Mittwoch, 5. November 2008
Was Obama für den Fisch bedeutet
http://www.duckhome.de/tb/archives/3904-Praesident-Obama-und-was-bedeutet-das-fuer-den-Fisch.html

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Dienstag, 4. November 2008
Trägt die aktuelle Krise den Anfang vom Ende des Kapitalismus in sich?
Diese Überlegung legt ein Text von Wildcat nahe, den ich mich nicht scheue, in voller Länge zu posten.

23 Thesen zur kapitalistischen Krise


Teil II des Artikels Globale Krise aus Wildcat 82 - auch als [.pdf]


Verlauf
1) 2006 beendeten die Immobilienpreise in den USA einen jahrelangen Höhenflug – 2007 begannen sie zu sinken, es hatte ein deutliches Überangebot an Häusern und Wohnungen gegeben. Bei steigenden Zinsen und sinkenden Hauspreisen gerieten massenhaft überschuldete Hausbesitzer mit der Rückzahlung ihrer Hypotheken in Verzug. Das löste unmittelbar die subprime-Krise aus und griff sofort auf die Investmentbanken [1] über; im März 2007 kam es zu plötzlichen, starken Kursverlusten an den Börsen von New York und Shanghai. Inzwischen befinden wir uns in der größten Finanz- und Bankenkrise seit mindestens 77 Jahren – vielleicht aber auch am Beginn der bisher schwersten Krise in der Geschichte des Kapitalismus.
Wie konnte ein ganz normaler Schweinezyklus [2] (Überangebot an Häusern) eine solche gewaltige Wirkung haben? Die erste Erklärung liefert die US-amerikanische Arbeiterklasse, die bei sinkenden Reallöhnen ihren Lebensstandard nur noch mit Schuldenmachen aufrechterhalten konnte. Noch 1995 waren weniger als zwei Prozent aller Hypothekendarlehen [3] in den USA »subprime«[4], 2005 waren es bereits 25 Prozent. Die Verschuldung des US-Proletariats ist in den letzten Jahren stark angestiegen, 2007 gaben US-Amerikaner durchschnittlich 14 Prozent ihres Einkommens für die Rückzahlung von Schulden aus..
2) Die zweite Erklärung liegt in der Ausweitung des Kredits insgesamt. Die Geschichte des Kapitalismus seit dem Ende von Bretton Woods Anfang der 70er Jahre lässt sich begreifen als eine von Kapital, das nach profitablen Anlagemöglichkeiten sucht. Weil es sich in produktiven Investitionen in Fabriken und dergleichen nicht mehr ausreichend verwerten kann, sucht das Kapital andere »Anlageformen«: Währungsspekulation, Derivatehandel[5], Immobilienspekulation (in der bürgerlichen Terminologie wird das »Anlagenotstand« genannt). Eine der »Finanzinnovationen« des letzten Jahrzehnts war das Handeln mit Wertpapieren, die auf Schuldverschreibungen und Hypotheken basieren und zudem vielfach »gebündelt« sind. Solche CDOs[6] ermöglichten es, auch »faule« Kredite als absolut sicher zu raten, so dass institutionelle Anleger wie Pensionskassen, die gesetzlich gehalten sind, ihre Gelder sicher anzulegen, solche Papiere kaufen konnten. Durch hohe Kreditanteile ließ sich dabei die Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital vervielfachen; diese »Hebelwirkung« wird beim Zusammenbruch der Kreditpyramide zum Bumerang. Zudem stellte sich in der subprime-Krise heraus, dass durch die Bündelung niemand mehr erkennen konnte, wo überall »faule« Kredite versteckt waren (»Kontaminierung«), welche Bank also vom Zusammenbruch bedroht war. Vertrauen in den geregelten Gang der Geschäfte gehört zu den materiellen Voraussetzungen der Kapitalverwertung. Misstrauen zwischen den Banken machte aus der »Finanz-« eine Bankenkrise.
3) Seit Ausbruch der Krise wird darüber gestritten, ob und wie und wie stark »die Finanzkrise die Realwirtschaft erreicht«. In Wirklichkeit ist es umgekehrt: ein Abschwung der Weltkonjunktur (ab 2007) wird durch Finanzmechanismen vielfach verstärkt. Dieselben Finanzmechanismen, die »Wachstum« ermöglicht haben, forcieren nun den Zusammenbruch. Deshalb erscheint die Krise als Finanzkrise. Aber der Kern der Krise steckt nicht in der Zahlungsunfähigkeit der Banken, also in ihren »Passiva«, das eigentliche Problem sind die »Aktiva« der Banken: die hohe Verschuldung der sogenannten »Realwirtschaft«.
4) Denn die Finanzblase war keine vermeidbare Fehlentwicklung, sondern die Grundlage der sogenannten »Realwirtschaft«. Diese ist seit Mitte der 90er Jahre nur noch gewachsen aufgrund der Ausweitung des Kredits. Das Welt-Bruttosozialprodukt wächst seit den 1970er Jahren nur noch zwischen 2 und 4 Prozent (in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts war es zwischen 4 und 7 Prozent gewachsen).
Nach der Dot.com-Krise[7] wurden alle Schleusen geöffnet. In den folgenden vier Jahren hat die Fed mehr Dollars in Umlauf gebracht als in der gesamten 200-jährigen US-Geschichte zuvor. Es kam zur größten Ausweitung von Konsumentenkrediten und Hypotheken in der Geschichte des Kapitalismus. Die Banken gaben z.T. Kredite mit weniger als 3 Prozent Zinsen – das ist unterhalb der eigenen Kosten und Ausdruck der Überakkumulationskrise (s.o. »Anlagenotstand«; die Investitionen in Anlagen und Fabriken blieben in diesen Jahren weiterhin sehr niedrig). Zur Vertuschung dessen wird seit 2005 in den USA die Geldmenge M3[8] nicht mehr statistisch erfasst. Trotz all dieser Maßnahmen das Bruttosozialprodukt der USA seither nur noch aufgrund der Immobilienblase gewachsen. Auch weltweit der Boom von 2002 bis 2006 merkwürdig: die Arbeitslosenzahlen sind nicht gesunken.
5) Dritte Erklärung, warum die subprime-Krise wie ein Zünder wirkte: Die schuldenfinanzierte und konsumgeleitete US-Wirtschaft war mit einem Bilanzdefizit von 800 Mrd. $ jährlich auf gewaltige Kapitalzuflüsse, v.a. aus China angewiesen, das gleichzeitig zum Industriezentrum der Welt für Konsumwaren geworden war; die Hauptkapitalgeber China, Japan, Taiwan und Südkorea halten inzwischen zusammen 4 Billionen Dollar als Währungsreserven. Dieser Mechanismus lässt sich so zusammenfassen: In China produzierte Waren werden in den USA konsumiert und mit Dollars bezahlt, die sich folglich in China anhäufen. Diese Dollars leiht China dann der US-Regierung, damit der Kreislauf fortgesetzt werden kann. Eine solche Konstruktion kann nur eine begrenzte Lebensdauer haben. Und in der Tat ist seit 2007 Europa der größte Absatzmarkt für chinesische Waren, nicht mehr die USA. Die Grenzen des Modells wurden sichtbar – und verschärfen sich in der Krise: Der Zufluss ausländischen Kapitals in die USA nahm im Sommer 2008 dramatisch ab, statt den erforderlichen etwa 40 Mrd. Dollar monatlich, die in Form von Staatsfonds ausländische Käufer finden müssen, waren es im August 14, im Juli sogar nur 8,6 Milliarden. Fannie Mae und Freddie Mac wurden im September vor allem deswegen »gerettet«, sprich nationalisiert, um China bei Laune zu halten, das dort insgesamt 500 Mrd. Dollar investiert hatte.
6) In der Autoindustrie kommen Konjunkturzyklus, Überkapazitäten, mangelnde Investitionen, hohe Verschuldung (sowohl der Firmen wie der Kunden) und Produktzyklus (reifer Markt, verstopfte Straßen, »Ende des Erdölzeitalters«) zusammen. Deshalb schlägt die Krise in der Autoindustrie und bei ihren Zulieferern im Moment am stärksten ein.
7) Wir erleben gerade einen gewaltigen Monopolisierungsprozess von Banken und Konzernen auf globaler Ebene. In diesem Prozess setzt sich auch die herrschende Klasse neu zusammen und erklärt den Ausnahmezustand (z.B. ist das »Finanzmarktstabilisierungsgesetz« ein »Ermächtigungsgesetz«). Die Rettungsmaßnahmen zeigen von ihrer Struktur wie auch von den Personen, die per Blankovollmacht »ermächtigt« werden, dass sich die Regierungen diesen Entwicklungen nicht in den Weg stellen, sondern sie flankieren bzw. sogar verschärfen (Robert Scheer sprach in bezug auf das bail out[9] der US-Regierung von »Finanzfaschismus«).
8) Im Gefolge der Krise und in Folge der Krisenmaßnahmen sind die Arbeitslosen- und Rentenversicherungen sowie die Kommunen die nächsten Bankrotteure. Einerseits haben diese Institute ihre Gelder spekulativ (die Deutsche Rentenversicherung hatte Lehman-Papiere) bis hochspekulativ angelegt (amerikanische Rentenfonds haben nach dem Immobilien- und Rohstoff-Crash ihre Anlagen teilweise in »Geierfonds«[10] umgeschichtet), auch Lebensversicherungen und Betriebsrenten hängen voll im Risiko bei möglichen Bankenpleiten.
Andererseits bedienen sich die Regierungen aus diesen Fonds (in Russland wurden mit Rentengeldern Banken gerettet; die argentinische Regierung zapft die privaten Rentenfonds an; usw.)
Wie der Kriseneinbruch Mitte der 70er Jahre (New York!) schlägt auch die aktuelle Krise auf die kommunalen Haushalte durch. Viele Städte im Ruhrgebiet, aber auch z.B. Freiburg stehen vor massiven Zahlungsproblemen.
9) Nach der Finanzbranche werden nun ganze Staaten zum Ziel von bail outs: Island, Ungarn, Pakistan, Türkei, Argentinien, Weißrussland, die baltischen Staaten, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Kasachstan… Man fürchtet einen Dominoeffekt, denn der IWF bräuchte bis zu einer halben Billion Dollar für die Rettungspakete – und hat nicht einmal halb so viel Geld zur Verfügung. Politisch bedeutsam ist, dass Island zunächst bei Russland Hilfe suchte, Pakistan bei China, Argentinien bei Venezuela. Aber auch den um Unterstützung angegangenen Ländern geht das Geld aus. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Finanzgipfel Mitte November sich auf so etwas wie ein neues Bretton Woods [11]einigen kann.
Der Mythos der »Volkswirtschaft« bröckelt. Er wird dann zusammenbrechen, wenn es ein Land wie die Schweiz erwischt! National regulierte Arbeitsmärkte, mit denen die Weltarbeiterklasse in einzelne Segmente eingeteilt wurde, brechen zusammen.
Die Krise ist eine des kapitalistischen Weltsystems
10) no »decoupling« - weder für die EU, noch für die BRIC-Staaten!
Die BRIC-Staaten mit ihren großen Binnenmärkten sollten das erschöpfte Modell des kreditfinanzierten Konsums in den Metropolen verlängern. Aber die Nachfrage der neuen Mittelschichten in diesen Ländern kann auf absehbare Sicht den Konsum der US-Arbeiterklasse usw. nicht ersetzen. Die übersteigerten Hoffnungen in die BRIC-Staaten waren selber bereits Ausdruck der Krise. Seit einem Jahr rutschen aber auch diese ab. In Russland sind z.B. die ausländischen Direktinvestitionen 2008 im Vergleich zu 2007 fast um die Hälfte gesunken; das extrem schwache Banksystem und die Immobilienblase sind bereits am Platzen. Es drohen gewaltige Refinanzierungsprobleme. Massenentlassungen haben angefangen.
Der Staatsbankrott Islands war nur ein Vorgeschmack, die Schwellenländer markieren den Ring der nächsten Explosionswelle der Weltkrise. Hier geht es dann um sehr viel höhere Summen als bei der subprime-Krise. Gleichzeitig kann sich China dem Betteln der USA und der BRD um Finanzhilfe nicht verweigern! Ein Abzug der chinesischen Gelder aus den USA wäre der reine Selbstmord – das Überleben aller Regimes hängt daran, dass das US-Finanzsystem in der Krise nicht implodiert.
11) Die desaströse wirtschaftliche Situation der USA wurde nach dem 11.9. oft als die »twin towers of deficit« beschrieben: die höchste Staatsverschuldung und die höchsten Auslandsschulden in der Geschichte. In wenigen Jahren ist ein dritter Turm gewachsen und zusammengebrochen: Die Privathaushalte sind mit weit über 100 Prozent des Bruttosozialproduktes verschuldet. Die zur Aufrechterhaltung dieser fragilen Situation notwendigen Kapitalzuflüsse (siehe 5)) hängen an zwei Voraussetzungen: dem US-Dollar als »Weltgeld« und der militärischen Dominanz der US-Armee. Durch die beiden nicht mehr zu gewinnenden Kriege im Irak und in Afghanistan ist diese Situation zusätzlich prekär geworden. Der Hegemon ist am Arsch. Aber entgegen Beverly Silver und Giovanni Arrighi sind wir weder der Ansicht, dass uns der neue Hegemon gut tut, noch denken wir, dass es überhaupt schon ausgemacht ist, ob es nochmal einen geben wird – falls ja, wäre das weniger gut für uns als die Revolution. Zudem ist auch noch nicht ausgemacht, wer‘s wird und wie lange das dauert; Immanuel Wallerstein schrieb vor kurzem, normalerweise dauere ein solcher Übergang 50 Jahre, sicher sei nur, dass 2008 »das Jahr des Abtretens des Neoliberalismus« ist. Und ein solches Abtreten wirft alle Fragen auf.
12) Leider ist die Debatte in der Linken nicht auf der Höhe dieser Fragen. Viele machen sich Hoffnungen auf einen neuen Keynesianismus, setzen also auf einen starken Staat. Einer Neuauflage des Keynesianismus sind aber die Grundlagen entzogen: Es gibt keine Volkswirtschaft mehr, die dem Druck der Weltkrise widerstehen könnte; nationale Nachfrageankurbelung funktioniert nicht mehr – im Gegenteil: ein Staat, der in den letzten Wochen Garantien für »seine« Banken ausgesprochen hat, hat alle anderen Staaten unter short selling-Druck [12] gesetzt; das bail out des einen führt zur Entwertung des anderen Bankhauses/ Betriebes/ Staates. Und wie soll »Nachfrage« angekurbelt werden, wenn sowohl die Proleten wie die Banken das Geld horten? Zudem gibt es auch keinen Hegemon, der ein solches Programm durchsetzen könnte, wie in den 30er Jahren die USA – in Reaktion auf die dortigen Klassenkämpfe!
Krise der Krise
