Montag, 25. Mai 2009
Neoliberalismus konkret: Erntesklaven in Spanien
und was das mit uns zu tun hat und wieso Antiimperialismus angesagter ist denn je:

http://www.neon.de/kat/sehen/wirtschaft/globalisierung/273701.html

Ich hätte ja fast gekotzt, wenn ich es denn schon nicht gewusst hätte. Und von daher sind alle "smash the system"-prüche mehr als berechtigt.

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Der eigentliche Skandal ist doch, dass sich dafür Leute finden. Das Leben in Maroko oder Algerien kann halt noch übler sein.
Mit Antiimperialismus hat das ganze aber nun wirklich nichts zu tun: In Maroko waren eher konservative Regierungen an der Macht. In Algerien sich eher links gebende.
Klar wirft dies auch Fragen zu Mindestlöhnen und bessere Kontrollen gegenüber Verletzungen des Arbeitsrechts auf.
Am Elend im Maghreb ändert man dadurch auch nichts.
Diese Form der an Sklaverei erinnernde Arbeitsverhältnisse ist nicht auf den Westen beschränkt. Sie existiert beispielsweise in Thailand mit laotischen Gastarbeitern, in der Dominikanischen Republik mit haitianischen Gastarbeitern, in Chile mit peruanischen und in Argentinien mit paraguayanischen Gastarbeitern.

Die eigentliche Wurzel dieser unchristlichen (oder unislamischen) sozialen Zustände sind die Prozeße in den Ursprungsländern. Zumindest sinken im Magreb die Geburtenzahlen deutlich. Unser Einfluß auf diese Prozesse ist beschränkt. Bin aber inzwischen nicht mehr der Meinung, dass Arbeitsschutzgesetzgebung aus WTO Verhandlungen als "versteckte Handelsbarriere" ausgeklammert werden sollten. Ausserdem sollte der spanische Staat das Treiben um Valencia und in Andalusien besser überwachen.

Das Weltbild der Anti-Imperialisten (auch euro-kids, $-kids oder pendejos sin fronteras genannt) wird aber nie zu einer Lösung führen. Was zur Zeit in Venezuela und Bolivien abgeht, ist ökonomisch einfach nicht mehr lange tragfähig. Und Länder, in denen sich nachhaltig eine Mittelschicht bildet (Südkorea, Brasilien, Chile) gehörten eben nicht zu den Lieblingen der Anti-Imperialisten.

Es gibt da keinen einfachen Weg raus.

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"Mit Antiimperialismus hat das ganze aber nun wirklich nichts zu tun: In Maroko waren eher konservative Regierungen an der Macht. In Algerien sich eher links gebende." ---- Unter Antiimperialismus verstehe ich das Engagement für soziale Gerechtigkeit im Weltmassstab, u.a. korrekte terms of trade, und der Kampf um Arbeiterrechte bzw. das unmittelbare Existenzrecht sozial schwacher Menschen überhaupt, ebenfalls im weltweiten Zusammenhang gesehen. Ich dachte, dass ich das in den Jahren, die Du hier liest und kommentierst eigentlich rübergebracht hätte.

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Es bleibt die sehr ernste Frage, wer denn bitteschön "korrekte Terms of Trades" festlegt?
Ironischerweise führte nun gerade Indiens und Chinas erfolgreicher Aufbau marktwirtschaftlicher Strukturen zu den günstigsten Terms of Trades für Rohstoff Exporteure seit 1919. Und zwar auch in dieser Krise. Die Preise für Öl, Kupfer, etc. sind über dem Niveau von 2004.
Auch wenn sie sich wirklich Mühe geben, können Schwellenländer sich den Sozialhaushalt von Industrieländern schlicht und einfach nicht leisten, ohne die Tragfähigkeit der Ökonomie aufs Spiel zu setzen. Und genau dies wiederholt sich immer mal wieder. Unter der anfänglichen Begeisterung und späteren Vergessen der pendejos sin fronteras.
Und ein geringerer Sozialhaushalt als in Industrieländern bedeutet nicht, dass sich dieser in verschiedenen Ländern nicht erhöhen lassen und effektiver eingesetzt werden könnte.
Wo sollen denn bitte die Arbeitnehmerrechte der magrebinischen Jugendlichen herkommen, wenns dort kaum Arbeitsplätze für eine explodierte Bevölkerung gibt?
Es gab in der Geschichte immer wieder Gesellschaften, die sich in unhaltbare Zustände gebracht haben (s. Jared Diamond, Collapse). Wir haben dafür eine Verantwortung. Die kann aber nur begrenzt sein, weil wir das von hier weder mikromanagen können noch wollen.

