch Oldenburgs Polizeichef Johann Kühme bereitet die
Ballung von desintegrierten Migranten, die oft länger als zwei Jahr im
Lager sind, Kopfzerbrechen. „So kann es nicht weitergehen“, sagt er.
„Seit längerer Zeit schon haben wir in der Stadt eine offene Drogenszene
– und die Dealer, meist Schwarzafrikaner, kommen fast alle aus dem
Lager.“ Viele hätten längst abgeschoben werden müssen. Das Problem
besteht aber darin, dass sie keine Angaben zu ihrer wahren Identität
machen. Wenn sie aber Angaben zu ihrem Herkunftsland verweigern, wird
ihnen das Taschengeld gekürzt – auch das schafft Unmut. Aus Sicht von
ZAAB-Leiter Lüttgau ist der Protest von außen gesteuert. „Die
sogenannten Unterstützer benutzen die Bewohner zur Propagierung ihrer
politischen Ziele“, sagt Lüttgau. „Angefangen hat alles mit einem
Aktions-Camp, das sie vor unserer Unterkunft aufgebaut haben. Jetzt
nehmen sie die Leute in Geiselhaft.“ Mittlerweile falle es den
„Unterstützern“ schwer, die Bewohner mit eigenen Lebensmitteln zu
versorgen, so dass immer mehr versuchten, trotz des Boykotts in der
Kantine zu essen. Mit dem Speiseplan gibt sich das Catering-Unternehmen
„menü 2000“ derzeit offenbar auch ganz besondere Mühe. So wird am
heutigen Freitag „Kümmelgulasch mit Blumenkohl und Salzkartoffeln,
wahlweise Makkaroni“ angeboten – dazu Obst, Saft und Salatbüfett. „Seit
dem Streik gibt es plötzlich jeden Tag Festessen“, sagt einer ein
Kantinenstreiker. „Die Absicht ist natürlich klar.“

Von Heinrich Thies

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Hannah Arendt
Habe gerade in der Sendung "Shalom Shabbath" einen Beitrag über Hannah Arendt gehört. Sehr interessante Frau. Ich kannte sie bislang als Totalitarismus-Theoretikerin und scharfsichtige Beobachterin des Auschwitz-Prozesses ("Die Banalität des Bösen"), über ihre Bedeutung als Philosophin wusste ich hingegen weniger: sie hat ein philosophisches System entwickelt, in dem sie die Freundschaft, die Liebe und den Verrat kategorisch analysiert. Vielleicht mal lesen, es klingt spannend.

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Donnerstag, 12. Oktober 2006
BLEIBERECHT FÜR "GEDULDETE": WER FÜR SICH SORGEN KANN, SOLL BLEIBEN DÜRFEN
Knapp 200.000 Menschen leben in Deutschland als "geduldete" Ausländer, die meisten bereits länger als fünf Jahre. Dennoch droht ihnen die Abschiebung in ihre Herkunftsländer. Denn Duldung bedeutet nur eine zeitweilige Aussetzung der Abschiebung.

Dieses Verfahren soll durch ein Bleiberecht für geduldete Ausländer neu geregelt werden. Die Innenministerkonferenz kam nun offenbar einer Lösung näher: Ein Aufenthaltsrecht soll nur dann gewährt werden, "wenn jemand selbst in der Lage ist, für sich zu sorgen", sagte der Vorsitzende der Konferenz, Bayerns Innenminister Günther Beckstein.

Seit zehn Jahren lebt die kurdische Familie D. in Deutschland. 1996 floh sie aus der Türkei - als Opfer von Übergriffen und Repressalien. Die Kinder gingen zur Schule und haben diese heute auch erfolgreich abgeschlossen. Den beiden 19- und 21-Jährigen aber droht nun die Abschiebung. Wann, das ist offen. Klar aber ist: Auch nach zehn Jahren Leben, Lernen und Arbeiten in Deutschland hängt das allein von der Verlängerung ihrer Duldung ab.