13) Der Kern der »neoliberalen Wirtschaftspolitik« bestand darin - in Reaktion auf die Klassenkämpfe Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts -, Kosten (v.a. Löhne!) zu drücken. Durch eine Politik der niedrigen Zinsen (oftmals unter der Inflationsrate, also negativ) wurde die Kreditmenge stark ausgeweitet, um den Konsum zu finanzieren (sowohl den Konsum der Arbeiterklasse, als auch den »Konsum« von Maschinen, also die »unternehmerische Investition«). Damit wurden die Unternehmerprofite gesteigert, die Einkommensverteilung drastisch verändert und große Teile der Klasse verarmt. Aber trotz der Verwüstungen, die diese Strategie weltweit anrichtete (»Strukturanpassungsprogramme«) war sie im Kern nicht erfolgreich: die Real-Investitionen blieben niedrig.
14) »Entwicklung« war in diesem Rahmen nur möglich durch aggressive Ausdehnung des Kapitals: Eindringen in bisher unerschlossene Winkel, Rekrutierung migrantischer Arbeitskraft, Industrialisierung der »Peripherie«. In den letzten 40 Jahren gab es eine weltweite Proletarisierung in einer Geschwindigkeit und einem Ausmaß wie noch nie in der Geschichte des Kapitalismus (siehe Wildcat 82). Dieser Ausweg ist somit heute versperrt, die Peripherie ist industrialisiert.
15) Der Neoliberalismus war kein neues »Modell« (wie es das Gerede vom »Postfordismus« glauben machen wollte), sondern eine langgezogene Krise seit 1973. Das deregulierte, aber politisch verwaltete Finanzwesen war die Antwort auf den Rückgang der effektiven Nachfrage, was ein anderes Wort für die Prekarisierung der Arbeit ist. Im globalen systemischen »Finanzrisiko« spiegelt sich der Angriff auf die Arbeiterklasse in den letzten Jahrzehnten. Seit den 80er Jahren wurde diese Strategie immer schneller von »Finanzkrisen« erschüttert: Schuldenkrise in der ersten Hälfte der 80er Jahre; Sparkassenkrise in den USA in der zweiten Hälfte der 80er Jahre; Pesokrise in Mexiko 1994/5; Asienkrise 1997/8; Rubelkrise 1998/9; Dot.com-Krise 2000/1. Während aber alle diese Krisen regional oder sektoral begrenzt werden konnten (um den Preis der weiteren Ausweitung des Kredits) stößt die langgezogene Krise im aktuellen Einbruch an ihre Grenze. In dieser »Krise der Krise« steht der globale Kapitalismus vor dem Abgrund.
Den Herrschenden gehen die Optionen aus
16) Auftakt wozu?
»1929« war nicht die Krise, sondern deren Ankündigung. Auch die aktuelle Krise wird sehr lange dauern und ihren Höhepunkt eher Ende als Mitte 2009 haben; danach wird es eine langgezogene Depression geben (auch die Krise 1873-1878 ging fünf Jahre). Die »Frühindikatoren« sehen rabenschwarz aus: Die Industrieproduktion geht zweistellig zurück, der Erdölpreis hat sich in drei Monaten halbiert, überhaupt stürzen Rohstoffpreise weltweit ab, der Welthandel schrumpft. All das sind Anzeichen für die Tiefe der Rezession. Auch bürgerliche Kommentare vergleichen die aktuelle Krise mit dem Erdbeben von Lissabon (1. November 1755), um die Epochenwende kenntlich zu machen. Man sieht das Erdbeben von Lissabon gemeinhin als Auftakt zur Französischen Revolution…
17) Deflation
Die ILO geht von einer Erhöhung der weltweiten Arbeitslosigkeit um 11 Prozent auf 210 Millionen im Jahr 2009 aus. Das gilt für den unwahrscheinlich Fall, dass die Krise nun »im Griff« ist. Die weltweiten Massenentlassungen sprechen eine andere Sprache (allein im Perlflussdelta könnten bis Ende des Jahres 2,5 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren)! Das heißt auf der anderen Seite, der Konsum wird massiv zurückgehen und eine deflationäre Entwicklung wird wahrscheinlich. Eine Deflation hat selbstverstärkende Wirkung: Fallende Preise drücken die Gewinnmargen. Dann werden noch mehr Leute entlassen, die Ausgaben für den Konsum gehen weiter zurück, die Gewinne der Unternehmer sinken weiter… Geldpolitisch lässt sich gegen Deflation wenig ausrichten – noch dazu, wo der Leitzins in den USA bereits bei 1 Prozent, in Japan bei 0,3 Prozent steht!
18) Der Reformismus ist unmöglich
Die Forderungen von Attac u.a., die Realwirtschaft zu retten und die Banken kaputt gehen zu lassen, ist nicht einlösbar, denn die Banken sind unverzichtbar für das Funktionieren des Kapitalismus. Dass die Banken die »Rettungsgelder« aber entweder horten oder zum Aufkauf kleinerer Banken verwenden - oder gar als Dividenden oder Bonuszahlungen ausschütten! –, zeigt das Dilemma: Wie kann man den Konsum ankurbeln und gleichzeitig das Einkommen neu an die Produktivität binden? Auch der Bush-Plan [13]Anfang des Jahres hat nicht funktioniert: die Leute haben das geschenkte Geld genommen, um ihre Schulden zurückzuzahlen oder um für die kommenden schlimmen Zeiten zu sparen – als Konjunkturprogramm hätte es nur gewirkt, wenn die Schecks gleich ausgegeben worden wären.
Viele Maßnahmen gegen die Krise (die massiven Zinssenkungen, das Zurverfügungstellen von billigen Krediten, Garantien jeder Art…) haben die Finanzkrise erst recht angeheizt – weil die Banken das Geld für hochriskante Spekulationen benutzt haben, mit denen sie aus ihren Verlusten rauskommen wollten. der Injektion von weiterem Geld werden die Probleme nicht behoben, sondern weiter angeheizt, solange das System nicht zugleich reguliert wird. Regulierungen, wie sie etwa Lafontaine in seiner Zeit als Finanzminister vorgeschlagen hat, funktionieren aber nur, wenn gleichzeitig die Arbeiterklasse verschärft ans Arbeiten gebracht würde (die andere Seite der Medaille: Lafontaine hatte als erster die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe vorgeschlagen, wie sie dann mit Hartz IV umgesetzt wurde). Ohne einen Kantersieg über die Arbeiterklasse verschärfen einzelne Rettungsversuche und Regulierungen lediglich die Spannungen zwischen konkurrierenden Einzelkapitalen und Fraktionen.
Was tun?
19) Kampf um die Köpfe
Dass von »Finanzkrise« geredet wird, dient als Legitimation, die Banken und Banker mit den Ersparnissen und Steuerzahlungen der ProletarierInnen zu retten. Dass »Spekulation« und »Gier« für die Krise verantwortlich gemacht werden, soll davon ablenken, dass es eine Krise des ganzen Systems ist. Bellofiore/Halevi [..] sprechen von der »Dreieinigkeit traumatisierten Arbeitern, verschuldeten Konsumenten und manisch-depressiven Sparern« und dass die Leute dazu gezwungen worden sind, »Akteure an den Finanzmärkten« zu werden. In der propagandistischen Bewältigung der Krise wird stattdessen drauf rumgehackt, dass die »kleinen Leute« auch »gierig« waren und ihr Geld z.B. bei isländischen Banken usw. angelegt haben (was zweifellos auch stimmt). Aber den meisten blieb durch den Abbau staatlicher Systeme (z.B. Renten) und angesichts von Zinsen unterhalb der Inflationsrate (typisch und substanziell für den »Neoliberalismus«) gar nichts anderes übrig.
Die »Gier der kleinen Leute« soll Sündenbock und gleichzeitig Legitimationsgrundlage für einen verschärften Arbeitszwang sein: Horst Köhler sagte in einem Spiegel-Interview: »Im Prinzip will jeder reich werden, und im Prinzip will jeder mit einem Minimum an persönlichem Aufwand reich werden. Man dachte, das geht am schnellsten mit Geldhandelsgeschäften, da muss man sich ja nicht die Griffel wund arbeiten. Diese Mentalität hat sich leider viel zu breit gemacht. Wenn wir ein neues Bewusstsein für den Wert des Geldes haben wollen, dann sollten wir ein neues Bewusstsein für den Wert der Arbeit entwickeln.«
Das ist die einsetzende Begleitmusik für die brutalen Sparprogramme, die auf uns zukommen. Im selben Interview sagte Köhler aber auch: »Gut möglich, dass nun ein Generalverdacht entsteht, dass alle, die ’da oben« sind, nicht an die ’da unten« oder ans Ganze denken.« - Das zeigt die Chancen! Die Krise ist eine Systemkrise, sie erfordert und ermöglicht fundamentale Klärungen. Die Antwort auf die Krise muss die Dinge beim Namen nennen: es gibt keinen Spielraum mehr für reformistische Projekte. Sobald sich die ArbeiterInnen – notgedrungen – mit den grundlegenden Funktionsweisen des Kapitalismus auseinandersetzen, den Dingen auf den Grund gehen, werden all diese Fragen wieder an Aktualität gewinnen.
20) Technisch gibt es bereits eine weltweite Arbeiterklasse.
Wir arbeiten in Produktionsketten zusammen, sind durch Computer und Internet vernetzt, elektronisches Geld rast um den Erdball (und macht z.B. die Milliarden von Überweisungen der ArbeitsmigrantInnen an ihre zurückgebliebenen Familien möglich…). Bisher waren die krassen Lohnunterschiede zwischen dem »globalen Süden« und den alten Metropolen ein wichtiges Spaltungsinstrument. Aber während die soziale Ungleichheit in den Ländern in den letzten Jahren zugenommen hat und sich in der Krise weiter verschärfen wird, haben die Unterschiede zwischen den Arbeitern im globalen Süden und denen im Norden abgenommen und werden zunehmend geringer.
21) Spaltungen…
Spalten die Krisenangriffe die Leute weiter auf oder wird eine politische Neuzusammensetzung in der Krise real? Die Form der Krise (»Finanzkrise«) verstärkt zunächst Klassenspaltungen (Leute mit Finanzanlagen gegen Leute ohne; Festangestellte gegen Leiharbeiter; Junge gegen Alte [z.B. in der Frage der Renten!]). Anderseits hat die Krise ihrer Wucht sicher auch das Zeug dazu, materiellen Spaltungen die Basis zu entziehen. Politisch liegen eigentlich alle Themen offen. Jeder/m dürfte klar sein, dass epochale Umbrüche anstehen.
22) Die Linke
Ein wenig Erleuchtung hat die Krise auch hier gebracht. Joachim Hirsch, der Vater der deutschen Postfordismus-Linken sagt jetzt: Der Begriff »Postfordismus« sei eine »Hilfsbezeichnung« gewesen. Das sei in der Krise nun deutlich geworden. Super, vorher hat diese »Hilfsbezeichnung« fast 30 Jahre lang den Linken die Hirne verseucht: keine Arbeiterklasse mehr, industrielle Produktion als Auslaufmodell usw. usf. - Aber insgesamt wirkt die Krise bisher auf die Linken leider eher verdummend: man macht sich Hoffnungen auf Keynesianismus und Staat; man eilt ans Krankenbett des Kapitalismus, nicht mit dem Dolch in der Hand, sondern um ihm Medizin zu bringen.
23) … oder politische Neuzusammensetzung der weltweiten Arbeiterklasse?
Für die jetzt lebenden Generationen war die Notwendigkeit und die Möglichkeit nie größer, Geschichte zu gestalten. Wir sollten nicht auf »Verelendungstheorien« setzen, es gibt wenig Belege in der Geschichte, dass die ArbeiterInnen besser kämpfen können, wenn sie im Elend stecken. Es gibt andererseits keinen Anlass zu denken, dass nichts passieren würde – die weltweiten Aufstandsbewegungen im Frühjahr 2008 waren nur ein Anfang. In China kam es in den letzten Wochen sehr schnell zu spontanen Kämpfen gegen die Entlassungswelle, usw. Die Frage ist eher: was entsteht da? und sind die Kämpfe der Dramatik der Weltkrise angemessen?
Die Kämpfe im globalen Süden haben die Kreuzzüge des Kapitals blockiert (Irak, Afghanistan, Lateinamerika, Asien – MigrantInnenkämpfe). Die aktuelle Krise bricht hingegen in den Metropolen aus und ist wirklich »Krise des Kapitals«, die Arbeiterklasse hat damit politisch nichts zu schaffen – nur als überschuldete Konsumenten, als tausend Mikrostrategien, wo jede/r sich geduckt und verschanzt hat, individuelle Auswege, wo der Opportunismus keine Grenzen kannte. Und wenn wir speziell die BRD betrachten, so sind auch die Kämpfe im Frühjahr kaum übergesprungen (in Spanien und Großbritannien z.B. gab es zumindest einige Lkw-Fahrerstreiks). Aber auch in der BRD gibt es seit etwa vier Jahren Kämpfe, Lernprozesse, Streiks gegen Betriebsschließungen, Mobilisierungen an Schulen und Unis. Allerdings liefen diese Bewegungen bisher alle getrennt – und stehen nun seit dem Sommer einem gewaltigen Bedrohungsszenario durch die Krise gegenüber. Einzelne Branchen trifft es besonders hart (Autoindustrie; Versicherung- und Bankangestellte; die »Lehmschichten«, denen bei Siemens der Kampf angesagt wurde…), aber wenn es tendenziell jeden treffen könnte, kriegt Solidarisierung eine materielle Grundlage. Die Krise schafft die Möglichkeit, dass bisher getrennte Entwicklungen zusammen kommen und den gegenseitigen Bezug der Kämpfe fördern.
Globale Krise – globaler Klassenkampf. Ist eine Neuzusammensetzung denkbar zwischen riots in den banlieues, gegen ihre Abwicklung streikenden Belegschaften, Schüler- und StudentInnenbewegungen, den Streiks im Meer der Proletarisierung (GDL), den Kämpfen in vordem »garantierten« Sektoren (Finanz- und Versicherungswesen), Initiativen gegen steigende Wasser- und Energiepreise, und – warum nicht? siehe Argentinien! - wütenden SparerInnen? Eine Neuzusammensetzung, die sich auch auf die Kämpfe der chinesischen ArbeiterInnen bezieht?
Was wir auf jeden Fall tun sollten, ist: Informationen über Kämpfe und Bewegungen auf der ganzen Welt sammeln und rumgehen lassen; herstellen; mitdiskutieren.
Militante Untersuchung statt »Übergangsprogramm«!
Kritik der Politik des Ausnahmezustands (Recht auf proletarische Gewalt) und Zentralität der Arbeit!
In der gesellschaftlichen Entwicklung, in der Krise und in den Kämpfen die Potenziale freilegen, die auf die Überwindung der Ausbeutung zielen!