Politik ist eben die Kunst des Möglichen.

Es gibt da keinen einfachen Weg raus.

Alles andere erinnert mich an den Vorschlag "Mögen sie doch Kuchen essen, wenn kein Brot da ist".

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Was die Glocke und der Antiimperialismus gemein haben.
@ salt

Schau mal, das mit dem Begriff "Antiimperialismus" ist manchmal wie bei Alice im Wunderland:

Alice trifft im Wunderland einen seltsamen Kerl namens Goggelmoggel und führt mit ihm ein Gespräch darüber, daß man zwar an 364 Tagen im Jahre etwas zum Ungeburtstag geschenkt bekommen kann. Goggelmoggel erwidert, daß man nur an einem Geburtstag etwas geschenkt bekommen kann und fügt hinzu: "Wenn das keine Glocke ist!" "Ich verstehe nicht, was Sie mit Glocke meinen", sagte Alice" Goggelmoggel lächelte wissend, wie ein Abonnent der "Schriften": "Wie solltest du auch ich muß es dir doch zuerst sagen. Ich meinte: Wenn das kein einmalig schlagender Beweis ist." -"Aber Glocke heißt doch gar nicht ein "einmalig schlagender Beweis"; wandte Alice ein. "Wenn ich ein Wort gebrauche"", sagte Goggelmoggel in recht hochmütigem Ton, "dann heißt es genau, was ich für richtig halte nicht mehr und nicht weniger."


@ che
Hast ja grundsätzlich recht, aber salt in der Sache imho noch mehr.

Und Skalverei hat imho wenig mit "Neoliberalismus" zu tun sondern mit skrupelloser, menschenverachtender Ausbeutung, und die hat leider alle Haut- und politischen Farben.

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wir benötigen 2, 3, viele Globalisierungsdebatten
... da schwingt immer das alte Denken mit von wegen Trikontinent als Objekt. Die Welt wird eindeutig multipolarer.
China, Indien, Brasilien, etc. sind weniger von der Krise betroffen. Das Reich der Mitte(l) besaß die Bimbes und die organisatorische Straffheit (find die Straffheit nicht gut, auf lange Sicht vermutlich ein Problem), um ein Mega-Konjunkturprogramm aufzusetzen. Genau deshalb sind die Rohstoffpreise nämlich wieder auf ein recht hohes Niveau gestiegen. In Brasilien werden seit März (!) wieder Arbeitsplätze geschaffen.
Wir werden in den kommenden Jahren mit der hohen Staatsverschuldung zu kämpfen haben. Das kann bis zur Herabsetzung der Kredit-Ratings der sogenannten Industrieländer führen. In den Schwellenländern gibts aber praktisch keine für den Steuerzahler kostspielige Banken-Crashs. Die hatten auf Grund der Erfahrungen mit Crashs in der jüngeren Vergangenheit eine wesentlich weniger permisive Banken-Gesetzgebung. Im übrigen sind die sowieso weniger staatsverschuldet, weil die nämlich bereits vorher schlechtere Kredit-Ratings hatten und sich aus Kostenüberlegungen eher entschuldeten.

Gleichzeitig steigt bei uns die Anzahl der Firmenübernahmen durch ostasiatische und brasilianische Unternehmen. Die sind am Wissen und der funktionierenden Strukturen der übernommenen Unternehmen interessiert. Laut eines Artikels in der letzten Zeit wollen die diese übernommenen Unternehmen nicht ausschlachten sondern sensibel in ihre Geschäftsprozesse integrieren.

