Mittwoch, 22. Mai 2013
Pressestimmen zu Syrien und Bleiberecht
http://www.jungewelt.de/2013/05-22/055.php

Tageszeitung junge Welt 22.05.2013 / Inland / Seite 2

»Nicht ein Stück vom Kuchen, die ganze Bäckerei!«
»Jugendliche ohne Grenzen« machen Gegenveranstaltung zur Innenministerkonferenz. Ein Gespräch mit Nurjana Arslanova
Gitta Düperthal

In Hannover hat am gestrigen Dienstag eine Gegenveranstaltung von »Jugendliche ohne Grenzen« (JOG) zur Innenministerkonferenz (IMK) begonnen. Sie fordern das bedingungslose Bleiberecht für alle Flüchtlinge – glauben Sie im Ernst, daß die Innenminister dazu einen Beschluß fassen?

Nein, natürlich nicht, das Thema wird bei der IMK gar nicht erst auf den Tisch kommen. Deshalb sind auch 80 Jugendliche von JOG und 30 Protestierende vom Roma Center in Göttingen zur Gegenkonferenz angereist, für den heutigen Mittwoch rufen wir zu einer Demonstration in Hannover auf.

In der BRD leben nach wie vor 85000 Personen, die nur »geduldet« sind – das alleine zeigt doch, daß die bisherigen Aufenthaltsregelungen nicht ausreichen. Diese Menschen müssen jahrelang isoliert in Lagern leben, wo ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Es ist keine Regelung in Sicht, die dem ein Ende setzt, daß diese Leute immer wieder von neuem die »Duldung« beantragen müssen, die oft nur wenige Wochen gilt. Tagtäglich werden Flüchtlinge abgeschoben, die schon seit Jahren in Deutschland leben – für diese Menschen ist das eine Katastrophe!

Der Bundesrat hat im März einen Gesetzentwurf beschlossen. Der sieht vor, Jugendlichen mit Duldung eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sie sich seit vier Jahren im Bundesgebiet aufhalten und einen »erfolgreichen Schulbesuch in Deutschland« nachweisen; Erwachsenen nach achtjährigem Aufenthalt und »nachgewiesener Integration«…

Wann dieser Gesetzentwurf in den Bundestag kommt, wissen wir nicht. Er ist aber genauso unzureichend wie andere angebliche Reformen der vergangenen Jahre – an der geschilderten »Kettenduldung« hat sich für die meisten nämlich überhaupt nichts geändert. Bei mir persönlich sieht das z.B. so aus, daß ich seit elf Jahren ständig zum Amt rennen muß. Außerdem: Es kann doch nicht angehen, daß Jugendliche hier bleiben dürfen – ihre Eltern aber einfach abgeschoben werden. Viele Erwachsene sind durch Kriegserlebnisse gezeichnet und das jahrelange Leben als »Geduldete« hat sie psychisch mitgenommen. Sie sollen aber nur bleiben dürfen, wenn sie »Integrationsleistungen« erbringen. Wie soll das aber gehen, wenn man viele Jahre lang gesetzlich davon ausgeschlossen ist, zu arbeiten, gesundheitlich versorgt zu werden und Sprachkurse zu besuchen?

Was fordern Sie?

Wir wollen nicht nur ein Stück vom Kuchen, sondern die ganze Bäckerei: Bleiberecht für alle, egal ob sie Arbeit haben, wie alt sie sind, wie gut ihre Deutschkenntnisse sind etc. Nur so kann diese inhumane Flüchtlingspolitik endlich beendet werden. Es dürfen nicht wieder neue Ausnahmereglungen geschaffen werden. Äußerungen wie die des neuen Innenministers in Niedersachsen, Boris Pistorius (SPD), der eine humanere Asylpolitik forderte, bleiben sonst nur Lippenbekenntnisse.

Wir fordern die Abschaffung aller ausgrenzenden Gesetze und Regelungen, wie zum Beispiel der Residenzpflicht, des Asylbewerberleistungsgesetzes und der Lagerunterbringung. Menschen ohne Papiere sind zu legalisieren. Ferner: Chancengleichheit für Flüchtlinge in Schulen und Betrieben, Abschaffung der Abschiebungshaft; vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention für Flüchtlingskinder. Und: Unsere abgeschobenen Freundinnen und Freunde müssen nach Deutschland zurückkehren können.