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[1] Investmentbanken betreiben Vermögensverwaltung ihrer (reichen) Kunden, Handel mit Wertpapieren sowie Unterstützung von Unternehmen bei Kapitalaufnahmen (etwa Börsengänge). Das Geschäftsmodell »Investmentbank« ist durch die aktuelle Krise am Ende.
[2]Schweinezyklus ist ein Begriff aus der Agrarwissenschaft und bezeichnet eine periodische Schwankung auf der Angebotsseite. Bei hohen Preisen kommt es zu verstärkten Investitionen, die sich allerdings wegen der Aufzuchtzeit erst verzögert auf das Angebot auswirken und dann zu einem Überangebot und Preisverfall führen. Infolgedessen kommt es zur Reduzierung der Produktion, die sich ebenfalls erst zeitverzögert auswirkt und dann …
[3] Bei einem Hypothekendarlehen handelt es sich um ein durch ein Grundpfandrecht auf eine (oder mehrere) Immobilie(n) besichertes Darlehen. Als Grundpfandrechte kommen hierbei heutzutage weitgehend Buchgrundschulden zum Einsatz (über 90% aller neu vergebenen Darlehen).
Buchgrundschuld (im Grundbuch eingetragene Grundschuld) ist das dingliche Recht, aus einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht (beispielsweise einem Wohnungseigentum oder einem Erbbaurecht) die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu fordern. Die Grundschuld ist eine der wichtigsten Kreditsicherheiten.
[4] Als Subprime-Markt wird ein Teil des privaten (also nicht gewerblichen Zwecken dienenden) Hypothekendarlehenmarkts bezeichnet, der überwiegend aus Kreditnehmern mit geringer Bonität (»Kreditwürdigkeit«) besteht
[5]Derivate sind gegenseitige Verträge, deren Preisbildung auf einer marktabhängigen Bezugsgröße (Basiswert oder Underlying) basiert. Basiswerte können Wertpapiere (z.B. Aktien, Anleihen), marktbezogene Referenzgrößen (Zinssätze, Indices) oder andere Handelsgegenstände (Rohstoffe, Devisen) sein. Derivate können auch Basiswert von anderen Derivaten (2. Grades) sein. Grundsätzlich kommen als Basiswert oder Underlying Asset auch nicht-ökonomische Größen, wie etwa das Wetter in Frage.
[6]CDO - Collateralized Debt Obligation – »besichertes Darlehn auf Schuldscheine« (siehe ausführlicher in Bellofiore/Halevi)
[7]Dot.Com-Krise , der im März 2000 einsetzende Kurseinbruch von börsennotierten Unternehmen, deren Geschäftsmodelle primär auf Internet-Technologien beruhten (sog. Dot.Coms), von denen die Mehrzahl jedoch in der Praxis keine Gewinne machte. In der Folge entstand eine Finanzierungskrise auch bei nicht börsennotierten IT-Unternehmen, die in vielen Insolvenzen mündete. Die Dot.Com-Krise brachte die sog. Dot.Com-Blase zum »Platzen« und beendete neben den überzogenen Erwartungen an die »New Economy« auch den Aktienhype, von dem viele Kleinanleger gegen Ende des letzten Jahrtausends erfasst worden waren.
[8]Geldmenge M3
Die US-Zentralbank Fed definiert M3 als: alle US-Dollar-Bar-Bestände in Banknoten und Münzen, plus die laufenden $-Girokontenbestände plus alle $-Einlagenzertifikate (z. B. $-Staatsanleihen) und alle $-Geldmarkt-Kontenbestände unter $100.000, plus alle größeren Guthaben über $100.000 (u. a. die Eurodollar-Reserven, größere übertragbare $-Wertpapierbestände, und die Dollar-Devisenbestände der meisten nichteuropäischen Länder.
[9]bail out - Schuldenübernahme und Tilgung durch Dritte
[10]»Geierfonds« (vulture fund) - geschlossener Investmentfonds (Hedge-Fonds), der auf den Kauf von Wertpapieren anderer, bspw. zahlungsunfähiger oder fast bankrotter, Unternehmen spezialisiert ist, um aus dessen Überresten Einnahmen zu erzielen.
[11]Bretton Woods - »goldhinterlegte Leitwährung der Dollar« - nach Aufkündigung der Bindung des Dollars an die Goldreserven und der Goldeinlösepflicht durch die USA 1971 brach das Bretton-Woods-System 1973 durch die Aufkündigung der festen Wechselkurse endgültig zusammen.
[12] Beim Leerverkauf (auch »short selling«) werden Wertpapiere über die Börse verkauft, obwohl der Verkäufer zum Zeitpunkt des Verkaufs die Wertpapiere noch nicht besitzt. Mit dieser Strategie kann der Verkäufer mit überdurchschnittlichen Renditen von fallenden Börsenkursen profitieren. Im Gegensatz zu Optionsgeschäften mit festen Optionsterminen handelt es sich bei Leerverkäufen um sehr kurzfristige Geschäfte, da die Wertpapiere nach sehr relativ kurzen Fristen nachgeliefert werden müssen. Beispiel: Ein Leerverkäufer (»Shortseller«) verkauft über die Börse 1.000 Aktien der »Mustermann AG« zu einem Kurs von 100,- Euro. Liefern muss er die Wertpapiere aber erst drei Tage später. Sinkt der Kurs der Wertpapiere zwischen Verkauf und Liefertermin auf 90,- Euro, kann der Leerverkäufer 10.000,- Euro (vor Transaktionskosten und »Finanzierungskosten«) Gewinn erzielen.
[13]Bush-plan - …zwischen 140 und 150 Milliarden Dollar (zwischen 96 und 103 Milliarden Euro) wurden als »Steuercheks« an die amerikanischen Haushalte ausgegeben.