"Eine Duldung ist nicht zur Regelung eines Daueraufenthaltes gedacht", sagt Flüchtlingsexperte Bernd Misovic von Pro Asyl gegenüber tagesschau.de. "Sie sollte eine Überbrückung für einen Zeitraum sein". Dennoch leben derzeit rund 193.000 Menschen seit Jahren in Deutschland mit einem Papier, das eine Abschiebung in ihr Herkunftsland zeitweilig aussetzt - eben der Duldung. Ihr Bleiberecht soll nun ausgehandelt werden.

"Etwa 120.000 dieser geduldeten Ausländer leben länger als fünf Jahre in Deutschland, mehr als 50.000 von ihnen sogar über elf Jahre", sagt Misovic. Mehrheitlich sind die "Geduldeten" Kosovaren, Roma, Bosnier oder Kurden. Sie kommen aus Serbien-Montenegro, Ex-Jugoslawien, der Türkei, Afghanistan oder dem Irak. Als "Geduldete" hätten sie kaum Chancen, eine Arbeit zu finden, sagt Pro-Asyl-Mitarbeiter Misovic. Und "sie haben kaum Möglichkeiten, nach Schulende eine weiterführende Ausbildung oder gar ein Studium zu machen". Klar ist: "Kettenduldungen, mal drei Monate, mal ein halbes oder ein Jahr Verlängerung, ermöglichen keine Lebensplanung", so der Flüchtlings-Experte.

Dabei seien die meisten von ihnen "integriert", das heißt "sie sprechen Deutsch und leben seit Jahren hier". Dass solche Lebenszustände geändert werden müssen, ist den meisten klar - vor allem, da auch "neue Geduldete nachwachsen", wie Pro-Asyl-Mitarbeiter Misovic sagt. So habe Deutschland in den letzen zwei bis drei Jahren mehr als 40.000 Flüchtlingen den Asylstatus wieder aberkannt - und damit mehr Menschen in den Duldungsstatus gedrängt.

Das Bleiberecht für geduldete Ausländer allerdings soll nach dem Willen der Bundesregierung sowieso nur die so genannten "Altfälle" regeln. Und auch da wird um das Wie gestritten. Bayerns Innenminister Günther Beckstein zum Beispiel zweifelt generell am Vorstoß von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, die Fälle der geduldeten Ausländer, die seit Jahren ohne gesicherten Rechtsstatus in Deutschland leben, zu regeln.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann wiederum will langjährig geduldeten Asylbewerbern mit Kindern ein Bleiberecht verschaffen - allerdings unter bestimmten Bedingungen. So müssten diese Familien ihren Lebensunterhalt durch dauerhafte Beschäftigung selbst bestreiten könnten. Zudem dürften die Eltern nicht straffällig geworden sein oder den Staat hintergangen haben. Darin stimmt Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach überein. Für ihn ist entscheidend, dass keine Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme stattfinde. Bosbach schlägt zudem einen Stichtag für das Bleiberecht vor: "Man muss vor dem 1. Juli 1999 eingereist sein", so der Unions-Fraktionsvize.

Auch SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz spricht sich für einen Stichtag aus. Der Tageszeitung "Die Welt" nannte er als Eckpunkte für ein Bleiberecht einen bis zu sechsjährigen Aufenthalt in Deutschland, die Erfüllung der Schulpflicht, Deutschkenntnisse sowie die Fähigkeit, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Die Grünen wiederum wollen schon nach eineinhalb Jahren vom Duldungsstatus zum Bleiberecht übergehen.

Um die Vorschläge wird bis November, wenn die Innenminister auf ihrer Konferenz über das Thema beraten sollen, noch kontrovers diskutiert werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Flüchtlinge, Pro Asyl, hofft, dass die Bedingungen für ein Bleiberecht der bisher geduldeten Menschen dann wenigstens so aussehen, dass sie auch erfüllbar sein können. Denn Forderungen, dass die Antragsteller zum Beispiel ein "Arbeitsverhältnis mit Dauerwirkung" vorweisen müssen, seien in einer Arbeitswelt, in der auch Deutsche immer mehr befristete oder gar mehrere Jobs haben, unrealistisch und unfair.

