Montag, 30. Oktober 2006
Preisfrage
Wo in der westlichen Welt gab es einen christlichen Kommunismus, der über Jahrhunderte funktionierte?

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in Bayern ....

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Weitere Mutmaßungen?

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Vatikanstadt

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Ganz falsch!

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Athos?

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Albanien/Mazedonien/Südserbien (Zadruga, Du sprachst kürzlich darüber)?

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Die Zadruga, eine über Jahrhunderte gewachsene Klangesellschaft in Ex-Jugoslawien mit Allmendewirtschaft, wäre ein sehr schönes Beispiel, das ich aber gar nicht gemeint habe. Ich dachte an die Azoreninsel Corvo, auf der von 1598 bis 1971 die Produktionsmittel (Schaf- und Ziegenherden) allen gemeinsam gehörten und auch heute noch, nach dem Einzug des Kapitalismus, Diebstahl und abgeschlossene Türen unbekannt sind.

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Das, Che, ist mal wieder aus Deiner Kollektion "alle Ärsche dieser Welt". Was gab es bei der Preisfrage eigentlich zu gewinnen?

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Für zusätzliche Antworten: Zählen auch christliche Ordensgemeinschaften?

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Ich tippe mal auf San Marino.

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Paraguay?
Wie war das eigentlich mit den Jesuiten in Paraguay? Das hat mich schon länger interessiert, habe da während der WM irgendwas gelesen - weiß das jemand?

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Ja, kommt später mal, wenn ich dazu Zeit habe.

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Die alleinige Vergesellschaftung der PM rechtfertigt noch lange nicht den Begriff Kommunismus. Was du als Kommunismus bezeichnest oder darunter verstehst ist keiner, Kommunismus ohne Diktatur in Wirtschschaft, Kultur, Politik, Exekutive und Legislative ist keiner, Einschränkung der bürgerlichen Rechte und Freiheiten inbegriffen. Schon das Wort "bürgerlich" war ein Schimpfwort. Was da auf der Insel abging war eher eine Genossenschaft, was Kibbuz-artiges, aber kein Kommunismus.

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Sprach Marx (außerhalb der Diktatur des Proletariats, die er in der Pariser Kommune verwirklicht sah, die keine reale Diktatur war),von einer Diktatur? Ist der ursprüngliche Kibbuz nicht näher an der ursprünglichen Idee des Kommunismus, als der leninistische Kasernenhofstaat (inklusive seinem Hofstaat, der Nomenklatura)? Sprach nicht der Anarchist Bakunin vom kommunistischen Anarchismus? Denke einmal Kommunismus ohne Lenin und Nachfolger! Übrigens hieß diese Gesellschaftsform auf Corvo Kommuntarismus, ohne die Bedeutung, die dieser Begriff heute hat.


Demokratie war im Sklavenhaltersystem Athens auch etwas Anderes als die heutige Begriffsbedeutung.

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Was passierte eigentlich 1971 und wie sieht es heute dort aus?

Che, wir hatten einmal eine von meiner Seite nicht besonders unverkrampft geführte Diskussion über das (Privat)Eigentum an Produktionsmitteln. Im kleinen Rahmen (Dorf, kleine Insel, Kibbuz, Genossenschaft) ist eine solche Gesellschaftsform für mich dann in Ordnung, wenn alle freiwillig mitmachen und wenn sie innerhalb der freien Marktwirtschaft einen Platz finden ...

Für mich wäre es wahrscheinlich nicht die richtige Form des Zusammenlebens, obwohl für mich freiwillige gegenseitige Hilfe und freiwillig ausgeübte Solidarität wichtige Werte sind. Aber ich will nicht ausschließen, dass ich es einige Jahre in einer gut ausgesuchten Gemeinschaft Gleichgesinnter ohne Privateigentum und mit einem gemeinsamen Projekt aushalten könnte.

Im großen Rahmen (Bundesland oder Deutschland) hat es aber noch nie funktioniert und kann es IMHO auch nicht ohne Gewalt, Zwang und Unterdrückung funktionieren. Alle bisherigen Umsetzungen im großen Rahmen sind letztlich doch an der Wirtschaft gescheitert. Da kannst Du Lenin und seine Nachfolger noch so schön ausklammern ;-)

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Siehst Du es mir nach, wenn ich darauf erst morgen oder später antworte? Du sollst eine ausführliche Antwort bekommen, aber jetzt habe ich nicht die Zeit dazu.

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Natürlich. Ich kann selbst erst ab Samstagabend wieder die Zeit zum Lesen und ggf. zum Verfolgen von Verknüpfungen finden. Bis dahin habe ich dann auch noch mal über meine eigene Position nachgedacht.