Quelle:
http://www.wildcat-www.de/aktuell/a064_thesen.html

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Nur mal so am Rande
Ich respektiere Jo@chims Wunsch, sein Blog nicht mit Auseinandersetzungen mit Dritten vollzumüllen, aber ein paar Anmerkungen habe ich zur Stimme aus dem Off dann doch.

Diese Zeugnisse sagen ja schon Einiges über ihn:
http://www.antibuerokratieteam.net/2008/10/12/van-ooyen-war-mit-sicherheit-kein-im/#comment-102419


Gleicher Autor, 2 mal O-Ton:

"About Me - Ich suche Hinweise auf Migrantenkriminalität, über die auf Grund Ziffer 12.1 Pressekodex nicht berichtet wurde. Wer Hinweise hat..."

"Und so wird unsere Kultur, unser “way of life” Schritt für Schritt unterwandert und mit unverschämten Forderungen ausgehöhlt. Willige Helfer finden sich in der Politik genug, denn es gibt reichlich hoch dotierte Posten zu verteilen.

Man kann nur hoffen, dass schon jemand eine Liste für “Nürnberg II” führt, damit auch ja keiner der Verräter davon kommt."

Nun ja, das ist wahrscheinlich ein festgefahrener alter Herr, der wohl nicht mehr so recht mitkriegt, was Sache ist, die Hochzeiten von Davids Medienkritik sind auch lange vorbei, aber ich würde nach dem, was ich da bisher gelesen habe Kewil für gemäßigter halten als diesen Herren.

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Dienstag, 4. November 2008
Wunderbarer Herbsthimmel
War das ein Schauspiel: Ein Schwarm Kraniche begegnet einer Zahl Wildgänse. Beide lösen ihre Formationen auf, umkreisen einander, dann geht es getrennt im Formationsflug, aber mit gleichem Kurs weiter, dazu Hunderte von Vogelrufen. Beeindruckend!



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Sag, wo die Milliarden sind, wo sind sie geblieben?
http://www.nytimes.com/2008/10/30/business/30aig.html?_r=2&pagewanted=1&oref=slogin

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Sonntag, 2. November 2008
Gute Vorsätze fürs nächste Jahr
Das hier habe ich gemacht

http://www.via-ferrata.de/lib/bild.php?path=/klettersteig/bilder/360/0_b_u.jpg

das auch

http://www.bergsteigen.at/de/touren.aspx?ID=1488

und das


http://www.bergsteigen.at/de/touren.aspx?ID=133

So langsam muss man sich steigern. Ich freu mich auf nächsten Sommer, habe aber noch kein bestimmtes Ziel. Vielleicht die Brenta oder den Stüdlgrat...


Oder den Geiger. Kein Witz, das ist keine Persiflage auf den Eiger, diesen Berg gibt´s.

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Freitag, 31. Oktober 2008
Das Lied zum Zug der Zeit: Finkeldeys Finanzballade
http://kritik-und-kunst.blog.de/2008/10/30/finanzballade-immer-schon-dagegen-4955558

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Dienstag, 28. Oktober 2008
Wintersport
Die Saison ist ja bald wieder da. Allerdings verstehen nicht alle unter Wintersport das Gleiche:

http://www.vertical-unlimited.com/picgalerie/eisklettern05/index.php#

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Sonntag, 26. Oktober 2008
Hier hat Balou einfach Recht
http://gebloggtewelten.de/2008/10/21/kein-unterschied/

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Das DDR-Grenzregime war nur ein Test
Denn die EU macht mit ihrer Abschirmung gegenüber Armutsflüchtlingen erst so richtig wahr, wovon Mielke nur träumen konnte: Schätzungen zufolge sind seit 1988 eine halbe Million Menschen bei ihrem Versuch, in die EU hineinzukommen getötet worden. Ralf Schröder schreibt hierzu in der aktuellen konkret: "Wenig Schlagzeilen machen angesichts der Normalität des Sterbens solche Vorfälle, wie sie im August des vergangenen Jahres die Besatzung des spanischen Luxus-Kreuzfahrtschiffes <<Jules Verne >> erlebte. Dessen Kapitän ließ die Motoren stoppen, als er in der Nähe von Malta ein Bootmit 25 Flüchtlingen aus Afrika entdeckte. Er rief die maltesische Küstenwache und blieb mit seinem Liner so lange in der Nähe des überfüllten Kahns, bis die Retter eintrafen. Kaum hatte danach das Kreuzfahrtschiff wieder Fahrt aufgenommen, wurde die Besatzung auf ein neues Drama aufmerksam: rund 30 Afrikaner, die mit Rettungswesten im Wasser trieben. Etwa die Hälfte war schon tot. 14 der Schiffbrüchigen, deren Fluchtboot auf dem Weg zur europäischen Küste unterging, konnten lebend gerettet werden....Afrikas Elend basiert darauf, dass 95 Prozent seiner Ressourcen vom westen zum Nulltarif geplündert werden. Afrikas Elend basiert nicht auf Vernachlässigung, sondern ganz im Gegenteil auf einem vitalen Verwertungsinteresse, das den Globus mittlerweile bis in seine letzten winkel und Rattenlöcher nach gewinnversprechenden Objekten absucht. Sieht man von Teilen des Erdöl- und Gasgeschäfts ab, dann entwickelt sich der Kontinent zu einem absolut rechtsfreien, politisch und sozial vollständig deregulierten Raum, dessen Regionen mit relativ bescheidenen Gewalt- und Geldmitteln für die Verwertung erswchlossen werden können. Vielfältige Bodenschätze, Sklaven, Exportplantagen, Kindersoldaten, Fischgründe, Lohnarbeiter, Tropenholz - Afrika verfügt durchaus über nennenswerte ökonomische oder ökonomisch nutzbare Potenziale. Die entscheidende Frage besteht eben nicht darin, ob diese im Gefüge des Weltmarktes eine respektable Größe abgeben. Interessant ist einzig und allein, ob sich vor Ort irgendein Geschäftsinteresse artikuliert, egal wie dreckig es ist. Gibt es bei dessen Realisierung Schwierigkeiten, ist ein <<Bürgerkrieg>> rasch organisiert, auch Militärputsche bieten sich an. Die Macht der meisten schwarzafrikanischen Staatsapparate ist mittlerweile dermaßen perforiert, dass große Teile des Kontinents von Söldnern, Privatarmeen und anderen <<Freiheitskämpfern>> oder <<Rebellen>> kontrolliert werden. ... "

Das afrikanische Elend wird von EU-Seite her ganz konkret mitorganisiert, wenn EU-Agrarprodukte mit konkurrenzlosen subventionierten Preisen den afrikanischen Markt überschwemmen und Bauern eigentlich nur noch die Wahl zwischen Auswanderung, Betteln, Söldner werden, Prostitution und Kriminalität lassen. Das gleiche gilt für die Fischgründe, die an europäische Fanggesellschaften verkauft oder verpachtet wurden und den einheimischen Fischern vier Möglichkeiten lassen: Schwarz fischen, Schmuggel, Piraterie oder den Transport von boat people. Selbst Solidarität mit Flüchtlingen, humanitäre Unterstützung wird in der EU zunehmend kriminalisiert, wie wir unter anderem am Beispiel Cap anamur sehen. "Funktionieren kann die Maschinerie des Todes dermaßen reibungslos, weil Europa nach wie vor ein Sumpf des Rassismus ist. Während sich ein größerer Teil der politisch interessierten Intelligenz dem Widerstand gegen die islamischen Kolonisatoren verschrieben hat und auf diesem Weg der zivilisatorischen Mission des Westens beigetreten ist, weiß der akademische und proletarische Mob traditionell und intuitiv, dass Schäuble, Berlusconi und
ihre Beamtenapparate auf dem richtigen Weg sind,"so Schröder.