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Kevin allein im Kühlschrank
Das grauenhafte Ende dieses armen Kindes in Bremen demonstriert, worauf Stellenabbau bei den Sozialämtern so hinausläuft. Ich wage zu behaupten, dass in der Ära Koschnick, als Bremen die deutsche Stadt mit der größten SozialarbeiterInnendichte war, nicht passiert wäre. Und ja auch nicht passiert ist. Gleichzeitig möchte ich an die mit u.a. mit Monoma geführte Diskussion zum Thema "tittytainment" anknüpfen: Die Arbeitsmangelverwaltungsgesellschaft und Unterschichtenunterhaltungsgesellschaft hat ihre roh-primitiven, atavistisch-brutalen und autistisch-wahnsinnigen Züge. Diese werden mit steigender materieller und psychischer Verelendung in einem Ausmaß zunehmen, dass uns die sozialen Szenarien von "Die Klapperschlange" oder "Mad Max" vielleicht eines Tages idyllisch anmuten.

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Mittwoch, 11. Oktober 2006
Lupenreiner Demokrat in München
Im Unterschied zu Dresden bekommt Putin in München einen ruhigen Empfang, der Stadt, in der Franz Josef Strauß sagte, dass das Leben im Zentralstadion von Santiago bei warmem Wetter angenehm sei und ihn und Pinochet eine tiefe Freundschaft (und wohl auch eine tiefe Verfassungsfeindschaft, Anm.d. Bloggers) verbinde. Nein, hier hat niemand scharfe Töne zu erwarten, hier ging schon immer Wirtschaft vor Menschenrechten. Anna Politkovskajas Bedeutung wird von den russischen Medien heruntergerspielt, gleichzeitig wird gesagt, dass die russischen Polizeiorgane alles Menschenmögliche tun werden, um die Täter zu finden und hart zu bestrafen. Hmm. Ohne falsche Verdächtigungen auszusprechen, aber ich werde das Gefühl nicht los, diese Organe könnten gleich bei sich selbst anfangen zu suchen. Und der Putin, ist das nicht jemand, dem es zu seinen KGB-Zweiten zuzutrauen gewesen wäre, die Ermordung von einer wie Politovskaja anzuordnen?

Ich meine ja nur....

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Zu Youtube
Langsam habe ich den Eindruck, ich werde wirklich alt. Es gab mal eine Zeit (die gar nicht lange her ist), da gehörte ich hinsichtlich New Economy zu den Insidern und eingefleischten Experten, wenn auch nicht für den Consumer-Internet-Bereich, der mir eher ziemlich egal war, sondern für den Sektor B2B-Solutions und speziell die digitale Optimierung der Proliferationsketten in der Großindustrie. Ich muss aber gestehen, vor der Youtube-Übernahme durch Google habe ich von Youtube nichts mitbekommen (da waren in der Blogosphäre manchmal so Filmchen von denen, aber ich lese beim Bloggen lieber, als mir Videos anzuschauen), und aus meinem Empfínden würde ich sagen "ein Portal zum Herauf- und Herunterladen von Videoclips braucht kein Mensch."

Nun ja, ich bin ja auch jemand, der es nicht toll, sondern lästig findet, dass ein Handy noch andere Funktionen bietet als Telefonieren. Wahrscheinlich werde ich wirklich alt. Oder ich bin einfach nur sehr traditionell, und andere sind es nicht, sondern laufen bis ins Greisenalter dem Zeitgeist hinterher - kürzlich hörte ich, wie in einem Restaurant eine etwa 70jährige sagte, man müsste auch mal chillen können :-)

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Hörfunktipp
Normalerweise mag ich ja keine Rundfunkcomedy, seit die Urfassung, das FFN-Frühstyxradio, wie es 1990-95 war, von uns gegangen ist. Aber eine Sendung finde ich recht gut, nämlich Machtschwester Angela - Schicksalsjahre einer Kanzlerin auf NDR2. Kommt morgens so um halb acht.