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@momorules: In Paraguay errichteten die Jesuiten einen Modellstaat, der wirtschaftlich auf der Kultivierung eines besonders guten und sehr teuren Tees (Jajava-Mate) basierte, der von den missionierten Indios angebaut wurde. Die Indios waren, im Unterschied zu den sonstigen Kolonien in Südamerika, vollfrei, also weder versklavt noch Leibeigene, und die Jesuiten führten einen frühen Sozialstaat mit kostenloser Krankenversorgung und Rentenversicherung ein. Dieses System wurde Mitte des 17.Jahrhunderts vom Vizekönig von Peru, dem Oberherrn der spanischen Kolonien in Südamerika, zerschlagen, weil er seine Anziehungskraft auf die Indios in den Kolonien fürchtete. Der Papst entzog hierfür den Jesuiten seinen Schutz.

@stefanolix: Corvo war 1598 von portugiesischen Bauern besiedelt worden, die damit Armut und Leibeigenschaft in ihrer Heimat entkamen. Ihre kommunitäre Gesellschaft existierte in weitgehender Isolation vom Rest der Welt, die 1971 durch eine regelmäßige Fährverbindung und Telefonanschlüsse über die Insel hinaus aufgehoben wurde. Bis dahin gab es auf Corvo keine Geldwirtschaft, Gebrauchswerte wurden getauscht. Mittlerweile hat der Kapitalismus zwar Einzug gehalten, aber recht gebremst, da die Leute weiterhin von Subsistenz-Landwirtschaft leben. Diebstahl ist unbekannt, und niemand würde auf die Idee kommen, eine Tür abzuschließen.

@netbitch: Klar ist das einer der Ärsche der Welt, wenn auch nicht so schnuckelig geformt wie Deiner.

Generell: Natürlich funktioniert eine kommunitäre Gesellschaft in einer abgeschlossenen Gemeinschaft anders, als es im Weltmaßstab gehen könnte. Für mich hat so etwas also keinen Modellcharakter für irgend etwas. Aber ich finde, immer auf der Suche nach Alternativen zum Bestehenden, nach Orten, wo es gut zu leben ist und auch einfach in meiner Eigenschaft als Amateur-Ethnologe (der geschichtswissenschaftliche Ansatz, dem ich verbunden bin, hat Einiges mit Ethnologie zu tun) so etwas zumindest sehr interessant. Andere Ärsche der Welt, für die ich mich interessiere und die ich hoffentlich nochmal besuchen werde, sind Pitcairn Island (wo die Bevölkerung mit Nachnamen überwiegend Fletcher oder Christian heißt und der Nationalfeiertag Bounty Day), Nuie Island (bekannt als Serverknoten mit der Länderendung NU, Wohlstand finanziert durch Domains in einer Urheberrechtsoase) und Tristan da Cunha, die entlegenste Insel der Welt.


Die bessere Gesellschaft.... Also, ich folge Marx insoweit, als dass ich es für wahrscheinlich halte, dass der Kapitalismus irgendwann an sich selber zugrundegehen wird, wenn keine weitere Akkumulation mehr möglich ist, es sei denn, die menschliche Zivilisation expandiert im großen Stil ins Sonnensystem. Irgendeine neue Gesellschaftsformation wird kommen, sie wird auch nicht ohne Kämpfe kommen, aber ich bin nicht sicher, ob wir sie uns überhaupt schon vorstellen können. Ansonsten kann ich nur allgemein sagen, dass ich für eine massive Verstärkung der genossenschaftlichen Anteile in einer Volkswirtschaft bin, für eine Beschränkung der Macht der großen Konzerne, für Wirtschaftsdemokratie im Sinne einer paritätischen Mitbestimmung der Belegschaften in allen Branchen (und nicht unbedingt vermittelt über bürokratische Gewerkschaftsapparate), dafür, dass bestimmte Schlüsselindustrien (Rohstoffe, Energieerzeugung, Rüstung) im Interesse des Gemeinwohls in Staatshand sein sollten, und ganz generell für eine direktere Demokratie als wir sie haben. Unter den gegebenen Möglichkeiten würde mir wohl eine Mischung aus norwegischem Sozialstaat und einer direkten Demokratie wie in der Schweiz (allerdings ohne die dort verbreitete Frauendiskriminierung) schon ganz passabel erscheinen. Den Anspruch, eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus zu errichten will ich hierbei nicht aufgeben, aber ich glaube nicht, einen konkreten Entwurf vorschlagen zu können. Und vielleicht ist es ja gut, Suchender zu bleiben - die großen Weltverbesser haben bisher zumeist verschlimmbessert. Endlich weiß ich nicht, ob es den großen Entwurf gibt, der für den ganzen Planeten tauglich ist.

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Vielen Dank für die Antworten zu den Jesuiten und zu Corvo. Zwei kurze Rückfragen in meiner Mittagspause:

Du hast aber in Deine Überlegung einbezogen, dass der zu verteilende Reichtum Norwegens vorwiegend auf der Ölförderung beruht und dass dieses Modell deshalb nicht so einfach auf uns als rohstoffarmes Land übertragbar ist?

Wodurch werden die Frauen in der direkten Demokratie der Schweiz denn heute noch benachteiligt? Meine Bekannten aus Zürich dürfen bei allen Abstimmungen als Ehepaar mit zwei unabhängig voneinander abgegebenen Stimmen teilnehmen ;-)

Die letzten beiden Sätze klingen ja fast schon altersweise. Meinen Widerspruch gegen andere Teile Deiner Gedanken muss ich noch in Ruhe formulieren.