Ergänzend hierzu:

http://www.fortresseurope.blogspot.com

http://de.youtube.com/watch?v=phYKrllis-U

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Samstag, 25. Oktober 2008
Gewesene Linke Heute: Die Antiimps
Zwar habe ich meine Serie "Elemente der Gegenaufkärung", in denen ich mich mit regressiven, die Unmündigkeit des Menschen befördernden Kräften, aus denen eine starke neue Rechte erwachsen könnte (könnte, nicht muss, die Wahrscheinlichkeit, dass diese der Bedeutungslosig- und Lächerlichkeit anheimfallen ist mindestens ebenso groß) beschäftige noch nicht abgeschlossen. So muss angesichts der Rolle von Pro Köln und Pro NRW, wo sich der Wohlstandsrassismus in einem christlich-populistischen Gewand zeigt, der ganze Komplex prowestlicher Neokonservatismus inklusive PI & Co. noch einmal angefasst werden. Auch der rechte Rand lohnt immer mal wieder einen aufmerksamen Blick, und so werde ich mich hier demnächst mit Black Block Nazis auseinandersetzen. Gleichzeitig beginne ich aber eine neue Serie, die sich mit der Vergangenheit der westdeutschen Linken auseinandersetzt. In konkret gab es ja die Artikelreihe Who´s left, in der so eine Art Bestandsaufnahme der deutschen Linken vorgenommen und geschaut wurde, was noch übriggeblieben ist und was unter die Räder kam. Ich nehme den entgegengesetzten Blickwinkel ein: Ich beschäftige mich mit Gruppen und bewegungen, die es definitiv nicht mehr gibt und mit den Gründen ihres Scheiterns. Dies geschieht nicht aus Nostalgie oder Nabelschau heraus, sondern unter dem Gesichtspunkt, dass die westdeutsche Linke ihre eigene Geschichte kaum noch erinnert, und um Fehler nicht zu wiederholen, die schon gemacht wurden die Irrtümer und Verstrickungen gescheiterter Bewegungen sichtbar zu machen. Den Titel Gewesene Linke habe ich mit Bedacht gewählt. Unter Stalin wurden Menschen, die von der Tscheka abgeholt und ermordet oder auch langjährig ins Gulag gesteckt wurden "Gewesene Menschen" genannt. Diese wurden aus dem Melderegister gelöscht und ihre Geburtsurkunden vernichtet. Aus dem Begriff Gewesene Menschen leitete George Orwell seinen Neusprech-Terminus "Unpersonen" ab.

Und genau das sollen sie nicht sein, die linken Bewegungen der Vergangenheit: Gewesene, über die niemand mehr spricht.

Demnächst wird hier also vom KB, von den Spontis, von der MG und einigen anderen Gruppen und Grüppchen die Rede sein, heute aber von einem besonders problematischen Teil des Spektrums: Den Antiimps.


Meine erste Begegnung mit Antiimps erfolgte im Winter 1984/85 im Zusammenhang mit dem seinerzeitigen RAF-Hungerstreik und einer Veranstaltungsreihe des damalige Anwalts von Christian Klar. Ich verkehrte schon in der autonomen Szene, zu deren inner circle ich erst später dazustoßen sollte und kannte die Besonderheiten und Eigenarten dieses Milieus recht gut, aber die Antiimps waren ganz anders. Beton in den Mundwinkeln, eiskalte Gesichtsausdrücke, die gefühlte Temperatur im Raum war sehr tief. Scharfschützenblicke, und ich machte den großen Fehler, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Noch finsterere Mienen. Wer als erster spricht hat schon verloren: Als Unbekannter Antiimps anzusprechen brachte einen automatisch in den Verdacht, ein V-Schutz- oder Bullenspitzel zu sein. Nein, falsch. Nicht Bullen. Wir Autonome bezeichneten Cops als Bullen, Politiker und Kapitalisten hingegen als Bonzen. Für die Antiimps waren das beides die "Pigs". Sie hatten überhaupt ihren ganz eigenen Jargon, in denen der Infinitiv wucherte: "Den Existenzkampf organisieren und rebellieren", "aus dem Körper eine Waffe machen"(im Hungerstreik), "einen klaren Trennstrich zwischen uns und dem Feind ziehen", "zur Front kommen" und ähnliche Merkwürdigkeiten direkter chinesischer Übersetzungen ins Deutsche. Das "zur Front kommen" war ganz wichtig, es beinhaltete das Lebensziel eines jeden Hard-Core-Antiimps: Irgendwann einmal so weit zu sein, dass man selber mit der Waffe gegen das "Schweinesystem" kämpfte. Bezugsrahmen des antiimperialistischen Selbstverständnisses bildeten Strategiepapiere wie der RAF-Text "Guerrilla, Widerstand und antiimperialistische Front", in denen die internationale Zusammenarbeit von Guerrillagruppen, legal lebenden Militanten und nichtmiltanten Linken gefordert wurde, um eine Widerstandsfront in den Metropolen aufzubauen, die den Imperialismus ernsthaft gefährden sollte. Argumente, das sei lächerlich und entspräche Don Quichottes Kampf gegen die Windmühlen wurde mit Antworten wie "Du bist voll counter" und dem Argument abgetan, der Zweite Weltkrieg sei in Wirklichkeit von den Partisanen gewonnen worden, nichts fürchte der Staat mehr als einen Guerrillakrieg. In guter Sponti-Tradition machte sich ein lieber Genosse von mir, der selber in das Lager des sogenannten "Neuen Antiimperialismus" gehörte (hatten mit den Antiimps nur den Namen gemeinsam) über das Parolen-Gedöns der Antiimps mit "Das Brett vorm Kopp zur Waffe machen" lustig. Die Gegenseite lachte bei sowas nicht mit.


Dabei war die Kernthese, von der die Antiimps ausgingen gar nicht einmal so dumm, nur die daraus gezogenen Konsequenzen waren verheerend. Sie gingen davon aus, dass heutzutage, wo sich das kapitalistische Weltsystem auf der Basis einer Ausbeutung der Rohstoffe und billigen Arbeit der drei Kontinente Südamerika, Afrika und Asien reproduziere eine Revolution in den Industriemetropolen nicht mehr möglich sei, weil das Metropolenproletariat kein Proletariat mehr sei, sondern eine Schicht von Ausbeutern der Drei Kontinente, des Trikont. Die Arbeiter bei uns lebten nicht nur kleinbürgerliche Lebensentwürfe mit kleinbürgerlichem Lebenssstandard, sie seien auch ein objektives Kleinbürgertum, das selber von Ausbeutung des Trikont profitiere. Daher sei eine Revolution nur vom Trikont her denkbar. In dieser Hinsicht kombinierten die Antiimps Che Guevaras Focus-Theorie, derzufolge die Aufnahme des Guerrilla-Kampfes in einer Region einen neuen Brennpunkt verschärfter sozialer Kämpfe schaffe mit der Domino-Theorie der CIA, derzufolge jeder sozialistische Umsturz in einem Land des Trikont weitere Umstürze in Nachbarländern nach sich ziehe, bis in einer Art Kettenreaktion die weltrevolutionäre Situation da sei. Die Schlussfolgerung der Antiimps war, dass alles, was man als Linke in der Metropole tun könne die Unterstützung von Kämpfen im Trikont und die Bekämpfung von Militärisch-industriellem Komplex und Repressionsapparat in der Metropole sei. Dies könne vom Engagement in der Friedensbewegung bis zur Unterstützung der RAF reichen. Wobei die RAF zumindest für die Hardcore-Antiimps immer das höchste der Gefühle darstellte.

Das Verhältnis zwischen Autonomen und Antiimps blieb immer problematisch. In der Antikriegsbewegung, bei der Volkszählung, wenn es gegen Repression und Knäste ging zogen wir am selben Strang, aber das war stets mit Mißtrauen und wechselseitigen Unvereinbarkeiten gepaart. 1991 knallte es dann richtig, als sich Antiimps mit Saddam Hussein solidarisierten, Antideutsche mit Israel und den westlichen Interventionsmächten und wir uns unter der Parole "Für soziale Revolution weltweit" gegen den Krieg, gegen Saddam und auf Seiten der kurdischen, schiitischen und kommunistischen Aufständischen im Irak positionierten. Einige Jahre lang hatten wir Zoff mit einem Teil der Antiimps, Zoff, der sich quer durch die Palästinagruppen zog und uns, die wir in der Kurdistan-Solidarität aktiv waren, teilweise in eine Situation brachte, wo man kurz davor war, sich untereinander zu hauen - und es waren kurdische und palästinensische Genossen, die dann abwiegelten und zu uns deutschen Linken sagten: "Dies ist nicht euer Konflikt." Ach ja, und das Gleiche hatten wir dann auch noch mit den iranischen Volks-Muddjaheddin. Als die RAF dann die Waffen niederlegte hatte die Antiimp-Szene ihr Identifikationsobjekt verloren. Noch einmal gab es Mitte der 90er Jahre eine starke Mobilisation im Zusammenhang mit den Aktionen gegen das PKK-Verbot, dann löste sich das Antiimp-Spektrum auf, und ihre Spuren verloren sich im Sand der Zeit. Von "ich bin. Ich war. Ich werde sein." sehen wir nicht viel, die Menschen sind viel eher unsichtbar in die Gesellschaft zurückgekehrt.

Zwei interessante Links bringen die ganze Ambivalenz und Dramatik, vor denen sich die Kämpfe der Antiimps abspielten ganz gut zum Ausdruck - und nicht zuletzt den neben der Befürwortung von Attentatskampagnen wundesten Punkt, die kompromisslose Israel-Feindschaft, die den Zionismus zum Faschismus erklärte, einer jener Bereiche, über die sich mit den Antiimps nie diskutieren ließ:


https://de.indymedia.org/2007/09/193943.shtml

https://www.ila-web.de/antisemitismus/linkeundantisem.htm

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Dienstag, 21. Oktober 2008
Das Zeitgefühl der Alten
Ich war kürzlich mit meinem Vater Grünkohl essen. Hinterher fragte meine Mutter, wo wir gewesen waren. Er beschrieb das Restaurant, das sie nicht kannte und meinte abschließend: "Eigentlich ist das eine reine Bierschenke, aber jetzt, nach dem Krieg, haben sie ein Speiserestaurant draus gemacht. " Jau. Jetzt, nach dem Krieg. Das Zeitgefühl haben die wirklich.

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Sonntag, 19. Oktober 2008
Hoch die nieder mit vorwärts zum!
Niemals zuvor oder danach habe ich stumpfsinniges Parolen Rambazamba und radikale Selbstironie dermßen komprimiert erlebt wie auf der Göttinger 8.Mai-Demo 1985. Bisher hatte ich 8.Mai-Demos als eher tränendrüsige Veranstaltungen erlebt, bei denen Leute z.B. in gestreiften KZ-Anzügen hinter Israelflaggen hertrotteten. Das war hier völlig anders.

Bei der Demo marschierten die Jusos vorweg und skandierten “Nie mehr Faschismus, nie mehr Krieg, für den Sozialismus bis zum Sieg!” Dahinter marschierte der SHB und rief “Kampf dem Faschismus, Krieg dem Krieg, für den Sozialismus bis zum Sieg!”, und darauf kam der MSB Spartakus mit “Tod dem Faschismus, Krieg dem Krieg, für den Sozialismus bis zum Sieg!” und der KB mit “Tod dem Faschismus, Krieg dem Krieg, für den Kommunismus bis zum Sieg!”. Dann waren wir an der Reihe, und weil wir den Pathos hohl und die abziehbildartigen Parolen dämlich fanden und vor allem ins Jahr 1985 nicht mehr hineinpassend, riefen wir “Ho ho ho Chi Minh” UNd “Gras und Shit und LSD für ne schwarze BRD!”, aber auch, da eine Genossin gerade als Brigadista in Nicaragua war “Auf die Yankees volles Rohr, Waffen für El Salvador!”