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Hartz 4 - Der Terror geht weiter
Habe gerade im Radio gehört, dass man mal wieder plant, Hartz 4 zu verschärfen. Geplant sei nun, dass nur noch Leistungen bezieht, wer in irgendeiner Weise gemeinnützig arbeitet. Wenn schon, dann sollte man ehrlich sei und das als Zwangsarbeit bezeichnen, oder vielleicht als Bundesarbeitsdienst.


Geschildert wurde die Problematik am Fall eines Mannes, der für 6 Euro bei einem Wachdienst gearbeitet hatte und dann arbeitslos wurde. 6 Euro? Zu meiner Studienzeit, als die Verbraucherpreise im Schnitt halb so hoch lagen wie heute, war das der Tarif für einen Studentenjob beim Pizzakurden. Die Umverteilung von unten nach oben und die Schaffung eines Subproletariats als industrielle Reservearmee schreitet rasant voran.

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Dienstag, 10. Oktober 2006
Nomen est omen
Immer wieder schön: Eine Frau Grillow starb bei nem Hausbrand, ein Karatemeister heißt Frank Haubold, in Quirla deckte ein Tornado die Häuser ab, und ein Abdecker-und Wildbretverkaufsbetrieb heißt Schindewolf.

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Das Call-Center-Girl
Mein Handy klingelt, und ich gehe sofort ran, eigentlich einen wichtigen dienstlichen Anruf erwartend. "Spreche ich mit Herrn 2001?" fragt eine jüngere Frauenstimme in dieser typisch anjatanjatischen Sprechweise. "Ja!" "Mit Herrn Che 2001?" "Aber ja doch!" "Mit Herrn Dr. Che 2001?"

"Ja, der bin ich." "Unsere Marketing-Glücksfee hat ein ganz tolles Angebot für sie gefunden, speziell für Sie reserviert , Herr Dr. Che 2001." "Rufen Sie mich aus einem Call Center an?" "Sicher, ich..." "Wissen Sie, eine alte Freundin von mir hat auch mal in einem Call Center gearbeitet, aber den Job verloren, weil das Call Center nach Kapstadt verlegt wurde. Würden Sie Ihrem Job nach Kapstadt hinterher ziehen?" "Nein, sicher nicht. Wir haben aber eine ganz tolle Aktion..." "Die hätten sie auch gar nicht genommen, weil die keine Weißen einstellen. Das muss man sich mal vorstellen, ausgerechnet in Südafrika! Was für eine Hautfarbe haben Sie?" "Ich wüsste nicht , was Sie das angeht. Kommen wir doch zu unserer Suuupaaaa-tollen Aktion zurück, extra reserviert für Sie, Herr Dr. Che 2001..." "Sagen Sie, heißen Sie mit Vornamen Tanja?" "Bitte, was sollen denn diese Fragen?" "Sie machen doch Dialogmarketing, und deshalb lasse ich mir nicht Monolog-mäßig einen abgespulten Text erzählen." "Sagen Sie, wollen Sie mich verarschen?" "Nun, dazu müsste ich wirklich wissen, was für einen Arsch Sie eigentlich haben, den kenne ich ja gar nicht..."

TÜT, TÜT, TÜT.........