Besonders dringlich scheint die Lage der Roma zu sein – wie sieht es in dieser Bevölkerungsgruppe zur Zeit aus?

Auch das wird bei der Innenministerkonferenz wieder nicht verbindlich geregelt werden. Wir möchten in diesem Zusammenhang an den Aufruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erinnern. Im Herbst vergangenen Jahres hatte sie in Berlin bei der Einweihung eines Mahnmals gefordert, die Sinti und Roma in ihrem Widerstand gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu unterstützen. Das werden wir auch tun, denn diese Menschen werden weiterhin nach Serbien und in den Kosovo abgeschoben, obwohl jeder weiß, wie sie dort unterdrückt werden.

Demo am heutigen Mittwoch, 17 Uhr, Hauptbahnhof Hannover
www.jogspace.net


Dazu der passende Kommentar von Heribert Prantl in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung:

"Flüchtlinge - Mühlstein am Hals

In Deutschland gibt es ein gesetzliches System der Schikane; es nennt sich "Duldung" und es trifft knapp Hunderttausend Menschen: Flüchtlinge, die schon jahrelang hierzulande leben, deren Abschiebung aber "vorübergehend ausgesetzt" ist, werden zur Strafe dafür, dass man sie hierbehalten muss, auf dem niedrigsten Rechtsstatus gehalten, den es in Deutschland gibt. "Duldung" nennt man das; das klingt barmherzig, ist es aber nicht. Es ist Zeit, dass die Innenministerkonferenz (wie dies ihr neuer Vorsitzender Boris Pistorius anregt), diese Erbarmungslosigkeit beendet. Es wäre gut für die Flüchtlinge und gut für das Land.
Die Duldung hängt den menschen wie ein Mühlstein am Hals und wie eine Eisenkette am Fuß: keine Mobilität, keine Arbeit, kein geld, keine Integration. Duldung heißt: staatlich verordnete Untätigkeit. Duldung heißt: verurteilt zu Tristesse. Und die Kinder der Geduldeten können noch so gelehrig sein: Eine Lehrstelle kriegen sie nicht. Das Land schadet sich mit dieser Rigorosität selbst.
In den Jahren 2006/2007 hat es eine Bleiberechtsregelung gegeben, die einem teil der geduldeten Flüchtlinge zu einem gescheiten Aufenthaltsrecht verholfen hat. Diese Aktion muss (ohne die bürokratischen hemmnisse von damals) wiederholt werden. Flüchtlinge, die schon jahrelang in Deutschland leben, brauchen eine stabile Perspektive - ein Bleiberecht." (SZ 22. Mai 2013, S. 4)


http://www.weser-kurier.de/region_artikel,-Verbaende-fordern-mehr-Fluechtlingshilfe-_arid,575334.html

Weser-Kurier
Syrische Flüchtlinge in Niedersachsen - 21.05.2013
Verbände fordern mehr Flüchtlingshilfe

Hannover. Die Innenminister wollen von Mittwoch an in Hannover auch über die Syrien-Krise beraten. Flüchtlingsverbände fordern ein schnelles Handeln von der Politik im In- und Ausland. Weder Deutschland noch die EU dürften die Augen verschließen und sich weiter abschotten.

Kurz vor der Innenministerkonferenz schlagen Flüchtlingsverbände Alarm: Die Not der rund 1,5 Millionen syrischen Flüchtlinge und die nach wie vor schlechten Bedingungen für die 85 000 in Deutschland nur geduldeten Ausländer, allen voran Kinder, Jugendliche und Roma, erfordert ein sofortiges Umdenken in der Flüchtlingspolitik. "Abgrenzung und Abschreckung sind noch immer Kern bei Bund und Ländern", sagte Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen am Dienstag in Hannover.

Am Mittwoch beginnt in Hannover die Innenministerkonferenz. Dabei wird die Situation in Syrien Teil der sogenannten Kamingespräche sein - ein Beschluss ist aber nicht vorgesehen. Das Dilemma beginne - so Weber - vor der eigenen Tür beim Ausschluss der Geduldeten vom Arbeitsmarkt und ende bei der fehlenden Bereitschaft, sich konsequent mit der Situationen der syrischen Flüchtlinge auseinanderzusetzen.