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Dass das mit Norwegens Öförderung kommen würde, war vorausszusehen. Klar ermöglicht der Reichtum aus der Öl- und Gasförderung die Finanzierung des norwegischen Sozialstaats, aber Norwegen hatte schon staatliche Sozialleistungen, als es bei uns noch Leibeigenschaft gab, nämlich vor der französischen Revolution. Es gibt rohstoffreiche Länder, die ihre Gewinne nicht in die öffentliche Wohlfahrt pumpen. Es steckt also eine bestimmte Mentalität und eine bestimmte politische Kultur dahinter. Auch hierzulande wären mehr soziale Leistungen möglich, wenn die nicht bürokratisch verwaltet, sondern einfach ausgeschüttet würden.

In der Schweiz gibt es zumindest einzelne Kantone, in denen das Recht auf Teilnahme an Volksabstimmungen auf Männer beschränkt ist. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit der 1970er Jahre wurde, so schreibt jedenfalls der schwedische Politikwissenschaftler und Sozialexperte Göran Terbon, auf "sexistische und rassistische Lösungen" zurückgegriffen: Frauen zurück an den Herd, Ausländer ausweisen. Ich bin nun wirklich kein Schweiz-Experte, aber die gelebte Wirklichkeit sieht dort nicht immer so aus, wie es das Modell vermuten ließe, daher äußere ich einige kritische Nebenbemerkungen, wenn ich mich positiv zur Schweizer direkten Demokratie äußere.

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Aber so ein bißchen Revolutionsromantik sollte schon sein?! Markige, zackige Hymnen und wehende Fahnen statt Hödde hödde Smörebröd?

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Che´s Idee einer demokratischeren, stärker genossenschaftlich organisierten Wirtschaft mit Verstaatlichung bestimmter Branchen, Direktdemokratie und einem neuen, vor allem an Freiheit, Schutz und Wohlfahrt von (schwachen) Normalbürgern orientierten Staatsverständnis:

[x] ist nicht meine Idee
[x] könnte dennoch eine gute Idee sein
[x] setzt allerhand politische Kämpfe voraus
[x] lässt sich auch mit Fahnenkolorit schmücken
[ ] ist der logisch nächste Schritt zur Weltrevolution

Venceremos Socialliberalismo!
Desde el hondo crisol de la patria
se leranta el clamor popular,
ya se anuncia la nueva al borada
todo Alemania comience a cantar.
Recordando al soldado valiente
cu yo ejempla lo hiciera inmortal
enfrentemos primero la muerte,
traicionar a la patria, jamás!

|: Venceremos liberalismo,
mil cadenas habrá que romper.
Venceremos, venceremos,
la miseria sabremos vencer. :|

Campensinos, soldatos y obreros,
la mujer de la patria también
Estudiantes, empleados, mineros,
cumpliremos con nuestro deber.
Sembraremos las tierras de gloria,
socialiberismo será el porvenir,
todos juntos seremos la historia;
a cumplir, a cumplir, a cumplir!

Venceremos, venceremos ...
Sind das genügend wehende Fahnen für den Anfang?

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Si, compadre!!!!!

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Ihr könnt´s echt nicht lassen! *grins*

Dann muss aber auch der Lebemann seine Lamettauniform und sein Zynikerdenkmal bekommen. Ich sah ja im erweiterten Kaukasien jede Menge Beton- Bronze- und Eisenhelden, da könnte man sich was raussuchen....

Und vielleicht der Nörgler in der Pose der Freiheitsstatue, nur statt Verfassung und Fackel die Marx-Kraus-Horkdorno-Gesamtausgabe und den Korrekturrotstift in Händen. Und Don mit einem riesigen Buffet....

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Das mit der Schweiz stimmt so nicht. Frauenstimmrecht auf Bundesebene gibt es dort seit 1971. Die meisten Kantone haben es dann auch relativ schnell eingeführt, soweit sie es nicht vorher schon hatten. Denn in der Schweiz können Kantone dank ihrer Autonomie problemlos fortschrittlicher als der Bund sein, im Gegensatz zu deutschen Ländern. Lediglich bevölkerungsarme, ländliche Kantone sträubten sich noch eine Weile. 1989 entschloß sich Appenzell-Außerrhoden, freiwillig durch Volksabstimmung das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene einzuführen.

In Appenzell-Innerrhoden weigerte man sich weiterhin, aber das half nichts. Ende 1990 entschied das Bundesgericht, daß auch dort das Frauenstimmrecht einzuführen war, ohne direkt-demokratische Legitimierung. Was ich für einen Fehler halte, und zwar nicht materiell, sondern formal. Da wurden die direkte Demokratie und die Autonomie des Kantons mit Füßen getreten.

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Wieder was hinzugelernt. Ich muss gestehen, das letzte Mal, dass ich mit Schweizer Politik etwas zu tun hatte, war deutlich vor 1989, abgesehen von asylpolitischen Angelegenheiten.

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@che:

Danke!

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