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Samstag, 7. Oktober 2006
Neulich, im Waffenladen
Da bin ich also im Waffenladen und sehe Werbung für ein Gewehr: Das Merkel SG 1. "Das Merkel", so wörtlich, sei ein Allzweckgewehr mit hoher Durchschlagskraft. Hmm, hätte ich gar nicht gedacht. Unterschätzt? Obwohl, der Zweck eines Gewehres ist es, Schaden anzurichten, und das kommt dann wohl irgendwie schon hin :-)

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Freitag, 6. Oktober 2006
Kruzitürken!
Gerade vom Pressedienst des Bundestags diesen Ticker reinbekommen:

Berlin: Die Bundesregierung will weiterhin bei der türkischen Regierung auf eine stärkere Glaubensfreiheit dringen. In einer Antwort (16/2739) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (16/2553) schreibt die Bundesregierung, dass sie "mit Nachdruck" auf Reformen hinwirken wolle, "die zur Verbesserung der Situation religiöser Minderheiten geeignet sind".
Insbesondere die Frage der Rechtspersönlichkeit der Gemeinschaften bedürfe einer geeigneten gesetzlichen Regelung, heißt es unter Hinweis auf den jüngsten Fortschrittsbericht der EU-Kommission vom November 2005.
Darüber hinaus hält die Regierung Stellungnahmen islamischer Organisationen in Deutschland für "wünschenswert", die sich für eine umfassende Wahrung des Menschenrechts auf Glaubensfreiheit in der Türkei einsetzen und die Gleichberechtigung aller Religionsgemeinschaften anmahnen.
Insgesamt hat sich die an konkrete Bedingungen geknüpfte EU-Beitrittsperspektive für die Türkei aus Sicht der Bundesregierung als wirksames Instrument erwiesen, um das Land zu fortschreitenden Reformen auch im Bereich der Religionsfreiheit zu bewegen.
Die christlichen Gemeinschaften in der Türkei und das Istanbuler Oberrabbinat verträten die Auffassung, dass sich die Situation nichtmuslimischer Religionsgemeinschaften in der Türkei aufgrund der EU-Beitrittsperspektive weiter verbessern wird.

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Die historische Notwendigkeit von Keynes
In einem lesenswerten Beitrag beschäftigt Statler sich mit bestimmten mentalen Parallelen zwischen New Deal und Faschismus:

http://www.statler-and-waldorf.de/?p=1605

Interessant ist, dass hier ein Ökonom, ein Volkswirt gar, auf ein mentalitätsgeschichtliches Werk verweist und mentalitätshistorisch argumentiert - ich als Alltagshistoriker, der der Mentalitätsgeschichte etwa der Annales recht nahe steht, würde hier nämlich strikt wirtschaftshistorisch argumentieren.

Nach dem Black Friday hatte der liberale, ungeregelte westliche Kapitalismus fertig, schien historisch bereits am Ende zu sein. Das kapitalistische System der westlichen Welt schien nicht durch eine soziale Revolution bedroht - die hatte man, außer in Spanien, wo der Faschismus sich direkt als Konterrevolution formierte, 1918 ff. mit Erfolg blutig niedergeschlagen - sondern es drohte an seinen inneren Widersprüchen zusammenzubrechen. In dieser Situation waren der Keynesianismus wie der Faschismus, ob in seiner deutschen, seiner italienischen oder seiner d´bazerten Variante http://rebellmarkt.blogger.de/stories/572546/#comments kapitalrevolutionäre Projekte, die den Kapitalismus retteten, indem sie ihn mit unterschiedlichen staatlichen Maßnahmen fit machten. Diese waren teilweise einander ähnlich, teilweise unterschieden sie sich aber auch ziemlich. Im Faschismus standen die Zerschlagung der Arbeiterbewegung und dadurch mögliche Lohn- und Preisdiktate sowie Zwangsarbeit im Vordergrund (wobei nicht nur an KZs gedacht werden muss, sondern auch an die Zwangsbeschäftigung Arbeitsloser durch den Reichsarbeitsdienst). Im Nationalsozialismus als der radikalsten und speziellsten Spielart des Faschismus waren Raub und Völkermord zentraler Bestandteil der Ökonomie, und zwar direkt neben staatlichen Sozialprogrammen. "Kraft durch Freude", staatlich gelenktes Kleine-Leute-Glück, Arisierung jüdischen Eigentums, "Rassenhygiene", "Euthanasie", Shoah und Krieg bildeten eine zusammenhängende Einheit, Hitlers Volksstaat und die Ökonomie der Endlösung waren zwei Seiten derselben Medaille.