Mit Blick auf die politische Krise in Syrien forderten die Flüchtlingsverbände die Innenminister deshalb auf, eine schnelle und unbürokratische Hilfe einzuleiten, etwa wie Anfang der 1990er Jahre während des Kosovo-Krieges, als alleine 20 000 Menschen per Luftbrücke nach Deutschland eingeflogen wurden. Ziel müsse es sein, allen Menschen ein Bleiberecht in Deutschland zu ermöglichen.

"Bislang gibt es noch keine legale Möglichkeit für die Syrer nach Deutschland zu kommen", sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl. Die Behörden würden bei Visa-Anträgen immer noch eine Rückkehrgarantie verlangen, die angesichts der dortigen Lage aber niemand geben könne. Selbst die Bereitschaft vieler der 40 000 in Deutschland lebenden Syrer, die Kosten für ihre Angehörigen übernehmen zu wollen, reiche für die Einreise nicht aus.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Niedersachsens Ressortchef Boris Pistorius (SPD) hofft, bei dem Thema voranzukommen. "Es geht zunächst um die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage werden Aufenthaltsgenehmigungen ausgesprochen", sagte er der dpa. Es sei wichtig, den Familien, die hier leben und die entweder syrischer Herkunft und vielleicht sogar längst Deutsche seien, die Möglichkeit einzuräumen, ihre Familienangehörigen hierher zu holen.

Mit Blick auf die von Bund und Ländern genannten 5000 Syrer, die Deutschland aufnehmen wolle, betonte Pistorius: "Ich glaube nicht, dass am Ende die Zahl 5000 das letzte Wort sein wird. Gerade wenn wir uns anschauen, wie viele Menschen in den Lagern unter welchen Bedingungen leben müssen." Jedoch könne Deutschland hier nicht alleine handeln. Alle Länder in der EU seien gefordert. Für die Flüchtlingsverbände sind die 5000 eine reine "Alibizahl". Wer in dieser Situation eine solche Quote als Lösung nenne, streue den Menschen nur Sand in die Augen, betonte Burkhardt.

(dpa)


Haz 22. Mai 2013
Dürfen Syrer Verwandte holen?

Hannover (mpö). Die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien nimmt drastisch zu. Die Flüchtlingsverbände fordern deshalb eine schnelle und unbürokratische Hilfe. Auf der heute beginnenden Innenministerkonferenz (IMK) in Hannover wird dies nur ein Thema am Rande sein. Rund ein Viertel der Bevölkerung des asiatischen Staates ist auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg. Die Bundesregierung regierte vor kurzem auf die Situation und wird in diesem Jahr 5000 syrische Flüchtlinge aufnehmen. „Wir fordern, dass in Deutschland lebende Flüchtlinge ihre Verwandten zu sich holen dürfen“, sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, am Dienstag in Hannover. Doch selbst die Bereitschaft vieler der rund 40?000 in Deutschland lebenden Syrer, die Kosten für ihre Familienangehörigen zu übernehmen, reiche bislang nicht aus. Das Problem der für die Visavergabe verlangte Rückkehrgarantie lasse jeden Versuch scheitern. Der niedersächsische Innenminister und Vorsitzende der IMK, Boris Pistorius, (SPD) will den Weg dafür bereiten. „Es gebe eine große Bereitschaft“, erklärte Sprecher Frank Rasche. Eine Beschlussvorlage im Rahmen der Konferenz gibt es nicht. Die Innenminister wollen das Thema allerdings besprechen.

22.05.2013 / HAZ Seite 7 Ressort: NIED


siehe auch:
http://www.europeonline-magazine.eu/bischoefe-und-verbaende-fordern-mehr-hilfe-fuer-syrische-fluechtlinge_281974.html
http://www.t-online.de/regionales/id_63483590/verbaende-syrische-fluechtlinge-brauchen-mehr-hilfe-aus-deutschland.html
http://www.bild.de/regional/hannover/hannover-regional/verbaendesyrische-fluechtlinge-brauchen-mehr-30485322.bild.html

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Obiges ist doppelt perfid. Die verlangte Rückkehrgaratie ist ja absurd, da EU-Staaten Syrern nur mehr Flüchtlingsvisa ausstellen, was im lokalen Kontext bedeutet, dass die Staatbürgerschaft weg ist und nachdem es dzt. nicht so aussieht als ob die importierten und lokalen Jihadisten (an eine Demokratiebewegung glaubt eh niemand, der nur einen Funken Ahnung von dem Land hat), ohne von Luftkrieg von aussen auch nur einen Meter hätten, bliebe die dann auch weg. Für immer...

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