Hinter uns liefen Antiimps, die die Demoparole von vorne aufgriffen, die sich bei ihnen aber ganz anders anhörte: “Nie mehr Frieden, nie mehr Krieg, nur noch Terror bis zum Sieg!” Das wiederum verhohnepipelte ein Wirt, in dessen Kneipe alle bisher aufgetretenen Fraktionen verkehrten mit: “Molotow, Kalaschnikow, ja das gibt Zoff!”.

Am Schluss marschierten die wahren Sozialrevolutionäre, zwei Punks, die gar nichts riefen, sondern ein Schild mit sich führten: “Keine Arbeit, keine Arbeitslosigkeit, korrekt Rente jetzt für alle!”

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Ein unbekannter Berg
Ich beneide meine Bergfreunde und -dinnen aus den Alpen. Ich komme nur einmal im Jahr mit ihnen zusammen - die für mich wichtigste Zeit des Jahres überhaupt - und muss zum Trainieren mit dem Brocken, Harzklippen, künstlichen Kletterwänden und Hochseilen vorlieb nehmen, während sie die Dolomiten, den Großglockner und das Ortlergebiet als Trainingsgelände haben. Ein paar von denen haben letztes Jahr den Grand Capucin gemacht. Sagt Euch gar nichts? Kein Wunder, ist das doch einer der unbekanntesten und zugleich schwersten Berge der Alpen. Den Grand Capucin kennt niemand, weil der Berg, eine Überklippe zwischen Glockner- und Ortlergröße von im wahrsten Sinne des Wortes überragenden Gipfeln wie Montblanc und Aiguille Verte
umgeben ist. Wenn jemand die Eiger-Nordwand geht ist das ein Medienereignis. Von einer Grand-Capucin-Besteigung nimmt kaum jemand Kenntnis. Hach, wie sehr ich die Bergfreunde um dieses Erlebnis beneide!



http://www.bichler.org/kiot/bilder/GrandCapucin/

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Ist Wikipedia eine Sekte?
So ganz ernst ist die Frage nicht gemeint, aber wenn ich dort Diskussionen zu Artikeln lese kann ich nur den Kopf schütteln. Das ist ja eine regelrechte Geheimsprache, in der die da miteinander reden. So heißt es "POV", wenn "subjektive Meinung" gemeint ist, ein "Gesamtthema" heißt "Lemma" usw. Hauptsache, Außenstehende können es nicht verstehen :-)

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Montag, 13. Oktober 2008
Fundsache, aktualisiert
Dies hier ist ein Artikel, den ich anlässlich der letzten Phase des Jugoslawienkriegs 1999 schrieb und den ich auch heute noch (oder wieder) interessant finde, weil er einige Mechanismen offenlegt. Wohl gemerkt: Stand 1999.

KRIEGen sie den Balkan?

Im Krieg zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien geht es nicht um das Schicksal der Kosovaren.
Spätestens seit bekannt wurde, daß das Abkommen von Rambouillet eine Zusatzklausel enthielt, die für Jugoslawien von Vornherein unannehmbar war, weil sie Hoheitsrechte für die NATO-Truppen in Jugoslawien vorsah und auf die faktische Besetzung des ganzen Landes, nicht nur des Kosova, hinauslief, erscheint diese Tatsache offensichtlich. Getragen von einer Welle der Sympathie und des Mitleids für die (Kosova-albanischen) Opfer von Vertreibung und Greueltaten serbischer Milizen, haben in den letzten Wochen viele Deutsche enorme Summen für Angehörige einer Volksgruppe gespendet, die vom deutschen Alltagsrassismus sonst als Volk von Autodieben, Zuhältern und Waffenschiebern und somit als schlichtweg der letzte Dreck angesehen wurden. Diese Hilfsbereitschaft besagt aber nicht, daß Rassismus bei Deutschen schnell heilbar oder zumindest von Mitleid überlagert ist, sondern wohl viel eher, wie sehr das öffentliche Bewußtsein durch Medien gesteuert wird. Die ausführlichen Fernsehbilder vom Elend der Flüchtlinge gehen unter die Haut, und genau das sollen sie auch. Gleichzeitig lenkt die Ausschließlichkeit, mit der zur Zeit vom Flüchtlingsschicksal auf dem Balkan berichtet wird, von vergleichbaren Tragödien in Kurdistan, Niger, Äthiopien/Eritrea, Afghanistan und so weiter und so weiter ab. Die Tatsache, daß Teile dieses Planeten ein großes Schlachthaus sind und daß Völkermord seit Jahrzehnten ständig irgendwo stattfindet, im Weltmaßstab betrachet zum Alltag gehört, verschließt sich dem betrachtenden Auge. Dieser Ausschließlichkeit der öffentlichen Wahrnehmung entspricht das Handeln der bombenden NATO: Würde sie ihren eigenen, im Übrigen völkerrechtswidrigen Grundsatz wahrnehmen und Menschenrechte rigoros mit Gewalt durchsetzen, so müßte sie längst gegen ihr - am Luftkrieg gegen Jugoslawien beteiligtes - Mitgliedsland Türkei Krieg führen, das seit den Siebziger Jahren mit der kurdischen Bevölkerung das Gleiche macht wie die serbischen Chauvinisten mit den Kosovaren. Krieg führen müßte die NATO ebenso gegen China, Indonesien oder Brasilien, wo Indianervölker ausgerottet und Straßenkinder von paramilitärischen Banden abgeschlachtet werden und gegen zahlreiche andere Staaten. Ein General der Bundeswehr meinte sogar, nach der Logik dieses Krieges müßte die NATO eigentlich Großbritannien bombardieren, um es für anhaltende Menschenrechtsverletzungen in Nordirland zu bestrafen. Eines aber ist sicher: Das Schicksal notleidender Menschen hat Militärstrategen in der Vergangenheit nie interessiert - warum sollte jetzt plötzlich etwas der Fall sein, daß in der ganzen Menschheitsgeschichte bislang keine Rolle gespielt hat?

cui bono - wem nutzt es?
Kriege haben, die ganz offen als Raubzüge geführten militärischen Unternehmungen der Antike und der Frühzeit ausgenommen, die Besonderheit, daß ihre ideologische Rechtfertigung mit den tatsächlichen Motiven nichts zu tun hat. Beim zweiten Golfkrieg ging es nicht um das Selbstbestimmungsrecht von Kuwait, sondern um die strategische Kontrolle des Mittleren Ostens, die den USA englitten war, die Umverteilung ganzer Bevölkerungsgruppen - Millionen WanderarbeiterInnen aus Ägypten, dem Yemen und Asien wurden aus Kuwait und Irak vertrieben, was es dem Irak ermöglichte, seine eigene soziale Bombe, bestehend aus einem Massenheer arbeitsloser Frontheimkehrer des ersten Golfkrieges, zu entschärfen - und die Ölinteressen der westlichen Mächte. Beim Falkland/Malvinenkrieg ging es nicht um die nationale Zugehörigkeit einer kleinen Fischer- und Schafzüchtergemeinde auf einem Steinhaufen im Südatlantik, die ohnehin auf dem argentinischen Festland einzukaufen und auszugehen pflegte, sondern um die strategische Kontrolle des Kap Hoorn, das im Ernstfall für die sowjetische Flotte gesperrt werden sollte, um Bodenschätze im Südatlantik, den Zugang zur Antarktis und schließlich auch darum, die dritt- bis viertstärkste Marine der Welt mal so richtig im Einsatz zu testen.
Und schließlich war auch die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus zwar das Produkt des Zweiten Weltkriegs, aber er wurde nicht deswegen geführt. Den Verbrechen des Nationalsozialismus in den ersten sechs Jahren seiner Herrschaft hatten die USA und Großbritannien mit schulterzuckender Gleichgültigkeit gegenübergestanden, die Tschechoslowakei hatten sie den Nazis und Spanien den Franquisten geopfert, und die Sowjetunion war sich nicht für den Hitler-Stalin Pakt zu schade, während im Reich Tausende KommunistInnen gequält und ermordet wurden.

Der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien zeigte sich in der Vergangenheit als eine Gemengelage sehr unterschiedlicher Interessen, die eine unheilvolle Mischung ergaben. Der kroatische und slowenische Separatismus wurde getragen von einer Entsolidarisierung mit den armen Bundesstaaten Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Mazedonien, welche die regionalen Oberschichten der sich abspaltenden Staaten nicht länger subventionieren wollten. Es ging darum, ohne den Ballast der ärmsten Regionen Europas auf die EU zuzuwachsen, ein Vorhaben, dem die BRD mit der schnellen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens entgegenkam. Es zahlte sich aus: Schlüsselbereiche der slowenischen und kroatischen Wirtschaft gehören heute deutschen Konzernen, so ist praktisch die gesamte Stromversorgung Kroatiens Eigentum von Siemens. Der im Verlauf des Krieges hochgepuschte ethnische Haß entlud sich in bestialischen Grausamkeiten auf beiden Seiten, zunächst ohne daß die NATO oder Westeuropa einen Handlungsbedarf gesehen hätten. Die blutigen Schlachten von Vukovar und Vinkovci wurden hingenommen; während Vukovar Haus für Haus zerschossen wurde, interessierten sich die Westmächte USA und BRD gerade für Somalia, wo deutsche UN-Truppen bald darauf ihre ersten Fronterfahrungen sammelten. Der mit einem Totenschädel in der Hand vor den Kameras der Weltöffentlichkeit posierende serbische Ultra-Nationalist Capitan Dragan wurde nicht als Menschenschlächter, sondern eher als bizarrer Exot wahrgenommen. Erst als im Zuge des Bosnien-Krieges die „ethnischen Säuberungen“ ganzer Regionen zu einem enormen Zustrom von Flüchtlingen nach Westeuropa, besonders nach Deutschland, führten, obwohl man dort doch gerade das einklagbare Asylrecht abgeschafft hatte, entdeckten nach dem französischen General Morillon auch Kohl und Clinton Handlungsbedarf. Schließlich wurde der Frieden von Dayton herbeigebombt. Dabei ging es keineswegs darum, mit ausgewogener Gerechtigkeit zwei gleichermaßen unmenschliche Gegner zur Räson zu bringen. Vielmehr war „der Serbe“ für BRD und USA von Vornherein der Böse. Über serbische Greueltaten wurde denn auch ausführlichst in deutschen Medien berichtet, während Fotos, die in der britischen Presse die Runde machten und etwa muslimische Milizionäre beim Fußballspiel mit - serbischen - Menschenköpfen zeigten, in Deutschland unterschlagen wurden. Die Massenvergewaltigungen durch serbische Soldaten und das Massaker von Srebrenica durch die serbische Armee waren in deutschen Medien Thema, die größte Vertreibungsaktion des ganzen Krieges, den Rauswurf der Krajna-SerbInnen aus ihrer seit Jahrhunderten bewohnten Heimat durch die kroatische Armee, fand hingegen kaum und der Kampf deutscher Neonazis in den Reihen der faschistischen kroatischen HOS und der muslimischen Truppen in Bosnien praktisch keine Beachtung. Diese selektive Sicht der Dinge korrespondierte mit handfesten Interessen der deutschen Industrie: Serbien, mit einer weitgehend verstaatlichten Wirtschaft und einer ökonomischen Ausrichtung auf einen Balkan-Markt, zu dem auch Ungarn und Griechenland gehören, war wirtschaftlich völlig uninteressant, während sich Kroatien dem deutschen Kapital förmlich an den Hals warf. Und da aus serbischer Sicht die deutsch-kroatische Allianz wie eine Fortsetzung der Kooperation zwischen Nazis und faschistischer kroatischer Ustascha aus dem Zweiten Weltkrieg erschien (zugegeben eine sehr überzeichnete und simple Sicht der Dinge), mußte in der deutschen Öffentlichkeit alles getan werden, um diese Assoziation zu verdrängen. Diese Verdrängung ist umso wirksamer, wenn alle Gegner „des Serben“ als gut und die serbischen Verbrechen als schlimmer als die aller Anderen wahrgenommen werden. Eine ähnliche Dämonisierung kennen wir aus dem zweiten Golfkrieg hinsichtlich Saddam Husseins.