Weitaus intelligenter und nachhaltiger gestaltete sich die Mobilisierung der Wirtschaft durch den Keynesianismus, der nicht nur die mörderische Komponente dieses Unterfangens fehlte, sondern auch mit Arbeitszeitbegrenzungen der Arbeitslosigkeit wetaus humaner abhalf als mit Zwangsdiensten, einen technologischen Modernisierungsschub und keine Arbeitsmobilisierung mit Hacke und Schaufel darstellte. Strukturelle Überschneidungen und organisatorische Parallelen waren natürlich vorhanden, alles andere wäre auch erstaunlich gewesen, wenn es darum ging, eine am Boden liegende Wirtschaft durch ein staatliches Konjunkturpprogramm anzukurbeln. In diesem Sinne war übrigens, wie ein Freund einmal schrieb, der attische Flottenbau unter Themistokles die erste Anwendung keynesianischer Politik in der Geschichte.

Die anfänglich Vorliebe Roosevelts für die zackige Organisationsfähigkeit Mussolini-Italiens sollte beachtet, aber auch nicht überbewertet werden; ein anderes Modell keynesianischer Politik neben dem New Deal war in dieser Zeit das Frankreich der Volksfront, also der Koalition aus Sozialisten, Radikalsozialisten und Kommunisten unter Léon Blum, die sich nicht nur der Schwierigkeit gegenüber sah, die nach dem Stavisky-Skandal besonders zerrüttete französische Wirtschaft zu reorganisieren, sondern zugleich die Machtergreifung der französischen Faschisten zu verhindern. Der Traditionsmarxist und Jude Blum hatte in seinem Denken keinerlei Sympathien für Mussolini, seine Koalition bewies, dass es möglich war, mit Kommunisten in der Regierung zusammenzuarbeiten, ohne dass diese eine Diktatur errichteten, offenbarte aber in der Abgrenzung von der Volksfront auch die Verkommenheit eines Bürgertums, das sich nun sagte "plustot Hitler que Léon Blum" und das Vichy-Regime hervorbrachte.


- die wirtschaftspolitischen Konzepte eines Keynes an und für sich sind erstmal weder links noch rechts, sondern ein pragmatischer Maßnahmenkatalog, um aus einer Rezession herauszukommen, aufgrund ihres stark etatistischen und korporatistischen Charakters liegt es aber auf der Hand, dass Sozialdemokraten und Sozialisten eher mit solch einem Modell liewbäugeln als Liberale oder Konservative. On the other hand ist auch eine auf Deregulierung, Stärkung der Währung und Schuldenabbau ausgerichtete Angebotsökonomie, wie ich ja schon an anderer Stelle gezeigt habe, nicht zwingend und immer an Liberalismus gebunden, insofern ist die Verwendung des Begriffs "Neoliberalismus" als Bezeichnung für ökonomische Rezepte in der Tradition Friedmans eine nicht unproblematische Angelegenheit und hat mit "Liberalismus" als politische Philosophie nicht zwingend zu tun, auch wenn Friedman ein Liberaler ist. Vom Standpunkt einer instrumentellen volkswirtschaftlichen Vernunft her würde es vermutlich sogar Sinn machen, keynesianische und monetaristische Wirtschaftsrezepte hintereinander anzuwenden, ping-pong-mäßig sozusagen, um etwa erst eine Wirtschaft aus der Rezession hinauszuführen und dann unerwünschte Nebeneffekte wie Überschuldung, verkrustete bürokratische Strukturen etc. loszuwerden. Dass nur wenige Ökonomen diese Kombination empfehlen würden, liegt unter anderem auch daran, dass die Volkswirtschaftslehre ja keine wertfreie, objektive Wissenschaft ist, sondern eine hochideologische Angelegenheit. Statler und Waldorf sind in der Hinsicht ehrlich, sie treten als überzeugte Wirtschaftsliberale auf. Aber das Institut für Weltwirtschaft oder das IFO-Institut sagen nicht von sich, dass sie neoliberale Denkfabriken sind - was der Fall ist - sondern treten als politisch neutral und objektiv auf. Ich bestreite, dass es Objektivität überhaupt gibt und empfehle in der Hinsicht mal ein Gespräch mit Quantenphysikern, die sich mit Heisenberg, Schrödinger, Gödel und der Geometrodynamik auseinandersetzen.