Aus sozialpolitischer Perspektive müssen wir halt nur aufpassen, dass sich Sozialstandards in Richtung der Aufsteiger diffundieren, sondern umgekehrt.

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Trikont als Objekt spielt schon lange keine Rolle mehr
sondern Fragen von der Dritten Welt in der Ersten (Prekarisierung, Ghettobildung, Sklavenjobs, working poor in de Metropolen) über die Bedeutung der Migrationsarbeit bis hin zur Reproduktion der neuen Zentren durch Gleichzeitigkeit in der Ungleichzeitigkeit: hochmoderne Industriecluster (Bangalore, Mumbay, Shanghai, Hangzhou, Ninbo, Shonxi, Tianjin, Rio De Janeiro, Porto Alegre, Belo Horizonte) und mittelalterliche Strukturen mit hörigen Bauern (Indien), bettelarmen Subsistenzbauern, die für Industrieansiedlungen von ihrer Scholle vertrieben werden (China), einer ambivalenten Landlosenbewegung und um das pure Existenzrecht kämpfenden Indigenen (Brasilien). Darum geht es schon seit 25 Jahren.
In den Zusammenhang steht auch der obige Artikel. Wobei nichts davon Deine Aussagen falsifiziert, es ergänzt sie nur und gibt ihnen eine andere Richtung.

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Ja gut. Dann geht es um etwas, das ich Permissivität nennen würde. Globalisierung im aktuellen Kontext wird von vielen Beteiligten aus einer Kombination von einer Zunahme an Streß und (zumindest bei "Aufsteigern") und mehr Möglichkeit wahrgenommen. Dies senkt die Akzeptanz der Mehrheitsgesellschaft gegenüber randständigen Lebensformen (Permissivität).
Gegenüber den Landlosen in Brasilien gibts immer wieder Beschwerden von wegen bordellartige Zustände und so ein Zeug. Jede Ausweitung der chilenischen Indianer-Schutzgesetzgebung führt automatisch zu einer Kostendebatte in den dortigen Medien (Wasserkraftwerke, Forstwirtschaft).
Eine Chilenin hat mir mal erzählt, dass sie als Mädchen absolut pro-Indianer war (von wegen der ihr Land), dann aber die Meinung geändert hat, weil die Indianer das Land nur sehr extensiv nutzen (ein entwicklungs-patriotischer Gedanke).

Globalisierung kann aber auch positive Effekte haben. Z.B. dieser Ami-Reich aus der Modebranche, der im großen Stil in Südchile Araukanier-Wälder konserviert. Die auch von uns gesponsorten nicht-Eingeborene no-go areas im Osten Amazoniens. Oder auch der von der Bundes-Regierung unterstützte Vorschlag Rafael Coreas, gegen Geld auf weitere Erschliessungen von Ölfeldern im ecuadorianischen Tropenwald zu verzichten.

Ich denke, dass es einen Zielkonflikt zwischen größtmöglichen Wachstum und Sozialen Reformen gibt. Wirtschaften, in der du einen Trupp Bauarbeiter für kaum Geld bekommst, können ein höheres Wachstum erreichen. Die für mich wirklich größte Enttäuschung der neoliberalen Phase sind einfach die zu geringen trickle down Effekte. Dadurch lief der hardcore Neoliberalismus auch in ein Legitimitätsproblem in vielen Schwellenländern (s. aktuell Thailand).
Sozialstandards sollten deshalb irgendwie schon in den WTO Prozess integriert werden.

Auf der anderen Seite können erfolgreiche Aufstiegsländer mehr Geld etwa für die Subventionierung von Wohnraum und im Gesundheitswesen zum Wohle der unteren Mittelschicht/Unterschicht bereitstellen. In der chilenischen Praxis geht da inzwischen einiges. Für Brasilien gilt sicher das gleiche. Noch mehr wäre sicher besser.

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