Während des Kroatien- und Bosnien-Krieges wurden im Kosova albanische Menschen von Angehörigen der dünnen serbischen Oberschicht, paramilitärischen Freizeitkriegern aus dem eigentlichen Serbien und serbischer Polizei drangsaliert, vertrieben und unterdrückt, wie dies im Übrigen schon seit 1980 der Fall ist. Solange der Westen Milosevic als Garanten des Bosnien-Friedens von Dayton benötigte, wurde davon nicht viel Aufhebens gemacht. Erst der Beginn des bewaffneten Kampfes der UCK rief den Westen auf den Plan. Wenn UCK,-Einheiten heute mit italienischen Regierungsbussen in voller Kampfmontur zum Einsatz gefahren werden, ist dies so, als ob etwa Rußland die PKK gegen die Türkei in Stellung bringen würde. Ironischerweise betrachtet die UCK zumindest in organisatorischer Hinsicht die PKK als ihr Vorbild - oder tat dies vor ihrer Unterstützung durch den Westen.

Worum geht es heute?

Hinter dem aktuellen Vorgehen der NATO dürfte ein ganzes Bündel von Interessen stecken. Erstens spielt eine Installierung der NATO als Weltpolizei eine Schlüsselrolle: ohne UN-Mandat, ohne an das Völkerrecht gebunden zu sein, soll sie die Möglichkeit haben, weltweit zu intervenieren, wo immer dies zweckmäßig erscheint. Die Tatsache, daß in den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr von 1992 ausdrücklich die Kontrolle der internationalen Rohstoffwege genannt wird und daß seit einigen Jahren alle westlichen Marinen für entsprechende Einsätze ausgerüstet werden, zeigt, von wie langer Hand dies geplant wird. Der NATO käme damit eine Funktion zu, wie im Mittelalter dem kaiserlichen Heerbann - eine Streitmacht, die niemandem Verantwortung schuldet, die selbst das Gesetz ist.
Dann geht es offensichtlich auch darum, auszutesten, wieweit Rußland bereit ist mitzumachen, bzw. sich auf der Nase herumtanzen zu lassen. Jelzins bereits ausgesprochene Weltkriegsdrohungen, die scheinbar niemand ernstnimmt, haben zur größten Ost-West-Spannung seit der Kuba-Krise geführt, aber diese wird nicht wahrgenommen. In diesem Zusammenhang dürfte auch der Faktor „Rüstungsindustrie“ als Garant für wirtschaftlichen Aufschwung und Arbeitsplätze stehen. Ein Teil der im Kalten Krieg angehäuften Arsenale kann endlich verfeuert werden, die Auftragsbücher für neue Munition werden geschrieben. Das bankrotte Rußland wird trotz seiner Wirtschaftskrise angesichts der beeindruckenden Demonstration westlicher Firepower dazu genötigt, teure neue Waffensysteme, wie die Topol-Rakete und den MiG 142 - Jäger, zu bauen und damit einerseits noch abhängiger von westlichen Banken, während andererseits zumindest in kleinem Maße ein neues Wettrüsten inszeniert werden kann, daß der kriselnden Rüstungsindustrie des Westens Erholung bietet. Rüstungsgüter besitzen Eigenschaften, die für Industrieprodukte einmalig sind: Garantierte Abnahme, absolute Höchstpreise, absolute Qualität und regelmäßige Neubeschaffung. Der Wohlfahrtsstaat der siebziger Jahre basierte weitgehend auf dem Wettrüsten, wobei die Rüstungsindustrie über die mit ihr verschwisterten Sektoren - Stahl, Kohle, Logistik, Elektronik - als Konjunkturmotor fungierte. Nach Auskunft des früheren Bundesarbeitsministers Ehrenberg ist die erstaunliche Gesundung der US-Industrie unter Clinton nicht im Wesentlichen auf die Liberalisierung des Dienstleistungssektors zurückzuführen, sondern auf die dortige Ausweitung der andernorts heruntergeschraubten Luft- und Raumfahrtindustrie durch SDI-Forschung und bemannte Raumfahrt. Auch wenn in diesen Sektoren nicht sehr viele Menschen beschäftigt sind - die Zulieferindustrien ziehen sich quer durch die gesamte Ökonomie, und die Profite sind enorm. Die bisherige Wirtschaftsstrategie des Westens, namentlich der USA, lautet Sustainable Development, nachhaltige Entwicklung, was Schonung von Ressourcen, Kostensenkung, umweltfreundliche Produktionsweise und langfristige Investitionen beinhaltet. Bislang war diese Strategie nicht sehr erfolgreich. Einen Krieg dazu zu benutzen, die Voraussetzungen zum Anschieben eines neuen Konjunkturzyklus der alten Art zu schaffen, könnte als Überlegung durchaus eine Rolle spielen. Immerhin war das Wirtschaftswunder der Fünfziger Jahre ein direktes Ergebnis des Korea-Kriegs, der den größten Boom der Geschichte auslöste. Möglich wäre auch ein neues Modell, welches das Konzept der Nachhaltigkeit mit dem einer kontrollierten Ausweitung der Rüstungsproduktion verbindet.
Schließlich geht es zumindest insoweit um die Kosovaren, als daß diese im Rahmen der migrationsfeindlichen Abschottung der „Festung Europa“ nach Möglichkeit draußen gehalten bzw. nur kurzfristig in EU-Länder aufgenommen werden sollen. Dafür ist eine Umkehr ihrer Vertreibung notwendig, auch wenn diese durch die NATO-Bombenangriffe forciert wurde. Diese ist wahrscheinlich nur durch eine vollständige territoriale Kontrolle der NATO über Rest-Jugoslawien oder zumindest des Kosova mit Albanien, Mazedonien und Montenegro
möglich. Wenn die NATO-Strategen allerdings meinen, mit dem Krieg gegen Jugoslawien allen unbotmäßigen Regierungen auf der Welt nun zeigen zu können, wo der Hammer hängt, so könnte dieser Schuß ein Rohrkrepierer werden. Indien hat bereits die Zeichen der Zeit erkannt und in Absprache mit dem erklärten Gegner Pakistan(!) eine nukleare Mittelstreckenrakete getestet. Mittlerweile hat auch Pakistan nachgezogen. Jeder Staat der Dritten Welt, dessen Interessen denen der USA oder der EU zuwiderlaufen, wird danach streben, sich Nuklearwaffen oder zumindest größere Kulturen mit Pesterregern zuzulegen. Die neue Weltunordnung, die im Augenblick implementiert wird, kann grauenhafte Züge annehmen. Demgegenüber nahm sich der Kalte Krieg richtig gemütlich aus.

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Sonntag, 12. Oktober 2008
Die Nacht der Händler
In der aktuellen Le Monde Diplomatique interpretiert Frédéric Lordon die aktuelle Finanzkrise sehr scharfsinnig.

"Man musste schon eine kindlich reine Seele haben oder an Wunder glauben, um die eiserne Haltung der US-amerikanischen Akteure in Wirtschaft und Politik gegenüber der sich abzeichnenden Pleite von Lehman Brothers ernst zu nehmen. Die Weigerung, die Investmentbank zu retten, blieb jedoch eine äußerst gewagte und letztlich nutzlose Demonstration. Allerdings kann man angesichts der Entwicklung leicht die Übersicht verlieren. Die immer raschere Folge der Bankenpleiten lässt jede als den endgültigen Höhepunkt der Krise erscheinen - bis die nächste noch dramatischer und spektakulärer ausfällt... Damit es auch die womöglich schwerhörigen Ultraliberalen verstehen, sei dies hier genauer erläutert: Das Systemische an dem systemischen Risiko besteht darin, dass es um das ganze System geht, also um die Gesamtheit der privatwirtschaftlichen Finanzierungsinstitute, die potenziell von einem globalen Zusammenbruch betroffen sind. Um es noch deutlicher zu sagen: Wenn das finanzielle und damit das gesamte Kredit-System erst einmal in Trümmern liegt, können keinerlei ökonomische Aktivitäten mehr stattfinden, die auf den Einsatz von Geld angewiesen sind. Null Aktivitäten. Genügt das, um die Folgen einer weltweiten Finanzkrise erahnen zu lassen?

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Mein Amerika
drückt sich zum Beispiel hier aus:

http://de.youtube.com/watch?v=dCD2BKIuFOk&feature=related

Ist das jetzt antiamerikanisch?

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Samstag, 11. Oktober 2008
Mal ein paar Basics zum Nahostkonflikt
Lesa schrieb hier in einem Kommentar:

"Demzufolge kann ich Leuten, die von Solidarität mit dem palästinensischen Volk (wobei das Wort 'Volk' generell sehr eklig ist, wobei du/ihr vermutlich eine andere Konnotation davon habt) und einem Selbstbestimmungsrecht der Völker schwadronieren, eher wenig abgewinnen, was aber nicht auf dich gemünzt ist, da ich von dir noch nie etwas konkretes über den Nahostkonflikt gelesen habe." und "reaktionäre Beschaffenheit ALLER wirklich einflußreichen Organisationen in Palästina".
---- Nun, Lesa, da scheinst Du so viel von mir doch nicht gelesen zu haben, denn ich habe hier schon oft zum Nahostkonflikt Stellung genommen und hier unter anderem auch Uri Avnery, der mir und meinen MitstreiterInnen ab und an mal emails schreibt zu Wort kommen lassen. Aber ich greife das Stöckchen mal auf. Zunächst mal reduziert sich der Nahostkonflikt für mich nicht auf den Konflikt zwischen Israelis und Palis oder Israel und seinen arabischen Nachbarn. Die ganze Gegend - die ich z.T. aus eigenem Erleben kenne - ist doch ein einziger großer Konflikt. Der soziale Bürgerkrieg, der dort mal offen ausgetragen wird, mal durch militärisches Containment mühsam unter Kontrolle gehalten wird, spielt sich nicht nur zwischen Arabern und Israelis, Muslimen und Juden ab, sondern hat auch den Charakter von Verteilungskämpfen um Rohstoffe, Wasser, Weideplätze und sonstige Ressourcen. Ethnie, Religion und die Verbindung aus Beidem wird immer wieder zum Stigma, anhand dessen Gruppen ausgegrenzt und mit Vernichtung bedroht werden, ob das nun Israelis, Palästinenser, Kurden, Christen, Schiiten, Sunniten, Assyrer, Mandäer oder Turkmenen sind. Insofern kann dieser Konflikt nur in seiner Gesamtheit gelöst werden. Wie, weiß ich nicht.