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Vom Umgang mit Nazis
Gefunden bei Artur:
http://www.taz.de/pt/2006/10/04/a0062.1/text

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Bloggin China
Das kam gerade auf dpa rein:


Trotz Zensur steigt China zur weltgrößten Blogger-Nation auf
(dpa) - China ist zur Nation der Blogger aufgestiegen. In kurzer Zeit hat sich im Reich der Mitte die lebendigste und größte Szene mit Internet-Tagebüchern weltweit entwickelt.


In China hat sich eine lebendige Blogger-Szene entwickelt.

34 Millionen dieser Tagebücher gibt es derzeit laut einer neuen Untersuchung des chinesischen Internet Informationszentrums. Das sind rund dreißig Mal so viele wie noch vor vier Jahren. Dabei haben die Blogger mit einer harten Zensur zu kämpfen. Viele Adressen im Internet sind in China nicht zugänglich oder werden blockiert, wenn sie sensible politische Themen ansprechen. Bei anderen werden einzelne heikle Einträge gelöscht.

Doch die Popularität der Internet-Tagebücher wächst rasant. Allein das Blog der jungen chinesischen Schauspielerin und Regisseurin Xu Jinglei wurde innerhalb eines Jahres schon mehr als 50 Millionen Mal angeklickt. Bereits im Sommer war ihr Internet-Tagebuch auf den ersten Platz der Rangliste der Blog-Suchmaschine "Technorati" geklettert und gilt seither als populärster Blog der Welt. Dabei schreibt der Star weder von erotischen Eskapaden, wie Chinas bekannte Bloggerin "Muzimei", noch kritisch journalistisch, wie "Massage Milk". Xu berichtet von banalen Dingen wie einem Treffen mit Freunden, vom Schwimmtraining und Problemen mit dem Computer.

Das leichte Alltagsgeplauder kommt an. "Eine Lawine von Klicks motivierte mich, weiterzuschreiben", berichtete Xu der Nachrichtenagentur Xinhua. Xu Jingleis Tagebuch zeigt, wie das Internet die streng kontrollierte Medienlandschaft verändert hat. Im Prinzip kann jeder Chinese heute seine eigene Geschichte veröffentlichen. Das Internet untergräbt das Medienmonopol der Kommunistischen Partei, auch wenn die meisten Nutzer unkritisches berichten. 7,7 Millionen chinesische Blogger gelten als "aktiv", weil sie mindestens einmal im Monat in ihr Internet-Tagebuch eintragen. 75 Millionen der 111 Millionen chinesischen Internetnutzer verfolgen diese Seiten.

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Donnerstag, 5. Oktober 2006
EU-Parlament zum Thema Türkei
Vielleicht werden die Verhandlungen zum Thema türkischer EU-Beitritt ja doch noch zu einem Referendum zum Thema Menschenrechte: [Die EU] "fordert die türkische Regierung auf, ihre Entschlossenheit zu zeigen, eine politische Lösung in der Kurdenfrage zu finden, indem sie die legale und pro- kurdische Partei der demokratischen Gesellschaft, die einen Waffenstillstand und einen politischen Dialog gefordert hat, trifft und in Gespräche mit ihr eintritt"; sie nimmt auch Bezug auf die Religionsfreiheit und die religiösen Minderheiten. In Auszügen heißt es: [Das Europäische Parlament] "fordert den Schutz und die Anerkennung der Alewiten, einschließlich der Anerkennung der Cem-Häuser als religiöse Zentren; fordert den Schutz und die Anerkennung der Yeziden und die Einrichtung von yezidischen Gebetsstätten und dass jeglicher Religionsunterricht freiwillig ist und nicht nur die sunnitische Religion umfasst, sowie die Einrichtung eines Alternativfaches für diejenigen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen möchten, in dem Werte, Normen und ethische Fragen behandelt werden; fordert den Schutz der Grundrechte aller christlichen Minderheiten und Gemeinschaften in der Türkei (z.B. der Griechen in Istanbul, Imvros und Tenedos)´"; man beschäftigt sich mit der Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern und anderen. Darin heißt es unter anderem:

(Das Europäische Parlament) "betont, dass die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern an sich zwar formal nicht zu den Kriterien von Kopenhagen zählt, dass es aber für ein Land, das sich auf dem Weg zum EU-Beitritt befindet, unerlässlich ist, sich seiner Vergangenheit zu stellen und sie zu bewältigen; fordert die türkischen Behörden diesbezüglich auf, die Arbeit von Forschern, Intellektuellen und Akademikern, die an dieser Frage arbeiten, zu erleichtern, indem ihnen Zugang zu den historischen Archiven gewährt wird und ihnen alle einschlägigen Dokumente zur Verfügung gestellt werden";
Ähnliches fordert das Europäische Parlament in Bezug auf Pontos-Griechen.

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Solidarität ist immer noch eine Waffe
Heute morgen haben in der ZAAB Oldenburg 200 Menschen vor dem Sozialamt und der Essensausgabestelle gegen ihre unwürdigen Lagerbedingungen demonstriert. Sie sind jetzt in den Streik getreten und verweigern das schlechte Lageressen, sowie die Ausführung der Ein-Euro-Jobs.

Das Lager-Essen ist vitaminarm, was zu Krankheiten und Mangelerscheinungen führt. Viele Menschen im Lager gehen schon lange nicht mehr in die Kantine, sie haben im Monat nur 38,18 Euro zur Verfügung um sich eigene Lebensmittel zu kaufen. Viele erhalten überhaupt kein Bargeld mehr. Sie fordern unter anderem Geldleistungen, um sich ihre Lebensmittel selber kaufen zu können und die Möglichkeit selber zu kochen.
Die Lagerleitung reagierte auf die friedliche Demonstration mit einem massiven Polizeiaufgebot. Eine schwangere Frau wurde mit Pefferspray angegriffen und mußte ärztlich behandelt werden.

Die Flüchtlinge boten dem Lagerleiter Herr Lüttgau an, die Demonstration zu beenden, wenn er bereit sei von dem Essen zu kosten. Dies tat er nicht.
Desweiteren forderten die Menschen aus Blankenburg eine medizinische Versorgung, die Krankheiten auch behandelt. Bisher bekommen die Flüchtlinge zurmeißt das Schmerzmittel Paracetamol, egal um welche Krankheit es sich handelt.

Die Flüchtlinge protestieren ebenso gegen die unmenschliche Behandlung der Lagerbehörden, die häufig mit rassistischen Äußerungen und bürokratischen Maßnahmen die Lagerbewohner schikanieren.
Gegen diese unwürdigen Lagerbedingungen sind die Flüchtlinge nun in Streik getreten und rufen zu einer Demonstration am Freitag, den 06.10.06, um 14 Uhr in Oldenburg vor dem Bahnhof auf.
Wir laden alle Menschen ein sich mit den Forderungen zu solidarisieren und gegen das Lager in Blankenburg zu demonstrieren!

3 Menschen, die sich von außerhalb mit den Demonstranten solidarisierten, sind mit Hausverbot bestraft worden, worauf eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch folgen soll. Andere Besucher sind gar nicht in die ZAAB hereingelassen worden. Die Lagerleitung scheut sich vor der Öffentlichkeit, die die unhaltbaren Zustände im Lager offen legen könnte.

Ach ja, und in diesem Zusammenhang kämpferische Grüße an die demonstrierenden Sans Papiers in Frankreich!

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