Israel unterscheidet sich ja von den meisten anderen Staaten dieser Welt dadurch, dass sein Existenzweck nicht nur darin besteht, die ökonomischen Interessen seiner Bourgeoisie (oder im Falle sozialistischer Staaten, seiner kleinbürgerlichen Funktionärselite) in einem geografischen Raum zu organisieren, sondern zunächst mal darin, seine Einwohner vor Verfolgung zu schützen und ihre Vernichtung zu verhindern. Als Zufluchtsstätte und frei wählbare Heimstatt für alle Juden ist Israel wichtig und seine Existenz unverzichtbar. Israel ist auch die einzige stabile Demokratie im Nahen Osten. Türkei, Libanon und Irak würde ich als in freilich sehr unterschiedlichem Maße labile Demokratien bezeichnen, über die Regierungssysteme der anderen Staaten dort brauchen wir uns nicht zu unterhalten.

Das ändert aber nichts daran, dass ich das Besatzungsregime in den Westbanks für Unrecht und eine apartheidähnliche, repressive und diskriminierende Angelegenheit halte, dass mit dem Zaun und den Siedlungen den Palis der Zugang zu für sie lebenswichtigen Wasserquellen und Weideplätzen genommen wird und dass ein existenzfähiger und von Alimentierungen unabhängiger Palästinenserstaat nur möglich ist, wenn Israel weiteres Land abgibt.

Wieso sind alle wesentlichen Palästinenserorganisationen reaktionär? Ist die Fatah reaktionärer als der Likud. Finde ich nicht, nur ist die von ihr aufgebaute Verwaltung halt durch und durch korrupt. Bei DFLP und Fida stellt sich die Frage, ob die einflussreich sind, aber auch, ob eine vom Programm her kommunistische, in der Praxis eher links-sozialdemokratische Partei und eine undogmatische linke Organisation mit dem Begriff "reaktionär" treffend klassifiziert sind.

Die Situation zur Zeit der ersten Intifada war die, dass die einfachen Palis, die BewohnerInnen der Elendsviertel (in den Westbanks heute nnoch von "Flüchtlingslagern" zu sprechen halte ich für unsinning) auf eigene Faust und unabhängig von der PLO-Führung und ihren Teilorganisationen ihren Aufstand machten, der militant, aber eben nicht mit tödlichen Waffen ausgetragen wurde. Gerade die schwächsten Teile der traditionell extrem patriarchalen palästinensischen Gesellschaft, Frauen und Jugendliche, nahmen hierbei eine zentrale Rolle ein. Das Bild dieser Intifada war dann auch das von Pflastersteine werfenden oder mit Zwillen schießenden Jugendlichen, die israelische Polizei und israelisches Militär angriffen, die ihrerseits Wasserwerfer, deren Verschärfung, ein rollendes Sandstrahlgebläse, Tränengasgranaten und Gummigeschosse sowie scharfe Hunde einsetzten. Die Palis errichteten illegale Kliniken, Werkstätten, Geschäfte usw. und schufen eine Gegen-Infrastruktur. Das war die Situation, vor deren Hintergrund die DFLP begann, mit den israelischen Behörden zu verhandeln. Dass ausgerechnet die DFLP das tat, hatte seine besonderen Gründe: Politisch ist sie die linkeste Palästinenserorganisation, hinsichtlich des Nationalismus bzw. des Verhältnisses zum Zionismus die Gemäßigste. Für die DFPL war die Linie "Zwei Nationen - zwei Staaten" maßgebend, die Anerkennung Israels also kein Problem. Da es sich bei der ersten Intifada anfangs um eine autonome Unterschichtsbewegung handelte, hoffte die DFLP, diese palästinensischen Massen gegen die Fatah und ihr Bonzentum aufzubringen und das Abschütteln der israelischen Besatzungsmacht zu einer sozialen Revolution weiterzuentwickeln. Die Initiative ging dann an geachtete UnterhändlerInnen der palästinensischen Zivilgesellschaft wie Hanan Aschrawi und den Scheich Husseini über. Als Arafat und die anderen Palästinenserführer aus dem Exil zurückkamen, standen sie vor dem Problem, dass die extrem widerständigen Bewohner ihre Revolte jahrelang ganz ohne die groooooßen militääääääärischen Anfüüüüüüührer gemacht hatten (das halbe Land ein Schwarzer Block ;-) ). Um die reale Macht der palästinensischen Autoritäten herzustellen, mussten die überlieferten Hierachien wiederhergestellt werden. Am leichtesten gelang dies der Fatah durch die Autorität des als Volksheld verehrten Arafat. Die jugendlichen Steineschmeißer wurden als Truppen der unterschiedlichen Organisationen angeworben, tauschten Zwillen, Davidsschleudern und Molotow-Cocktails gegen Kalschnikows, M16 und Handgranaten und bekamen Sold. Die nächste Generation wurde in Schulen des Hasses zu jungen Märtyrern gedrillt. Das im Untergrund entstandene Netzwerk von Krankenhäusern, Garküchen usw. wurde weitgehend von der Hamas okkupiert, die gezielt die Schlüsselpositionen dort besetzte (oder sie teilweise auch DFLP, PFLP und Fida wegnahm) und sich als "karitative" Organisation in Szene setzen konnte.
Wobei gesagt werden muss, dass ein Teil dieses Netzwerks auch von der Hamas während der Intifada aufgebaut worden war und diese dabei durch israelische Behörden im Kalkül, damit die Fatah und PFLP zu schwächen unterstützt worden war.

Mit Geld und Filz stellten die alten PLO-Granden den großen Teil der Träger des Widerstands ruhig, die Hamas tat das mit religiösem Schwulst und revolutionärem Pathos. Auf diese Weise konnte eine von unten organisierte Gegengesellschaft durch die etablierten aus dem Exil zurückgekehrten Palästinenserorganisationen okkupiert werden - übrigens eine Entwicklung, die Ähnlichkeit mit der Aufsaugung der aus dem antifaschistischen Widerstand hervorgegangenen Netzwerke in Sizilien nach dem Zweiten Weltkrieg durch die in Schlüsselpositionen gelangten Mafia-Familien besaß. Ich würde von einer parasitären Wirtschaft und Gesellschaft sprechen. Die Frage ist, ob die Voraussetzungen für einen Widerstand von unten gegen die mittlerweile etablierten palästinensischen Eliten noch oder wieder bestehen. Die extreme Eskalation der Gewalt seit der zweiten Intifada - Selbstmordattentate und Autobomben statt Steine und Mollies und als nächste Steigerungsform Kassam-Raketen lassen den permanenten Aufstand niedriger Intensität ja zu einem de-facto-Bürgerkrieg werden- kann nur mit Entwaffnung der Milizen beendet werden, es ist nur überhaupt nicht sichtbar, wer die durchführen soll.


Dann hat der Konflikt Israel sehr verändert. War es in den Pionierjahren einmal der egalitärste Staat der westlichen Welt mit einer gemischten, in Teilen sozialistischen Wirtschaft, ist das Gefälle zwischen arm und reich heute größer als in irgendeinem westeuropäischen Staat. Erhielten früher mittellose jüdische Einwanderer automatisch Sozialhilfe, werden sie heute vielfach zu Billiglohnarbeit in Sonderwirtschaftszonen am Zaun gezwungen, womit widerum palästinensische WanderarbeierInnen ihre Jobs verlieren. Mehr dazu schreibt hier ein alter Genosse von mir:

http://www.monde-diplomatique.de/pm/2006/08/11/a0008.text.name,askkxElXk.n,0

Angesichts solcher Verhältnisse erscheint es mir klüger, im Nahostkonflikt nicht die Partei eines der Kontrahenten zu ergreifen, sondern für die Menschlichkeit selber Partei zu ergreifen. Abgesehen davon: Als Linke interessiert uns die soziale Frage. Seit wann interessieren uns Flaggen oder wie ein Territorium heißt?

edit: vgl. diesen Kommentar von Lafargue

http://che2001.blogger.de/stories/546216/comments/548042

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Zur aktuellen Krise ein paar erfrischend andere Gedanken
Bzw. beziehen die sich ja erfrischenderweise auf etwas ganz Anderes. Howauchever, now to someting total different:


http://kritik-und-kunst.blog.de/2008/10/09/finanzkrise-weiteren-marx-hemingway-hegel-4847502

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Mittwoch, 8. Oktober 2008
Der Turm stürzt ein
Der Pepsodent von USA ist ein cooler Loser seiner Macht,
grinsend, doch schon rostzerfressen fliegt er durch den Wilden Westen,
Risse in Beton und Stahl, müde alles Material, hörst Du es flüstern im Land,
Old Shatterhand und Nietzsche tot,
im Kaufhof klaut sich Gott sein Brot,
auf den Asphalfeldern grasen
gold´ne Kälberherden Tag und Nacht,
wo die Computer schmatzen ach,
wo ist noch Platz für Dich oder ein Dach für mich,
die Postboten tragen schwarz,
Gerhard kauft sich Koks im Park,
siehst Du die Schrift an der Wand:

DER TURM STÜRZT EIN,
DER TURM STÜRZT EIN
HALLELUJAH; JA DER TURM STÜRZT EIN!

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Pop-Linke, MCAntifa und antideutscher Chic
Ich hatte mich an anderer Stelle ja schon mal über "Distinktionslinke"

http://che2001.blogger.de/stories/764866

lustig gemacht, die eigentlich das genaue Gegenteil von links sind, weil sie sich nicht über Solidarität, sondern über Abgrenzung definieren und den Fetischcharakter der Ware auch noch so richtig kulten. Nun, dieser Test legt endgültig nahe, dass Adornos Feststellung der absoluten Austauschbarkeit von Inhalten in der Kulturindustrie längst auch politische Jugendsubkulturen betrifft (was DAF mit "tanz den Mussolini natürlich" auch schon vor 26 Jahren wussten).

Also, ob antideutsch, antiimperialistisch oder sonstwas ist einfach nur eine Frage der Hipness, demzufolge.

http://www.testedich.de/quiz25/quizpu.php?testid=1216564770


Ich schneide mit 70% da ja gar nicht so schlecht ab; sollte ich mir Sorgen machen, selber zum Antideutschen zu mutieren?


Gehört die gesamte Literatur zur Geschichte der westdeutschen Linken ins Altpapier? Von Baader bis Klar, die waren einfach nur uncool? Vielleicht reicht ja die Sichtweise der HSV-Stadionpost aus - Die Antiimps der Fanclub der RAF, die Autonomen der Fanclub der RZ, nachdem beide Vereine in die Insolvenz gingen, suchten sich die Konkursmassen der Fanclubs mit den IDF oder Chavez neue starke Vereine? Politik, das heißt Posen auf dem Schulhof, was sonst!

Was für eine gesellschaftliche Realität, Papa?

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